Debatte über Asylpaket: vertauschte Opferrollen

Abgeordnete von CDU und SPD sprechen heute im Bundestag, als wären sie von der AfD - und klagen über Verfolgung durch die Antifa. Was ist los?

Screenprint: phoenix

Am Freitag im Bundestag: scharfe Debatte, um das zu verabschiedende Asylpaket aus den Bundesministerien, wenn selbst noch die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg auf Lindner-2017-Wahlkampfkurs zurück schwenkt, wenn sie Seehofer angreift und ihm eine weitgehende Wirkungslosigkeit des zu verabschiedenden Asylpaketes vorwirft: „Hier zeigt sich leider, die Koalition hat die Zeichen der Zeit noch immer nicht verstanden.“

Ulla Jelpke von der Partei die Linke geht verbal mittlerweile ins letzte oder vorletzte Gefecht, ihr Wortbeitrag ähnelt den überhitzten Emails, die man bekommt, wenn man in ihrem Presseverteiler ist, selbst Katja Kipping hat den Jelpke-Sprech schon übernommen, wenn sie von einem „Aushungern“ von Abschiebepflichtigen spricht. Jelpke polemisiert: „Diese Gesetze sind voller Schäbigkeiten, was die Angriffe auf die Grundrechte von Geflüchteten angeht.“

Aber die Überraschungen werden im Verlaufe der Debatte erst noch kommen, wenn die Paketschnürer der Großen Koalition, wenn die Union und die SPD auf einmal gegenseitig darum wetteifern, die Argumente der AfD und anderer Kritiker der Merkelschen Massenzuwanderungspolitik der letzten Jahre zu übernehmen. Es ist tatsächlich ein Kuriosum. Und es ist hier dann auch eine – mit Blick auf die letzten Wochen – überraschende Umkehr wieder zurück zum Thema Zuwanderung, weg von Klimaapokalypse, weg von Greta Thunberg und der sich ihr gegenüber so umarmend großmütterlich gebenden Angela Merkel.

„Es gibt kein Recht in dem Land Asyl zu beantragen, wo man gerade möchte.“ Und wer schon woanders Asyl beantragt hat, bekomme im Prinzip nichts mehr „bis auf die Rückfahrkarte.“ Nein, das ist kein parlamentarischer Zeitsprung über Jahrzehnte, nein, das ist auch kein Beitrag der AfD. Hier spricht tatsächlich Thorsten Frei, stellvertretender Fraktionsvorsitzende der CDU.

Zwischenfrage der Grünen: „Sie sind sich schon bewusst, dass sie hier Kinder und Familien aushungern und einknasten?“ Antwort: „Ich weiß nicht, wie man so einen Schwachsinn, den sie hier gesagt haben, begründen kann.“

Der fast schon ungläubige Blick von Alexander Gauland, der kurz eingeblendet wird, spricht Bände. „Wir nehmen uns die vor, die dem Deutschen Staat auf der Nase rumtanzen. Die müssen dafür auch Konsequenzen tragen.“, so Frei weiter frei heraus, als gäbe es die Massenzuwanderungspolitik seiner Kanzlerin gar nicht, als hätte es diese nie gegeben, als wäre alles vor heute nur ein böser Traum.

Aber es soll gleich noch besser kommen und wir wollen hier den so präzisen Vortrag des AfD-Abgeordneten Gottfried Curio kurz ausblenden, auch wenn er das Original ist, auch, wenn sein Redebeitrag tatsächlich mal einen eigenen Abdruck wert wäre und wir nun nach Thorsten Frei zu einer weiteren Kopie der Alternative übergehen, die es wirklich in sich hat, wenn mit Helge Lindh (SPD), einer der bisher größten Befürworter der Merkelschen Massenzuwanderung und in seinem parlamentarischen Redebeiträgen schärfster Gegner der AfD, sich minutenlang in einer Opferrolle gefällt, die er bzw. seine Fraktionskollegen sonst so gerne der AfD nachsagen wollen.

Doch, dass muss man schon im Wortlaut hören, was Lindh sich da in einer Art beleidigter Wutrede zusammenjammert, wenn er sich darüber beschwert, wie die Konstrukteure des gerade zur Debatte stehenden Asylpakets von der linken und der grünen Opposition und von der außerparlamentarischen Antifa angegangen werden:

„Vor ihnen steht jetzt ein Unmensch, ein Verräter der Menschenwürde, ein Rassist oder wie wir es eben gehört haben: Ein Annäherer an die AfD und ein Anbiederer an den Rassismus. Ich muss mich an diese Vorstellung erst einmal mit Irritation gewöhnen.“

Das ist starker Tobak. Das ist auch eine grandios vorgetäuschte persönliche Amnesie-Leistung des Sozialdemokraten. Er hätte sich doch jahrelang für Geflüchtete und für die Seenotrettung eingesetzt und nun frisst also die Revolution ihre Kinder?

Tatsächlich empört sich der Abgeordnete darüber, dass Abgeordnete es „heute nicht wagen, frei als Abgeordnete abzustimmen, weil sie Angst haben, dass Aktivisten ihre Büros angreifen oder zerstören, dann ist, glaube ich, etwas nicht richtig.“

Nun ist diese Erfahrung womöglich für etliche AfD-Abgeordnete keine neue, seit Jahren werden ihre Wohnungen beschmiert, ihre Autos zerstört und sie selbst im Extremfall sogar körperlich angegangen bis hin zu schweren Verletzungen. Die Frage muss hier also erlaubt sein, wie viel Gift eigentlich auch der ins Töpfchen gegossen hat, der sich hier gerade in eine Opferrolle hineindenkt – nein, hineinsteigert –, die schon maßlos ist, wenn diese neue Asylpaket-SPD hier als erstes Angriffsziel der Antifa stilisiert wird. Denn um diese extremistische Gruppierung wird es ja gehen, die über Umwege staatlich subventioniert wird aus SPD-Ministerien und bei fast noch jeder Demonstration für den staatlich gewünschten oder geduldeten Rabatz an Einschüchterung hinterm schwarzen Banner sorgt.

„Wenn ich mich genötigt fühle, mich wie viele andere zu rechtfertigen und wenn sie konfrontiert werden mit über die Grenze gehenden morschen Erpressungsversuchen, dann stimmt etwas nicht, dann ist etwas nicht in Ordnung.“ Was ist dieser Helge Lindh eigentlich hier gerade? Nur ein Vorwahl-Schlitzohr?

Man vernimmt es und will es nicht recht glauben: „Wenn dieser durchaus gut gemeinte Idealismus zum Absolutismus wird, dann stimmt etwas nicht.“ Lindh spricht von einer sachlichen Argumentation, die so dringend gebraucht würde in der Asyldebatte. Zum Schluss seiner Rede appelliert er daran, dass es vielleicht beim nächsten Mal gelänge, ohne Drohszenario und moralische Unterdrucksetzung eine Entscheidung zu fällen. Dieser Erfahrung hat nun gemäß Aussage von Lindh auch die SPD-Fraktion gemacht, wird sie etwas daraus lernen im Umgang mit dem politischen Gegner?

Dann bekommt im Anschluss der Abgeordnete der Partei Die Linke, Michel Brandt, einen Ordnungsruf, weil er dazwischen gerufen hatte, als Gottfried Curio sprach: „Nazis aus dem Bundestag.“ Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble musste von zwei Abgeordneten der AfD, die an sein Pult vortraten, auf den Zwischenruf hingewiesen werden, ohne diese Hinweise wäre es wohl gar nicht zum Ordnungsruf gekommen. Und schließlich folgt nach einer Reihe weiterer Redebeiträge zum Asylpaket der Debattenpunkt: „Vermeintliche Hetzjagden in Chemnitz.“ Dazu später mehr.

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Kommentare ( 119 )

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Falk Kuebler
4 Jahre her

Mag sein, dass das Pendel noch nicht zurückzuschwingen begonnen hat, aber allermindestens ist es seinem Umkehrpunkt schon sehr nahe…

Moses
4 Jahre her

Erstaunlich.
Ich hätte das als begonnenen Aufstand gegen Merkel betrachtet. Oder gebe ich das Gewünschte für die Realität aus?

Wolkendimmer
4 Jahre her

Merkel hat in Harward endgültig und unwiderruflich gezeigt wessen Geistes Kind sie ist.
Hier ist jeder weiterer Kommentar überflüssig.

Kassandra
4 Jahre her

Bei den Mohammedanern ist es Taqiyya – wenn man inzwischen nicht mehr so sehr in die Ferne schauen will. Die dürfen lügen, um ihre Ziele zu erreichen.
So manche Moscheebauunterstützer bis hin nach Köln mussten das schon deutlichst erfahren.

Wolkendimmer
4 Jahre her

Ich bin sehr gespannt auf Ihren Beitrag zur Chemnitz – Debatte.

Alexander Wallasch
4 Jahre her
Antworten an  Wolkendimmer

Lieber Leser, leider muss ich Sie enttäuschen. Die Idee über diesen Teil der Debatte zu berichten habe ich fallen lassen. Die Idee kam uns ja, als dieser Teil als Tagespunkt Noch nicht begonnen hatte. Aber nach Sichtung der Parlamentsdebatte zu Chemnitz, war nichts mehr davon über. Es gab einfach nichts was berichtenswert gewesen wäre. Leider. Danke Ihnen für Ihr Interesse.

tavor1
4 Jahre her
Antworten an  Alexander Wallasch

Ja. Die Debatte war langweilig. Trotzdem konnte ich was lernen. Die meisten Redner wollten an den „Hetzjagden“ nicht ausdrücklich festhalten. Es gehe schließlich um die Sache, nicht um Worte. (Hört, hört!) Eben damit wurde die Orwellsche Dimension des Themas – der totalitäre Missbrauch der Worte durch die Mächtigen – glatt verfehlt und tragisch bestätigt. Der Bundestag blieb mal wieder weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Das galt diesmal auch für die AfD.

Denis Diderot 2018
4 Jahre her
Antworten an  tavor1

Renner hat eine langweilige Rede gehalten.

Wolkendimmer
4 Jahre her

Billigster Populismus, oder alles nur Wahlkampf um den Dümmsten zu zeigen, wir wollen ja etwas machen, aber die die pöse Antifa lässt uns nicht. Diesen Kokolores glaubt doch keiner mehr. Die Korkodielstränen können Sie sich sparen liebe Abgeordnete.
Gehen sie bitte in Kitas Grundschulen und Hochschulen in NRW, oder in Berlin oder Bremen, besuchen sie komplett degenerierte Stadtteile in Berlin, zum Beispiel Kreuzberg oder Neukölln, oder seit einiger Zeit auch Tiergarten oder Moabit. Da ist der Islam bereits angekommen.
Viel Spaß
Wem nichts weiter einfällt als Nazis raus zu grölen, der ist im übrigen völlig deplatziert im Bundestag.

Denis Diderot 2018
4 Jahre her

Noch einmal habe ich mir den Beginn der Debatte angeschaut. Während Bernd Baumann am Pult redet, spricht Claudia Roth dem parlamentarischen Arm der Antifa, Michael Brandt ein paar aufmunternde Worte zu. Damit ist eigentlich alles gesagt. Das ist, was wir zu erwarten haben. Eine von den Grünen geführt Bundesregierung mit dem Ziel der Zerstörung und einer Gewaltbrigade, die Andersdenkende einschüchtert. Brandt ist nicht die hellste Kerze auf der Torte und wurde auch ansonsten von der Natur benachteiligt. Aus seinen Möglichkeiten hat er in finanzieller Hinsicht alles rausgeholt. Freis Rede, da hat Herr Wallasch völlig recht, ist beachtlich. M.E. aber vor… Mehr

tavor1
4 Jahre her
Antworten an  Denis Diderot 2018

Um noch einmal das Modethema aufzugreifen. Es mag ja sein, dass jedes Teil, isoliert betrachtet, durchaus Stil hatte. Aber im Ensemble war es eben eine Geschmacksverirrung. Wer so viele Farben und Stile kunterbunt mischt, ist in meinen Augen ein skrupelloser Eklektiker. Vielleicht auch ein Narzisst, der mit seinem schrillen Outfit Aufmerksamkeit erheischen will. Im Vergleich dazu trägt Curio schlicht wirkende Teile in gelungener und harmonischer Zusammenstellung. Was bei Gottfried als schlichte existentialistische Eleganz daherkommt, ergibt bei Helge nur ein kreischendes Potpourri. Auch Grosse-Böhmer sollte man erwähnen. Die lindgrüne Hose zum marineblauen Bläser mit gedeckter Krawatte liess den Abgeordneten aussehen wie… Mehr

Denis Diderot 2018
4 Jahre her
Antworten an  tavor1

tavor1
Lindh kommt aus Wuppertal. Da braucht man vor allem gutes Regenzeug. Sozen haben auch sonst selten Geschmack, Grüne noch weniger. Kürzlich hatte ich mich hier über Hosenprobleme der Grüninnen ausgelassen. Curios Outfit unterstreicht den preußischen Ernst – das meine ich, der häufig Probleme mit Protestanten und ihrer Kultur hat, sehr, sehr positiv. Das einzige, was uns retten kann vor Hysterie, Bequemlichkeitsverblödung und Fanatismus.

Gerro Medicus
4 Jahre her

Zu dieser Debatte kann ich nur sagen: eine Umsetzung des Ischias-Juncker-Wortes „Wenn es ernst wird, müssen wir lügen!“ Seehofer hat doch selber gesagt, dass es wichtig war, die Gesetze so zu verkomplizieren, dass deren Sinn und Ziele von den Wählern nicht gleich erkannt werden können. Er sagte wörtlich beim „Zweiten Berliner Kongress für wehrhafte Demokrati: Das Gesetz (das Datenaustauschgesetz) sei ganz stillschweigend eingebracht worden. „Wahrscheinlich deshalb stillschweigend, weil es kompliziert ist, das erregt nicht so. Ich hab‘ jetzt die Erfahrung gemacht in den letzten 15 Monaten: Man muss Gesetze komplizierter machen. Dann fällt das nicht so auf.“ Diese Regierung und… Mehr

Der Winzer
4 Jahre her

Sie haben es auf den Punkt gebracht, Herr Wallasch !
Schön auch, dass der seit Jahren mit Abstand beste Redner im Bundestag die verdiente Würdigung wenigstens bei TE erfährt:
„… und wir wollen hier den so präzisen Vortrag des AfD-Abgeordneten Gottfried Curio kurz ausblenden, auch wenn er das Original ist, auch, wenn sein Redebeitrag tatsächlich mal einen eigenen Abdruck wert wäre … “
Dem ist nichts hinzuzufügen.

andreas donath
4 Jahre her
Antworten an  Der Winzer

In der Tat: Curios Reden sind ein Hochgenuss. Natürlich nicht für die Weltretter und Klima-Apokalyptiker.

H. Hoffmeister
4 Jahre her

Danke, Herr Wallasch, für die Berichterstattung aus dem Bundestag. Ich könnte das nicht mehr ertragen. Wenn AfD- Argumente von SPD- oder CDU-Protagonisten verwendet werden, sind diese akzeptabel, wenn die AfD diese verwendet, nicht. Erbärmlich, ekelhaft.