Entwicklungshilfegelder wandern auf Privatkonten in Steueroasen

Eine wissenschaftliche Studie sorgt nicht nur in der Weltbank für Unruhe. Demnach versickert ein großer Anteil der Überweisungen von Entwicklungshilfe auf den Konten politischer Machthaber in Steueroasen. Warum versorgen Weltbank und Geberländer korrupte Regierungen weiter mit Geld?

ERIC BARADAT/AFP via Getty Images

Laut einer wissenschaftlichen Analyse der Weltbank mit dem Titel „Elite Capture of Foreign Aid: Evidence from Offshore Bank Accounts“ der drei Ökonomen Jorgen Juel Andersen (Norwegen), Niels Johannesen (Dänemark) und Bob Rijkers vom 18. Februar 2020, versickert ein großer Anteil der Überweisungen von Entwicklungshilfe in Steueroasen, genannt sind vor allem die Schweiz und Luxemburg.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das Guthaben von Kreditinstituten in Regionen, die für Steuerflucht bekannt sind, steigt, sobald Tranchen der Entwicklungshilfe überwiesen werden. Die Eliten der Empfängerländer sollen das Geld abfließen lassen. Die Forscher haben die Quartalszahlungen an 22 Entwicklungsländer (darunter 18 afrikanische Staaten) untersucht und mit den Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich verglichen.

In der Weltbank habe der Bericht ein Beben losgelöst: der „Economist“ berichtete von Versuchen, die Ergebnisse abzumildern und sogar die geplante Publikation zu verhindern. Es soll Hinweise geben, die den vorzeitigen Rücktritt der Weltbank-Chefökonomin Pinelopi Goldberg in Verbindung mit der Analyse bringen sollen. Sie soll versucht haben, die Forschungsergebnisse zu verdecken.

Nicht nur zur Weihnachtszeit
Spenden für Afrika? Ja, aber nur für sinnvolle Projekte
Mich wundert nicht, dass die Weltbank die Veröffentlichung blockieren wollte. Das Thema ist ja schon seit vielen Jahren Gesprächsstoff in Entwicklungshilfekreisen. Die Weltbank und der IMF oder auch unsere Hilfsorganisationen haben schon zu meiner Zeit als deutscher Botschafter in Kamerun das Thema Korruption in ihren Gesprächen mit der Regierung nicht aufgreifen wollen. Es hätte das Kerngeschäft in Frage gestellt. Nach dem kritischen Bereicht des Economist hat die Weltbank die Ergebnisse inzwischen veröffentlicht.

Die politischen Systeme in vielen afrikanischen Staaten sind angeschlagen, sie stehen wegen Vetternwirtschaft und Korruption am Abgrund. Der Vertrauensschwund der Bevölkerungen in ihre Politiker ist enorm. Es gibt zwar überall Parlamente, aber sie tun, was das Machtzentrum, sprich der Präsident verlangt.

Präsidenten in Afrika müssen endlich aktiv werden und die Hürden in den eigenen Köpfen überwinden. Sie tun nichts um die Einkommenssituation der großen Mehrheit der Bevölkerung zu verbessern. Ein Staatschef muss den „Zug der guten Regierungsführung“, deren Wagen Transparenz, Arbeit und Effizienz sind, selbst steuern. Wenn der Chef schweigt, schweigen alle. Deshalb gibt es in Afrika ein Chefproblem. Nur ein Staatschef kann in Afrika Themen aufbringen. Minister erfahren aus dem Radio, ob sie ernannt oder abgesetzt wurden. Sie hüten sich den Chef zu korrigieren.

Die „Wurstigkeit“, eine ausgeprägte Unlust , Dinge anzupacken oder anders zu machen und etwas Neues auszuprobieren hat dazu geführt, dass die meisten Staaten Afrikas schon lange schlecht verwaltet werden. Der Kontrast zur pompösen Rhetorik und den aktuellen Realitäten ist enorm. Es gibt in den reichen Ländern zwar Wachstumsraten, aber es wird fast nichts im Lande produziert und damit keine Arbeitsplätze geschaffen. Das Wirtschaftswachstum beruht nicht auf rechtmäßiger und gerecht verteilter Arbeit. Die Regierung von Kamerun z.B. – ein Symbol der Misswirtschaft und bekannt für den teuren Lebensstil seiner führenden Politiker – müsste vom bloßen Export von Rohstoffen abrücken, die Industrialisierung fördern und den Dienstleistungssektor stärken. Zugleich müsste das Bildungswesen erheblich verbessert werden, um die eigene Wirtschaft mit besser ausgebildeten Fachkräften konkurrenzfähiger zu machen. Weit verbreitet sind fehlende Bürgernähe der Verwaltung, Korruption und Klientelismus, enorm ist der Modernisierungsbedarf von Staat und Gesellschaft. Von einer zukunftsfähigen Wirtschaft zu schweigen. Bestechung, Bestechlichkeit, Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung schaden dem Ruf Kameruns.Die politische Auseinandersetzung mit der Opposition findet nicht statt.

Die betroffenen Regierungen sehen in der Korruptionsbekämpfung in erster Linie eine Einmischung in interne und politisch sensible Angelegenheiten. Man erwartet von uns Europäern, dass wir das Wohl der Machteliten nicht durch unbequeme Fragen nach dem Volkswohl stören. Was wir bei unseren eigenen Regierungen für selbstverständlich erachten und kritisch beobachten, fordern wir in Afrika nicht ein.

Afrikanische Politiker, die ihr Gewinnstreben über das Wohlergehen der Bevölkerung stellen, verkündigen immer wieder mit markigen Äußerungen einen kompromisslosen Kampf gegen Korruption. Aber wann werden aus Worten Taten? Wer packt an und will sein Land wirklich reformieren. Die meisten predigen Wasser und trinken Wein. Es ist grotesk mit den bisherigen Management noch an Absichtserklärungen zu glauben. Warum versorgen Weltbank und Geberländer korrupte Regierungen weiter mit Geld? Außerdem sollten Weltbank und Geber handeln und ihren ständig wachsenden Finanzierungsbedarf überprüfen.


Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Drei Nachauflagen folgten 2019 und 2020. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.


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Kommentare ( 22 )

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22 Comments
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Alf
4 Jahre her

„Die politischen Systeme in vielen afrikanischen Staaten sind angeschlagen, sie stehen wegen Vetternwirtschaft und Korruption am Abgrund. Der Vertrauensschwund der Bevölkerungen in ihre Politiker ist enorm. Es gibt zwar überall Parlamente, aber sie tun, was das Machtzentrum, sprich der Präsident verlangt.“

Kommt einem bekannt vor. Da muß man nicht auf Afrika zeigen.

Silverager
4 Jahre her

Für dieses Ergebnis war eine „Studie“ notwendig?
In der Weltbank hat die „Studie“ ein Beben ausgelöst?
Wie naiv und bescheuert sind die „Weltbänker“ eigentlich?

H. Priess
4 Jahre her

Dieses Thema ist doch schon seit Jahrzehnten Thema aber nicht in der UN und den Entwicklungsorganisationen. Beide leben sehr gut von den Milliarden. Daß dort in fast allen Ländern das allermeißte Geld sofort zur privaten Verwendung umgebucht wird ist jedem klar aber keinen interessierts so lange die Milliarden weiter fließen. Dazu kommt, daß es sehr schwierig ist überhaupt etwas aufzubauen da die Bereitschaft einer Erwerbtätigkeit nachzugehen, ich formuliere vorsichtig, sehr zu wünschen übrig läßt. Man geht zur Arbeit wenn man Geld braucht, bekommt man es wird mit arbeiten aufgehört bis man wieder Geld braucht. Pünklichkeit zu verlangen ist für viele… Mehr

bw
4 Jahre her
Antworten an  H. Priess

Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen. Was aber mittlerweile fast noch schlimmer ist, ist die Weigerung unserer Medien sich diesem Thema intensiv anzunehmen. Der Grund ist natürlich offensichtlich. Es entfielen dann nämlich die ständig so „ hingenuschelten“ Gründe für die Migration, dann müssten diese Völker endlich einmal selbst tätig werden. Es wäre natürlich auch eine Aufgabe für die UNO. Dann könnte auch gleich mal überprüft werden wo die Milliarden an Entwicklungshilfe geblieben sind. Es sollte endlich mal die Konten dieser Länder in der Schweiz, Luxemburg usw überprüft werden; dann wäre dann plötzlich Geld in Billionenhöhe vorhanden. Gut, bei… Mehr

chaosgegner
4 Jahre her

„Es gibt zwar überall Parlamente, aber sie tun, was das Machtzentrum, sprich der Präsident verlangt.“

Und wo ist da der Unterschied zu Deutschland?
(Statt „Präsident“ „Kanzlerin“)

teanopos
4 Jahre her

Entwicklungshilfe die nicht funktioniert.
Daran können nur Trump und all
die alten weißen Männer schuld sein, Nazis!

fatherted
4 Jahre her

Afrikas Entwicklungsländer könnten schon längst den Sprung zum Schwellenland geschafft haben…hätte man die Gelder der letzten 30 Jahre in den Ausbau der Infrastruktur investiert statt sie mit der Gießkanne zu verteilen oder gleich den Machthabern zu überweisen. Geld gegen Rohstoffe…so wie China macht…nur was was kostet hat einen Wert…so ist das nun mal…wird aber natürlich von allen abgelehnt…wegen Neo-Kolonialismus….na gut dann macht halt so weiter wie bisher.

Peter Gramm
4 Jahre her

so etwas als neue Erkenntnis zu deklarieren ist schon interessant. Die Schweiz hat diesbezüglich schon lange ein Problem (Jean Ziegler). Dort wo aber viel Geld liegt schweigt man lieber über dessen Herkunft. Man lebt ja ganz gut davon. Es müßte ja einem Bänker schon auffallen das die ganzen Konten von afrikanischen und anderen Potentaten nicht vom Sockenstopfen oder Unkrautjäten ihrer Inhaber gespeist werden. Schlimm finde ich nur dass der ehrliche Steuerzahler des jeweiligen Landes belastet wird um diese Steuergroschen diesen Politbanditen in die Tasche zu schieben und niemand tut etwas dagegen. Sonst kann doch auch alles kontrolliert, überwacht und nachverfolgt… Mehr

F.Peter
4 Jahre her

Hat irgendwer mit gesundem Menschenverstand irgendetwas anderes erwartet???
Oder ist nicht sichtbar, dass trotz massiver Hilfe aus dem Ausland sich in vielen unterstützten Ländern nichts positiv für die Bevölkerung ändert? Oder nicht wahrnehmbar, auf welch großem Fuss die Herrschenden in diesen Ländern leben???
Naivität gepaart mit Blauäugigkeit ist insbesondere in unserem Land bei den Entwicklungshilfeministern zu beobachten!

Sachse fern der Heimat
4 Jahre her

Das große Problem an der Sache ist doch ganz einfach darin zu suchen, dass es den „großen Gönnern“ eigentlich völlig schnurzepiepegal ist,wie es der armen Bevölkerung in Afrika geht. Es geht ausschließlich darum, mit anderer Leute Geld, den großen Samariter zu mimen und zu übertünchen, dass die Probleme Afrikas vom Rest der Welt NIEMALS gelöst werden können. Wenn man diesem Kontinent wirksam helfen will, muss man sich darum kümmern, dass die Bevölkerungsexplosion gestoppt wird.

StefanB
4 Jahre her

„Es gibt zwar überall Parlamente, aber sie tun, was das Machtzentrum, sprich der Präsident verlangt.“ ––> Hmm, da tun sich ja erstaunliche Parallelen zu einem bedeutenden Geberland auf, in dem der Präsident Bundeskanzlerin heißt.

Zur Entwicklungshilfe: Sofort einstellen, da diese Subventionen völlig unkontrollierbar sind. Missbrauch ist vorprogrammiert. Und ich gehe jede Wette ein, dass auch die Vertreter der Geberländer von der Umverteilung „profitieren“.