Manchester united misery

Wer Erklärungsmuster sucht für diesen Horror islamistischer Attentate, dem muss auffallen, dass dieses Manchester aus der Reihe fällt. Denn der Sprengsatz am Körper des 22-Jährigen explodierte in einer Stadt, in einer Region, die sich längst selbst verloren hat.

© Alexander Wallasch

In Paris, Berlin und Madrid ließe sich vielleicht noch darüber philosophieren, ob es an Integrationsanstrengungen auf der Einheimischenseite fehlte, in Manchester funktioniert nicht einmal mehr das. Manchester liegt längst am Boden. Der Fingerprint des Anderen ist hier überall sichtbar. Aber Klassenunterschiede resultieren daraus keine. Wer also soll hier Bürger zweiter Klasse sein? Es gibt in Manchester eine alles dominierende Klasse – es ist die der Abgehängten.

Erkennbar ist die englische Trauer eine andere als die auf dem Kontinent. Sie trägt hier die Unterschrift: never forget. Und das ist die Zwillingsschwester von never forgive. Aber ist sie wirklich kämpferischer gemeint? Oder nur noch verzweifelter?

Der Attentäter Salman Abedi war gebürtiger Engländer. Man könnte die Familie des Attentäters mit sehr viel Goodwill als islam-religiös geprägte libysche Dissidenten bezeichnen. Britische Medien berichten über einen Bruder, der Tutor in einer Koranschule sei. Abedi studierte zunächst Betriebswirtschaft in Salford, jobbte dann aber in einer Bäckerei. Er war United-Fan und rauchte Cannabis. Wieder wurde der Ausweis des Attentäters am Tatort aufgefunden.

Man weiß also schon jetzt mehr über ihn, als man jemals über seine Opfer erfahren wird. Oder über die Bevölkerung von Manchester, wie sie leben, wie sie denken, wie sie diesen Horror aus ihrer Mitte erlebten und verarbeiten. Diese Stadt und ihre ländliche Umgebung sind nicht vom Wohlstand verwöhnt. Hier ist die Hochburg der englischen Unterschicht zu Hause. Eine Unterschicht mit hohem Migrantenanteil. Erst 2011 kam es hier zu Unruhen samt brennender Häuser, als tausend teils maskierte Jugendliche durch die Straßen zogen, randalierten und Geschäfte plünderten.

Der damalige Premier Camaron brach seinen Toskana-Urlaub ab, um das Sicherheitskabinett einzuberufen. Im Großraum Manchester wurden 300 Männer mit vornehmlich migrantem Hintergrund festgenommen. Salman Abedi muss damals 16 Jahre alt gewesen sein. Ob er zu den Randalierern gehörte, ist bisher nicht bekannt. Beunruhigend ist eine Bemerkung eines Freundes des Attentäters gegenüber dem Guardian, der nicht glaubt, dass sich Salman Abedi bei einem seiner Libyenbesuche bei seinen zwischenzeitlich ausgereisten Eltern radikalisiert hätte. Nein, diese Radikalisierung hätte in Manchester stattgefunden. In Tripolis gäbe es „solche Menschen nicht mehr“. Sind die also alle ausgereist nach Europa?

Der Spiegel erzählte noch 2006 unter der Überschrift „Der englische Patient“ 
von einer Art Wunder von Manchester. Die Stadt symbolisiere „den Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. In seinen Minen schürften die Arbeiter den Treibstoff der Industrialisierung, in seinen Stahlwerken befeuerten sie den Traum von unendlichem Wachstum. Manchester war „the workshop of the world“, der Maschinenraum der Welt“. Arbeitslose wie ein gewisser Philip Agbaku hätten hier den Neuanfang geschafft. Salman Abedi richtete 2017 ein Blutbad an, indem er sich selbst und 22 Mancunians in die Luft sprengte.

Nicht weit entfernt von Manchester liegt Crewe. Hier stimmten 60 Prozent der Wahlberechtigten für den Brexit. Und das, obwohl hier Volkswagen größter Arbeitgeber ist. Statt vormals eineinhalbtausend Worker, schrauben heute bis zu viertausend Menschen an den begehrten Luxusautomobilen. Hier arbeitet, wer etwas kann, nicht, wer englische Großeltern hat. Die Bezahlung ist gut. Annährend 40 Stunden Handnäharbeit steckt allein in den Polstern. Kunstvoll gefertigt. Natürlich auch das, aber wer wollte ernsthaft bestreiten, dass man diese Handarbeiten unter Anleitung nicht auch in China oder Indien bewerkstelligen könnte?

Der einzige Grund hier weiterhin zu produzieren, ist das Geschäftsinteresse des deutschen Automobilherstellers „Made in England“ als Verkaufsargument für Luxus zu erhalten. Elemente der Wolfsburger Autostadt-Architektur mischen sich nun mit den gesandstrahlten altehrwürdigen Backsteinhallen. Nur wenige hundert Meter außerhalb des industriellen Vorzeigeprojektes wieder die selbe Trostlosigkeit wie in den Gassen von Manchester.

Straßenzugweise elende kleine Existenzen am Rande des Ruins, Ein-Mann-Migranten-Restaurants analog zu diesen schmuddeligen Hafengassen Marseilles von 1980, durchmischt nur noch von zugebretterten Läden mit „For Sale“ oder To Rent“ Schildern. Unkraut noch in der engsten Asphaltspalte, Sperrmüllreste auf den Hinterhöfen vor zugeranzten Fenstern, aus denen niemand egal welcher Herkunft noch hinaus schauen möchte. Wohin auch?

Passanten eilen vorbei in ihren uniformen grauen Jogginghosen. Desillusioniert. Eine schnelle Besorgung mit gesenktem Kopf, um sich dann wieder zurückzuziehen hinter die blickdichten Fensterscheiben vor die Fernsehbildschirme. In der örtlichen Bibliothek sind die vielen Leihcomputer rund um die Uhr besetzt, die Mobiles wohl offline oder alle schon geklaut. Zwei Ladys erklären die Funktionen. Immer wieder und wieder.

Nein, dieses so übel getroffene Manchester ist nicht Berlin und nicht Paris. Paris ist jetzt viel mehr Berlin als Manchester. Was beide eint, ist ihre Zukunftsfähigkeit. Die Innovationskraft. Hier findet Zerstörungswut sein mächtigstes Pendant. Wer Erklärungsmuster sucht für diesen ganzen Horror, diese Düsternis islamistischer Attentate, dem muss auffallen, dass dieses Manchester aus der Reihe fällt. Denn der Sprengsatz am Körper des 22-Jährigen explodierte in einer Stadt, in einer Region, die sich längst selbst verloren hat.

Das alles macht die Trauer und die Wut noch größer. Einfach deshalb, weil dieses Manchester wahrlich nicht für fehlende Partizipationsangebote in Haftung genommen werden kann. Wo hier das Elend zu Hause ist, da trifft es alle. Zumindest aus dem Blickwinkel vieler Festlandeuropäer.

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Kommentare ( 104 )

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104 Comments
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youthattack
6 Jahre her

Ariane Grande spielt übrigens bald ein Benefizkonzert in Manchester.

Hat nicht sollen sein, Frau Schunke.

Augen zu und durch! Allahu Ackbar.

chris
6 Jahre her

jo. So isses. Wer das immer noch für eine unplausible Verschwörungstheorie hält, der lese Schäubles regelmäßig anfallende Hirnlos-Statements. Oder Verlautbarungen des (CSU!!!-) Entwicklungshilfeministeriums („sie werden kommen und sich holen was ihnen gehört“). Und zur Untermauerung: die Veröffenlichungen des WBGU (Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung zu Globalen Umwelveränderung). Dort wird seit 2011 der nächste zivilisatorische Quantensprung angekündigt. Der erste ging vom Feudalismus zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Der nächtse geht von – na? richtig! von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu einer Gesellschaft unter der Führung von „Global-Governance-Theoretikern, Völkerrechtlern, Kosmopoliten, Transnationalisten und Gerechtigkeitsphilosophen“ (früher „Politbüro“ genannt). Zu lesen im Jahresgutachten 2011 des WBGU, Seite 21… Mehr

Hubert Paluch
6 Jahre her

Auch in den Heimatländern, aus denen die Problemethnien stammen, ist Gewalt, Armut und Rückständigkeit allgegenwärtig: Pakistan, Indien, Libyen, der ganze Nahe Osten. Es liegt nicht am Wetter, nicht am Imperialismus und auch nicht am Geld (Libyen). Ja woran dann?

Flo Zen
6 Jahre her

Im Bataclan waren keine Headbanger – „Eagles of Death Metal“ ist eine Blues Rock/Rockabilly Band.

Eloman
6 Jahre her

Christo finanziert seine Projekte selbst.

Ingmar Blessing
6 Jahre her

Seltsamerweise haben die Bürger Manchesters erst gerade letzten Monat wieder einmal einen Vertreter der ehemaligen Arbeiterpartei Labour ins Amt gehievt. Das trotz jahrzehntelangen Versagens, der epochalen Kindersexbandenskandale, der Defizite, der Verrohung, der Verrottung, der islamistischen Infiltrierung (v.a. von Labour) und dem allgemeinen Niedergang.

Offenbar brauchen die Leute den Totalabsturz. Fragt sich nur, was danach kommt. Die Bevölkerung wurde auch in Manchester bereits zu einem Drittel durch Moslems ersetzt. Es geht sehr schnell.

Gerdt Novàk
6 Jahre her

Welche Erklärung hat das Forum für den Umstand, daß seit dem 11.09.2001 an den Tatorten immer die Pässe der Attentäter gefunden werden?

MarHel
6 Jahre her

Zu dem Artikel und den Kommentaren drängt sich für mich noch Folgendes auf: 1. Der Ruf nach „Grenzen dicht“ und „wir sind von sicheren Drittstaaten umgeben“ wird uns auch in Zukunft in Deutschland vor solchen Taten nicht (mehr) bewahren können. Es wäre nur eine weitere Freiheit – nämlich die europäische Freizügigkeit – die wir dem Terror opfern. Die Infrastruktur für islamistische Terroranschläge haben wir doch längst in Deutschland: überall Zugang zum Internet, radikale Moscheegemeinden, muslimische Communities. All dies verschwindet auch bei geschlossenen Grenzen nicht mehr. Allerdings sollte man sich Lösungen überlegen, die Anreize zur Asylantragstellung nach Deutschland zu kommen, einzuschränken:… Mehr

markmunich
6 Jahre her
Antworten an  MarHel

Hm… Hört sich ein wenig nach Muttis o. St. Martins nächster Bundestags- Ansprache (also die Probleme zu verwalten, anstatt zu lösen) an …

MarHel
6 Jahre her
Antworten an  markmunich

Mag sein.
Aber „große Lösungen“ haben eben auch große (juristische) Probleme, und das Zeitalter kleinstaatlerischer Landesherren mit entsprechender Möglichkeit der Durchsetzung ihrer Vorstellungen im Herzog- oder Fürstentum ist (hier) seit knapp 200 Jahren vorbei…

markmunich
6 Jahre her
Antworten an  MarHel

Statt „juristische“ bitte „ideologische“ einsetzen.

U. „große juristische Probleme“ hielten doch auch Muttis durchaus feudalen Husarenritt nicht davon ab, 100 0000’de Immigranten (vorbei an Asylrecht u. Dublin etc.) ins Land zu holen.

MarHel
6 Jahre her
Antworten an  markmunich

Die Behauptung („vorbei an Asylrecht und Dublin“) wird auch durch beständige Wiederholung nicht richtiger. Aber hier sind eben die meisten Kommentatoren davon überzeugt.

Heureux Soumis
6 Jahre her
Antworten an  MarHel

Das mag daran liegen, dass man diese Sicht hier, auf eben diesem Portal, häufig & gut begründet lesen konnte, zum Beispiel aus der Feder von Meister Tichy. Wenn Sie schlagende Gegenargumente haben, her damit.

Heureux Soumis
6 Jahre her
Antworten an  MarHel

Danke. Das erste Dokument habe ich mir in Gänze angetan. Die Verrenkungen, die hier nötig waren, sind spürbar beim Lesen. Aua.

Juristisch mag man das alles in diese Richtung deichseln können (so wie in die andere offenbar auch). Für einen triumphierenden Satz à la „Die Behauptung („vorbei an Asylrecht und Dublin“) wird auch durch beständige Wiederholung nicht richtiger“ reicht’s aber nicht, Verehrtester.

markmunich
6 Jahre her
Antworten an  MarHel

Wieso? Wurden die Einwanderer von irgendwo runtergebeamt o. angrenzende Länder bzw. Mitgliedstaaten der EU derweil zu unsicheren Herkunftsländern erklärt?

MarHel
6 Jahre her
Antworten an  MarHel

Was hätten Sie denn gerne am GG geändert? Die einzige „Lösung“ wäre ja wohl, das Asylgrundrecht (Art. 16a GG) komplett zu streichen. Einfachgesetzlich müsste man dann ein Asylrecht aber gleichwohl umsetzen, um keine Probleme mit internationalen Rechtsnormen zu bekommen.

Heureux Soumis
6 Jahre her
Antworten an  MarHel

Die Japaner haben letztes Jahr einem Dutzend oder so Asylanten Schutz gewährt. Können Sie mir erklären, wie die das trotz „internationaler Rechtsnormen“ gemacht haben?

Heureux Soumis
6 Jahre her
Antworten an  MarHel

Eben. Abgesehen davon, dass unsere Freunde, also etwa Franzosen und Amerikaner (unter Obama) zwar kräftig Beifall geklatscht haben für das „Willkommen“ hunderttausender Migranten, aber keinen Finger gerührt haben, um selbst in signifikanter Zahl Menschen aufzunehmen.

Nomsm
6 Jahre her
Antworten an  MarHel

Anspruch auf Asyl nach GG haben weniger als 1% der sogenannten Flüchtlinge. Hören Sie auf uns zu belügen!

Heureux Soumis
6 Jahre her
Antworten an  markmunich

So klingt der immer. Muttis Bester.

Sabine Abbel
6 Jahre her

… und er weiß, dass er mit jeder Dreistigkeit durchkommt… ebenso wie özuguz, yücel, cem oder ………. – das verbindet die …

Atze
6 Jahre her

Also der Islamist bombt aus Wut darüber,daß der Islam nur Loser hervorbringt und andere Religionen oder Kulturen einfach erfolgreicher sind? Zerstörungswut und Mordlust aus Selbsthass? Oder vielleicht doch die Vorfreude auf 72 Jungfrauen? Egal wie man es dreht und wendet. Der Islam ist eine kranke „Religion“ und macht krank.

Marcel Börger
6 Jahre her
Antworten an  Atze

Mein Vorwurf geht an die Religionsführer im Islam, egal aus welchem Land, in dem der Islam Staatsreligion ist, diese „Selbstermächtigungs-Gotteskrieger-Anarchie“ zu dulden, hinzunehmen oder gar zu unterstützen. Jeder Irre kann sich nach Tagesform oder spiritueller Lust und Laune zum Gotteskrieger erklären und seinen persönlichen „Märtyrertod“ in Szene setzen. Dieses Problem einer religiösen Pseudolegitimation, im Namen Allahs die scheußlichsten Morde begehen zu können und dürfen, so zum angeblichen Helden oder angeblichen Märtyrer werden zu können, muß primär „der“ Islam aller muslimischen Länder bei sich und intern in den Griff kriegen. Solange dies nicht ansatzweise gewährleistet ist, ist Druck auf diese Länder… Mehr

GermanMichel
6 Jahre her
Antworten an  Atze

Manchmal hilft er doch, der Blick ins Geschichtsbuch.
Findet man dort irgendeinen Anhaltspunkt dafür, das nur Loser, Gestörte, Gläubige oder Leute die auf 72 Jungfrauen hoffen sich in Sachen Krieg, Mord und Totschlag engagieren?

Die gesamte Geschichte der Menschheit ist Krieg, Mord und Totschlag, und ein weiterer Blick ins Tierreich zeigt, das Homo Sapiens damit überhaupt kein Alleinstellungsmerkmal vorzuweisen hat.

Nomsm
6 Jahre her
Antworten an  Atze

Es ist keine Religion es ist eine totalitäre Ideologie die keine Individualität kennt.