Spanien: Hilfeschrei bleibt ungehört

Der Strom von illegalen Einwanderern über das Meer reisst nicht ab. Allein im Januar waren es 4.000. Die spanische Regierung verlangt mehr EU-Unterstützung.

Pablo Blazquez Dominguez/Getty Images

Nach Angaben der Tagezeitung „El País“ wurde der spanische Innenminister beim Treffen seiner europäischen Amtskollegen in Bukarest zum ersten Mal laut. Grund war das von Frankreich und Deutschland angestossene, befristete Verteilungsprogramm von illegalen Einwanderern in der EU. Dieser Pakt würde nur solche betreffen, die in Italien und Malta ankommen.

Die Regierungen dieser Länder haben ihre Häfen dicht gemacht für Hilfsorganisationen und auch die „Seerettung” stark unterbunden. Spanien ist dagegen in den vergangenen zwei Jahren zum Hauptziel der illegalen Einwanderung nach Europa geworden. 64.000 Einwanderer kamen 2018 über die spanischen Küsten ins Land, die meisten tauchten ab und machten sich später weiter nach Nordeuropa auf.

Spanien lehnt deutsch-französischen Verteilungs-Vorschlag ab

“Wir unterstützen zeitlich begrenzte EU-Verteilungspakte, aber diese müssen das gesamte Mittelmeer mit einbeziehen“, sagt Spaniens sozialdemokratischer Innenminister Fernando Grande Marlaska. Mit seiner Ablehnung würde Spanien, bisher immer braver Schüler Merkels, zum ersten mal ein Veto ausüben, wobei dieses kaum Auswirkungen hätte, da der Pakt freiwillig ist. Spanien würde in diesem Fall keine weiteren illegalen Einwanderer aus Italien oder Malta annehmen.

Die deutsch-französische Initiative versucht, das seit den „Flüchtlings”wellen nicht mehr funktionierende Dublin-Protokoll aus dem Jahr 2013 zu verbessern. Das ist dringend notwendig, da sich mit Spanien auch viele andere Länder nicht daran gehalten haben. Nur einer kleiner Anteil der vereinbarten Pflichtquote kam wirklich auf der Iberischen Halbinsel an, dafür erreichten das Land immer mehr illegale Einwanderer über das Meer. Lockeffekte gibt es in Spanien anders als in Deutschland wegen einer strikter Sozialpolitik und einer nicht sehr groβzügigen Asylvergabe eigentlich nicht. Von den 2017 rund 31.000 Asyl-Anfragenden bekamen nur rund 600 eine positive Antwort, wie die Hilfsorganisation CEAR in ihrem jüngsten Bericht für Einwanderung aufführt. Allerdings ist Spanien auch nur das Sprungbrett nach Europa, derzeit ist das Land aber auch damit überfordert.

Druck auf Spaniens Küsten lässt nicht nach

Wie „El País“ weiter berichtet, habe der spanische Innenminister Italiens Egozentrismus innerhalb der EU inzwischen satt. Grande Marlaska versucht seit Antritt der Regierung im Juni 2018, zusammen mit Premier Pedro Sánchez allen von der illegalen Einwanderung in der EU Betroffenen, darunter vor allem Deutschland, die spanische Position klar zu machen: den Drahtseilakt zwischen humanitärer Hilfe und dem Stoppen des Immigrantenstroms aus Marokko. Sánchez traf sich dazu auch im Sommer in Andalusien mit Angela Merkel zu einem tête à tête und zeigte ihr die Problematik hautnah. Europa hat daraufhin auch Hilfen für Marokko locker gemacht und Spanien Investitionen im Nachbarland angekündigt.

Beim Treffen mit Merkel verpflichtete sich Sánchez, dass an der deutsch-österreichischen Grenze überprüfte illegale Einwanderer binnen 48 Stunden nach Spanien zurückgebracht werden können, wenn sie dort bereits einen Asylantrag gestellt haben. Das sind jedoch die wenigsten. Merkel versprach im Austausch mehr Geld für den Küstenschutz. Aber bisher half alles nichts. Spanien kämpft weiter mit illegalen Einwanderern auf dem Meer. Hinzu kommt der nicht nachlassende Strom aus Venezuela. In den vergangenen vier Jahren kamen nach Angaben des spanischen Statistikamts INE rund 280.000 Venezulaner nach Spanien, die meisten über den Luftweg mit einem Touristenvisum.

Grande Marlaska kämpft seit Monaten vergeblich um Gehör

Rund 52.000 Venezulaner haben nach offiziellen Angaben in Spanien einen Antrag auf Asyl gestellt. In diesem Jahr wird mit weiteren 60.000 gerechnet, die zu den noch immer zu bearbeitenden 68.000 hinzukommen. Spaniens Behörden sind mit dem Strom illegaler Einwanderer komplett überlastet. Diesen Stau durch eine Aufstockung der Mitarbeiter in der zuständigen Behörde nicht aufzulösen, könnte auch Strategie sein, denn vor Weihnachten sagte Premier Sánchez im Kreis von Journalisten erneut, dass er keine massenweisen Aufenthaltsgenehmigungen für die inzwischen nach verschiedenen Schätzungen eine Millionen sich illegal in Spanien aufhaltenden illegalen Einwanderer verteilen würde. Die Venezulaner bekommen normalerweise nur schnell eine Aufenthaltsgenehmigung, wenn sie spanische Vorfahren nachweisen können.

Derweil kämpft Grande Marlaska weiter, ziemlich alleine wie es scheint, aber der humanitäre Aspekt rückt dabei aus politischem Zwang von rechts immer mehr in den Hintergrund. Zwei Schiffe von Hilfsorganisationen hat er gerade am Auslaufen aus spanischen Häfen gehindert, weil nicht klar ist, wer die Geretteten aufnehmen soll. Zudem lässt er untersuchen, ob die Schlauchboote, in denen die von Marokko kommenden Afrikaner übersetzen, nicht von Spaniern bereitgestellt werden. Der spanische Hilfsverband „La Asociación Pro Derechos Humanos de Andalucía“ (APDHA) hatte in den vergangenen Wochen zudem beklagt, dass versucht werde, die spanische Meeresrettungs-Mannschaft vor Ort abzubauen, um auf diese Weise Lockeffekte zu reduzieren. Wenn keiner gerettet würde, dann komme vielleicht auch keiner mehr, sei das Kalkül.

Widersprüchlichkeiten geben der radikalen Vox Aufwind

Das Chaos an den spanischen Außengrenzen und im Land mit Hunderttausenden, die untergetaucht sind und nur illegale Arbeiten durchführen können, hat zu einem Erstarken der rechten Partei VOX geführt, die jetzt auch im andalusischen Parlament sitzt. Andalusien ist die Region, die am meisten von der illegalen Einwanderung betroffen ist. Zum Erstarken trägt auch die gerade entfachte Diskussion bei, ob die Stacheldrahtzäune an den Grenzen der spanischen Exklaven Ceuta und Mellila ausgeweitet werden sollen. Er ist vielen Menschenrechtsorganisationen ein Dorn im Auge, obwohl eine Grenze ja illegale Einwanderer abhalten soll. So argumentiert auch die Hafenverwaltung von Mellila, die aus diesem Grund auf ihrem Areal gerne weiter Stacheldraht ausrollen würde. Grande Marlaska jedoch stoppte das Ansinnen vorerst.

Es hat lange gedauert, aber jetzt heizen diese konstanten Widersprüchlichkeiten in der spanischen Einwanderungspolitik auch hierzulande die politische Debatte an. Angesichts des Aufwinds der Rechten sehen sich PP-Chef Pablo Casado und auch Ciudadanos-Vorsitzender Albert Rivera gezwungen, im gleichen Modus wie VOX aufzutreten, welche nicht nur die massive Einwanderung nach Spanien kritisieren, sondern auch den erstarkenden Feminismus in ihrem Land. Casado proklamierte sich bereits Ende 2018 als „Führer der Immigranten, die früh aufstehen“. Der Konservative, der seinen politischen Opponenten Sánchez öffentlich als „notorischen Lügner“ oder „Hochverräter“ bezeichnet, warnt vor einigen Wochen jeden, der plant nach Spanien zu kommen: „Entweder passen sie sich unseren Sitten an oder sie haben sich im Land geirrt“.

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Kommentare ( 38 )

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Jochen K.
5 Jahre her

Ich bin vollkommen bei Ihnen. Nur – vor 20 Jahren etwa ist der sicher nicht ganz unberechtigte Versuch, Studenten, Fachkräfte und Experten mittels einer Art „green card“ (US-Vorbild) nach Deutschland zu locken, nicht an Spanien, Indien oder sonstwem krachend gescheitert, sondern wahrscheinlich daran, dass Deutschland für Ausländer auf Dauer nicht wirklich interessant ist – warum auch immer. Das naheliegendste Motiv, Deutschland wieder zu verlassen, ist wahrscheinlich, dass man bei einer vor 20 Jahren noch guten Ausbildung in D in seinem Heimatland auch ganz gut verdienen und bei wesentlich geringeren Lebenshaltungskosten leben konnte. Von der Gängelung durch den deutschen Staat und… Mehr

Jochen K.
5 Jahre her

Meinem Kommentar möchte ich unmißverständlich voranstellen, dass nach meiner Auffassung das Recht auf Asyl nicht diskutierbar ist; zum Beispiel für Afghanische Frauen (https://vera-lengsfeld.de/2019/02/16/bericht-aus-afghanistan-teil-i/) . Sehr geehrte Frau Frau Müller, herzlichen Dank für Ihren Artikel. In den von einer großen Anzahl deutscher Bürger konsumierten Medien, welche ich allein aufgrund dieser großen Anzahl nicht als Mainsteam-Medien bezeichnen möchte, wird man leider vergeblich auf Informationen warten, aus denen die Probleme in anderen Ländern erkennbar werden, die grundsätzlich durch offensive Anwerbung von Einwanderunswilligen nach DEUTSCHLAND resultieren. Diese Anwerbung erfolgte und erfolgt nach wie vor ungebrochen durch die CDU-geführte Regierung Merkel, unterstützt durch ihre Koalitionspartner… Mehr

Lizzard04
5 Jahre her

„Entweder passen sie sich unseren Sitten an oder sie haben sich im Land geirrt“. So ist die Realität in 99 % der Länder auf dem Planeten, nur in Merkel-Deutschland wird das Prinzip umgekehrt, schlimmer noch, mit so einem Satz würde man von den Staatsmedien wahlweise direkt zum „Nazi/Demokratiegegner/Rechtspopulisten“ gestempelt, während der Zustrom der Wirtschaftsflüchtlinge aus der ganzen Welt in das deutsche Sozialsystem ungemindert weiter geht!

Dieter Kief
5 Jahre her

„Es hat lange gedauert, aber jetzt heizen diese konstanten Widersprüchlichkeiten in der spanischen Einwanderungspolitik auch hierzulande die politische Debatte an. Angesichts des Aufwinds der Rechten sehen sich PP-Chef Pablo Casado und auch Ciudadanos-Vorsitzender Albert Rivera gezwungen, im gleichen Modus wie VOX aufzutreten, welche nicht nur die massive Einwanderung nach Spanien kritisieren, sondern auch den erstarkenden Feminismus in ihrem Land.“

Das ist der Mentalitätswandel weg von der alles-verstehen, alles-verzeihen Politik Junckers Merkels in seiner vollen Breite. Das wird heftige Folgen zeitigen.

Super Artikel – vielen Dank!

Rosa Kafko
5 Jahre her

Ich hoffe, die Spanier wählen im April klüger als die Deutschen zuletzt.

Contra Merkl
5 Jahre her

Merkel versprach mehr Geld für den Küstenschutz. Aha. Für die Bundeswehr sind keine 2 % Geld da, aber für Spanischen Küstenschutz verspricht Merkel mehr Geld. ** Deutsches Geld muss scheinbar für alles herhalten, wo die Länder selber versagen. Spanien muss halt die illegal Eingewanderten selber zurückbringen. Die haben den Stacheldrahtzaun selber abgebaut, jetzt haben sie halt die Probleme an der Backe. Und Merkels verteilerei ist auch keine Lösung des weiter voranschreitenden Problems, die haben dann nur andere und können dafür zahlen. ( Zitat Merkel : Nicht zu Lasten Dritter, also dann alternativlos zu uns. ) Mit dieser Verteilerei wird dieses… Mehr

manfred_h
5 Jahre her
Antworten an  Contra Merkl

WAS vor allem immer wieder UNBEGREIFLICH IST: Da jammern und heulen nun auch die spanischen sozialdemokratischen Politiker herum, beklagen die Flut der „Flüchtlinge“ und fordern hier von den EU Ländern Unterstützung u. Hilfe in Form von Abnahme der Flüchtlinge. DOCH NICHT EINMAL hört man von auch diesen Politikern die Forderung(en) das z.B. zwischen illegaler Einwanderung u. wirklichen Asyl-Gründen streng unterschieden werden soll/muß, das die EU/Brüssel sich für strenge Abschiebungen einsetzen und mit den jeweiligen Herkunufsländern in Verbindung setzen soll und das v.a. für die Illegalen und papierlosen Grenzverletzer entsprechende Aufnahmelager geschaffen oder Inseln bereitgestellt werden sollen um dann so auch… Mehr

Old-Man
5 Jahre her

Auf die Neuwahl Ende April bin Ich gespannt,es dürfte für die Sozialisten eine mächtige Talfahrt werden.
Das Spanien sich nun in dieser Lage befindet ist zum gerüttelt Maß eigene Schuld,wer das Beispiel Deutschland und seine Durchwinkgutmenschen nicht als abschreckend empfindet,**

chris
5 Jahre her

„der humanitäre Aspekt rückt dabei aus politischem Zwang von rechts immer mehr in den Hintergrund“.. NEIN. Es ist überhaupt nichts humanitäres daran, Menschen mit falschen Hoffnungen anreisen zu lassen und dann hier in das Asyl- und Sozialsystem zu schleusen. Die erste Million mag daran zwar Freude haben, aber dann wird es sehr schnell für sehr viele Leute sehr ungemütlich – nicht zuletzt auch für die autochtone Bevölkerung, die das Ganze ja mit Steuergeldern und einem Verlust an Freiheit und Unversehrtheit bezahlen muss. Das Postulat des Migrationspaktes – Migration sei immer gut – ist das Gegenteil von Wahr. Migration ist in… Mehr

Waehler 21
5 Jahre her

Wir müssen, man sollte, es ist ja nicht so, Geld ist ja da….. Es haben wenige geschafft ihre Moral in geltendes Recht zu verwandeln. Ich habe mich neulich mit jemanden unterhalten der das Recht auf Kirchenasyl vehement verteidigt und einfordert. Zur Diskussion stand dieses Ausgangsmodel: Selbstloser Christ bringt zwei Obdachlose in ein Restaurant und bittet den Wirt diese in der nächsten zu verköstigen, er könne ja im Gegenzug die Preise erhöhen — das wäre OK. Natürlich fand er auch eine Bibelstelle in der zweifellos bewiesen wurde , das Jesus genauso gehandelt hättet. Allerdings nach seiner Meinung. Mein Argument, dass die… Mehr

Topper
5 Jahre her

Spanien hat bereits seit mehreren Jahren ein funktionierendes Rückführungsabkommen mit Marokko und die meisten der ankommenden Flüchtlinge aus Venezuela sind ehemalige Exilanten die noch über familiäre Wurzeln in Spanien verfügen. Tja, nun muß man nur noch den restlichen jungen Männer aus Westafrika eine Busfahrkarte nach D oder S verschaffen. Problem gelöst.