Schiffbruch mit Schiffbrüchigen: Seenotrettung oder No-Border-Politik?

Die mit Migranten überladene Aquarius hätte schon ganz früh in Tunis anlegen können, wo es ein großes Migrationsberatungszentrum gibt, das Merkel einen „Leuchtturm der Hoffnung“ für Europa in der Flüchtlingsfrage nannte.

PAU BARRENA/AFP/Getty Images

Humanität, Menschlichkeit und Empathie sind das eine, wer damit ausgestattet ist, wer diese Tugenden lebt, hat sein Menschsein nicht nur nach christlichen Maßstäben auf eine Stufe gestellt, die Ausdruck einer Kultur des Mitgefühls ist.

Wer allerdings jederzeit bereit ist, diese Tugenden in die Waagschale zu werfen, abzugleichen, ob der Gegenüber ebenso dazu in der Lage ist, macht sich zum Wächter über diese Tugenden oder schlimmer: derjenige stellt seine Menschlichkeit öffentlich aus, indem er die Versäumnisse der anderen anprangert. Nun ist es beim Mitgefühl allerdings wie mit der Liebe, sie ist idealerweise nicht teilbar.

Dieser kurze Diskurs ist nötig, um zu verstehen mit welchen Mitteln Helfer operieren, die sich mit Schiffen auf den Weg machen um Schiffbrüchige vor der nordafrikanischen Küste aufzuspüren, zu melden und so lange zu versorgen, bis transportfähige Schiffe kommen, die diese Schiffbrüchigen aufnehmen können.

Hü und Hott
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Die Nichtregierungsorganisationen hinter diesen Meldebooten, die nur in äußerster Not überhaupt Passagiere aufnehmen, werden nicht müde, in Europa auf das Schicksal dieser Schiffsbrüchigen hinzuweisen, werden nicht müde, Kritiker ihrer Arbeit als Unmenschen zu skizzieren, während sie in der Lage sind, mit Leichtigkeit Kritik wegzuwischen, sie selbst würden diese Schiffbrüche durch ihre Anwesenheit erst provozieren. Dabei kann keiner dieser Menschenfreunde, die so gerne mit dem Finger auf andere zeigen, abstreiten, dass es Teil des Schlepper-Geschäftsmodells ist, dass ihre Menschen-Fracht außerhalb der libyschen Hoheitsgewässer „entdeckt” und aufgenommen wird.

Eine Mitverantwortung, die mindestens nachdenklich machen sollte, aber von Nachdenklichkeit bei den Akteuren keine Spur, wenn Schlepper die Anwesenheit von Rettungsschiffen bei der Auswahl der kaum seetauglichen Schlauchboote mit einkalkulieren. Nun ist diese Koordination nur das Ende der Zuwanderungsroute nach Europa. Die Arbeit der Schleuser beginnt nicht erst an der libyschen Küste, sie nimmt ihren Anfang tief im afrikanischen Hinterland und endet in den untragbaren Verhältnisse der Lager in Libyen, auf den die NGOs regelmäßig hinweisen. Aber all das kann nicht davon ablenken, dass die Schiffe der NGOs längst Teil dieser Migrationsroute geworden sind ohne die es kein Weiterkommen geben kann.

Der aktuelle Fall der „Aquarius“ ging durch die Weltpresse: Ein schon seit Jahren im Mittelmeer operierendes Schiff der NGO „SOS Méditerranée“, wurde mit hunderten von Migranten an Bord erst an der italienischen Küste, dann an der von Malta abgewiesen, um schließlich in Spanien anzulanden. Die Medien berichteten von einer Odyssee und ihrem glücklichen Ende. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung traute sich die bisher waghalsigste Erklärung für die Bereitschaft Spaniens, indem sie auf das Kabinett „mit dem höchsten Frauenanteil auf der Welt“ verwies. Frauen also gleich Humanität, Menschlichkeit und Empathie. Männer stehen also für Krieg, Unbarmherzigkeit und Leid? Jedenfalls wohl dann, wenn sie als „Rechte” in der italienischen Regierung sitzen, die Migranten im Mittelmeer ertrinken lässt.

Jetzt wissen es die Italiener ebenso wie die Regierung von Malta und die Damenriege in Spanien: Diese 629 Migranten – Frauen, Kinder und Schwangere sollen unter ihnen sein – , die gerade in Valencia willkommen geheißen wurden, werden dort zu einem überwiegenden Anteil überhaupt nicht bleiben wollen. Es wäre tatsächlich außergewöhnlich, wenn nicht auch das Ziel dieser Migranten Deutschland wäre. Die Bundeskanzlerin weiß das natürlich auch, so erklärt sich schnell ihr Ringen mit dem Innenminister darum, auch Migranten aufzunehmen, die bereits in Spanien ihren Asylantrag gestellt haben oder sogar stellen mussten. Madrid nennt die spanische Aufnahmebereitschaft einen Akt „europäischer Solidarität“. Aber Solidarität mit wem? Der Bürgermeister von Valencia erklärte seine Stadt gerade zur „Stadt der Zuflucht“. Das ist leicht gesagt, wenn doch klar zu sein scheint, dass diese Zuflucht für viele nur Zwischenstation auf dem Weg nach Deutschland sein wird.

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Humanität, Menschlichkeit und Empathie sind unbestreitbar hehre Motivation dieser Seenotrettungen. Wie aber ist es zu beurteilen, wenn diese Seenotrettung über ihr eigentliches Ziel hinaus geht und zu einem Politikum wird? Zu einem politischen Aktionismus der Seenotretter? Gerade die Geschichte der „Aquarius“ wirft nicht nur nach Bekunden des Tagesspiegels Schatten auf die tugendhaften Retter, wenn sie sich immer wieder Wettrennen mit der libyschen Küstennwache liefern, wer zuerst am Schlauchboot ist, um so zu garantieren, dass das rettende Ufer für die Migranten in den Schlauchbooten eben nicht Afrika heißt, wohin sie die libysche Küstenwache zurückbringen würde, sondern das viele Seemeilen entferntere Europa.

So hätte die mit notleidenden Migranten überladene Aquarius schon viel früher in Tunis anlegen können, aber dieser viel näher liegende Hafen wurde „erst gar nicht angesteuert“. Und das obwohl es dort ein großes Migrationsberatungszentrum gibt, welches 2017 mit deutscher Hilfe eröffnet wurde. „Es ist das erste Zentrum für Jobs, Migration und Reintegration in Nordafrika. Bundeskanzlerin Merkel nannte es einen „Leuchtturm der Hoffnung“ für Europa in der Flüchtlingsfrage.“ Und der Tagesspiegel zieht ein eindeutiges Fazit: „So wichtig Seenotrettung ist, sie kann kein Ersatz sein für eine klare Politik zur Asylmigration.“ Aber will sie das überhaupt? Offensichtlich doch. Das allerdings wäre ein Eingeständnis, dass Seenotrettung nur Mittel ist, Migration nach Europa zu befördern. So werden dann Humanität, Menschlichkeit und Empathie zu politischen Faktoren. Oder schärfer ausgedrückt: zu missbrauchten Tugenden. Zu Waffen im politischen Diskurs in der Zuwanderungsfrage. Aber das haben diese Tugenden nicht verdient. Es entwertet sie.

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Kommentare ( 74 )

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74 Comments
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spindoctor
5 Jahre her

Irre ich mich, oder hat noch nie ein Kreuzfahrtschiff diese Art von Schiffbrüchigen (in entsprechender Anzahl) gerettet- wobei das Mittelmeer ja voll von Kreuzfahrtschiffen ist?

Aquarius – die AIDA der Sozialnomaden.

Wolfgang Schuckmann
5 Jahre her

Ist es nicht viel schöner wenn man als Seenotrettungshelfer zuhause gefeiert wird in seinen einschlägigen Kreisen, dabei das Gefühl von Abenteuer hat und einen heute geradezu unerlässlichen Abschnitt in seinem Lebenslauf hat, der nach dieser Lebensphase dazu dient sich im einschlägigen Millieu einen Platz an der Sonne zu sichern. Held, unerschrocken, den Stürmen auf See unter Einsatz seines Lebens getrotzt, und dabei die Ärmsten der Armen als Mittel zum Zweck instrumentalisiert. Un Anreiz geschaffen, damit das „Material“ nicht ausgeht. P… Dei…..

giesemann
5 Jahre her

Ihre Vokabel „Asylmigration“ bringt die Sache auf den Punkt, lieber Herr Wallasch. Erinnert mich an „Obdachlosenasyl“ – freie Kost und Logis, allerdings nur im Winter und bis zum nächsten Morgen.
Dambisa Moyo, sambische Nationalökonomin: „Wir Afrikaner sind doch keine kleinen Kinder“ (Ihr Buchtitel „Dead Aid“, in der sie die völlig verfehlte „humane“ Entwicklungshilfepolitik für Afrika seit jeher kritisiert). Dabei können sie offenbar vielerorts noch nicht mal eine Wasserleitung legen ohne Hilfe des alten, hässlichen weißen Mannes. Entweder sie machen das, oder sie verdursten eben. Andere ersaufen, wie’s beliebt. Frustrierter alter Mann? I wo.

Die Zahnfee
5 Jahre her

Es geht um einfache Fragen: Was ist machbar und was nicht? Jeder kann sich nur ganz allein ehrlich fragen: Was kann ich selbst leisten und was nicht? Es ist dann auch klar, dass ich andere nicht zwingen kann, etwas zu leisten. Das Problem bei der Wanderungswelle ist die unermesslich hohe Anzahl der Umziehen-Wollenden, denen wir weder ein selbstversorgendes Leben noch eine unkomplizierte Gewöhnung an unsere komplexe Lebensweise von Eigenverantwortung und Leistung anbieten können. Je mehr eingeladen werden, desto mehr machen sich auf den Weg. Es werden Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden können. Bei all den Helfern, die diese einfachen… Mehr

Ein Mensch
5 Jahre her
Antworten an  Die Zahnfee

Warum NGO’s Einheimischen nicht helfen? Weil kein Schwein darüber berichten würde. Es gibt also keine 5 Minuten Berühmtheit und nur darum geht es denen.

Britsch
4 Jahre her
Antworten an  Ein Mensch

Und weil kein Schwein dafür bezahlen würde – die NGO s nicht so reichlich mit Geld versorgt werden würden. Eventuell gar keines bekämen. Die „Aktivisten“ wollen ja auch nach ihren Vorstellungen gut leben können.

Wolfgang M
5 Jahre her

Die NGos sind inzwischen ein Teil der Schlepper. Einziger Unterschied: Sie lassen sich von Spendern bezahlen. Die ziehen es von der Steuer ab.
Für den Staat gilt nicht die Moral und die Humanität, sondern die Gesetze. Er kann Gesetze auf Moral und Humanität aufbauen. Aber Moral und Humanität steht nicht über den Gesetzen. (Die Grünen sehen das übrigens anders.) Das ist aber seit 3 Jahren in Vergessenheit geraten. Genau genommen ist Deutschland kein Rechtsstaat mehr.

giesemann
5 Jahre her
Antworten an  Wolfgang M

Wer spendet mehr?

Cluny
5 Jahre her

Wo nehmen Sie, lieber Herr Wallasch, nur die Geduld her, diese infamen Zusammenhänge so umfassend zu beleuchten und ein für das unbewehrte Ohr so unspektakulär klingendes Fazit zu ziehen…? Ich könnte das nicht. Ich möchte schreien vor Wut, die offensichtliche Impertinenz der NGOs läßt mir das sprichwörtliche Messer in der Tasche aufgehen, die Ignoranz der meist jugendlichen Gutmenschen und ihrer Unterstützer und Finanziers läßt mich die Wände hochgehen.

giesemann
5 Jahre her
Antworten an  Cluny

Als ganz junger Mensch wollte ich auch mal „Entwicklungshelfer“ werden, sehr kurz zwar nur, aber immerhin. Den Jungen was vorzuwerfen ist falsch – die wissen nur das, was ihnen die Alten eingesäuselt haben. Beispiel: Albert Schweitzer (mein Gymn. in Leonberg bei Stuttgart hieß so). Ich habe Schweitzer noch selbst erlebt in den Sechziger Jahren bei seinem Besuch bei uns damals. Goßes Vorbild, bis ich dann als junger Student die „Grenzen des Wachstums“ des „club of Rome“ verstanden habe. Wie wurden und werden die immer noch verlacht – dabei sind die Symptome seit langem sichtbar für jeden, der die Augen offen… Mehr

Monika Medel
5 Jahre her
Antworten an  giesemann

Schweizer war von heutigen „Fluchtursachebeseitigern“ weit entfernt. Er betonte stets „den Unterschied“ und lehnte Personal ab das diesen „Unterschied“ nicht erfasste. Sein Krankenhaus in Lambarene war der afrikanischen Mentalität angepasst – strikte Trennung von Patienten aus verfeindeten Volksstämmen, soweit möglich Unterbringung in heimischen Hütten und Versorgung durch angeleitete Verwandte, die in der Nähe wohnen und Landwirtschaft zur Selbstversorgung betreiben konnten…
Heute wird Schweizer Rassismus vorgeworfen.

giesemann
5 Jahre her
Antworten an  Monika Medel

Albert Schweitzer schreibt sich mit „tz“ und kein Mensch wirft dem noch was vor.

spindoctor
5 Jahre her
Antworten an  giesemann

Ja danke, es heisst die Essenz des „Club of Rome“ zu verstehen, und nicht an Einzelzahlen rumzumäkeln – die Gesamtdarstellung war schon richtig. Wir nähern uns dem „Seerosenteich“.

martin ruehle
5 Jahre her

Dieser Pseudo-Humanismus wird erst beendet, wenn es keinen europäischen Hafen mehr gibt, der diesen kriminellen Schlepperhelfern den Ankerplatz gewährt.
Muss ein Hafen auf dem afrikanischem Kontinent angesteuert werden, geht als erstes die die „Retter-Crew“ über Bord …!
Wer den „Aktivisten“ nach dem italienischen Anlegeverbot und der Weiterfahrt gen Spanien im TV gesehen hat, konnte das „P“ in den Augen des Jungen erkennen – und zwar nicht wg. der „schrecklichen Zustände an Bord“, („dramatische Zuspitzung: jetzt werden die schwer traumatisierten Menschen auch noch seekrank“ (ntv)) !
Mal sehen, ob für diese „Menschenfreunde“ dann noch ein Schlauchboot übrig ist …

Boudicca
5 Jahre her

In Libyen arbeitet kein Libyer. Für alle Arbeiten wurden seit Gaddafi Arbeitskräfte aus dem Ausland geholt. Es gibt nur Businessman, Driver, Police-, Military- und Securityman, einige Frauen arbeiten meist als Lehrer oder im Büro. Allerdings arbeitet man eher nach Lust und Laune und hat mit dem harten Arbeitsalltag in Deutschland wenig gemein. Für alles andere werden Ausländer engagiert. Einige Europäer halten noch den technischen Kram aufrecht. Fast jede Familie hat Dienstmädchen und Hausangestellte fürs Grobe. Für die Drecks- und Schwerstarbeit brauchen die Libyer viele Migranten jenseits des Sahels. Meistens Schwarze. Sie werden wie Sklaven behandelt. Ohne angemessenen Lohn und Sozialversicherung.… Mehr

spindoctor
5 Jahre her
Antworten an  Boudicca

Wer hat eigentlich damals die Sklaven für Amerika gejagt und eingefangen?
Noch Fragen?

giesemann
5 Jahre her
Antworten an  spindoctor

Na die deutschen Nazis, wer denn sonst?

giesemann
5 Jahre her
Antworten an  Boudicca

Ich schließe daraus, dass die Libyer weit intelligenter sind als der Rest der Welt, vor allem als die Dütschen in ihrer Arbeitswut. Lieber krank feiern als gesund schuften, Amen.

F.Peter
5 Jahre her

Es ist der humanitäre Imperativ, den sich diese Zeitgenossen, die sich gerne als Helfer sehen, auf die Fahnen schreiben! Sie alleine beanspruchen für sich die Deutungshoheit, was in der sogenannten Flüchtlingspolitik gut und was böse zu sein hat!
Erbärmlicher gehts immer, vor allem, wenn politisch Verantwortliche vor lauter Mitläufertum vergessen, von wem und für was sie eigentlich gewählt wurden!

Martin L
5 Jahre her

Das ist ja das EU-Grundprinzip überhaupt: Leute machen etwas und andere müssen es ausbaden. Hier: Spanien „nimmt die Migranten auf“, aber in Wirklichkeit gehen sie vermutlich nach Deutschland. Also: Spanien hat das „freundliche Gesicht“ gezeigt, kann sich international in der Presse loben lassen, zahlt aber keinen Preis dafür. Wieso sollten sie nicht weiterhin nach diesem Prinzip handeln? Das ist doch das Schöne an der EU: Jeder kann es zum anderen schieben und am Schluß ist niemand verantwortlich, weil es ja ein „Gemeinschaftsprojekt“ ist. Würde es zwischen den Staaten Grenzkontrollen geben, wüßten die Spanier, dass sie selbst für diese Migranten aufkommen… Mehr

giesemann
5 Jahre her
Antworten an  Martin L

Es geht eben nix über das OPM-Prinzip: other people’s money.