Tichys Einblick
Mit Geheimdienst-Methoden überwachen

Israel: Cyber-Security contra Corona

Mit Cyber-Security-Technologie sollen die Gesundheitsbehörden kontrollieren können, ob sich Infizierte und Personen in Quarantäne an aktualisierte Anweisungen halten.

imago Images/photothek

Israels Regierung erlaubt Geheimdiensten, Smartphones von Corona-Infizierten zu überwachen. Damit sollen auch die Gesundheitsbehörden kontrollieren können, ob sich Infizierte und Personen in Quarantäne an aktualisierte Anweisungen halten. Die dazu notwendige Cyber-Security-Technologie hat seine Wurzeln in der erfolgreichen Terrorbekämpfung in Israel. Voraussetzung: man muss es können und politisch wollen.

Regierungsdekrete und öffentliche Anweisung zum Verhalten in der Causa Corona sind gut und schön. Aber wie kontrolliert man die Praxis? Ein Arzt am Salzburger Klinikum ist nach einem Skiurlaub in Ischgl infiziert an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt. Mit verheerenden Folgen. (Nichts gegen Österreich, es könnte auch sonstwo vorgekommen). Ischgl gilt seit langem als Corona-Problemzone. Wäre das Arzt-Smartphone überwacht worden, hätte sein Arbeitgeber rechtzeitig informiert werden können. Telefon-Überwachung gilt in allen Demokratien als Eingriff in die zurecht geschützte Privatsphäre. Aber was nützt eine Privatsphäre, wenn ein noch so demokratisch gesinnter Bürger sich selbst und andere aus welchen Gründen auch immer in tödliche Gefahr bringt?

Israels amtierende Regierung hat jetzt den Geheimdiensten grünes Licht erteilt, Infizierte und alle, die sich in Quarantäne befinden, zu überwachen. Will heißen: ihr Aufenthaltsort, ihr Bewegungsradius und ihre sozialen Kontakte werden aufgezeichnet. Algorithmen-Programme schlagen Alarm, wenn gegen Verbote und amtliche Vorgaben verstoßen wird. Der Betreffende erhält eine verwarnende SMS. Verstößt er wiederholt, kommt umgehend die Polizei. Die Gesundheitsbehörden können zusätzlich jene, die mit Infizierten in Kontakt gekommen sind, frühzeitig in Quarantäne schicken. Der totale Überwachungsstaat? – zweifellos ein unangenehmes Gefühl.

Aber wir leben in Zeiten einer Pandemie, die ähnlich wie nach dem Ersten Weltkrieg Millionen Menschen dahinraffen könnte. Ministerpräsident Netanyahu hat dieser Tage die Bevölkerung daran erinnert. Jetzt hat er gehandelt. Dazu gehören jedoch Können und Erfahrung.

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In der EU und sicher stark ausgeprägt in Berlin, wird es erstmal Proteste hageln, sollte ein verantwortungsbewusster Politiker die israelische Praxis ins Spiel bringen. Genauso wie noch vor wenigen Tagen das Dichtmachen von Grenzen als wirkungslos abgelehnt wurde. Letztlich wird man wohl nicht umhin können, alle, wirklich alle Methoden anzuwenden, um die Verbreitung des Virus´ zu verhindern oder zumindest einzudämmen. Israel hat prozentual gerechnet eine sehr geringe Anzahl gemeldeter Corona-Infizierter. Die Schweiz, die etwa gleich viel Einwohner wie Israel aufweist, meldet heute fast zehn Mal so viel Personen mit dem Covid-19-Virus – IL: 250 CH: 2.200.

Israels Geheimdienst-Maßnahmen mögen ein Verstoß gegen die eine oder andere grundsätzliche, demokratische Grundregel sein. Aber, was nützt eine vorbildlich herzeigbare Demokratie, wenn Menschen sterben, weil nicht alle technischen Möglichkeiten kontrolliert angewendet werden? Diese Frage muss heute beantwortet werden, nicht erst bei oder nach Grabreden.

Israel hat mit seiner ausgefeilten Cyber-Security-Technologie die Anzahl der Terrordelikte in den letzten Jahren dramatisch reduzieren können: von rund 400 im Jahr 2003 auf unter 20 im letzten Jahr. Ein Versuch wäre es wert, Können und Erfahrung Israels zur Bekämpfung des Virus einzusetzen. Sollte sich Berlin und Brüssel dazu durchringen, Israels Entscheidungen zu folgen und dabei Rat oder Hilfestellung benötigen: die Kontaktadressen in Jerusalem dürften bekannt sein.

Übrigens: die Geheimdienste bekommen die Erlaubnis für 30 Tage, wenn das Parlament zustimmt. Danach müssen alle Daten gelöscht werden. Hoffentlich reicht die Zeit.

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