Coronavirus in Italien: Schnelle Ausbreitung in der roten Zone

Mittlerweile gibt es 318 Fälle, darunter 7 Tote. In den Regionen Sizilien, Toskana und Ligurien wurden die ersten Fälle bestätigt. Insgesamt sind 9 Regionen und 21 Provinzen betroffen, am stärksten die Lombardei.

Emanuele Cremaschi/Getty Images

Es gibt einen Satz, der angesichts der Coronavirus-Epidemie in Norditalien an Aktualität gewonnen hat. Er stammt aus dem Kultfilm „Die große Schlacht des Don Camillo“, der auf den Geschichten Giovannino Guareschis basiert. Guareschi war ein Kind der Po-Ebene, genauer aus der Provinz Parma, die nur unweit der heute betroffenen „roten Zone“ liegt. In dieser kleinen Welt, durch welche sich der Fluss Po drängt, leben auch seine berühmtesten Figuren. In einer Anekdote müssen der katholische Dorfpfarrer und der kommunistische Bürgermeister ihre Rivalitäten begraben, um einen versteckten deutschen Panzer untauglich zu machen. Als Don Camillo feststellt, dass den Panzer kein Wehrmachtskreuz, sondern ein amerikanischer Stern ziert, wiegelt Peppone ab: „Hochwürden, Italien ist ein Hafen am Meer, es kommt und geht – wer soll da wissen, wer da kommt und geht. Und alle sprechen sie ausländisch!“

Weltweiter Handel, transkontinentaler Tourismus und Massenmigration haben Italiens Status bis heute nicht geändert. Und der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte beharrt angesichts des Notstands auf die Vernetzung der achtgrößten Volkswirtschaft der Welt: „Italien ist ein sicheres Land, das man bereisen und touristisch besuchen kann, es gibt nur sehr wenige Gebiete mit Beschränkungen; womöglich ist es ein Land, das sicherer ist als viele andere.“ Beschränkungen und Quarantänen, wie sie mittlerweile gegen Rückkehrer aus den Krisenregionen Lombardei und Venetien verhängt wurden, seien „nicht gerechtfertigt“. Kuwait hat alle Flüge von und nach Italien gestrichen, Bulgarien hat dasselbe für die Flüge nach Mailand getan; Prag hat Sonderuntersuchungen für Reisende aus Italien angeordnet, das Vereinigte Königreich rät im selben Fall zu einer vierzehntägigen „Selbstisolation“.

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Mittlerweile gibt es 318 Fälle in der ganzen Republik, darunter 7 Tote. In den Regionen Sizilien, Toskana und Ligurien wurden heute die ersten Fälle bestätigt. Insgesamt sind 9 Regionen und 21 Provinzen betroffen. Am stärksten grassiert die Epidemie in der LombardeiMittlerweile gibt es 318 Fälle in der ganzen Republik, darunter 7 Tote. In den Regionen Sizilien, Toskana und Ligurien wurden heute die ersten Fälle bestätigt. Insgesamt sind 9 Regionen und 21 Provinzen betroffen. Am stärksten grassiert die Epidemie in der Lombardei, wo 250 Infizierte registriert wurden, davon allein 101 in der Provinz Lodi. Es handelt sich um jene „rote Zone“ aus zehn Gemeinden mit 50.000 Einwohnern, die von Sicherheitskräften komplett abgeriegelt wurden. Seit heute Morgen sind auch Soldaten eingetroffen, um neue Übergänge zu eröffnen und Versorgungswege in das Quarantänegebiet offenzuhalten. Attilio Fontana, der Ministerpräsident der Lombardei, schließt weitere Barrikaden nicht aus, um die weitere Ausbreitung von COVID-19 aufzuhalten. „Das Virus verbreitet sich sehr schnell“, so Fontana. „85 bis 90 Prozent der Infizierten kommen aus der roten Zone oder haben sich dort aufgehalten.“ Das Horrorszenario ist eine Ausbreitung in die lombardische Hauptstadt Mailand. Einem solchen GAU tritt der Lega-Gouverneur entgegen. Eine Abriegelung Mailands sei „unvorstellbar“.

In der Millionenmetropole leeren sich jetzt bereits die Straßen und mehren sich die Atemschutzmasken. Nicht nur in der direkten Umgebung, sondern auch aus der übrigen Lombardei gehen die Meldungen von Hamsterkäufen und leergeräumten Supermärkten um. Die Schulen sind in der gesamten Region geschlossen, die Theater, die Museen, die Kinos. Selbst die Messen abgesagt – oder werden ersatzweise auf Youtube übertragen, ähnlich wie in Venedig und Padua. Bars bleiben in den meisten Kommunen ab 18 Uhr geschlossen. Wie lange die Restaurants noch offenbleiben, ist eine unbeantwortete Frage. Fontanas Regierung prüft ein Dekret, das nicht nur die Schließung von öffentlichen Gebäuden, sondern auch Geschäften verfügen soll. Die eigens ins Leben gerufene Notfallnummer der Region ist ausgefallen aufgrund eines „Tsunamis“ an Fragen, wie es der Corriere della Sera nennt. Anrufer belasteten daraufhin die 112 bis an die Grenze des Kollapses.

Krankenhäuser und Sicherheitskräfte klagen derzeit über einen Engpass bei Atemschutzmasken. Die Produktion ist – ähnlich wie die Pharmaindustrie – nach Ostasien ausgelagert worden. Italien hat zusätzlich am Anfang der Wuhan-Grippe zwei Tonnen medizinischer Hilfspakete in die Volksrepublik geschickt. In Arezzo wurden bereits Mundschutzmasken aus der Radiologie gestohlen. Premier Conte sicherte zu, dass die italienischen Produktionsstätten von Atemmasken ab jetzt das eigene Land bevorzugen müssten. Man würde dafür „außergewöhnliche und sofortige“ Maßnahmen treffen. Ansonsten versuchte er zu beruhigen. Premier Conte nennt den Ausbruch der Epidemie einen „Notfall, den man bewältigen kann“. Auch auf mögliche wirtschaftliche Probleme werde man zeitnah reagieren. „Wir dürfen nicht dramatisieren, die Maßnahmen sind verhältnismäßig.“ In ein ähnliches Horn stieß Fontana. „Das Virus ist sehr aggressiv, was die Verbreitung angeht, aber nicht in seinen Konsequenzen. Es ist weniger als eine normale Grippe, sagen die Experten.“ Auch der WHO-Berater der italienischen Regierung, Walter Ricciardi, beschwichtigte: „Von 100 Leuten genesen 80 schnell, 15 haben ernste, aber behandelbare Probleme, 5 Personen sind besonders schwer betroffen und 3 Prozent sterben. Alle bisher Verstorbenen hatten bereits schwere Vorerkrankungen.“

Gesundheitsminister Roberto Speranza betonte zwar, dass das Coronavirus das ganze Land „geeint“ habe: „Es gibt eine maximale Zusammenarbeit zwischen allen Institutionen des Staates.“ Aber Fontana kritisierte bereits die römische Zentralregierung, die versuche, die Verantwortung auf die Regionen abzuwälzen. „Leider haben wir auf die Regierung gehört und sind still geblieben. Wir haben einen Monat früher mehr Kontrollen gefordert. Man hat uns als Rassisten und Panikmacher bezeichnet.“ Conte verwehrte sich gegen solche Vorwürfe, es sei keine Zeit für Streitereien. Tatsächlich soll Conte sogar Fontanas Parteikollegen, den Ex-Innenminister Matteo Salvini, kontaktiert haben, um diesen möglicherweise wieder in eine überparteiliche, „nationale Regierung“ einzubinden. Die Darstellungen über den Versuch gehen auseinander. Conte behauptet, Salvini sei nicht ans Telefon gegangen, weil er wegen des Regierungsbruchs im August 2019 beleidigt sei, und eine Entschuldigung verlange. Salvini dagegen behauptet, Conte habe die falsche Nummer gewählt – und fügte hinzu: „Conte und seine Minister sollen nicht mich um Verzeihung bitten, sondern 60 Millionen Italiener, die sie hätten verteidigen und schützen müssen. Conte soll sich entschuldigen und dann zurücktreten.“

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Kommentare ( 55 )

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Heike
4 Jahre her

…schnelle Ausbreitung in der roten Zone..heißt übersetzt – willkommen Corona in Deutschland!!! Nun bist du halt da….

Sachsenfrau
4 Jahre her

Vielleicht kommt von Herrn Spahn ja bald das „Harmlose-Viren-Gesetz“?
Also, wenn er neben CDU-Vize-Vorsitz-Rangelei noch Zeit für sowas hat, natürlich nur…
Alles wird gut!
Die schaffen das!

GermanMichel
4 Jahre her

Na klar, alle rationalen Menschen hätten kein Problem damit, Kunden einer Fluggesellschaft zu sein, die 2% Abstürze hat.

Was sind schon 2% …

GermanMichel
4 Jahre her

Wir alle beten für Instant Karma, bspw Superspreader als Putzkräfte im Regierungsviertel Berlin.

Thomas
4 Jahre her
Antworten an  GermanMichel

Die haben alle ein sicheres Plätzchen im Bunker. Deswegen sind sie auch so cool.

butlerparker
4 Jahre her

Schon längst hätte der Aufruf an die Bevölkerung Europas erfolgen müssen, nur noch zu reisen, wenn unbedingt nötig und alle Massenveranstaltungen zu meiden. Dazu muss man die Grenzen nicht schließen, aber man könnte schon genauer kontrollieren und überprüfen inwiefern Reisen notwendig sind oder nicht.

Ich finde, wir sind hier sehr leichtsinnig und bewegen uns auf einem schmalen Grad.

Lichtenberg
4 Jahre her

In einer Situation wie der aktuellen ist es wichtig, Informationen und Erfahrungsberichte aus erster Hand zu erhalten. Vielen Dank dafür, Herr Gallina. Den jüngsten Beiträgen auf Ihrem Blog entnehme ich, dass Mitglieder Ihrer Familie in der norditalienischen Gelben Zone zu Hause sind. Ich wünsche Ihrer Familie alles Gute und allen Italienern ein möglichst rasches Ende dieser Bedrohung.

Marco Gallina
4 Jahre her
Antworten an  Lichtenberg

Lieber Herr Herr Lichtenberg, haben Sie vielen Dank.

Thomas
4 Jahre her

Styxhexenhammer gibt tägliche Corona Virus updates auf Youtube. Lassen Sie sich nicht von dem Namen und seinem Aussehen täuschen. Er ist ein cleverer Kommentator hauptsächlich der US Politik.
Ps Über Deutschland hat er vor einigen Jahren mal ein Video gemacht: Deutschland wird das erste moderne westliche Land sein das kollabiert.

Ruhrler
4 Jahre her

Meldung von heute: Ein Patient in NRW in kritischem Zustand, muss also schon längere Zeit das Virus verteilt haben (Inkubationszeit bis zu 4 Wochen).. Jetzt wird sich zeigen ob wir wirklich so gut vorbereitet sind wie Herr Spahn meint.

Karli
4 Jahre her

Der Corona-Virus liebt disziplinarme Gesellschaften mit einem Hang zu Debatten in großem häufig wechselnden Personenkreis.

Heike
4 Jahre her

Die Bundesregierung ist „gut aufgestellt“ zum Schutz der Bundesregierung! Für den Rest gilt, „nun ist er halt da der Virus….mir doch egal“.