Tichys Einblick
Eine zweifelhafte Ehre für Israel

Heiko Maas und die Bundesregierung verspielen die Freundschaft mit Israel

Israels Premier Netanyahu forderte Maas bei seinem Besuch auf, den Druck auf den Iran zu erhöhen und die finanzielle Unterstützung der israelfeindlichen NGOs einzustellen. Maas lieferte nur vorgestanzte Rhetorik.

imago/photothek

Bundesaußenminister Heiko Maas hat Israel die zweifelhafte Ehre eines ersten Staatsbesuches nach Ausbruch der Corona-Krise zuteilwerden lassen. Die gebotene Covid-19-Abstandsregelung bei den Treffen mit Ministerpräsident Benyamin Netanyahu und Aussenminister Gaby Ashkenazi symbolisiert trotz des Lächelns bei den Fototerminen das gestörte Verhältnis zwischen Berlin und Jerusalem, das vielversprechend durch freundschaftlich-respektvollen Umgang zwischen Konrad Adenauer und Ben Gurion sowie durch Franz Josef Strauß und Shimon Peres auf der Basis eines gemeinsamen Wertesystems vor fast 70 Jahren begonnen hat. Was ist nur daraus geworden?

Heiko Maas und sein israelischer Partner unterzeichneten ein Abkommen, das Berlin auch für das nächste Jahrzehnt verpflichtet, eine Million Euro (kein Schreibfehler) jährlich für den Unterhalt der Holocaust-Gedenkstätte zu bezahlen. Mal abgesehen davon, dass Beträge in dieser Höhe den jährlichen Unterhaltskosten eines Freibades einer deutschen Großstadt entsprechen, sind derartige Projekte früher von Unterabteilungsleitern im Auswärtigen Amt abgezeichnet worden. Israel macht freundliche Miene zum unvermeidlichen Spiel.

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Der AA-Chef hat nach drei-monatiger Corona-Pause die Bundesluftwaffe anwerfen lassen, um bekannt Gestanztes in Jerusalem zu verkünden: gefordert sei jetzt der diplomatische Dialog, der beide Seiten zu direkten Verhandlungen an den Tisch bringen soll. Aufgeblasen durch den bevorstehenden EU-Ratsvorsitz und die sechs-monatige Führungsrolle im UN-Sicherheitsrat wirkt die zum x-ten Mal wiederholte Maas-Rhetorik, die eine politisch-moralische Äquidistanz zwischen Berlin/Jerusalem und Berlin/Gaza/Ramallah herstellt, umso peinlicher.

Seit 72 Jahren weigern sich alle palästinensischen Machthaber, die territorialen Probleme am Verhandlungstisch zu lösen, während alle israelischen Regierungen seit der Staatsgründung die Hand zum Frieden ohne Vorbedingungen ausgestreckt halten. Wie Gaza/Hamas und Ramallah/PLO gestrickt sind, kann auf deren Homepages nachgelesen werden. Hamas: „Israel wird so lange existieren, bis der Islam es auslöschen wird“. Im PLO-Info-Center gegenüber der Geburtskirche in Bethlehem – für jedermann zugänglich – hängen ausschließlich Landkarten, die ein grün eingefärbtes arabisch-muslimisches Palästina „vom Meer bis zum Fluss“ (bis zum Jordan) zeigen. Was nichts anderes bedeutet und unregelmäßig wiederholt wird: für ein jüdisches Israel ist hier kein Platz.

Niemand kann von überhastetem Handeln reden, wenn Israel nach vier arabisch-muslimischen Angriffskriegen (1948, 56, 67 und 73) und andauerndem arabisch-muslimischem Terror jetzt Teile Judäas und Samarias, in denen seit 50 Jahren gewachsene Städte mit israelischer Bevölkerung existieren, mit Unterstützung der USA annektieren will. Hinter Netanyahu stehen heute 72 von 120 demokratisch gewählten Parlamentsabgeordneten in einer S-GroKo (supergroßen Koalition). Es handelt sich um einen Versuch, den für beide Seiten untragbaren Zustand friedlich zu modifizieren. Wie es im Detail aussieht, wird sich in den nächsten Monaten ab dem 1. Juli zeigen. Wo sind die Mutig-Hoffnungsvollen, die 72 Jahre auf die arabisch-muslimische Fraktion gesetzt haben? Warum nicht mal auf Israel/USA setzen? Wer steht Deutschland und der EU näher?

Heiko Maas, die Rechtsextremisten und die Kippa
Die Maas´sche Leier, Israel verstoße gegen internationales Recht, ist von führenden Juristen in USA und EU längst widerlegt. Israel ist keine Besatzungsmacht, sondern eine Ordnungsmacht. Gäbe es Israel nicht, hätten wir auch rund um Tel Aviv Zustände wie in Syrien, Afghanistan, Irak, Libyen oder Jemen. Davon abgesehen sind Beziehungen zwischen Völkern weltweit von Juristen allenfalls begleitet, aber nie verursacht oder bestimmt worden. Entscheidend ist das demokratische Wertesystem der verantwortlichen Politiker – die Würde des Menschen ist unantastbar -, das die Beziehungen zwischen Deutschen und Juden mühsam gewoben durch Adenauer und Ben Gurion zu einer beispielhaften Freundschaft nach dem Holocaust geführt hat. Heiko Maas und die Bundesregierung verspielen durch Missachtung der Realität, Negierung der Geschichte und durch die moralische Gleichsetzung von Gaza/Ramallah/Iran mit Jerusalem eine jahrzehntelange gewachsene Freundschaft.

Von einer Zwei-Staaten-Lösung – politisches Steckenpferd der EU- und UN-Gläubigen – ist der Nahe Osten weiter entfernt als von einer bemannten Marslandung. Deutliches Anzeichen: Es hat in den letzten 50 Jahren nie eine palästinensische Wanderbewegung von Israel in Richtung Westbank gegeben. Umgekehrt würden Hundertausende aus Ramallah, Nablus und Jenin lieber heute als morgen nach Israel umziehen. Nirgendwo im Nahen Osten sind die Lebensbedingungen für Muslime so komfortabel wie im modernen Israel.

Wer ist die Bedrohung im Nahen Osten? Israel oder Hamas, PLO, Palästinensischer Jihad, ISIS, Hisbollah unterstützt durch den Iran? Wer hat eroberte Territorien für einen kalten Frieden mit Ägypten und Jordanien zurückgegeben? Israel oder ein arabisch-muslimischer Staat? In den letzten 120 Jahren sind Angriffskriege stets von Polizei- und Terrorstaaten ausgelöst worden. Nie durch eine demokratisch geführte Nation. Israel verteidigt sich seit 1948 gegen eine arabisch-muslimische Übermacht und passt seine Sicherheitslage durch den „Deal of the Century“ jetzt an. Ein Versuch ist es wert. Alle bisherigen Pläne von Oslo bis Camp David sind gescheitert, weil der Nahost-Konflikt kein territorialer, sondern vielmehr ein religiöser Konflikt ist. Dass der Versuch, den „Deal of the Century“ jetzt umzusetzen, auch in Israel und in den USA auf große Widerstände stößt, gehört zum demokratischen Spiel. Bangemachen gilt nicht – schon gleich gar nicht im Nahen Osten.

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Staatsbesuche haben den eigentlichen Sinn, dem Gastgeber zuzuhören, dazuzulernen, Nuancen zu erkunden. Vorgefertigte Statements abzuliefern, geht über die neuen Medien heute schneller. Wie abgekühlt das Verhältnis Berlin/Jerusalem inzwischen ist, kann auch daran erkannt werden, dass Heiko Maas seinem Gesprächspartner keine Antwort auf dessen drängenden Fragen gibt, sie geflissentlich übergeht, weil sie die vorgefertigte Meinung stört.

Netanyahu, der laut Presse-Kommuniqué betont, er habe der Bitte um ein Gespräch mit dem deutschen Außenminister entsprochen, forderte Maas dazu auf, den Druck auf den Iran zu erhöhen. Laut internationaler Atom-Energie-Organisation (IAEA) verstoße der Iran fortlaufend gegen Abmachungen und verberge verdächtige militärisch nutzbare Atom-Anlagen. Immerhin bedrohen diese Anlagen die Existenz des Staates Israel. Der israelische Ministerpräsident bat Maas auch, die finanzielle Unterstützung der israelfeindlichen NGOs (Nicht-regierungs-Organisation) einzustellen.

In seiner Stellungnahme war von Heiko Maas dazu nichts zu hören. Die deutschen Medien haben auch nicht nachgebohrt.

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