Tichys Einblick
Blick zurück - nach vorn

Blackbox KW 47 – Nur zu unserem Besten …

Jetzt ist also schon das dritte Schutz-Gesetz verabschiedet. In dem Tempo ist vor der Wahl das Dutzend voll. Ach, und keine Satire: Vor Abschiebungen ist die Nachtruhe zu beachten!

Wenn Sturm aufkommt und die Wellen brechen, ist keine Zeit für Demokratie (nach Käpt’n Hook). Dann ist es gut, dass das Schiff nur einen Kapitän hat, und alles hört auf sein Kommando. Deshalb haben wir jetzt das „Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“. Da wird dann endlich auch auf unserem Traumschiff pariert statt diskutiert.

Warum das dritte Gesetz, wo doch erst im März das erste und im Mai das zweite Corona-Schutz-Gesetz erlassen wurde? Nun, das Virus mutiert ja schließlich auch, außerdem arbeitet sich Justizministerin Lambrecht immer noch ein.

♦ Damit gehören auch solche Lümmeligkeiten wie die vom Beginn der Woche endgültig der Vergangenheit an: Die Kanzlerin hatte den Ministerpräsidenten einen Beschluss zur Unterschrift vorgelegt, und Laschet vom Homeland NRW maulte, er verstehe nicht, „wie und warum diese Beschlussvorlage zustande kam“, Sachsens Kretschmer, CDU, will in dem Vorschlag nichts mehr davon wiedergefunden haben, „was zuvor über Schulen besprochen wurde“. Selbst für Merkels Musterknaben, den Schleswig-Holsteiner Daniel Günther, waren die geplanten Maßnahmen „schwer verständlich“. Nun ist es egal, ob Daniel was versteht oder Kretschmer was nicht wiederfindet.

♦ In gebührlichem Abstand zum Parlament glaubten mehrere tausend Bürger, ihren Unmut über das Bevölkerungsentmündigungsgesetz kundtun zu dürfen und zogen mit Trommeln, Pfeifen, Regenbogenfahnen und Kindern zum Brandenburger Tor. Aber nicht im rotrotgrünen Berlin! Da gehört die Straße der Antifa. Deshalb vermöbelte die Stadtpolizei hunderte friedliche Bürger und „beregnete“ (Polizeisprecher) Männer, Frauen und Kinder per Wasserwerfer „Blu 2“. Die hartgesottene Polizeipräsidentin Slowik: „Einzelne Stimmen haben mir gesagt, sowas haben wir in Berlin seit Jahrzehnten nicht erlebt.“ Da dieselben einzelnen Stimmen ihr auch geflüstert hatten, dass vor allem Rechtsextreme auf der Straße waren, ging das mit der Polizeigewalt für sie offenbar in Ordnung.

♦ Während Berlin brannte (literarisch zulässige Übertreibung), stand Corona-Karl Lauterbach am Fenster seines Parlamentsbüros und betrachtete gerührt sein Werk. „Diese Leute vor meinem Fenster werden mir heute nicht die gute Stimmung in Anbetracht der Erfolge beim Impfstoff verderben.“

♦ Vor der Abstimmung zum Bevölkerungsentmündigungsgesetz (rein formelle Angelegenheit) befragte Menschenrechtsaktivistin Rebecca Sommer auf dem Parlamentsflur Vorbeieilende: „Sind Sie Abgeordneter?“, „Wie werden Sie stimmen?“, „Unglaublich!“ Woran erinnert Sie das, verehrte Leser, dass Abgeordnete „eingeschüchtert, drangsaliert und belästigt“ (Bild) werden? Nein, nicht an die „Jugendlichen“, die im Plenarsaal Transparente entrollten und sich dann vor dem Rednerpult tot stellten (CO2!). Die „Jugendlichen“ wollten doch nur „Druck auf die Bundesregierung machen“. Damals blieb Schäuble ganz gelassen. Auch nicht an von Linken eingeladene „Israel-Kritiker“, die Gregor Gysi bis auf die Bundestagstoilette verfolgen. Jetzt aber wurde direkt eine Aktuelle Stunde „Bedrängung von Abgeordneten verurteilen – Die parlamentarische Demokratie schützen“ einberufen.

♦ Das muss man verstehen, denn die ungebetenen Gäste waren nicht von den Grünen, sondern von AfD-Abgeordneten eingeladen worden, ein klassischer Fall von „Schleusertätigkeit“ (CDU-Grosse-Brömer) durch diese „kriminelle Schleuserbande“ (CSU-Müller). Die Linkspartei schimpfte besonders laut, schon „wegen unserer Verantwortung vor der Geschichte“ (in Weimar gab‘s statt SED noch KPD), aber auch die FDP ließ sich nicht lumpen. Marco Buschmann (FDP) empfahl, „der AfD soll das Wort Grundgesetz im Halse stecken bleiben“. Besonders tapfer war ein gewisser Schnieder von der CDU (eigentlich ein frommer Mann). Der will „den Kampf aufnehmen, hier im Haus, aber auch draußen auf der Straße“. Frank-Walter, bundesverdienstkreuzen Sie!

♦ Wenigstens gibt es prima Klima-Nachrichten! BMW stellt seine Verbrenner-Produktion in Deutschland ein und baut hierzulande ausschließlich Elektroautos. Nun muss nur noch die „politische Verantwortungsgemeinschaft“ (Lindner) mitziehen. Argumente wie „In einem Flächenland wie Brandenburg würde der Einsatz von Elektroautos nach dem derzeitigen Stand der Technik nur im innerstädtischen Bereich möglich sein“ (SPD-Finanzministerin Katrin Lange) oder „dem Elektro-BMW fehle eine Standheizung“ (Berlins SPD-Innensenator Geisel) können nicht länger hingenommen werden.

♦ Um BMW müssen sich Anleger übrigens deswegen keine Sorgen machen. Die produzieren und verkaufen ihre guten Autos eben woanders.

♦ Mit konsequentem Abstandhalten und dem grundsätzlichen Vermeiden von Körperkontakten hat sich „die Mannschaft“ von Jogi, unserem Fußball-Merkel, in die Herzen aller Hobby-Virologen und Blockwarte gespielt. 6:0 für Rücksichtnahme und Fairplay!

♦ „So schnell wie nie zuvor“ habe man einen Impfstoff gefunden, spahnte unser Gesundheitsminister im Parlament, „und dann auch noch in Deutschland.“ Bravo! Aber müsste es nicht richtig heißen, so schnell hat man noch nie einen Impfstoff gekauft, und das gleich bei mehreren Firmen? Und ist das eine Mittelchen nicht ein genverändertes Präparat? Wir fragen für unseren grünen Freund @Gen-Tomate.

♦ „Der heutige Tag ist ein weiterer Beleg dafür, dass unsere Strategie funktioniert. Das macht Mut“, hören wir einen SPD-Genossen namens Hikel jubeln, und sein Parteigenosse Geisel fügt staatstragend hinzu (er ist schließlich Innensenator): „Der Rechtsstaat setzt die Ordnung durch. Er tut das entschlossener und klüger, als manch Krimineller glaubt.“ Und der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei Cioma: „Der heutige Großeinsatz ist unglaublich professionell und sehr akribisch vorbereitet worden.“ Es sei ein entscheidender Beitrag dazu geleistet worden, „Täter in der organisierten Kriminalität nicht ungeschoren davonkommen zu lassen“. Was ist geschehen?

♦ Das beantwortet am besten die taz: „1.638 Polizist:innen machen in Berlin Razzien wegen ein paar geklauter Klunker.“ Soll heißen, die 1.638 Dingens nahmen drei „deutsche Staatsbürger“ fest, die in den Dresdner Kunstraub verwickelt sein sollen. Zwei „deutsche Staatsbürger“ sind trotz des „unglaublich professionellen und akribisch vorbereiteten Großeinsatzes“ (Eigenlob s.o.) auf der Flucht. Auch von der Beute keine Spur. Der Humorist der taz ärgert sich nun, dass so viel Bohei wegen ein paar Klunkern gemacht wird. Da müssen wir allerdings korrigieren. Die Polizei kennt ihre deutschen Staatsbürger genau, und weiß, dass die Remmos gegebenenfalls nicht mit einer Reichsfahne wedeln, sondern ganz andere Kaliber im Schrank haben.

♦ In „einem offenen Brief“ an Patricia Schlesinger, Intendantin des RBB, den „zahlreiche Kulturschaffende und Initiativen unterzeichneten“, beklagte sich die Gruppe „Black Womxn Matter“, der Kabarettist Dieter Nuhr habe „die gesamte Schwarze Community und Menschen anderer Hautfarbe in Deutschland beleidigt“. Nuhr hatte behauptet, ein Buch, das den Rassisten in uns auskehren helfen will, sei „in den USA ein Riesenrenner“ gewesen. Dabei ist das Buch „der deutschen Journalistin“ da nicht einmal erschienen! Ja, Freunde! Geht das schon wieder los? Der RBB will nun „ein Austausch- und Präsentationsformat entwickeln, um gemeinsam darüber nachzudenken, wo man unter der Überschrift ‘Satire‘ genauer hinschauen müsse“. (13) Auf jeden Fall sollte der RBB auf Satire-Live-Formate verzichten – außer bei der Schlagernacht.

♦ Keine Satire: Vor Abschiebungen ist die Nachtruhe zu beachten!


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