Konservative spanische Opposition fährt harten Kurs

Der neue Parteivorsitzende Pablo Casado freut die Stammwähler seiner Volkspartei mit Schlachtrufen. Aber seine Zeit an der Spitze der PP könnte gezählt sein, weil er einen Uni-Titel gekauft haben soll.

PAU BARRENA/AFP/Getty Images
Spain's newly elected Popular Party (PP) leader Pablo Casado delivers a speech during a PP national executive committee meeting in Barcelona on July 26, 2018.

José Penalva denunziert es seit 2010: Die Korruption an spanischen Unis. Nach einem kurzen Exkurs im Ausland ist er jetzt wieder in Spanien und sieht, dass sich in all den Jahren nichts geändert hat: „Es ist eher noch schlimmer geworden. Die Korruption erreicht nun auch die Justiz in weitem Maβe“, kritisiert der promovierte Philosoph und Soziologe, der mit seinem Buch über Korruption in spanischen Unis 2011 so viel Aufsehen erregte, dass er seinen Lehrauftrag trotz eines exzellenten akademischen Lebenslaufs in Murcia verlor. Die Wahl des schnittigen und charismatischen Pablo Casado an die Spitze der konservativen Volkspartei Partido Popular (PP), die sich derzeit allein wegen 22 offener Korruptions-Fälle in in der autonomen Region Valencia verteidigen muss, ist für ihn kein gutes Zeichen: „Casado selber steht im Verdacht, einen Master, mit dem er in seinem Lebenslauf wirbt, nicht absolviert zu haben“, sagt Penalva.

Der immer klassisch im Anzug auftretene 37jährige Casado gilt nicht nur als ultrakonservativer Familienverfechter und damit auch harter Abtreibungsgegner, sondern auch als Verfechter neoliberaler Wirtschaftspolitik. In diesem Sinne ist er auch ein absoluter Gegner der illegalen Einwanderung. Das jetzt auch noch sein Ziehvater José Maria Aznar wieder von den Toten aufersteht und auf den Kurs der PP Einfluss hat, scheint Penalva ein totaler Rückschritt für Spanien. Für die aktuelle Linksregierung bedeutet das vor allem in den nächsten Monaten ein harter ideologischer Kampf, in dem Casado versuchen wird, durch eine konstante Konfrontation Neuwahlen zu bewirken.

Minderheitenregierung Sánchez stehen harte Zeiten bevor

Der lange als Schönling belächelte Premier Pedro Sánchez kam Anfang Juni durch ein Misstrauensvotum wegen der richterlich nachgewiesenen Korruption in der PP an die Macht. Die Konservativen werfen ihm genau das vor: „Es ist undemokratisch. Niemand hat ihn gewählt“, sagt Casado, der bei seiner Kampagne um den Vorsitz seiner Partei in Zeitungen ganzseitig für seine konservative Familien-Politik warb und seine Rivalin Soraya Soraya Sáenz de Santamaría als zu modern bezeichnete. Dem trotz eines zehnjährigen Altersunterschied zu Casado wesentlich moderner und jugendlicher auftretenden Sánchez wirft er vor, dass er durch die Ankündigung, Immigranten in Spanien ohne Papiere zu legalisieren, eine enorme Sogwirkung produziert habe. Bis August dieses Jahres kamen nach Angaben der Vereinten Nationen bereits genauso viele irreguläre Immigranten an wie im ganzen vergangenen Jahr: 22.858. Die traurige Folge: 307 Menschen sind dabei bisher umgekommen.

Aber die spanischen Unternehmer haben andere Sorgen. Während das Fußvolk und Intellektuelle wie Penalva befürchten, dass sich durch die Wahl von Casado die Situation der Korruption in den Verwaltungen weiter verschlimmert, applaudieren viele konservative wirtschaftliche Meinungsmacher des Landes hinsichtlich der ersten Auftritte von Casado, der derzeit auf allen Kanälen zu sehen ist: „Er ist im Sinne des ehemaligen Premiers Aznar ein Privatisierer und Verfechter des freien Marktes. Das ist für uns als Fondsmanager enorm wichtig“, sagt eine hochrangige Führungskraft der gröβten spanischen Bank Santander, der nicht genannt werden will. Damit verfällt Spanien für viele in den ewigen Streit zwischen „Roten“ auf der einen Seite und den „Faschisten“ auf der anderen Seite, der 1936 in einen Bürgerkrieg mündete. Die Wunden zwischen den Lagern sind bis heute offen. „So kommen wir gesellschaftlich nicht weiter. Wir müssen diese alten Gräben überwinden“, sagt Donato Fernández Navarrete, ehemaliger Universitätsprofessor an der Autonomen Uni von Madrid und Autor zahlreicher Bücher über die EU.

Casado spaltet das Land

Das wird mit Casado jedoch unmöglich sein. Er ist auch in Sachen Katalonien ein Hardliner. Sollte es Neuwahlen geben und die PP trotz der vielen Korruptionsfälle gewinnen, wird Casado anders als Sánchez keinen Dialog mit den Separatisten beginnen, sondern versuchen wie Rajoy, das Gesetz notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Die PP unter Casado wird auch keine spanische Föderation zulassen, also keine essentiellen Verfassungsänderungen anstreben. Casado ist ein ausgesprochener Monarchist und Fan von Felipe VI.

Sein Vorteil: Der ehemalige Sprecher der Partei weiß die derzeit mehr ins Gewicht fallenden konservativen Medien und Meinungsmacher auf seine Seite zu ziehen. Deswegen reiste er auch gerade nach Algeciras, zum Brennpunkt der aktuellen Einwanderungs-Krise und kündigte dort an, dass ohne Sicherung der nationalen Grenzen diese Flüchtingswelle nicht bewältigt werden kann: „Wir müssen unsere Küstenpolizei verstärken.“

Wirtschaftsdaten erstmals negativer in Spanien

Casado dürfte es freuen, dass zwei Monate nach der Machtübernahme durch Sánchez die spanische Konjunktur nach einer expansiven Phase erstmals Ermüdungserscheinungen aufweist, auch wenn das nichts mit der sozialdemokratischen Regierung zu tun hat: „Sondern mit einer seit langen fehlenden dezentralisisierten Wirtschafts- und Industriepolitik, welche bestimmte Gebiete des Landes wie die Kanaren, Extremadura, Galizien und auch die Provinz von Cadiz komplett vernachlässigt hat“, klagt die Rechtsanwältin Ana Carmen Gotera Sosa an. Im Jahresvergleich wuchs die spanische Wirtschaft erstmals im April und Mai um 2,7 Prozent. Seit 2016 war das Land Wachstumraten über drei Prozent gewohnt.

Gotera Sosa kämpft seit Jahren gegen die systemische Korruption der groβen Volksparteien auf den Kanaren und auch der dort regierenden „Coalición Canaria“: „Weil wir nicht wirklich etwas ändern, leiden wir immer noch unter einer hohen Korruption. Wir machen weiter mit einer Politik der Briefumschläge und Vetternwirtschaft auf Kosten des normalen Volkes. Es wird Agrarland für Freunde zu Bauland ausgeschrieben. Wer keine Beziehungen in diese Welt hat, kommt nicht weiter“, klagt die in Madrid lebende Spanierin an, die auch unternehmerisch tätig ist und Korruption am eigenen Leib erlebt hat. Casado wird derweil weiter versuchen, die alten Gräben zwischen Sozialisten und Konservativen noch tiefer zu graben: „Traurig“, findet die Rechtsanwältin, die hofft, dass Casados falscher Master ihn bald zu Fall bringt und diese Entwicklung gestoppt wird. Die Justiz bearbeitet den Fall bereits.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 18 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

18 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Moses
5 Jahre her

Die Sozialisten werden Casado helfen. In unseren Medien endet die Geschichte mit dem „Aquarius“ mit der erfolgreichen Landung von 600 Passagieren und stolzen „Retter“ an das spanische Land. Allerdings standen die Behörden von Alicante vor dem Problem der Unterbringung der „Geretteten“. Die Entscheidung fiel zugunsten des Studentenheims der Universität von Alicante, deren Bewohner wurden einfach auf die Straße rausgeworfen. Sie bekamen einen Tag, um ihren Zimmer frei zu machen, für die Studierende übrigens 750 Euro im Monat zahlen. Ab dem 1. Juli mussten die Zimmer für die Ferien sowieso geräumt werden, die Universität nutzt dann sie als Jugendherberge. Aber bis… Mehr

Dr. John Butler
5 Jahre her

Ich habe Tichy’s Einblick abonniert, weil diese Zeitschrift für kritische und gut recherchierte (und verlinkte) Berichterstattung steht und dadurch, sich wohltuend vom deutschen „Mainstream“ abhebt. Umso enttäuschter bin ich über der Artikel von Frau Müller über Pablo Casado: nur billige Weitergabe von Propaganda wie sie so wohl nur in El País erscheinen würde. Da andere Leser schon ihren Unmut kundgetan haben, beschränke ich mich darauf, die gröbsten, sachlich falschen Aussagen von Frau Müller zu korrigieren: 1) Casado steht im Verdacht einen Master nicht absolviert zu haben. Casado ist Jurist. Sein Jura Abschluss wurde schon mal in Frage gestellt. Die gerichtliche… Mehr

Sabine W.
5 Jahre her

Es nützt nichts, offiziell die Probleme eines EU-Staats in Richtung diverser innenpolitischer Themen zu verschieben – relevant und dominant ist für alle das Problem der Invasion illegaler Migranten. Und solange dieses Problem nicht effektiv gelöst wird, steht die EU (und nebenbei jeder verbliebene Restfriede in diversen EU-Staaten) auf der Kippe bis zum Umkippen. Vielleicht fand man das in Spanien vor zwei-drei Wochen noch absolut jubelant, die ‚Aquarius‘ aufzunehmen und die Stacheldrähte in den Exklaven abzubauen. Scheinbar zeigt sich mittlerweile, was das wirklich bedeutet. Da kommen nicht die armen, geschundenen Menschen, sondern vorwiegend die durchtrainierten Männer, die sich versuchen zu nehmen,… Mehr

chrismh
5 Jahre her

Nun muss ich zunächst zugeben, dass Frau Müller eine sehr gute Spanienkennerin ist. Und ihre Artikel zum katalanischen Nationalismus waren deutlich über dem Niveau des von Unkenntnis gekennzeichneten deutschen Journalismus. Aber es verwundert mich doch, dass in einem liberal-konservativen Meinungsmagazin ausgerechnet der Hoffnungsträger der spanischen Wirtschaftsliberalen und Konservativen als „neoliberal“ (was immer das sein mag) und als Spalter der spanischen Gesellschaft denunziert wird – Hinweise auf den spanischen Bürgerkrieg inklusive. Es ist klar: die Wunden des Bürgerkriegs in Spanien sind nicht verheilt. Nun ist es aber ausgerechnet die sozialistische Partei PSOE (die derzeit mit mehr oder weniger Unterstützung der linksextremistischen… Mehr

Ute Iwan
5 Jahre her

oops

ich möchte bitte die Edit-Funktion wiederhaben

Korrektur: es hätte sie heißen müssen

Ute Iwan
5 Jahre her

Wenn wir schon dabei sind, der Satz war ja noch nicht zu Ende:

Korruption ist kein Neutrum. richtig hätte es „die“ heißen müssen.

JL
5 Jahre her

Was für ein unausgewogener Artikel. Kein einziges Mal wird die Korruption der Sozialisten erwähnt, dabei steht sie in Qualität und Quantität der PP-Korruption in nichts nach. Tatsächlich ist der ERE-Fall der Andalusien-PSOE, der gerade vor Gericht verhandelt wird und bis ganz nach oben reicht, der größte bekannte Korruptionsfall in der Geschichte Spaniens. Er bekommt nur deutlich weniger Aufmerksamkeit in den Medien als die (nichtsdestoweniger unentschuldbaren) PP-Fälle. Und in Frau Müllers Artikel werden sie gleich ganz ausgelassen. Vor ein paar Wochen kam auch der erste größere Korruptionsskandal der beiden neueren Partien C’s und Podemos heraus. Unter anderem wurde der C’s-Bürgermeister von… Mehr

Flavius Rex
5 Jahre her

Kommt wohl von „denunciar“ und solle eher „sich über etwas beklagen“ heißen. Wenn man fast nur spanisch spricht und schreibt passiert sowas. Da sollte man großzügig sein, denn ohne Frau Müllers Artikel würden wir ja schon gar nichts über Spanien erfahren.

Snakebite
5 Jahre her

Ich möchte einmal auf einen Teilbereich des Artikels eingehen: „Bis August dieses Jahres kamen nach Angaben der Vereinten Nationen bereits genauso viele irreguläre Immigranten an wie im ganzen vergangenen Jahr: 22.858. Die traurige Folge: 307 Menschen sind dabei bisher umgekommen.“ Wenn man nun optimistisch davon ausgeht, das von diesen 22.858 irregulären Immigranten 2% (457 Personen) direkt zurückgeschickt werden und die restlichen 22.401 Personen den Asylprozess durchlaufen, kommen wir auf eine Erfolgsquote der Schleuser von: 22.858 angekommene Personen + 307 Opfer = 23.165 Geschleuste 307 Opfer + 457 direkt Zurückgeschickte = 764 gescheiterte Schleusungen 764 gescheiterte Schleusungen ÷ 23.165 Geschleuste ×… Mehr

Martin L
5 Jahre her

Mittlerweile glaube ich, dass die Völker in der Mehrheit so sind wie ihre Regierungen.
Die Deutschen wollen die Realität nicht so genau wissen. Sie wollen von den Parteien und Medien eingelullt werden. Sie wollen glauben, dass sie von der „guten Welt“ als Gutmenschen geliebt werden. Sie wollen auf gar keinen Fall aus ihrer Filterblase aufgeweckt werden.
Die Südeuropäer oder andere Völker mögen die Korruption beklagen, aber persönliche Vorteile hat sie halt doch.