UN-Migrationspakt legalisiert Parallelgesellschaften

Vereinbart werden Ziele. WIE diese Ziele umgesetzt werden, bleibt Sache der Staaten. Dass sie in die Tat umzusetzen sind, wird vereinbart. Und zwar wirklich rechtlich verbindlich. Das ist die suggestive Irreführung, die derzeit bei solchen Bekundungen von Seiten der Regierung stattfindet, beschreibt Prof. Reinhard Merkel im Gespräch im Deutschlandfunk.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Im Deutschlandfunk spricht Dirk-Oliver Heckmann mit Rechtswissenschaftler Prof. Reinhard Merkel darüber, wer nun beim UN-Migrationspakt Recht hätte, die Kritiker oder die Bundesregierung als Verteidiger des selben: Öffnet der UN-Migrationspakt nun Tür und Tor für alle, die nach Deutschland wollen? Oder liegt die Bundesregierung richtig, wenn sie betont, der UN-Migrationspakt sei nicht einmal völkerrechtlich bindend, also alles kein Problem?

Prof. Merkel ist SPD-Mitglied und u.a. auch Mitglied im deutschen Ethikrat. Er hat eine durchaus kritische Haltung gegenüber der Zuwanderungspolitik seiner Namesvetterin und er scheut sich nicht, diese auch zum UN-Migrationspakt öffentlich zu äußern.

Die Antworten des Professors sind auf eine Weise bemerkenswert, dass wir sie hier als Ausschnitt einmal im O-Ton wiedergeben wollen. Es gilt das gesprochene Wort.

Das ganze Gespräch ist hier nachzuhören, ab Höhe 11:15.

Dirk-Oliver Heckmann (DH):
Zunächst einmal zu der Frage, die Übereinkunft entfalte keine völkerrechtliche Bindung. Kann man das so unterschreiben?

Prof. Reinhard Merkel (RM):
Nein, so kann man das nicht unterschreiben, dass ist zumindest irreführend. Er ist nicht im strikten Sinne einer völkerrechtlichen Konvention unmittelbar rechtsverbindlich, das erklärt der Compact selber, also diese Vereinbarung. Aber er wird eine ganze Reihe auch rechtlicher, völkerrechtlicher Wirkungen entfalten. Im Völkerecht gibt es den Begriff des „soft law“.

GCM
Migration – einklagbares Recht unter dem Dach der Bundesrepublik
Selbst ein Beschluss der UNO-Generalversammlung der einfach nur irgendein Thema festhält und nicht als Vereinbarung gilt, kann solche Wirkungen entfalten – etwa für die Auslegung völkerrechtlicher Konventionen und sonstiger Normen/ Rechtsnormen, wenn die vor Gericht verhandelt werden. In diesem Sinne wird die Vereinbarung ganz sicher völkerrechtliche Wirkungen haben und die sozusagen suggestive Betonung, die wir derzeit von Seiten der Regierung erleben und hören – das sei ja gar nicht rechtsverbindlich – mutet in verschiedener Hinsicht seltsam an. Erstens, weil sie nicht richtig ist, und zweitens, weil man sich sofort fragt, warum eine Vereinbarung geschlossen wird, wenn man dazu sagt, die soll aber keinerlei Wirkung haben.

DH:
Da stellt die Bundesregierung aber völlig anders da. Wir können ja einmal reinhören in den O-Ton des Sprechers des Auswärtigen Amtes (…)

„Der Pakt formuliert Ziele. Wie diese Ziele umgesetzt werden, insbesondere dann, wenn es darum geht, auch zur Bekämpfung illegaler Migration Möglichkeiten für legale Migration zu schaffen, das bleibt den Mitgliedstaaten offen. Also die Kriterien und die Höhe der Zuwanderung bleiben souveräne Entscheidungen der Staaten.“

(Wieder DH:) Und in der Tat, unter Ziffer 15c, ich habe einmal nachgeblättert, da steht ganz genau drin, Zitat: „Der globale Pakt bekräftigt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereiches in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln.“ Deutlicher kann man es doch eigentlich nicht ausrücken …

RM:
Na ja, also was festgehalten wird in dem Pakt, ist, dass die Staaten ihre einzelnen Grenzregelungen, die Zutrittsregelungen, kurz die Rechtsnormen die die Migration innerhalb der Staaten regeln, weiterhin als genuine eigene Zuständigkeit behalten.
Vereinbart werden Ziele! Was wir eben gehört haben, war die Bemerkung, wie diese Ziele umgesetzt werden, bleibt Sache der Staaten. Dass sie umzusetzen sind, wird vereinbart. Und zwar wirklich rechtlich verbindlich. Das ist sozusagen die suggestive Irreführung, die ich derzeit erlebe bei solchen Bekundungen von Seiten der Regierung.

DH:
Aber sind denn da irgendwelche Ziele formuliert, die Deutschland nicht ohnehin schon erfüllt?

RM:
Ja und nein. Also natürlich sind auch sehr vernünftige Ziele da drin. Richtig. Das bestimmte Rechte den Migranten garantiert werden müssen, die ohnehin eigentlich völkerrechtlich gewährleistet sind. Dass das noch einmal bekräftigt wird und andere Dinge. Das ist richtig. Auch dass Zugang zu einem Minimum an Unterstützung, also Zugang zu den Sozialsystemen im Sinne einer menschenwürdigen Versorgung gewährleistet sein muss, ist bei uns längst geltendes Recht.

DH:
Das ist auch ein Grundrecht, nehme ich mal an, nicht?

RM:
Na, jedenfalls hat das Verfassungsgericht das festgehalten und das ist angebunden an Artikel 1, nämlich den Schutz der Menschenwürde. Das alles ist richtig, das ist schon geltendes Recht. Aber man muss die – sozusagen – Langzeitwirkung, die solche Vereinbarungen enthalten, schon auch in den Blick nehmen. Erstens wird die Vereinbarung tatsächlich – das glaube ich – eine gewisse Sogwirkung auslösen, bzw. bestehende Sogwirkung für die Migration aus den armen Staaten in die wohlhabenden Staaten deutlich verstärken. Das heißt, es wird de facto das Problem, mit dem wir derzeit umgehen und das wir noch nicht richtig im Griff haben, weiter gefördert.

(…)

Aber man muss genau betrachten, ob man zusätzliche Anreize in die Welt setzt – das tut dieser Pakt! – und man sollte endlich auch aufhören mit der naiven Haltung, die ja auch heute sozusagen in der Tagespolitik gern gezeigt wird:

’Wir haben das Problem doch gelöst. Die Zuwanderung ist doch auf ein Minimum gesunken, verglichen mit 2015 und 2016.’

Wir haben das Problem überhaupt nicht gelöst. Wir werden neue Migrationswellen kriegen. Wir sollten also uns der Problematik bewusst sein. Es ist richtig, dass dieser Vertrag vernünftige Regelungen enthält und das Problem nicht einfach ignoriert. Aber er spielt es herunter.

(…)

RM:
Wir können nicht einfach so tun, dass nach dem Abschluss dieser Vereinbarung in Deutschland ganz souverän entschieden werden kann, wir lassen jetzt niemanden mehr rein, weil der Druck zu groß wird oder wir lassen nur noch diese oder jene herein – das wird so nicht mehr möglich sein. (…) Das alles ist, was an Argumentation derzeit vorgetragen wird, nicht konsestent, nicht kohärent. Die Regierung sollte hergehen und die Diskussion öffentlich, ehrlich und transparent führen. Das geschieht im Moment noch nicht. (…) Ich glaube nicht, das man sich auf die formelle Position zurückziehen kann zu sagen, den Bundestag geht das eigentlich nichts an, weil es kein echter völkerrechtlicher Vertrag ist, das kann allein die Exekutive machen … Das verletzt demokratische Grundprinzipien. Der Pakt ist wichtig. Er betrifft substanzielle Belange der Bundesrepublik. Er regelt viele Dinge vernünftig, andere mit unabsehbaren Folgen. Das wissen wir noch nicht genau, wie sich das auswirken wird. Das heißt, das ist eine genuine Angelegenheit des Parlaments. (…)

Aber jetzt darf ich mal etwas zitieren, was ich gerade hier vor Augen habe: Der Sonderbeauftragte des Generalsekretärs der vereinten Nationen, das ist Peter Sutherland, hat in seinem Bericht an den Generalsekretär letztes Jahr gesagt: „Wir schaffen mit diesem Global Compact ein Rahmenwerk, das beides enthält: bindende und nicht bindende Vereinbarungen.“ Das wird von Seiten der UNO sehr genau gesehen. Und ich meine, dass sollte zum genuinen Gegenstand des Parlaments gemacht werden und die Diskussion sollte offener und ehrlicher geführt werden.

(…)

Es ist natürlich eine Menge noch mehr dazu sagen. Wissen Sie, was wir gar nicht berührt haben, das ist natürlich ein eigener Gegenstand, der ist ein bisschen heikel: Der Pakt sagt natürlich – oder er tut so – als kämen dann legal nur Migranten, die hier problemlos in der Gesellschaft ihren Platz finden können. Das ist nicht der Fall. Obwohl die in dem Pakt sehen – das wird ja offen formuliert – der Pakt redet von Diasporas, die entstehen. Wenn Sie das ein bisschen rüde übersetzen:

Der Pakt erkennt an, dass sich Parallelgesellschaften bilden werden. Das ist ein Riesenproblem. Das enthält sozusagen kulturellen Sprengstoff, religiösen Sprengstoff – wir erleben das alles jetzt. Und wir sollten nicht so blauäugig tun, als könnte man in die Gleichung mit der man kalkuliert, wer in den nächsten Jahrzehnten nach Deutschland kommen wird, immer eine Variabel X einsetzen und X bezeichnet jeden Migranten gleich. Das ist nicht der Fall. Wir werden hochproblematische soziale Reibungssituationen kriegen.


Mehr zum Thema:
Roland Tichy (Herausgeber), Der UN-Migrationspakt und seine Auswirkungen. Tichys Einblick, 112 Seiten, 12,00 €.
Soeben erschienen und EXKLUSIV im Tichys Einblick Shop >>>

Unterstützung
oder

Kommentare ( 77 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

77 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
bfwied
5 Jahre her

Die Massendemonstrationen, von denen jemand hier im Kommentarbereich schrieb, kommen, denke ich, erst dann, wenn es allen Leuten hier nicht nur auf die Nerven geht, dass man auch in mittelgroßen Städten nicht mehr ohne Belästigungen aller Art abends schlendern kann, sondern wenn sie massiv belästigt werden, mit hohen Abgaben, dichtester Bebauung, evtl. Einweisungen ins eigene Haus, Unsicherheit und Mobilitätsproblemen durch Übernahme von Straßen, Land, auch durch Einschränkung des Individualverkehrs etc. Erst wenn es für die große Mehrheit unerträglich ist, in einer völlig inkohärenten bis feindseligen Masse, die ständig fordert, schreit, anklagt und ihre Lebensweise durchsetzen will, leben zu müssen, wird… Mehr

Wilhelm Cuno
5 Jahre her

Mein Respekt an Herrn Professor Merkel, sich dem Risiko auszusetzen, von seinem Hochschulpräsidium, dem Wissenschaftsminister und den Medien in die rechte Ecke geschoben zu werden. Ein Fachmann, der Ahnung hat, und dazu steht. Wird die Unterzeichnung durch Deutschland nicht verhindern und den neuen Chef des Bundesverfassungsgerichts schon gar nicht, aber ist trotzdem ein Licht ins Dunkel.

thea
5 Jahre her

Danke, dass Sie dieses Radio-Interview aufgegriffen und hier auch in Auszügen schriftlich dokumentiert haben!

BernhardPesch
5 Jahre her

Mit Bürgerkrieg meine ich hier die Auflehnung der Bürger gegen den eigenen Staat, der nicht mehr im Interesse seiner Bürger handelt. Wenn diese Definition von Bürgerkrieg allgemein anerkannt ist, dann haben nicht nur die Eliten Deutschlands, sondern auch die Eliten Europas abermals ein Katastrophe auf ihrem Gewissen, es sei denn es kommt zu einer friedlichen substantiellen und nachhaltigen Kurskorrektur.
Und jetzt bin ich mal gespannt ob Ihr bei TE den Schneid habt das zu veröffentlichen.

Redaktion
5 Jahre her
Antworten an  BernhardPesch

Dafür ist „Schneid“ nötig? Dann stünde es schlecht.

Conny
5 Jahre her
Antworten an  Redaktion

Es steht schlecht.

BernhardPesch
5 Jahre her
Antworten an  Redaktion

Liebe TE Redaktion,
Wie Sie wissen ist die Veröffentlichung solcher Aussagen nicht mehr selbstverständlich. Nehmen Sie es als einen weiteren Ansporn noch deutlicher als bisher auf die Missstände in unserem Land aufmerksam zu machen. Danke fuer ihren ehrlichen und couragierten Journalismus.

BernhardPesch
5 Jahre her

Mit Gewalt ist das ganze Dilemma nicht oder nur unter allergrößten Opfern zu „lösen“, das muss gesagt werden. Aber die realistische Aussicht auf einen Bürgerkrieg könnte die politische Elite Europas in die Knie und zur Umkehr bewegen. Rein politisch lässt sich die verkorkste Lage nicht mehr oder nur unzureichend korrigieren. Charlie Hebdo, die dänische Karikaturen und die Salman Rushdie Affäre haben gezeigt wie leicht unsere Europäischen Eliten einknicken wenn es zur „Sache“ geht. Wenn es keinen politischen Weg aus der Misere gibt werden europaweit so oder so gewaltsame, bürgerkriegsähnliche, ethnische Dauerkonflikte entstehen, insbesondere während einer zu erwartenden schlechten Konjunkturlage und… Mehr

hp
5 Jahre her

Meine bescheidenen Kenntnisse: Der Flüchtlingspakt steht, anders als der Migrationspakt, unter der Schirmherrschaft der UN Refugee Agency (UNHCR). Es hat sechs Beratungsrunden gegeben, die letzte Fassung ist hier nachzulesen: http://www.unhcr.org/formal-consultations-on-the-global-compact-on-refugees.html. Der Pakt soll ebenfalls im Dezember 2018 auf einer UN-Generalversammlung angenommen werden. Über die näheren Umstände (Datum? wird Land für Land abgestimmt?) weiß ich leider nichts. Auf der Website http://sdg.iisd.org/ kann man allerdings mit der Suchfunktion einiges über die Verhandlungen, wie auch über die des Migrationspaktes, erfahren.

j.heller
5 Jahre her

Es ist verrückt das zu unterzeichnen wenn es AUCH nachteilige Wirkungen hat.
Nachteilige Wirkungen durch Migration haben wir schon mehr als wir bewältigen können. Wie Österreich sagte: „Migrant“ wird als eigener offizieller und zu fördernder Status eingeführt. Allein das ist Grund genug zur Ablehnung.

Die angeblich vorteilhaften Wirkungen sind allerdings äußerst vage, um nicht zu sagen lächerlich. Wie der Nonsense dass andere Länder (unverbindlich) dazu gebracht werden werden die gleichen Leistungen wie wir anzubieten, womit der Sog zu uns nachließe. Wie sogar von FDPlern zu hören. Das können, wollen und werden Griechen, Türken und Chinesen nie tun.

Nibelung
5 Jahre her

Für die Initiatoren stellen Paralellgesellschaften kein Problem dar, sie selbst kennen diesen Zustand seit hunderten von Jahren und New York und London sind ja auch nicht gerade das Paradebeispiel einer geschlossenen Gesellschaft und deshalb sehen sie es im Gegensatz zu uns auch nicht so eng, hauptsache es hilft ihren eigenen Interessen und wenn wir mit diesem Zustand mental und physisch zugrunde gehen ist das auch egal, das wäre zu verschmerzen, denn ein kleiner Krümel macht noch lange keinen Kuchen aus und den zu erhaschen ist wichtiger in ihrer Strategie, denn Völker haben sie noch niemals interessiert, die Herrschenden sind ihr… Mehr

Thorsten
5 Jahre her

In dem Migrationspakt fehlen Verpflichtungen, die die Migranten akzeptieren, denn sie bekommen durch das (fiktive) Migrationsrecht eine besonders vorteilhafte Chance in ihrem Leben.

Der Pakt ist für Deutschland nur nachteilhaft und deswegen zu verwerfen. Die Brisanz dieses Paktes mag sich für die breite Masse nicht zu erschliessen, was die Politik in falscher Sicherheit wiegen lassen könnte. Diese politische „Friktion“ könnte Deutschland zerstrümmern…

linda levante
5 Jahre her

Prof. Merkel sollte den bald frei werdenden Platz von Andreas Voßkuhle übernehmen, der aus derselben Partei kommt und ziemlich viele Fehlurteile gesprochen hat. Im Namen des Volkes wurde da nicht geurteilt, sondern im Namen des Neoliberalismus und des Globalismus. Parteipolitisch links eben. Die auffällig sehr gute Analyse des Migrations- Pakts und seine Auswirkungen in der Zukunft, dürfen einfach nicht zugelassen werden. Die UN hat nicht das moralische Recht dazu, Nationalstaaten, passend zu ihren Vorstellungen von einer Weltregierung, mit Menschen aus der ganzen Welt zwangszubevölkern. 24 % der Weltbevölkerung sind Muslime, mit rasant steigender Tendenz. Bald werden sie den 2 Milliardsten Muslim… Mehr