Sozialdemokraten in Dänemark: Gezielte Klientelpolitik für Arbeitnehmer

Anders als die deutschen Sozialdemokraten verfolgen die dänischen eine restriktive Migrations- und Integrationspolitik. Damit ist es ihnen gelungen die bei den EU-Wahlen zur Dänischen Volkspartei abgewanderte Wähler zurückzugewinnen. Bei den Parlamentswahlen am 05. Juni könnte sich dies fortsetzen.

imago images / Ritzau Scanpix
Mette Frederiksen, Chefin der dänischen Sozialdemokraten

Während sich seit dem Jahr der „Willkommenskultur“ 2015 die Selbstzerstörung der SPD als Volkspartei dramatisch beschleunigt, konnten sich die Sozialdemokraten (Socialdemocraterne) in Dänemark in der Gunst der Wähler vergleichsweise gut halten. Im Jahr 2015 erhielten sie bei der nationalen Parlamentswahl (Folketingwahlen) 26,3 Prozent der Stimmen und bei der aktuellen EU-Wahl 21,5 Prozent gegenüber 19,1 Prozent im Jahr 2014. Bei den am Mittwoch dieser Woche anstehenden Parlamentswahlen könnten sie laut Umfragen erneut 26 bis 28 Prozent erreichen und damit sogar wieder stärkste Partei in Dänemark werden.

„Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um die Zahl der nicht-westlichen Flüchtlinge und Immigranten einzuschränken, die in unser Land kommen.“ Mit diesen Worten hat ein führendes Mitglied der Sozialdemokraten in Dänemark im Jahr 2015 in einer dänischen Tageszeitung angesichts der Politik der offenen Grenzen der deutschen Regierung und der EU-Kommission die strategische (Neu-)Ausrichtung seiner Partei beschrieben. Inzwischen graben Dänemarks Sozialdemokraten, wie die die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vom 1. Juni schreibt, der migrationskritischen Dänischen Volkspartei das Wasser ab, die bei der EU-Wahl von rund 36 Prozent auf rund 11 Prozent abstürzte und wohl auch am Mittwoch erneut mit großen Verlusten zu rechnen hat. Die sozialdemokratische Vorsitzende, Mette Frederiksen, bezeichnet die Einwanderung aus Drittstaaten laut NZZ „als größte Herausforderung Dänemarks“. Um Integration zu gewährleisten und den Wohlfahrtsstaat zu sichern, fordert sie eine Deckelung der Zahl der Einwanderer. „Sozialhilfe soll von Arbeit, Ausbildung oder Kindern im Kindergarten abhängen. Asylgesuche sollen nur noch an der EU-Grenze gestellt werden können. Dafür will sie die Entwicklungshilfe erhöhen“.

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Mit derlei Forderungen schrecken die Sozialdemokraten zwar auch in Dänemark einen Teil ihrer bisherigen links-grün gesonnenen Anhänger und Wähler ab. Sie werden damit unter anderem die Sozialistische Volkspartei (Socialistisk Folkeparti) stärken, die dem linken Flügel der Grünen in Deutschland ähnelt und bei der EU-Wahl immerhin 13,2 Prozent der Stimmen erhalten hat. Die damit einhergehenden Verluste der Sozialdemokraten werden laut dänischen Wahlforschern voraussichtlich jedoch durch deutliche Zugewinne bei ehemaligen Wählern der Dänischen Volkspartei mehr als nur ausgeglichen. Die Anhänger- und Wählerbasis der dänischen Sozialdemokraten verschiebt sich damit weg von akademisch-kosmopolitisch geprägten (Groß-)Stadt-Milieus wieder in Richtung ihrer klassischen Stammwähler nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land.

In einer Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung wurde schon im Jahr 2017 darauf hingewiesen, dass in der dänischen Sozialdemokratie im Unterschied zur deutschen erhebliche Zweifel am Konzept einer multiethnischen Wohlfahrtsgesellschaft bestehen. Nach jahrelangen Erfahrungen mit der Massenzuwanderung aus Drittstaaten laute das oberste Gebot inzwischen, „die Wohlfahrtsgesellschaft zu erhalten und weiterzuentwickeln.“ Dies erfordere ein konsequentes Vorgehen auf der Einnahmenseite des Staates, etwa gegen Steuerflüchtlinge, ebenso aber auch auf der Ausgabenseite, etwa gegen Wirtschaftsflüchtlinge.

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Derlei Erkenntnisse der parteieigenen Stiftung scheint die Führung der SPD weder zu kennen noch zu interessieren. Bei der angekündigten strategischen Neuausrichtung der Partei spielen sie jedenfalls keinerlei Rolle. Die voranschreitende Abwanderung ihrer (Stamm-)Wähler aus der unteren und mittleren Arbeitnehmerschaft Richtung AfD versucht die SPD-Führung dadurch zu stoppen und wieder umzukehren, dass sie ihnen neue Sozialleistungen verspricht. Deren Finanzierung steht allerdings nicht zuletzt dadurch auf wackeligen Beinen, weil jährlich immense Kosten für die Versorgung von arbeitslosen Asylbewerbern zu tragen sind, die allein im Bundeshalt des Jahres 2018 mit rund 30 Milliarden EURO verbucht worden sind. Die tatsächlichen Kosten liegen um einiges höher, wenn man auch die von den Bundesländern und Kommunen geleisteten Aufwendungen berücksichtigt.

Jeder steuer- und sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer weiß, dass jeder staatlich eingenommene EURO nur einmal ausgegeben werden kann, und diese Ausgaben somit nicht für ihn zur Verfügung stehen, sondern der Bewältigung einer anhaltenden Asylzuwanderung dienen. Im EU-Wahlkampf hat die SPD-Führung mit ihrer Spitzenkandidatin Katarina Barley keinen Zweifel daran gelassen, dass sie ihren Weg einer weltoffenen Asyl- und Migrationspolitik nicht nur fortsetzen, sondern sogar noch weiter forcieren möchte. Ihre bisherigen Anhänger und Wähler, die nicht das Privileg genießen, die mit der anhaltenden Massenzuwanderung einhergehenden Kosten und sonstigen Nachteile einfach wegstecken zu können oder von ihnen sogar zu profitieren, müssen sich von daher fragen, ob sie von einer Parteiführung für dumm verkauft werden sollen, die vorgibt, die wichtigste politische Schutzmacht ihrer Interessen zu sein und sie gleichzeitig moralisch abwertet, sollten sie ihr Glaubensbekenntnis der Weltoffenheit nicht nachbeten.

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Der englische Migrationsforscher Paul Collier hat diese Art von Politik jüngst als das Ergebnis eines in der europäischen Linken um sich greifenden „sozialen Paternalismus“ beschrieben. Er hat seit den siebziger Jahren zunehmend die Politik der führenden sozialdemokratischen Parteien in den westlichen Industrienationen erfasst, in denen nicht mehr die Arbeiter oder Arbeitnehmer tonangebend sind, sondern Mitglieder einer akademisch qualifizierten Mittelschicht sozialer Aufsteiger, die eine neue, (groß-)städtisch geprägte Bourgeoisie bilden. Ihr paternalistisches Credo lautet, dass der (Sozial-)Staat die Verpflichtung für alle sozialen und sonstigen Risiken nicht nur seiner eigenen Staatsbürger, sondern auch aller Migranten zu übernehmen habe, die auf sein Staatsgebiet einwandern.

Das Ergebnis dieser Politik bezeichnet Collier als toxisch: „Sämtliche moralischen Verpflichtungen wurden auf den Staat übertragen, und die Verantwortung wurde von den Moralhütern der Avantgarde wahrgenommen.“ Sie proklamieren unter dem Postulat der Weltoffenheit und der sozialen Teilhabe den völligen Verzicht auf nationale Schutzräume der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Damit untergraben sie nicht nur alle bisher bestehenden direkten zivilgesellschaftlichen Verpflichtungen zwischen Bürgern, sondern widersprechen auch diametral den Interessen ihrer bisherigen Anhänger und (Stamm-)Wähler, die ihnen deswegen auch zunehmend die weitere Gefolgschaft versagen.

Solange sich diese Politik fortsetzt, wird die Selbstzerstörung (nicht nur) der SPD weitergehen. Die dänischen Sozialdemokraten wollen ihren deutschen Genossinen und Genossen dabei offenbar aber nicht weiter folgen. Mit weitreichenden sozialpolitischen Forderungen und einer restriktiven Migrations- und Integrationspolitik versuchen sie, den dänischen Wählern ein Angebot zu machen, das für viele Arbeitnehmer aus den unteren und mittleren sozialen Schichten in Stadt und Land attraktiv sein dürfte. Sie verzichten damit auf den Anspruch, weite Teile des konservativ-liberalen Bürgertums und des links-grünen Bürgertums für sich zu gewinnen, sondern konzentrieren sich gleichsam auf ihre Stamm-Klientel. Den von Collier kritisierten Weg des staatsfixierten „sozialen Paternalismus“ haben sie damit zwar auch (noch) nicht verlassen, verzichten inzwischen aber auf die moralisierende Verpflichtung ihrer Anhänger und Wähler auf eine grenzenlose Weltoffenheit und Preisgabe des eigenen Sozialstaats. Wir dürfen gespannt sein, wie erfolgreich sie damit bei den Wahlen am Mittwoch werden.

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Kommentare ( 33 )

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33 Comments
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Sonny
4 Jahre her

Ich glaube nicht, dass man Dänemarks Sozialdemokraten mit der SPD vergleichen kann. Die SPD hat all ihre klugen Köpfe vergrault oder sogar bekämpft (Sarrazin, Buschkowsky etc.) und stattdessen den Kopie-Grünen, Neosozialisten und -Kommunisten das Feld überlassen. Für wen die SPD noch spricht, sind kleinste Splittergruppen und damit ist sie (zu Recht) keine Volkspartei mehr.

Sabine W.
4 Jahre her

Die SPD in Deutschland verliert deswegen immer mehr Stimmen (auch/oder oft an die AfD), da ihre klassische Wählerklientel hilflos mit ansehen muss, dass verzweifelt gesuchter Wohnraum auf einmal en masse entsteht (zur Nutzung deutscher Bürger erst nach Abnutzung durch ‚Flüchtlinge‘ vorgesehen), dass alleine über den Bund nur in 2018 (exkl. Länder- und Kommunenaufwand) 23 Mrd. Euro ausschließlich für Migranten ausgegeben wurden. Sie sehen, dass auf einmal Erzieher und Lehrer gesucht werden, dass Infrastruktur ausgebaut werden soll. Sie sehen marode Stadtteile (insbesondere im Ruhrgebiet) noch weiter verfallen, insbesondere durch den Sozialzuzug aus Südost-Europa. Gleichzeitig wühlen Rentner im Abfall nach Pfandflaschen, Hartz… Mehr

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4 Jahre her

Meines Wissens wurde 2017 darüber abgestimmt, ob wir Recht, Gesetz und Sozialstaat wollen ODER Islamisten mit zig Identitäten, dealende und mordende Schwarzafrikaner und offene Grenzen.
Ich glaube mich zu erinnern, es ging recht deutlich zugunsten der Open-Borders-Fraktion aus.
M(a)aßgeblich angeführt von den Deutschen Spezialdemokraten.
Der Däne als solcher wird sicher anders ticken, ob „Sozialdemokrat“ drauf steht oder nicht.
Ich kann mich zumindest nicht daran erinnern, dass der Däne viermal in hundert Jahren sein eigenes Land und dabei zweieinhalbmal die halbe Welt in Chaos, Leid und Agonie geritten hat, nur um seine „moralische Überlegenheit“ zu beweisen.

Eloman
4 Jahre her

In Dänemark funktioniert die Nazi-Keule halt nicht. Da sagt auch keiner „Dänemark, du mieses Stück Scheisse“.

Leonor
4 Jahre her

Man darf in der Tat gespannt auf die Wahl am Mittwoch sein. Danke Herr Springer.
Aus unseren Medien erfahren wir wie geschickt Herr Schäuble scherzt und wie toll Frau Merkel kontert..wie toll die Grünen sind..natürlich.
Aber der Erfolg einer restriktiveren Migrationspolitik in Dänemark geht uns ja nichts an.

Winni
4 Jahre her

Wie verkommen sind eigentlich die Politik und ihre Kommentatoren. Um den anderen das Wasser abzugraben, muß ich das und das sagen. Überzeugungen spielen offenbar gar keine Rolle mehr.

Gernoht
4 Jahre her

Dänen lügen nicht!

Wolkendimmer
4 Jahre her

Liebe Dänen seit bitte sehr sehr wachsam. Das Islamproblem ist kein Spaß und auch kein sozialistisches Spielchen. Wenn einmal der Point of no Return überschritten ist, seit ihr schneller verloren als ihr euch das vorstellen könnt. Wenn ihr wissen wollt wie sich das anfühlt, macht mal ne Woche Urlaub in Berlin und schaut genau hin.

F. Hoffmann
4 Jahre her

Hat bei unserer SPD keine Chance. Da müßten sie nicht nur über ihren eigenen Schatten sonder auch noch über den von Sarrazin und Buschkowski springen. Zu kurze Beine dafür.

Protestwaehler
4 Jahre her

Die deutsche SPD würde die dänische SPD ** absolut nicht miteinander vergleichbar. Viel Interessanter ist da eher die Frage, in welcher Fraktion die dänische SPD zukünftig in Brüssel sitzen wird, in der Salvinis, oder wird sie Timmermans bei der Flutung Europas durch afrikanische und orientalische Wirtschaftsmigranten beistehen?