Boris Palmer und die Grünen, Barcelona und der IS

Boris Palmer ist zur Hälfte drinnen und zur Hälfte draußen bei seiner Partei. Erinnert an Bosbach und andere in allen Parteien. - Musste Barcelona sein, um das ramponierte Image des IS bei den Anhängern aufzupolieren? Gute Fragen.

«Ich habe nicht eine Sekunde an einen Austritt gedacht. Ich habe einen Konflikt mit einem Teil der Partei in der Flüchtlingspolitik. Aber die Themenfelder, um die es mir eigentlich geht, Klimaschutz und Ökologie, da gibt es keine andere Partei, die das ernsthaft betreibt. Und ich überlass’ die Partei auch nicht denen, die einen unrealistischen Kurs in der Flüchtlingspolitik fahren wollen, der sich letztlich mit „offene Grenzen“ übersetzen lässt.»

Antwortet Boris Palmer im Interview mit Die Presse am Sonntag. In Österreich ist das wohl prominenteste Gründungsmitglied der Grünen ausgetreten und tritt mit einer eigenen Liste zur Nationalratswahl am 15. Oktober an – wie Sebastian Kurz, der aber unter Übernahme der ÖVP.

«Dann würde ich zur Hälfte CSU wählen»

Die Presse fragt: «Sie sagen, die Flüchtlingsdebatte läuft im ganzen Land falsch ab. Inwiefern?» Palmer antwortet: «Es wird zu viel verurteilt und moralisiert und zu wenig diskutiert und differenziert.» Die Presse hakt nach: «Was dürfen Sie denn nicht sagen, ohne verurteilt zu werden?»

Palmer: «Sie können über Kriminalität von Flüchtlingen nicht reden, ohne dass sie sofort mit Begriffen wie braune Soße und Hetze belegt werden. Das macht es sehr, sehr anstrengend. Und wenn man umgekehrt das Erreichte in den Vordergrund stellt, dann wird einem sofort Naivität oder im schlimmsten Fall der Wunsch zur Umvolkung Deutschlands unterstellt. Beide Seiten hören sich nicht zu. Dazwischen sitzt die Mehrheit der Leute und schüttelt den Kopf.»

Die Presse lädt Palmer zum Gedankenexperiment ein: «Wen würden Sie denn wählen, wenn nur die Flüchtlingspolitik der Parteien zur Abstimmung stünde?»

Palmer: «Ich würde meine Partei zur Hälfte wählen, überall da, wo sie Menschlichkeit, Integration und Hilfe zum Maßstab macht, aber ich würde es ergänzen durch eine Hälfte CSU, wegen der nötigen Steuerung und Regulierung des Zustroms.»

Die Presse: «Warum nicht eine Hälfte CDU? Angela Merkel ist programmatisch doch längst nicht mehr die Willkommenskanzlerin.»

Palmer: «Nein, ist sie nicht. In der Praxis unterscheidet sich ihre Politik gar nicht mehr von der CSU. Aber die Rhetorik kann ich nicht mittragen. Das erstaunliche an Angela Merkel ist ja, dass sie für ein halbes Jahr mit ihrer Politik der offenen Grenzen einen Kontrollverlust zugelassen hat, und den dann mit einem moralischen Imperativ so aufgeblasen hat, dass wir in Deutschland nur noch über Gut und Böse reden. Und nach einem halben Jahr war das alles vorbei und seither hat sie einen Pakt mit der Türkei gemacht und ist wahrscheinlich innerlich ganz froh, dass die Balkanroute geschlossen wurde. Diesen Politikstil finde ich schwer verdaulich.»

Tja, Boris Palmer ist halt zur Hälfte drinnen und zur Hälfte draußen bei seiner Partei. Erinnert an Bosbach und etliche andere in allen Parteien. Würden sie alle austreten und eine Arbeitsgemeinschaft zur Reform des deutschen politischen Systems in Gang setzen, könnte das was bewirken. Aber vielleicht stoßen das ja Kurz und Pilz an und es strahlt auf den großen Kanton aus, wie die Schweizer zu Deutschland manchmal sagen.

„Morden gegen den Untergang des Kalifats“

«Mit den Anschlägen in Barcelona wollte der Islamische Staat auch sein ramponiertes Image aufpolieren. Denn die Terrormiliz ist eigentlich am Ende.» So die interessante These von Alfred Hackensberger. Er erinnert an die Szene vor drei Jahren: «Abu Bakr al-Baghdadi, der Führer des sogenannten Islamischen Staates (IS), beginnt seine große Rede auf der Kanzel der al-Nour-Moschee in Mosul. Der Mann in schwarzer Robe und mit schwarzem Turban auf dem Kopf, der ihn als Abkömmling des Propheten Mohammed ausweist, ruft das Kalifat aller Muslime aus. Sich selbst erklärt er zum auserwählten Imam und Emir.»

FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG 20. August 20127
Unterernährung, wohin man blickt im Überflussland
Heute sehe alles ganz anders aus. Zwar hätten sich Zehntausende aus aller Welt dem IS angeschlossen: «Nur, das glorreiche Kalifat, das Istanbul, Rom und al-Andalus „zurückerobern“ wollte, liegt in Trümmern. Aus dem Irak wurde der IS fast komplett vertrieben. In Syrien ist Raqqa, die Hauptstadt des Kalifats, hoffnungslos eingekesselt. Und al-Baghdadi soll tot sein, wie Menschenrechtsbeobachter und Medien im Juli gemeldet haben.» Es sei ein führerloser IS im rasanten Fall in die militärische Bedeutungslosigkeit. Die Fußsoldaten hätten an den Sieg mit Allahs Hilfe geglaubt, die Führungselite um al-Baghdadi nicht, schließlich habe sie sich aus ehemaligen Geheimdienstlern und Militärs von Saddam Hussein zusammengesetzt.

Hackensberger berichtet: «Die Anschläge in Barcelona waren viel größer geplant … Die Attentäter hatten Dutzende mit Sprengstoff gefüllte Gasflaschen in einem Haus in Alcanar … vorbereitet. Nicht auszudenken, wenn die mit Kabeln verbundenen Gasflaschen auf einem Fahrzeug in einer Menschenmenge gezündet worden wären. Nur aufgrund des Dilettantismus der Täter wurde ein Blutbad verhindert. Einer von ihnen hatte sich Tage vor dem geplanten Anschlag selbst in die Luft gejagt. Mittlerweile ist klar, dass drei mehr oder weniger simultan ablaufende Anschläge an verschiedenen Orten geplant waren.»

Und: «Der IS wollte in Barcelona unbedingt ein Zeichen setzen, dass er selbst im Untergang noch zu Mordanschlägen fähig ist. Rache für den Verlust von Mosul ist mit inbegriffen, wie Internetbotschaften von IS-Anhängern nahelegen: „Ihr kämpft in unserem Land, nun kommen wir zu euch, um Krieg zu führen.“»

«Ist der Untergang des IS ebenfalls Teil ihrer Strategie?», fragt Hackensberger, «Soll mit dem Ende der Organisation eine noch stärkere Idee geboren, ein noch größeres, mächtigeres Gespenst erzeugt werden? In dessen Namen man weitere Attentate begeht?»

Beunruhigende Aussichten. Findet der Westen eine Strategie? Oder wursteln die Regierungen weiter einzeln vor sich hin?

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Kommentare ( 22 )

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22 Comments
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6 Jahre her

In Bayern ist das zumindest bezüglich MINT anders.

GermanMichel
6 Jahre her

Nachdem die Kirche die Macht über die Seelen verloren hatte, sind die Gut-Menschen in dieses Vakuum vorgestoßen.

Nichtzufassen
6 Jahre her

Klimawandel war immer und ist eine globale Konstante, die nicht unbedingt etwas mit dem Umstand zu tun hat, dass Menschen auf der Erde leben.

Die Grünen nutzen das Thema nur, um sich zu bereichern, und unser Land zu vernichten, das sie aus mir unerfindlichen Gründen hassen. Palmer ist nicht besser oder schlechter als alle Grünen. Also unterstes Regalbrett.

Das wirklich Schlimme ist, das die Deutschen diesen grünen Mist glauben.

Reinhard Peda
6 Jahre her

Für die Muslime ist er kein Muslim:

https://de.wikipedia.org/wiki/Abdus_Salam

Sabine Ehrke
6 Jahre her

Wozu brauchts den IS noch, wenn man den Islam im eigenen Hause hat.

Pe Wi
6 Jahre her

Es ist naiv zu glauben, dass der IS am Ende wäre. Er ist ein Zusammenschluss muslimischer Menschen, die kriegerisch die Suren des Koran in einen Staat festzurren wollten. Wenn die Organisation aufgelöst wird/sich auflöst, werden die muslimischen Kämpfer und deren Anhänger, die die Idee des IS tragen, nicht verschwinden. Die Imame werden weiterhin die Ideen des Koran in die Köpfe der Menschen dort und hier hämmern. Was bedeutet schon das Kürzel IS? Es ist nicht viel anders als Al Nusra oder Muslimbruderschaft, Abu Sayaff und wie sie alle noch so heißen. Und was bedeutet es schon, wenn ein Zusammenschluss offiziell… Mehr

Pe Wi
6 Jahre her

Eh machen Sie sich doch nicht lächerlich. WO bitteschön haben Grüne einen gesunden Menschenverstand? Deindustrialisierung? Wenn man bis zu Ende denkt: Dreifelderwirtschaft? Energiegewinnung mit Rückkehr ins Mittelalter? Uns vorschreiben, was wir essen sollen, wie wir uns fortzubewegen haben, wie wir zu denken haben, wie unser Kultur abzuschaffen ist bzw. uns unsere eigene Kultur abzusprechen, Grenzen nicht mehr haben wollen, das Leid der ganzen Welt uns auf die Schultern packen, die es niemals tragen können, unseren Sozialstaat kaputt machen und vieles anderes mehr. Gesunder Menschenverstand sieht anders aus. Und viel wichtiger wäre nicht ein gesunder Menschenverstand, weil der irren kann, sondern… Mehr

Martin
6 Jahre her
Antworten an  Pe Wi

Die Grünen sind einst damit angetreten, dass ohne sie in fünf Minuten der Wald sterbe. Wie es aber aussieht, wäre in der Wald das Einzige, was mit den Grünen in diesem Land in Zukunft übrig bliebe.

The Bro
6 Jahre her

Es ist das Szenario der Angst die unsere Apokalyptiker (Grüne) anschneiden. Mit diesem Halbwissen beeindrucken sie die Unwissenden oder die, die nicht in der Lage sind sich selbst zu informieren. Wenn man Äußerungen von Claudia Roth u.A. als gesunden Menschenverstand empfindet ist man dort gut aufgehoben.

Marc Hofmann
6 Jahre her

Den Terror des Islam gibt es seit den Anfang Zeiten des Islam. Der Islam ist ein Radikaler Glaube…eine Gehirnwäsche…die in sich Intoleranz und Gewalt gegenüber Andersgläubigen trägt. Somit wird es den Terror des Islam solange geben, solange es den Islam gibt. Merkel hat diesen Terror mit ihrer offenen Grenz- und illegalen Eiwanderungspolitik wie ein trojanisches Pferd in das Herz Europa (Deutschland) einmarschieren lassen. Wir stehen in Deutschland erst am Anfang einer Zeit des Islamistischen Terror….und zu diesen Terror werden sich mehr und mehr anderer Verbrechen, Gewalttaten, Terroreinheiten dazu gesellen….der Deutsche Staat wird seine Gewalthoheit Stück für Stück an diese Terrorwalze… Mehr

Philoktet
6 Jahre her
Antworten an  Marc Hofmann

Gut auf den Punkt gebracht. Ich sehe das genauso.

Fritz Goergen
6 Jahre her

Hackensberger skizziert zwei verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten, die ich beide nicht als Kleinreden verstehe.