Klimaapokalypse als Schockstrategie – der Kosmos der Naomi Klein

Hier liegt der seltene Fall vor, dass eine einflussreiche neue Prophetin der Klimaapokalypse in einer atemberaubenden Verdrehung Opfer ihrer eigenen früheren antikapitalistischen Analysen wird.

imago images / Christian Thiel
Noami Klein während eines Interviews (2007) zu ihrem Buch "Die Schock Strategie"

Die kanadische antikapitalistische Aktivistin Naomi Klein ist zweifellos einer der herausragenden linken Akteure weltweit. Der Einfluss ihrer vielen Bestseller vom „No Logo“ bis „Kapitalismus vs. Klima“ ist unbestritten, regelmäßig stürmt sie die Rankings, welche weltweit die einflussreichsten Persönlichkeiten listen.

Die Globalisierungskritikerin steht neuerdings aber auch für ein Phänomen, das man Kunst der Verdrehung nennen könnte, wenn eine politische These Kleins aus der Vergangenheit zur Speerspitze gegen eine aus ihrer politischen Gegenwart wird.

Naomi Klein macht es nämlich nicht anders als Großverleger Rupert Murdoch (z.B. Fox News), der neuerdings als Klimawarner auftritt, oder Siemens-Chef Josef Kaeser, als Klein in den 10er Jahren des neuen Jahrtausends auf den Zug der Klimaschützer aufsprang und mit Titeln wie „Kapitalismus vs. Klima“ eine eher traditionelle Kapitalismuskritik, die sich bis dato gegen die aus ihrer Sicht asozialen und ausbeuterischen international tätigen Unternehmen selbst richtete, die für ihren Profit über Leichen gehen würden – wenn Klein jetzt den Kampf gegen den Klimawandel an die erste Stelle ihres Aktivismus stellt und damit riskiert, ältere, aber von ihr nie widerrufene Thesen zu torpedieren, also sich selbst ins Knie zu schießen – aber dazu gleich mehr.

Murdoch, Kaeser, Klein – hier beispielhaft drei Popularitätsnomaden auf dem Sprung, wenn es nur darum geht, den eigenen Ruhm, Macht und Ansehen zu mehren.

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Naomi Klein ist deshalb so ein herausragendes Beispiel der Kunst der Verdrehung, weil sie in ihrem Weltbestseller „Die Schock-Strategie: Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus“ auf streckenweise verstörend dystopische Weise geschildert hatte, mit welchen Mitteln global operierende Unternehmen und Eliten einen weltweiten Abbau der sozialstaatlicher Mechanismen vorantreiben und weitreichende Privatisierungsmaßnahmen befördern, indem sie keine Gelegenheit auslassen, wirtschaftliche Schocks, militärische oder Naturkatastrophen zu befördern bzw. diese zu nutzen, ihren Zielen Vorschub zu leisten, in Demokratien großen Schaden anzurichten und der Verelendung und Ausbeutung in weiten Teilen der Welt Vorschub zu leisten.

Ignorieren wir hier einmal, dass aktuell wohl das Gegenteil einer Verelendung der Welt eingetroffen ist, die Klein prophezeite, wenn beispielsweise die Frankfurter Allgemeine 2016 titelte, die globale Ungleichheit würde sinken und wenn am Beispiel der größten Volkswirtschaft der Welt, wie dieselbe Zeitung schon 2011 vermeldete, dass innerhalb von nur zehn Jahren die Menge der Armen in China um die Einwohnerzahl Frankreichs abgenommen habe.

Dem europäischem Thinktank irefeurope.org nach waren die vergangenen drei Jahrzehnte überaus erfolgreich: Zu keiner Zeit sei es zuvor so vielen Menschen weltweit gelungen, der absoluten Armut zu entkommen. Auch die Weltbank prognostiziert ein weiteres Absinken der Armutszahlen – allerdings außerhalb Subsahara-Afrikas, wie betont wird. Irefeurope merkt hier allerdings kritisch an:

„Die gravierende Unterschätzung der aus der Ausbreitung marktwirtschaftlicher und demokratischer Institutionen resultierenden Entwicklungserfolge untergräbt die Zustimmung zu eben jenen Institutionen.“

Ignorieren wir also einmal die Erfolge des von Naomi Klein so brachial kritisierten Neo-Kapitalismus für die in diesem System lebenden Menschen selbst und bleiben bei ihrem Entwurf einer Schock-Strategie, mit der global agierende Akteure für ihren Vorteil arbeiten würden, um ihre Machtstrukturen zu erweitern, soziale Systeme abzubauen und Demokratie nachhaltig zu beschädigen.

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Ignorieren wir das und wenden Kleins These einer Schock-Strategie einmal auf die Entwicklung der Diskussionen um eine weltweite Klimakrise an, die es geschafft hat beispielsweise binnen Jahren mit der Autoindustrie eine der erfolgreichsten Industrien weltweit nachhaltig zu beschädigen, im EU-Parlament eine Zukunftsinvestition in Billionen Euro Höhe zur Rettung des Klimas zu generieren, die Lebensweise der Menschheit selbst in Frage zu stellen, aber vor allem Demokratie zu beschädigen, die ja ihrem Wesen nach von der konstruktiven Auseinandersetzung, vom Streit um unterschiedliche Positionen lebt.

Positionen, von denen viele längst nicht mehr geäußert werden und diejenigen, welche diese kontaminierten Positionen vertreten, diffamiert, diskreditiert und denunziert werden.

Der Klimawandelkritiker ist Leugner, ist das ultimative Böse. Seine kritischen Anmerkungen gegenüber gigantomanen Maßnahmen zur Abwendung eines Klimawandels gehören jetzt zu den größten Tabus, immer näher hingeschoben an die Düsterecken, wo sich wohl Nazis und andere Verbrecher die Hand reichen.

Aber anstatt die berühmte Aktivistin nun in den schon inflationär gewordenen Bildern einer kommenden Klimaapokalypse eine von ihr selbst Jahre zuvor behauptete Schock-Strategie erkennen mag, hat sich die Kanadierin in perfekter Selbstvermarktung nicht etwa vor den rasenden Zug geworfen, sondern ist aufgesprungen und zur Apokalypsegläubigen avanciert.

Der Weltschock, vor dem die Autorin in Schock-Strategie noch so eindringlich warnte, hat jetzt offensichtlich bei ihr selbst den größten Effekt, nachzulesen beispielsweise in ihrer 660 Seiten umfassenden Kampfschrift zur Rettung des Klimas, also der Welt versus eines Welt zerstörerischen Kapitalismus in Raubtierversion.

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Immerhin muss man Naomi Klein attestieren, dass sie keine Gefangenen macht, auch nicht in den eigenen Reihen, wenn sie in ihren Streitschriften („Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann“) auch die zahlreichen Nichtregierungsorganisationen (NGO) zur Klimarettung angreift. Sie schimpft, diese trügen zur Entmachtung der Staaten bei, indem diese für vermeintliche Win-win-Lösungen mit den Konzernen kuscheln würden. Auch kritisiert sie die „Heuchelei privater Klimaschutz-Missionare.“

Die Aktivistin will es also so radikal wie irgend möglich, so schockierend wie nötig bzw. erfolgreich für die eigene Sache. Vom Paulus zum Saulus?

Wer also etwas erfahren will über globale Strategien der Implantierung eines Schocks zur Durchsetzung des nächsten Big Green Deals, wer gegen den antikapitalistischen Gestus einer brennenden Autorin eine gewissen Immunität behaupten kann, wer in der Lage ist, sich gegen antikapitalistische Verschwörungstheorien abzugrenzen, dem sei zu empfehlen, Naomi Kleins „Die Schock-Strategie“ zu lesen.

Denn hier liegt der seltene Fall vor, dass eine einflussreiche neue Prophetin der Klimaapokalypse in einer atemberaubenden Verdrehung Opfer ihrer eigenen früheren antikapitalistischen Analysen wird. Oder schlimmer noch: zur Täterin wird, indem Klein sich zur prominenten Vertreterin einer Politik macht, welche die von ihre einst so glühend heiß verteidigte Demokratie der Abwehr einer drohenden Apokalypse unterwirft – also die Anwendung einer der obszönsten wie in der Menschheitsgeschichte wohl erfolgreichsten Schock-Strategien überhaupt.

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Kommentare ( 63 )

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63 Comments
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Falk Kuebler
4 Jahre her

Es gibt halt genug Leute, deren Ego die Vorstellung braucht, Messias zu sein…

Falk Kuebler
4 Jahre her

„Armuts-Median-Blabla-Formel“

Wenn ich Sie zu Ihrer Bewertung mit ein ganz klein bisschen Fachkenntnis belehren darf: In Ihrem Beispiel ist der Median nämlich „Bettler“. Mit gutem Grund verwendet man hier die von Ihnen oben geschmähte Formel: weil nämlich der Durchschnitt die 2 Mio ergibt und damit eine irreführende Aussage suggeriert.

Ich hoffe, dass ich Sie nicht überfordert habe…

Falk Kuebler
4 Jahre her
Antworten an  Falk Kuebler

Hauptschulabschluss ist nicht ehrenrührig. Aber er limitiert halt in manchen Gebieten. So wie man sich als Autofahrer nicht in einen Helikopter setzen sollte…

Und da Sie nicht maulfaul scheinen, sollten Sie bei manchen Themen besser etwas vorsichtig sein… Nix für ungut 😉

humerd
4 Jahre her

Apokalypse mittels Überschriften“Hauptversammlung
Siemens-Aktionäre proben Aufstand gegen Chefetage“ als der Artikel noch frei zugänglich war, stand darin dass 2 !Aktionäre Anträge gestellte hatten, natürlich Klimaschutz. 2 Aktionäre genügen zum Aufstand!
„Auftritt in Essen
Zuschauer verlassen Nuhr-Auftritt wegen Witzen? Kabarettist widerspricht“https://www.focus.de/kultur/essen-klima-und-hoecke-witze-zwei-maenner-verlassen-bei-dieter-nuhr-unter-getoese-den-saal_id_11599624.html
2 ! Zuschauer sind gegangen und machten öffentlichen Wirbel. 1-2 Leutchen genügen inzwischen …

herbert b.
4 Jahre her

Tja, lieber Herr Wallasch, so ist das nun mal, so spielt die Musik. Wer den Zug verpaßt, nicht rechtzeitig auf- springt, den „bestraft“ das Leben. Es gibt wohl kaum jemanden, zumindest verschwindend wenige, die sich diese Karrierehäppchen entgehen lassen, etwa aus einer „höheren“ Moral. Man will einfach nur dazugehören, sein Ansehen und die Anerkennung mehren (wenn der Beifall auch von der „falschen“ Seite kommen mag). Nur so rollt vor allem auch der Rubel. Ich meine, es war Adenauer, der einmal Kritik und heftige Anwürfe mit dem Satz gekontert hat: „Dann geben Sie mir andere Menschen“. So, falls dieser bescheidene Kommentar… Mehr

pantau
4 Jahre her

Ich erinnere mich daran, als ich Schock-Strategie las. Ich las es nicht als Ausdruck von Antikapitalismus, sondern nur als Kritik an einer Abart des Kapitalismus, die man erkennen und bekämpfen sollte. Die Welt hat sich seither nicht wegen dieser Abart, sondern trotz dieser Abart und DURCH den nicht „entarteten“ Kapitalismus weiterentwickelt. Daß sie sich jetzt auf die Seite der neuesten Variante von (nun wirklich neoliberaler) Schockstrategie, also den sog. green deal, schlägt, ist wirklich ein dickes Ding! Daß die Bevölkerungsexplosion (auch die Ärmsten haben ein Recht auf Mindestkomfort) die Ressourcen schneller wegsaugen wird, als man denkt, das sollte man als… Mehr

RMPetersen
4 Jahre her

Betr.: „… Entwicklung der Diskussionen um eine weltweite Klimakrise …“

Krise? Welche Krise?? (Siehe Supertramp 1975)

Wolfgang Richter
4 Jahre her

Kleine Rücklagen für die Zeit danach – nachdem „wir“ alle von Merkel u.Co. transferiert worden sind.

Wolfgang Richter
4 Jahre her

Hatte von der Laie -Naomi Klein- gelesen, als sie ihr Billionen-Programm des „Green New Deal“ der Öffentlichkeit verkündete? Die Milliarde wird bei ihr zum zu vernachlässigenden Kleingeld, zur Bekämpfung einer fiktiven Bedrohung des Weltklimas.

Eberhard
4 Jahre her

Aktivisten, egal ob Frau oder Mann waren mir, entsprechend meiner sozialistischen Vergangenheit, schon immer ein Dorn im Auge. Es waren schon immer die Menschen, die von den Ideologen genutzt wurden, um der Masse unpopuläre Zielvorstellungen unterzujubeln. Vorwiegend einseitig ideologisch orientiert. Aber wenn es gerade erfolgreich erscheint, sich einem angeblichen Zeitgeist anpassend und mit einem Schwulst von unrealistischen Worthülsen, alle Anlässe ohne Skrupel nutzend, um die Massen weiter zu verblöden. Sie selber haben aber weder in ihrem Leben tatsächlich den wissenschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt auch nur etwas voranbringen können. Das mussten Menschen mit Realitätssinn, Arbeitsaufwand und oft unter persönlichen… Mehr

Waehler 21
4 Jahre her

Die Erde ist zweifellos in Gefahr, aber durch die Überbevölkerung! Vermehrt sich eine tierische Spezies und kann ihr Habitat nicht ausweiten kommt es zu einem radikalen Sterben.
Der Mensch ist in der Lage diesen Horizont des Sterbens auszudehnen, aber aufhalten kann er ihn auch nicht.
Wenn menschliches Leben einzig zur Quantität wird, ist der Humanismus Geschichte.
Merke: wer sich wie ein Karnickel vermehr, wird auch irgendwann genauso sterben.

RMPetersen
4 Jahre her
Antworten an  Waehler 21

Betr.: „Die Erde ist zweifellos in Gefahr …“

Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Sicherlich wird es etwas enger in bestimmten Ländern, aber in anderen Ländern veröden ganze Landstriche (- konnte man gestern über Bulgarien lesen).

Und es wird wahrscheinlich wärmer, aber ein, zwei oder drei Grad schaden nicht. In Shanghai und Singapur kann man auch bei mehr als 40 Grad hervorragend leben. (Eine Klimaanlage wäre dabei schonschön, aber die wurde ja schon vor langer Zeit erfunden.)

Waehler 21
4 Jahre her
Antworten an  RMPetersen

Welche Prämisse haben sie? 12 Milliarden, 13 Milliarden ? Welchen Lebensstandard sollen diese Menschen haben ? Den gleichen Fußabdruck wie die Amerikaner? Glauben Sie, diese künftigen Menschen werden freiwillig Baumrinde, soweit vorhanden
kauen?
Gehen Sie mal in überbevölkerte Orte und schauen sie sich an, welchen Wert das einzelne Leben dort noch hat.

RMPetersen
4 Jahre her
Antworten an  Waehler 21

Ich habe in Megastädten der sog. Dritten Welt gelebt.

Ich würde Singapore vorziehen, Mexico City, Shanghai haben ihre Reize, Manila durchaus auch. Alle kann man nicht kennen …