Kurz-Zeit-Staatsmann Siggi

Alles ist steigerbar: war die vergangene Woche im Hinblick auf politischen Anstand schon denkwürdig, so setzt Sigmar Gabriel dem noch eine Krone auf!

© John Thys/AFP/Getty Images

Ganz unanständig wird es, wenn Kinder ins Spiel kommen. Das ist das untrügliche Zeichen, dass der Baum brennt, dass die Kontrahenten alle Rücksichtnahme fahren lassen, dass Stil und Anstand die ersten Verlierer sind.

Die Tochter Marie des Noch-Außenministers Sigmar Gabriel hat das nun erfahren und mit ihr eine staunende Öffentlichkeit. Sie habe ihm gesagt: „Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast Du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.“ Der Vater publizierte das Zitat in einem Interview, nachdem er, einen Tag post festum, sich erstmals zur Abkörung als Außenminister durch das Stil-Wunder Martin Schulz äußerte.

Ach Siggi Pop, Sie Kurz-Zeit-Staatsmann, ganz im Ernst: wer will wissen, was Ihre Tochter sagt? Und wenn es ein paar Zeitgenossen gibt, die das interessieren könnte, so gehört es sich dennoch nicht, Kinder in eine (partei)politische Auseinandersetzung hineinzuziehen. Ganz schlechter Stil! Es mag schon sein, dass die Umstände seiner Degradierung für Gabriel, wenn überhaupt, nur sehr schwer zu (er)tragen sind. Aber vielleicht möge sich der darin durchaus talentierte Politik-Raubauz erinnern, wen er schon alles mehr oder weniger stilvoll aus Ämtern entfernt hat. Auch an seinem stillen See ist die eine oder andere (politische) Leiche vorbeigeschwommen. Das politische Leben ist kein Mädchen-Pensionat, die Umgangsformen nicht aus einem Nonnenkloster adaptiert. Wer, wenn nicht uns Siggi sollte das wissen.

Aber er stampft wie ein kleines Kind wütend auf den Boden. Er setzt dem schlechten Stil auch noch die Krone auf, indem er nun schwerst beleidigt Termine absagt, so etwa den nicht unbedeutenden Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar oder zwei Außenministertreffen in Kuwait und Sofia. Siggi schmollt und alle sollen es sehen. Wenn wir von dem unterirdischen Benehmen einmal absehen (was schwerfällt), dann zeigt sich hier das wahre Gesicht des Sigmar Gabriel, das für ein Jahr hinter der gnädigen Maske des Chefdiplomaten im Auswärtigen Amt versteckt war. Er stellt sein eigenes politisches Schicksal über die Belange des Landes, hält sich für bedeutender als die Sache. „Ohne mich kann keiner“, scheint ihm aus jedem Knopfloch zu dringen.

Schlechter Abgang
Gabriel demonstriert an Schulz, was er unter Parteidisziplin versteht
Verehrter Herr Außenminister, gestatten Sie einem langjährigen Beobachter an der Stilfront zwei Bemerkungen: 1. Der Glaube an die eigene Unersetzlichkeit ist nicht nur unterirdischer Stil, sondern gerade in der Politik eine scheußliche Schimäre. Der Friedhof ist voll von unersetzlichen Leuten! Und zum zweiten: nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihrem Kabinettskollegen de Maizière! Der bisherige Innenminister muss dem neuen Heimatdichter Seehofer weichen, GroKo-Arithmetik der unverständlicheren Sorte. Doch der so oft als Beamtenseele Verspottete zeigt noch am gleichen Tag Größe und seinem Noch-Kollegen Gabriel, wie man stilvoll und anständig mit Machtverlust umgeht. De Maizière weicht den aufgebauten Kameras nicht aus, er stellt sich nachgerade und redet nicht drumherum: ein Amt ist immer ein Amt auf Zeit. Sprach’s und verrichtete alsbald mit einem Statement zur Forderung von Verdi in der aktuellen Tarifrunde wieder seine Arbeit. Ein Diener seines Staates, nicht seiner Selbst, Herr Gabriel. Und weil das in diesen Zeiten keineswegs selbstverständlich ist, sei Thomas de Maizière hier der Stil-Award der Woche verliehen!

Und das ist nicht banal nach so einer Woche! Stil und Anstand kamen ja nicht nur durch Sigmar Gabriel unter die Räder. Vor einiger Zeit hat sich der Autor erlaubt, an dieser Stelle den Ausgang der Koalitionsverhandlungen vorherzusagen mit dem Statement: „Liebe Bürgerinnen und Bürger, selbstverständlich haben wir uns bereits über Personalien verständigt, wir wissen sehr genau, wer was wird. In den jetzt anstehenden Verhandlungen müssen wir nur noch die Inhalte den jeweiligen Personen zuordnen.“ Ja, zugegeben: sich selbst seiner Prophetie zu rühmen, ist kein besonderer Ausweis von Bescheidenheit und also eigentlich schlechter Stil. Nur: was damals eine journalistisch zulässige Übertreibung und auch ein wenig Sarkasmus war, ist eben genau so Wirklichkeit geworden. „Fassungslos“ (der neue Juso-Stern Kevin Kühnert) stehen wir vor einem unwürdigen und unanständigem Schauspiel: die Blinden und Lahmen zocken eine ganze Nacht vor allem um ihre eigene Zukunft, die doch für alle anderen sichtbar längst hinter ihnen liegt.

An dieser Stelle wird sich der geneigte Kolumnen-Konsument vielleicht fragen, warum hier nicht das Benehmen des Martin Schulz der vergangenen Woche einer besonderen „Würdigung“ zu Teil wird. Dazu nur so viel: man bekommt eine Ahnung, wie fürchterlich der arme Ort Würselen wohl sein muss. Und ein Versprechen: niemals mehr soll an dieser Stelle im Zusammenhang mit Stil, Anstand und Benehmen von Martin Schulz die Rede gehen! Haltbarkeit: jedenfalls länger als die Versprechen des in jeder Weise abgestürzten Heilsbringers der SPD.

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Kommentare ( 50 )

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Erhard Möller
6 Jahre her

Danke, das war mal dringend nötig! Zu Siggi nur soviel: der Mann ist gelernter Lehrer! Die werden im Augenblick händeringend gesucht, da hätte er die Chance, einmal im Leben was anständiges zu machen

Jochem Neysters
6 Jahre her

Na ja, … was hätte es Schulz und der SPD an Respekt gebracht, den im Amt zu lassen, der den Job seit 1 Jahr ordentlich macht, der aktuell die besten Werte als Politiker im Lande hat und dem er das wohl auch unter 4 Augen versprochen hat? Stattdessen bricht er sein Wort gegenüber einem Mitstreiter und gegenüber der Öffentlichkeit (niemals ein Amt unter Merkel) und das, obwohl er sich im Wahlkampf als alles andere als Erfolgsmaschine entpuppt hat. Für Schulz wäre es nach den GroKo-Verhandlungen die Gelegenheit gewesen, sich mit Format und Größe zurück zu ziehen, statt zu versuchen sich… Mehr

Emma Mathieu
6 Jahre her

Sehr geehrter Herr von Croÿ,
meine volle Zustimmung zu Ihrem Artikel und JA – “ Ganz unanständig wird es, wenn Kinder ins Spiel kommen.“

Hier eine Randnotiz bei der Amtseinführung von Hr. Gabriel als Außenminister:
„Der neue Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat einen ungewöhnlichen ersten Akzent gesetzt. Zur Übergabe der Ernennungsurkunde durch Bundespräsident Joachim Gauck brachte er am Freitag seine schwangere Ehefrau Anke Gabriel und seine vierjährige Tochter Marie mit ins Schloss Bellevue.“

Hier der link zum Artikel
https://www.stern.de/politik/deutschland/sigmar-gabriel-kommt-mit-frau-und-tochter-zur-vereidigung-7301932.html

Gero Hatz
6 Jahre her

Siggis Verhalten war doch hoch effektiv: Chulz hat das Handtuch geworfen! Ansonsten arbeiten die Spezialdemokraten intensiv am Projekt <10%, und ich wünsche ihnen viel Glück dabei.

Joachim
6 Jahre her

Heißt es nicht immer, Kindermund tut Wahrheit kund. Herr Gabriel, hören Sie auf Ihre Tochter.

Doris die kleine Raupe Nimmersatt
6 Jahre her

Wenn eine 5jährige feststellt, dass der Papa traurig ist, dann muss er schon sehr traurig gewesen sein. Das sagt viel über Gabriel aus.

Gotthelm Fugge
6 Jahre her

Top-Meldung des Tages: Jetzt doch der Verzicht auf das Amt des Außenministers durch die allmächtige zu Mensch gewordene Monstranz-GroKo-Gewinner Schulz! Der 100%-Messias-SPD-Sonderzug-Schulz nach Pankow hat sich gerade mit seinem überaus so beliebten, bescheidenen, vertrauensvollen und hochtalentierten Crash-Test-Dummy Lokführer um den letzten massiven politischen Prellbock der Hauptstadtgeleise geleiert! AfD – Nur zurücklehnen und GENIEßEN! Die Selbstzerfleischung der Modernisierungsgewinner der „Repräsentativen Demokratie“ – die „Großen Zukunftserneuerer“ nach dem Motto „Alter Wein in noch viel älteren Schläuchen“ ist im vollen Gange. Der aus dem Amt geschiedene Grußrepräsentant Gauck muss seine Passagen jetzt umschreiben – Sie gilt nur noch gespiegelt: „“Die Eliten sind gar… Mehr

Th. Radl
6 Jahre her

Als ich von Siggis Abgang und dem Spruch seiner Tochter gehört habe, fiel mir unweigerlich der „Riesenstaatsminister Mümmelmann“ ein. Nur, dass der m.E. ein ungleich besserer und womöglich anständigerer Politiker war! Ich hoffe für Gabriels kleine Tochter, dass der Vater jetzt nicht auch mit Fallschirmspringen anfängt.

Die böse Fee
6 Jahre her

„Wenn wir von dem unterirdischen Benehmen einmal absehen (was schwerfällt), dann zeigt sich hier das wahre Gesicht des Sigmar Gabriel, das für ein Jahr hinter der gnädigen Maske des Chefdiplomaten im Auswärtigen Amt versteckt war.“

Stimmt! Und gut zu wissen, denn wenn ich die allerneueste Offenbarung zum Thema richtig verstanden habe, bleibt der mit dem unterirdischen Benehmen und dem besser im Verborgenen gebliebenen „wahren Gesicht“, also der Bürgerbeschimpfer und Stinkefingerzeiger im Amt.

Jesses! Was für ein unsäglich peinlicher Kasperladen!

neutraler Beobachter
6 Jahre her

Sehr geehrter Herr von Croy,

m. E. verurteilen Sie hier primär den Falschen !

Derjenige, der sich wirklich völlig unterirdisch daneben benommen hat und damit die zugegebenermaßen höchst emotionale, aber durchaus verständliche Reaktion (siehe Kommentar Habeck) von Sigmar Gabriel ausgelöst hat, heißt Martin Schulz.
Was er da veranstaltet, raubt der Partei die letzten Reste Glaubwürdigkeit und gehört sich einfach nicht !

Roland
6 Jahre her
Antworten an  neutraler Beobachter

Nein es ist schon der Richtige. Pack, Stinkefinger und weitere Beschimpfungen des Volkes zeigen den wahren Charakter des Herren. Der Erzengel ist nur machtbesessen