Kanadische BLM-Aktivistin: »Weiße Haut ist untermxnschlich«

Die »Black Lives Matter«-Proteste führen weiterhin zu Gewalt, Toten und einer tiefen Spaltung der USA. Schuld dürfte auch der intrikate Gewaltbegriff der Bewegung sein. Unterdessen tauchen ständig ältere (doch auch viele neue) zweifelhafte Aussagen von Gründern und Aktivisten auf.

imago images / ZUMA Press
Einige Szenen und Nachrichten zeigen, dass die USA noch immer im Griff der »Black Lives Matter«-Proteste sind, folglich ein tief gespaltenes Land bleiben und dies – und das ist vielleicht das Neue – auch immer offener zeigen. Am 4. Juli übermalte ein weißes Pärchen den Schriftzug »Black Lives Matter« auf einer Straße im kalifornischen Städtchen Martinez mit dunkler Farbe. Sie seien »diese Erzählung leid«, sagte der weiße Mann und meinte die Erzählung von Polizeigewalt, Unterdrückung, Rassimus. Das sei alles eine einzige Lüge. Umstehende widersprachen. Der Mann erwiderte: »Keep America great again.« Der Spiegel nennt die beiden umstandslos »Vandalen«. Ein Begriff, der dem Magazin z.B. bei Zerstörungen von Statuen deutlich weniger leicht in die Tasten rutscht. Das Video der Aktion war da schon ein viraler Hit.

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Am Wochenende nach dem Nationalfeiertag erschütterten erneut Gewaltverbrechen die Nation. Den Rekord hielt einmal mehr Chicago mit 63 Verletzten und 17 Toten an einem Wochenende. Auch in New York wurden mehr als 44 Menschen verletzt (darunter zwei Polizisten), mindestens acht Menschen kamen ums Leben. In Atlanta kam ein achtjähriges Mädchen durch Schüsse um – angeblich in der Nähe eines Treffpunkts für die BLM-Proteste. Die Bürgermeisterin Keisha Lance Bottoms, die als »running mate« für Joe Biden gehandelt wird, kämpfte mit den Tränen, als sie die Bürger bat, der offenen Gewalt ein Ende zu machen.

Die Süddeutsche Zeitung weiß noch immer genau, dass es Trump ist, der sein Land spaltet und spricht vom »Land der Frustrierten«. In Münster wird es ab dem Herbst eine Ausstellung »Kunst der großen Gefühle« unter dem Titel »Passion Leidenschaft« geben. Thematisch soll es ebenso um den US-Präsidenten wie um die BLM-Bewegung gehen, die laut der Künstlerin Martha Rosler derzeit den »Gegenpol zu Trumps Politik und Emotionalität« bildet. Prächtige Kontrahenten also für eine Kunst, die hoffentlich voller Widersprüche sein wird.

Gegenstimmen von schwarzen »Außenseitern«

Doch auch vom allgemeinen Glauben abweichende Meinungen sind zu hören, und zwar zumal auch von Schwarzen, denen die vorgeschriebene Opferrolle an den Nerven zehrt. Der Literaturprofessor John McWhorter bezweifelt, dass man die Tötung George Floyds als »rassistische Tat« erweisen kann. Und der Ökonom Glenn Loury beklagt, dass die wirklich kritischen Fragen über Polizeigewalt, deren Verteilung und Folgen derzeit nicht einmal gestellt werden können. Beide sprechen von einem »Märtyrerkomplex«, wo von einer Gefährdung schwarzer Männer durch die Polizei geredet wird. Vom Deutschlandfunk Kultur werden sie natürlich als »Außenseiter in der Black Lives Matter-Diskussion« vorgestellt. Wie sollten sie auch etwas anderes sein, da sie offenbar nicht zu ihr gehören wollen! Loury hat andernorts Lösungsvorschläge für die aktuelle Debatte über die Schwarzen in den USA gemacht, die durch ihren Überblick überzeugen: »Wir müssen unseren Blick viel stärker darauf richten, wie sich die Leute die Techniken, die Fähigkeiten und Verhaltensweisen aneignen, die aus ihnen produktive Mitglieder der Gesellschaft machen.«

Der Einfluss von Black Lives Matter (BLM) auf die Gesellschaft der USA – damit indirekt auch auf die Diskussion hierzulande – dürfte nicht so bald abklingen. Man darf sich also auch weiterhin fragen, was diese Organisation überhaupt ist und will. In der amerikanischen Presse kommen dabei auch ältere, teils verstörende Nachrichten wieder zum Vorschein, die gerade dadurch einen tieferen Einblick in die Ursprünge der Bewegung geben können. Von der herrschenden Orthodoxie wird das natürlich als subkutaner Angriff auf die Integrität der ›Bewegung‹ angesehen, schnell aus dem Blickfeld geschoben und möglichst unsichtbar gemacht.

»White boys« und edle Schwarze

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So behauptete der Aktivist DeRay Mckesson 2015 im Streit mit Rudy Giuliani, die New Yorker Polizei sei für »ethnische Säuberungen« verantwortlich. 2017 ließ das britische Model Munroe Bergdorf von sich hören und meinte, dass Rassismus »nicht erlernt«, sondern (offenbar unwillkürlich) vererbt wird und dass »die weiße Rasse die gewalttätigste und unterdrückerischste Naturgewalt auf Erden ist«. Sie verlor daraufhin einen gerade erst ergatterten L’Oréal-Job. Auf Twitter werden Kritiker der Bewegung gerne als »white boy« verunglimpft. Wenn aber jemand den BLM- Aktivisten daraufhin als »black boy« anspricht, gerät er in Rassismusverdacht (»are you KKK?«).

Einen Fall für sich bildet eine der Gründerinnen des kanadischen Zweiges von BLM. Ihre Geschichte muss, kann und darf daher ausführlicher erzählt werden. Die einzelnen Puzzleteile, die nicht immer bis ins Letzte wasserdicht bewiesen sind, fügen sich am Ende zum sinnvollen Bild eines Charakters, der offenbar von extremen Kräften und inneren Konflikten gelenkt wird.

Doch beginnen wir etwas früher: Die BLM-Bewegung war zwischen 2013 und 2014 von drei professionellen »Organisatorinnen« mit marxistischen Wurzeln aufgebaut worden – aufgebaut vor allem auf der Behauptung, noch heute gebe es eine systematische vom Staat gegen Schwarze ausgeübte Gewalt. Der Gewaltbegriff der Aktivisten ist intrikat: Jede wirtschaftliche Ungleichheit kann damit gemeint sein, während die wirklich zerstörerischen Akte der eigenen Klientel in ihm nicht vorzukommen scheinen.

Bald schon hatte sich BLM in den USA ausreichend stabilisiert, um an eine Ausweitung jenseits der nördlichen Landesgrenzen nach Kanada zu denken. Natürliche Ziele waren Montreal und Toronto als Metropolen mit einigermaßen beachtlichen schwarzen Minderheiten (etwa fünf Prozent in Toronto, zehn Prozent der Bevölkerung in Montreal). Beide Großstädte liegen zudem in der Nähe der Hauptstadt Ottawa, sind also geeignete Keilriemen für eine Übertragung der BLM-Forderungen in Regierungshandeln.

»Bitte, Allah, gib mir die Kraft«

Allerdings hat der örtliche BLM-Ableger eine sehr eigene Art, politischen Druck auf die kanadische Regierung auszuüben. Für Yusra Khogali etwa, damals die zentrale Figur bei BLM Toronto, war Premierminister Justin Trudeau »ein weißer suprematistischer Terrorist«, und zwar obwohl er eine großzügige Aufnahme neuer Zuwanderer auch aus islamischen Staaten versprochen hatte. Man darf Khogali offenbar so verstehen, dass man sich keineswegs von der Kompromissbereitschaft der liberalen Linken daran hindern lassen soll, den Kampf fortzusetzen.

Schon im Februar 2016 hatte die Tochter sudanesischer Einwanderer und bekennende Muslimin während einer hitzigen Diskussion auf Twitter geschrieben: »Bitte, Allah, gib mir die Kraft, diese Männer und weißen Leute nicht zu verfluchen/töten. Bitte. Bitte. Bitte.«

Einem Radiomoderator war das damals aufgefallen. Kurz darauf war der Tweet verschwunden. Die Rechercheure gruben also tiefer. Die Toronto Sun erfuhr durch mehrere Quellen von einem älteren Facebook-Post Khogalis, der es in sich hatte. Experten sprachen von einer Übersetzung des eugenischen Rassismus aus dem frühen 20. Jahrhundert in eine schwarze Befindlichkeit von heute, und das dürfte den Nagel auf den Kopf treffen. Bis heute hat Khogali sich nicht zu dem Ende 2015 verfassten Post verhalten. Die Toronto Sun erhielt weder eine Antwort von BLM Toronto noch von der US-Dachorganisation. Das ist offenbar das Maß an Transparenz, das von derlei Organisationen gepflegt wird. In der Huffington Post forderte man schon 2017 den Rücktritt Khogalis.

Doch Khogali blieb das führende, preiswürdige Gesicht des kanadischen BLM-Chapters. 2018 erhielt sie einen Preis der Stadt Toronto für politische engagierte junge Frauen.

— Andy Ngô (@MrAndyNgo) July 6, 2020

Das Böse unter der »kosmischen Energiequelle«

Blicken wir auf ihr Werk. Es ist ein etwas längerer Post, in dem die Autorin dem biologischen Verhältnis von Weißen und Schwarzen aus ihrer ganz eigenen, verqueren Sicht auf den Grund geht. Ihr Text oder ihre Tirade ist durch den verwendeten Jargon teilweise fast unübersetzbar geworden und bleibt so ein Zeugnis der tiefen Verwirrung wie des antagonistischen Gefühls das Khogali zu ihrer mehrheitlich weißen Umgebung hat. Der Post beginnt mit diesen Worten: »whiteness ist not humxness.« Also ungefähr: »Weißheit ist nicht Mxnschheit.« Das X in »humxness« ist eine Art Gender-Stern und dazu da, das vermeintlich darin vorkommende »man« auszustreichen. Natürlich hat »human« gar nichts mit dem englischen Wort für Mann zu tun. Es beginnt, unordentlich zu werden.

Nächster Satz: »infact, white skin is sub-humxn.« – »Tatsächlich ist weiße Haut untermxnschlich.« An dieser Stelle ist man der Autorin für das X beinahe schon dankbar. Man spürt einen Schauer und einen Schwindel. Denn dieses Wort, dachte man, war aus dem aktuellen Sprachgebrauch verschwunden.

Weiter geht es mit einer ausgearbeiteten Rassentheorie, deren Dreh- und Angelpunkt das Melanin ist, das die Haut von Europäern bei Sonnenbestrahlung in geringen Mengen bildet und das in der Haut von Afrikanern in höherer Konzentration enthalten ist. Der Mangel an Melanin gilt der Autorin als »Gendefekt«, die weißen Menschen sind demnach »genetisch defizient«. Was folgt, ist eine Genkriegs-Lyrik neuerer Art: »Melanin ist bei der Entstehung des Lebens anwesend. Melanin hat eine direkte Verbindung zur Fruchtbarkeit und dem mxnschlichen reproduktiven System.« Ja, Melanin sei verantwortlich für »starke Knochen«, starke Nerven, Intelligenz, Gedächtnisleistungen und Kreativität. Schlussendlich: »Melanin kommuniziert direkt mit der kosmischen Energie.« Die kennen wir wohl auch unter dem Namen Sonneneinstrahlung.

Melaninmangel führte zu weißer Suprematie

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Doch Khogali scheint hier etwas grundsätzlich falsch verstanden zu haben. In ihrer Aufzählung der segensreichen Wirkungen des Melanins spielt sie offenbar auf die Vitamin-D-Bildung an. Doch die wird von Melanin nicht unterstützt, sondern eher gehemmt. Aus diesem Grund ging das Melanin schrittweise verloren, wenn Menschen in nördlichere Breiten gelangten. Melanin war (und ist) für den Menschen in Afrika ein Schutz vor zu viel Sonneneinstrahlung, vulgo »kosmischer Energie«.

Nun ja, Khogali drehte den Spieß um – das ist, was sie tatsächlich tun wollte – und machte aus Melanin einen Aktivposten. Sie hätte sagen können, dass es vor Hautkrebs schützt. Aber wahrscheinlich hat es keine einzige der positiven Wirkungen, die sie aufzählt. Man frage einen Biologen. Doch das ist nicht unser Thema. Denn es geht weiter. Laut Khogalis verdrehter Hautfarbentheorie spielt Melanin eine essentielle Rolle für alle körperlichen Funktionen. Da Weiße es nicht besitzen, seien sie folglich »rezessive Gendefekte« – schon wieder verwechselt Khogali hier den Träger mit dem Getragenen, das Lebewesen und seine Gene. Vielleicht ist schon das ein bisschen verräterisch für ihre biologistische Denkweise. Lebewesen besitzen wohl Gendefekte, sie sind sie aber nicht, werden nicht von ihnen ausgemacht.

Aus diesem »Factum« soll sich zuletzt angeblich auch der Hang zur »weißen Suprematie« erklären, da die mit einem vorgeblich rezessiven Gen für Melaninmangel ausgestatteten Weißen ihr biologisches und gesellschaftlich-staatliches Überleben nicht anders sichern könnten als durch die Unterdrückung der schwarzen Rasse. »Schwarze könnten einfach durch ihre dominanten Gene die weiße Rasse auslöschen, wenn wir die Macht dazu hätten.«

Schwarze sind »Übermxnschen«

Es ist offensichtlich ein Denken, das sich in die Ecke gedrängt fühlt und in der Folge wild um sich schlägt. Aber vielleicht ist dieser Text genau dadurch eine vielsagende Auskunft über die Ursprünge von Black Lives Matter. Der Anfang von Khogalis unheimlichen Überlegungen ist die Empfindung (oder nicht doch Illusion?) der eigenen Ohnmacht, die sich unter der Hand in eine Allmachtsphantasie verwandelt. Weiße Suprematie als Herrschaftssystem – so Khogali weiter – existiere, weil die Schwarzen kontrolliert müssen, um die drohende genetische Vernichtung der weißen Menschen zu verhindern. Dass aber Schwarze diesen Unterdrückungsapparat über Jahrhunderte ertragen hätten, beweise nur eines: »Das ist so, weil wir Übermxnschen sind.«

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Ein weiterer Ausflug in die kruden Ideengebäude der BLM-Bewegung geht so zu Ende, und man hat doch den Eindruck, dass manches darin absichtliche Übertreibung war. Schwarze sind durch Sonnenbrand gestählte Übermenschen, weiße durch Melaninmangel verkrüppelte Untermenschen. So einfach kann die Welt sein. Dass Khogali sich den Post im Nachhinein nicht mehr ausdrücklich zu eigen machte, hilft nur wenig weiter. Man muss annehmen, dass seine Energie im Untergrund ihres Denkens (vielleicht auch des Denkens anderer) weiterbrodelte.
2018 erhielt Khogali schließlich einen Preis für »Young Women in Leadership«, den die Stadtverwaltung von Toronto damals erstmals vergab. Warum sie? Warum keine ihrer Mitstreiterinnen? Es scheint, als sei noch vor zwei Jahren Khogali die treibende Kraft hinter BLM Toronto gewesen, denn nur in dieser Funktion konnte sie wohl einen städtischen Preis anziehen.

Dagegen tritt im Umfeld der jüngsten Proteste merkwürdigerweise nur die andere Mitgründerin, Sandy Hudson, in Erscheinung. Nicht einmal der Name von Yusra Khogali findet sich in den publizierten Artikeln und Interviews. Hat sich Khogali also still und heimlich aus der Leitung von BLM Toronto zurückgezogen oder erscheint sie nur nicht mehr öffentlich? In jedem Fall darf ihr ›Vermächtnis‹ wohl nicht übersehen werden, zumal sie über Jahre – vielleicht bis heute – die Aktivitäten von BLM Toronto geprägt hat. Der brutalistische Stil prägt leider die Rhetorik so manches Aktivisten in den zahllosen Protesten, Happenings und Unruhen, die derzeit stattfinden.

In die Kritik gerieten nun einige Facebook-Posts eines graduierten Philosophen Irami Osei-Frampong, zugleich Assistent an der University of Georgia, der unter anderem schrieb: »Weiße Menschen zu bekämpfen, ist eine Kunst.« Oder auch: »Eventuell müssen einige weiße Menschen sterben, damit schwarze Gemeinschaften wieder heil werden können.« Oder: »Schwarze töten nur deshalb Schwarze, weil sie nie gelernt haben, Weiße zu töten.« Der Philosoph gab sich ehrlich ratlos, warum diese Äußerungen überhaupt eine Kontroverse auslösten. Er habe sich nicht für Gewalt ausgesprochen, er sei nur ehrlich über die »Geschichte des Rassenfortschritts« gewesen. Alles andere wäre laut Osei-Frampong unhistorisch und »in gefährlicher Weise naiv«.

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