Härteste EU-Sanktionen: Libyen ohne Schlauchboote

Die EU Sanktion Codename „Gummiboot“ ist ein Windei, ein Sandstreuer in Bürgeraugen, die NGO-Schiffe machen weiter wie bisher - nein, sie fahren sogar noch dichter an die Küste, wie neueste Recherchen ergeben.

© AFP/Getty Images
Libyan coastguards drag a deflated rubber boat carrying the bodies of migrants after the craft sank off Garabulli, 60 kilometres (40 miles) east of Tripoli, on June 10, 2017

Werden die libyschen Schlepper „Flüchtlinge“ genannte illegale Einwanderer demnächst auf selbst gezimmerten Flößen ins Mittelmeer stoßen, für hunderttausende von Euro Gewinn pro Fahrt? Jedenfalls scheint das die Idee der Außenminister der EU-Staaten zu sein, die doch tatsächlich Ausfuhrbeschränkungen für Schlauchboote und Außenbordmotoren nach Nordafrika beschlossen haben. Wie verzweifelt ist das eigentlich? Kann es tatsächlich sein, dass die Bestände an Booten und anderen Wasserfahrzeugen in den nordafrikanischen Mittelmeeranrainerstaaten zur Neige gehen? Und was soll das überhaupt mehr sein, als eine Willenserklärung, wenn man dieses Exportverbot auf Libyen beschränkt, während beispielsweise die Bevölkerung im benachbarten Tunesien bereits aus geschätzten zehn Prozent eingewanderter Libyer besteht, die dann eben tunesische Boote mit ihrer libyschen Verwandtschaft verhandeln, was zwar den Preis in die Höhe treiben könnte, aber doch noch keinen relevanten Schlauchboot-Mangel in Libyen erzeugt.

Eine Sommer-Serie?
Einwanderung übers Mittelmeer
Solche und andere reine Willensbekundungen mögen beispielhaft dafür sein, wie willens die EU wirklich ist, dieses selbst erzeugte Problem zu lösen. Hier kommen ja mehrere Ursachen zusammen. 2008 hatte der viel belächelte damalige italienische Regierungschef Silvio Berlusconi mit dem libyschen Herrscher Muammar al-Gaddafi einen weitreichenden Kooperationsvertrag abgeschlossen, der die Grundlage bildete für gemeinsame Küstenpatrouillen und Push-Back-Operationen auf See, die Migranten direkt nach Libyen zurückbrachten, ohne Prüfung auf einen eventuellen Anspruch auf Flüchtlingsschutz in Italien/EU.

Klar, die europäische Menschenrechtskommission intervenierte sofort, und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EMRG) verurteilte die Vereinbarung postwendend. Allerdings kann man davon ausgehen, dass auch der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy sein stillschweigendes Einverständnis gegeben haben mag.

Als der sogenannte arabische Frühling Anfang 2011 auch Libyen in vollem Ausmaß erreichte, blockierte Italien zwar zunächst EU-Sanktionen, spielte auf Zeit und ließ Außenminister Franco Frattini einen Appell an die EU richten, der zur Zurückhaltung und Nichteinmischung aufrief, indem er warnte, Europa könne Demokratie nicht exportieren. Aber da waren die internationalen Weichen schon gestellt für einen Sturz Gaddafis: aus heutiger Sicht geradezu prophetisch, was der libysche Diktator dem französischen Journal du Dimanche als Warnung an Europa in Mikrofon sprach und was beispielsweise die Süddeutsche „Propaganda“ nannte:

„Ihr sollt mich recht verstehen. Wenn ihr mich bedrängt und destabilisieren wollt, werdet ihr Verwirrung stiften, Bin Laden in die Hände spielen und bewaffnete Rebellenhaufen begünstigen. Folgendes wird sich ereignen. Ihr werdet von einer Immigrationswelle aus Afrika überschwemmt werden, die von Libyen aus nach Europa überschwappt. Es wird niemand mehr da sein, um sie aufzuhalten.“

Im Oktober 2011, als Gaddafi bereits mit einer Eisenstange gepfählt worden war, befand die ZEIT: „Dieser Krieg war gerecht. (…) Die erste Militäraktion gegen ein Regime im Namen der Schutzverantwortung ist zu Ende. Unterm Strich war sie erfolgreich.“ Allerdings taugte die Unternehmung dann doch nicht so richtig als Blaupause, Gaddafis „Nachfolger“ Assad lebt immer noch, aber das ist ein anderes Thema.

Nun erlässt die EU also ein Verbot des Exportes von Schlauchbooten gegen Schlepper, um die nächste große Einwanderungswelle zu verhindern, deren Bekämpfung Martin Schulz, Millionär, Kanzlerkandidat und ehemaliger Präsident des europäischen Parlaments, gerade so hilflos polternd ans konturlose Bundeswahlkampfprogramm seiner Partei getackert hat, was ProAsyl wiederum empört als „alarmistische Debatte“ bezeichnet.

So lächerlich das Schlauchbootverbot klingt, so ernst nimmt es der europapolitische Sprecher der Linksfraktion, Andrej Hunko: „Diese Idee ist nicht nur widersinnig, sondern auch tödlich. Sie führt zu weiteren Toten auf dem Mittelmeer, wenn Geflüchtete in noch klapprigere Boote oder auf Flöße gezwungen würden.“ Um wie viele Boote handelt es sich da eigentlich? Wer ist so gewissenlos und liefert?

Kommentare und Hinweise der Leser
NGOs und Schleuser im Mittelmeer ll
Fragen wir doch mal beim Hersteller Grabner an, denn laut schlauchboot-test.de ist das Unternehmen einziger Hersteller von Schlauchbooten im deutschsprachigen Europa. Grabner verkauft eine breite Palette an aufblasbaren Kajaks, Kanadiern, Allround- und Motorbooten, Raftingbooten und Segelkatamaranen. Die nette Grabner-Dame der Presseabteilung im österreichischen Haag weiß allerdings überhaupt nichts von Exporten nach Libyen, nicht einmal Nordafrika hätte irgendeine Relevanz für das Geschäft des Hauses. Aber da wäre noch ein tschechischer Hersteller namens Gumotex mit Dependance auch in Deutschland. Da sollen wir anrufen.

Machen wir natürlich: Man stelle sich das einmal vor, wenn Tschechien zwar nicht die Flüchtlingsquote der EU erfüllen mag, aber immerhin die passenden Schlauchboote liefern würde, als Interims-Transportmittel hin zu den Schiffen der NGO’s vor der libyschen Küste. Also rufen wir erst bei Gumotex in Deutschland und anschließend noch im Haupthaus in Břeclav an. Nein, ein Exportgeschäft mit Libyen gibt es nicht. Nicht einmal eines mit Nordafrika. Die Dame von Grabner hatte noch darauf verwiesen, dass die Exportauflagen wohl schon vorher unüberwindbar, unsicher und also nicht lohneswert für Geschäfte gewesen wären.

Fassen wir also zusammen: Die EU Sanktion Codename „Gummiboot“ ist ein Windei, ein Sandstreuer in Bürgeraugen, die NGO-Schiffe machen weiter wie bisher  – nein, sie fahren sogar noch dichter an die Küste, wie neueste Recherchen ergeben – und Martin Sellner und seine rechte Spontitruppe spielen den maritimen Don Quichote, währenddessen sich Hunderttausende Afrikaner Richtung libysche Küste aufmachen, um ihren Platz auf einem Schlauchboot unbekannter Fabrikation zu ergattern.

Und nun hätten wir auch noch den europäischen Handel mit Libyen bezüglich der Außenbordmotoren erkunden können. Haben wir uns aber gespart, vielleicht mögen Sie das mal überprüfen und uns gerne mitteilen, welche europäische Außenborder-Firma nun Konkurs anmelden muss.

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Kommentare ( 18 )

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Davy Crocket
6 Jahre her

Die mit dem Beruf „Menschenrechtler“ kümmern sich um die mit dem Beruf „Flüchtling“.

Marcel Börger
6 Jahre her

Boote wie Motoren kommen aus Fernost, kurz googlen, das Internet ist voller Angebote. Die großen grauen „Schlauchboote“ (mittlerweile fast auf jedem Rettungsphoto) aus China liegen so bei 1000$, sind also mit ziemlicher Sicherheit totaler Schund, aber für die Schleppermafia und die zu erwartenden wenige Kurzeinsätze bis zum NGO Boot in unmittelbarer Küstennähe sicher ausreichend. Vielleicht werden sie mittlerweile auch vor Ort hergestellt, ein Schlauchboot ist ja kein Atomkraftwerk. Etwas Lasterplane und Gummiklebstoff und ein paar alte Ölfässer oder dgl. als Schwimmkörper gibt es sicher auch an jeder Ecke in Nordafrika. Wie gesagt, müssen ja nicht lange halten. Einfach nur lachhaft… Mehr

Ingo Müller
6 Jahre her

++++Und nun hätten wir auch noch den europäischen Handel mit Libyen
bezüglich der Außenbordmotoren erkunden können. Haben wir uns aber
gespart, vielleicht mögen Sie das mal überprüfen und uns gerne
mitteilen, welche europäische Außenborder-Firma nun Konkurs anmelden
muss.++++

Es gibt meines Wissens keine Außenbordmotoren europäischer Produktion. Diese stammen alle samt aus den USA oder Japan. Aber Händler gibt es mehr als genug in EU.

Rainer Neuhaus
6 Jahre her

Zum Thema noch ein paar Ergänzungen. Wie gehabt, berichtet die FAZ ( 25.07.17 ) unter dem Titel „Rechtsextreme wollen Flüchtlinge zurückbringen“ über die C – Star der Identitären. Wer den Duktus der Berichterstattung der FAZ zum Thema kennt, braucht den Artikel gar nicht erst zu lesen, der Titel sagt schon alles. Am gleichen Tag berichtet die NZZ unter dem Titel „Bootsmigranten im Mittelmeer: Italienische Regierung und NGO uneins über Verhaltenskodex“. Hier erfährt man sachlich und umfassend den Stand der Dinge. Ich beobachte ja seit gut zwei Wochen das Treiben der „Flüchtlingshelfer“ im Mittelmeer. Dabei fällt seit einigen Tagen auf, dass… Mehr

Känguru
6 Jahre her

Natürlich sitzt die Zentrale des Shuttle Service in Berlin Prenzlauer Berg.

https://sea-watch.org/das-projekt/ueber-uns/
„Lion plädiert für mehr humanitären Radikalismus“

Ja klar, ihm kann es egal sein. Er, wie auch Merkel und Tagesgeld-Millionär-Schulz sind praktisch eine unantastbare Kaste. Sie werden für die Milliarden Schäden nicht haftbar gemacht.

Die Antifa ist auch für humanitären Radikalismus.

Wer sind die Spender von Sea Watch
(eher Strand Beobachter, also Beach Watch)?

Gerd Sommer
6 Jahre her

Die NGOs sollten die von ihnen Geretteten nur in ihren Heimatländern anlanden dürfen….

Peter K.
6 Jahre her

Edit auf mein Kommentar: Hier ein Netzfundstück, welches doch die Hoffnungslosigkeit der SPD und ihrer Vasallen offenbart:http://toleranz-und-demokratie.de/ Keine Aktion, aber eine Gegenbewegung zur AfD. Man kann zur AfD stehen, wie man will, aber diese Seite strotzt nur so vor Halbwahrheiten und Behauptungen, die breist auf TE schon längst widerlegt wurden. Ja es ist Wahlkampf und der läuft schon auf Kommunalerebene an.

Davy Crocket
6 Jahre her
Antworten an  Peter K.

Ich denke, sowas ähnliches wie 50 Cents Blogger. Vielleicht machen die es schon für 10 Cents.

Stefan Lanz
6 Jahre her

Gerade wieder auf „heute“, dass die Afrikaner gar nicht nach Europa flüchten wollen/wollten…

Übers Mittelmeer nach China oder was?

Wieder so eine Nebelkerze für das dumme Wählervolk.

Bernd
6 Jahre her

Immer nur Mut – es steht viel auf dem Spiel!

Thomas
6 Jahre her

Die riskieren ihr Leben! Für die Zukunft Europas. Das sollten wir anerkennen in diesem feigen, ehrlosen Land.
Ps Ich bin auch zu feige für sowas.

Lisa
6 Jahre her
Antworten an  Thomas

Es gibt wenige mutige Menschen die in solch einer politischen Lage aktiv werden. Meine Hochachtung und Respekt vor diesen Menschen. Die meisten Menschen sind passiv, finden das zwar nicht gut was um sie herum passiert, aber trauen sich nicht etwas dagegen zu tun. Verständlich, man riskiert damit ja geächtet zu werden, seinen Job zu verlieren, … usw. Auch ich gehöre dazu. Leider.
Ich denke, dass es vor ca. 80 Jahren ähnlich war.