Aufruf zur Denunziation soll Kunst sein?

Was passiert, wenn Kunst sich zwischen Satire und faschistoider Denunziation verheddert, dabei auch noch der x-te Aufguss des selben Pranger-Beutels ist und so auch nicht weniger langweilt als Politsatire von Böhmermann und Co.

Odd Andersen/AFP/Getty Images

Der Autor hier fragte einen ihm bekannten Künstler, was es denn seiner Meinung nach mit diesem „Zentrum für politische Schönheit“ auf sich hat, die nach der Miniatur eines Holocaust-Mahnmals in Björn Höckes Nachbargarten nun durch einen Reload des x-ten Prangers gegen Rechts um Medienaufmerksamkeit gebettelt haben. Seine Antwort kommt kurz und knapp: „Geht komplett an mir vorbei. Ich mag ihre Hartnäckigkeit, aber sie sind so verbissen-unlustig … Schlingensief, 2. Generation. Und nicht, dass er besser gewesen wäre.“

Kurz zur aktuellen Medienaufmerksamkeit rund um die politisierte Künstlertruppe: Die riefen als „Soko Chemnitz“ zur Denunziation von Demonstranten in Chemnitz auf, wollen Bürger dazu bewegen – teils wohl auch gegen Fangprämien – ihre Kollegen und Nachbarn anzuschwärzen, wenn sie sie auf den Fotografien der Demonstrationszüge entdecken. „1.524 Drückeberger vor der Demokratie“ wurden auf einer Webseite mit ihren Porträtfotos quasi zum Abschuss freigegeben verbunden mit der Frage: „Wo arbeiten diese Idioten?“ (Quelle: https://soko-chemnitz.de/)

Weiter heißt es da zum Ziel der Aktion: „den Rechtsextremismus 2018 systematisch erfassen, identifizieren und unschädlich machen. Denunzieren Sie noch heute Ihren Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten und kassieren Sie Sofort-Bargeld. Helfen Sie uns, die entsprechenden Problemdeutschen aus der Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst zu entfernen.“

Nun klingt das alles nach einer ziemlich abgeschmackten wie schlecht gemachten Satire. Berufsjugendliche würden hier von einem „Prank“ sprechen. Was da politisch für den Moment ernsthaft wirken soll, ist nichts weiter, als die düstere Parodie eines Prangers, die so schon viel besser vor über zwei Jahren von TE als „mypranger“ und Fingerzeig Richtung eines tatsächlich ernst gemeinten Prangers der Amadeu Antonio Stiftung gemeint war.

Aber wo ist dann der künstlerische Moment in dieser ja mit Elementen der realen Denunziation angereicherten Aktion? Geht es hier wirklich nur noch um maximale Aufmerksamkeit um jeden Preis? Um eine krampfhafte Überwindung dieses doch so entsetzlich limitierten 15-Minuten-Ruhms? Letztlich ist, was diese Kunst-AG da veranstaltet, nur eine Anlehnung an kurze politische Momente, die Leute wie Böhmermann im öffentlich-rechtlichen Fernsehen oder die Moderatoren Joko und Klaas im Privatfernsehen gelegentlich veranstalten: eben so etwas, wie eine politisierte Clowneske.

Das Zentrum für politische Schönheit allerdings sieht es verbissener, wie schon eingangs umschrieben, wenn die 70 „Aktionskünstler“ unter der Leitung des Dresdners Philipp Ruch mutmaßlich von einer öffentlichen Wahrnehmung a la Beuys – oder gröber: Jonathan Meese träumen – wie man sich dabei allerdings blamieren kann, haben sie offensichtlich vergessen.

Warum sich die Medien so ausgiebig dafür interessieren, warum sie dazu beitragen, die mutmaßlich strafrechtlich relevanten Denunziation weiter zu verbreiten, spielt dankenswerterweise und exemplarisch Arno Frank durch. Der Talk-Show-Renzensions-Biedermann bei Spiegel.de – auch er ein ehemaliger taz-Schreiber – sucht händeringend die Umarmung mit den aus seiner Perspektive wohl viel cooleren „Politkünstlern“ und verteidigt den Pranger, nachdem seine alte Wirkungsstätte taz ihm die Marschrichtung vorgegeben hatte. Und Arno Frank macht das bis tief ins Intro hinein quasi inhaltlich deckungsgleich. Sicher ist sicher. Die taz schreibt über Chemnitz: „Für die extreme Rechte war es eine Sternstunde, vor allem auch, weil sich der militante Teil der Bewegung mit den Schreibtisch-Faschisten der AfD vereinigte.“ War das so?

Das Zentrum für politische Schönheit, die sich schon mal als „Geheimdienst des Humanismus“ bezeichnet, nennt ihre Fotosammlung „Katalog der Gesinnungskanken“ („Falsche” Gesinnung ist eine Krankheit? Wie weit zur Heilanstalt?) und der prominente Performance-Künstler Jonathan Meese darf als einer der wenigen in Deutschland den Hitlergruß öffentlich aufführen, dank nun offizieller Genehmigung der Staatsanwaltschaft Mannheim, die gegen den Hitlergrüßer Meese ihre Ermittlungen eingestellt hat.

Und um hier nun die Beschäftigung mit diesem abiturientenhaften Unsinn geltungssüchtiger Kunst- und/ oder Politaktivisten mit unerreichten Vorbildern nicht unnötig in die Länge zu ziehen, wollen wir mit einem Zitat aus dem Spiegel-Artikel von Arno Frank enden, der sich liest, wie eine unfreiwillige Denunziation dieses Zentrums für politische Schönheit (ZPS), wenn Frank aufgeregt schreibt:

„Aktionen, mit denen Menschen kreativ auf eine Veränderung der Verhältnisse hinwirken, hat Joseph Beuys einst selbst als Kunstform bezeichnet, als Soziale Plastik. So ermöglicht das ZPS mit seiner kreativen Intervention zugleich eine neue Interpretation seiner erklärten Gegenspieler im öffentlichen Raum. Was sich da auf der Straße zeigt und umstürzen will, das ist der Mob als Nationalsoziale Plastik.“

Was soll das sein? Der Einzug des Dadaismus in die Spiegel-Online Redaktion? Eine Art Revolte gegen den Journalismus von Seiten der Journalisten selbst? Nein, das ist nur einfach langweilig, gaga und bezogen auf das Objekt der Berichterstattung laut Polizei in seinem Denunziationsmoment mutmaßlich strafbar. Mehr aber dann doch nicht. Und Kunst leider schon gar nicht.

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Kommentare ( 164 )

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Andokides
5 Jahre her

Ein böser und gemeiner Griff in s demokratisch-rechtsstaatliche Klo. Böhmermann läßt grüßen, weil auch hier die Kunst bemüht wird. Es zeigt aber auch die Gefährlichkeit einer bestimmten Scene, die immer mehr Platz greift und nicht vor unbeteiligten wie unschuldigen Bürgern Halt macht.

Dirk St.
5 Jahre her

Ich lese immer Denunziation … Familienangehörige (Sippenhaft???) …. Wo sind wir eigentlich? Mir wird langsam schlecht! Und wenn ich mich auf der Straße erwischen lasse, bin ich ein Nazi oder was? Und meine Familie gehört verfolgt? Was sagt unser Strafrecht dazu?

Haegar der Schreckliche
5 Jahre her

Die Webseite SokoChemnitz ist zwar noch online, aber aktuell mit diesem Text hier und hinter dem – auf der Seite – Rot hinterlegten Wort „Aufenthalt“ im letzten Absatz ist ein Link zu einer Karte mit den Aufenthaltsorten derjenigen versteckt, die dort drauf gegriffen haben: „Danke, liebe Nazis 6 Monate Gedanken, 3 Monate Recherche, 1 riesiges Team und am Ende nur eine Frage: Wer von Euch, liebe Nazis, war dabei. Mit 1.552 ermittelten Teilnehmerinnen und Teilnehmern konnten wir einen Großteil identifizieren. – Aber nicht alle. Dann kam uns eine Idee… Wäre es möglich, das bereits gewonnene Wissen als Waffe einzusetzen, um… Mehr

Nachdenkerin X
5 Jahre her

Mir ist unverständlich, wieso es nicht gegen diese „Künstler“ Anzeigen hagelt.

Netzreporter
5 Jahre her

** Nicht zu vergessen ist hier auch die Ver.di „Handlungshilfe“, auch hier gab es Tipps wie man Kollegen bespitzelt, aber das war sicher auch nur Satire. Die Achse hat mal ein Dossier: Zensur 4.0 veröffentlicht, das sollte dringendst erweitert werden. https://www.achgut.com/artikel/dossier_amadeu_die_deutsche_zensur_avantgarde Wer in der Demokratie schläft, wacht in einer Diktatur wieder auf. Und die Deutschen werden irgendwann wieder aufwachen und Fragen, „woher sollten wir das Wissen“. Es ist einfach zu krass was die letzten 3 Jahre in Deutschland passiert ist, von der Massenmigration bis zum Migrationspakt, NetzDG, Studien wo selbst Gesprächsteilnehmer erfunden wurden um das richtige Ergebnis zu bekommen, Wahlen… Mehr

H. Priess
5 Jahre her

Seltsam, habe ich Gestern auch versucht. Mein Passfoto mit meiner detailierten Personen und Gesinnungsbeschreibung eh nicht. Blöde Seite!

H. Priess
5 Jahre her

Mit Künstlern wie Gröhnemeier? Oder dem Frede(Campino)? Dem Lispelkünstler Schweiger oder gar dem Maffai? Künstler wie die Santianos die ihr Konzerte als Propaganda gegen die AfD benutzen? Künstler, die andere unter Druck setzen sich doch endlich auf die „richtige“ Seite zu schlagen? D. Nuhr, der Welke, der Ehring, die Kebekus von Böhmermann ganz zu schweigen die das Gewissen der Nation spielen? Ich kenne keinen Künstler der auch nur im Ansatz einen kritischen Standpunkt hat und diesen öffentlich äußert. Feigheit oder nur eine Frage der Abhängigkeit.

RUEDI
5 Jahre her

Da die Multiplikator-Wirkung der MSM -Institutionen gewiss ist, die als Treibriemen der Regierungs-und Machteliten gerieren, surfen sogar zweit-und drittklassige „Künstler“ auf dieser Welle, um schlicht und einfach Kohle abzuschöpfen. Eine „ANTI-AFD“ Kampagnen-Industrie zur Sicherung des Machterhalts wurde installiert. Dutzende Bücher werden geschrieben und dann bei Lanz vorgestellt. Gern von den Medien bespielt, um die eigene Wichtigkeit und Werthaltigkeit (Geld ) der Autoren und Journalisten und Medienmacher hervorzuheben. Letzlich bestimmen sie mit Hilfe und durch die Macht des Politisch-Medialen-Komplexes ( PIMK) des „Volkes Meinung“ durch tägliche direkte oder indirekte Themenwahl und immerwährende Wiederholung. Und lässt ANDERE das SAGEN was sie sich… Mehr

bfwied
5 Jahre her

Es geht schneller als ich dachte! Die Deutschen begreifen sich in Teilen nicht mehr als „Deutsche“, sondern als „Menschen in diesem Land“, der größte Teil reibt sich die Augen und sieht nicht die Brisanz, er steht nur davor und spielt alles herunter, weil er es nicht fassen kann. Die anderen versuchen schon verzweifelt, den Rechtsstaat zu bewahren mitsamt allen in Jahrhunderten erkämpften Rechten. Sie wollen die Kultur und die darauf aufbauende Zivilisation schützen und somit sich selbst, ihre Lebensweise, die sich in Verhaltensweisen, im Umgang miteinander, in der Freiheit, der Selbstbestimmung, im erarbeiteten Wohlstand äußert. Die linken Globalisten sind Trittbrettfahrer,… Mehr

Beobachterin
5 Jahre her

„Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.“