Amsterdam unter Schock: Schon wieder Erschießungen auf offener Straße

Der Justizminister des Landes sprach davon, dass „das Fundament unseres Rechtsstaates“ angegriffen wurde. Aber was genau hat es angegriffen? Diese Morde oder doch die liberale Politik des Landes, die es dazu überhaupt erst hat kommen lassen?

Michel van Bergen/AFP/Getty Images
Police officers control the access near the site of a shooting on September 18, 2019 in the Amsterdam district of Buitenveldert, where Dutch lawyer Derk Wiersum was shot dead. - Wiersum assisted crown witness Nabil B. in the liquidation process Marengo around the criminal leader Ridouan Taghi. The shooter fled on foot.

Ein moderner Gassenhauer beginnt so: „Komm wir fahren nach Amsterdam. Ich weiß, dass uns nichts passieren kann.“ Nun ist ein Lied nur ein Lied und die Realität etwas ganz anderes, wenn innerhalb von 24 Stunden in der Hauptstadt der Niederlande zwei Menschen erschossen wurden. Der eine ein Anwalt gegen das organisierte Verbrechen, der andere ein Ex-Fußballprofi. Beide wurden offensichtlich professionell hingerichtet, die Polizei betont, sie sehe keinen Zusammenhang zwischen den Morden. Eine Beruhigung kann das für die Bevölkerung allerdings kaum sein.

Und es ist auch niemand abgestumpft in Amsterdam, wenn solche Morde auf offener Straße dort nicht zum ersten Mal passiert sind. Beispielsweise 2015 berichtete der Stern von einer Mordserie in der Stadt: „In Amsterdams Unterwelt herrscht Krieg. Es sind Morde wie im Gangsterfilm: Ein wilder Kugelhagel, das Opfer bricht zusammen, die Täter rasen im Auto davon. Eine Mordserie hält Amsterdam in Atem. Drogenbanden rechnen ab.“

Was die Beschaffung angeht, ist es heute so, wie es schon vor 40 Jahren war, wer in Deutschland harte Drogen sucht, wer damit sogar Handel betreiben will, der fährt nach Amsterdam und deckt sich dort ein. Der Drogentourismus ist ein Geschäft über Generationen. Und es sind nicht nur die so genannten Coffee-Shops, wo sich aufgeregte Neuerwachsene mit etwas Haschisch eindecken. Amsterdam ist auch eine Hauptstadt der harten Drogen, der Dealer, der Schwerkriminalität. Und was die Coffee-Shops angeht: Zeitweilig war der Besitz von Cannabis bis zu dreißig Gramm erlaubt und das ab 16 Jahren, heute sind es offiziell fünf Gramm ab 18 Jahren. Aber welche Nutzer schert das wirklich, wenn auch fast jede illegale Droge in fast jeder Menge zu bekommen ist?

Schon 2015 klangen die Nachrichten wie aus einem Gangsterfilm aus dem Chicago der 1920er Jahre: „Angefangen hatte es mit einem Streit zwischen rivalisierenden Drogenbanden um eine verschwundene Ladung Kokain. (…) Die Zusammenstellung der Banden ändert sich ständig, erklärt die Polizei. Und das Misstrauen ist groß. Bandenchefs, so sagen Ermittler, bringen ihre Rivalen um – nur aus Angst, selbst Opfer zu werden.“

Jetzt hat es einen Ex-Fuballprofi erwischt – noch ist unklar, warum der Farbige den Drogenbanden ein Dorn im Auge war oder wer überhaupt geschossen hat. Der bisher bekannte Tathergang liest sich ebenfalls wie aus einem Gangsterfilm: „Zwei Männer auf einem Motor-Scooter hatten das Feuer auf den fahrenden Wagen des 32-Jährigen eröffnet, teilte die Polizei in der Nacht zum Donnerstag mit. Die Täter seien geflohen. Über ein Motiv gab es zunächst keine Informationen. (…) Der Mordanschlag ereignete sich am späten Mittwochabend. Maynard war schwer verletzt mit seinem Auto noch in eine Feuerwehrkaserne gefahren. Dort erlag er seinen Verletzungen.“

Noch aggressiver und kompromissloser
Durch Massenzuwanderung: Neue Kriminelle versus etablierte Clans
Der Mord am Anwalt eines Kronzeugen war der Süddeutschen Zeitung folgende Headline wert: „Ein Verbrechen, das die Machtlosigkeit des Staates belegt“. Aber machtlos gegenüber wem genau? Welche Strukturen sind da im Nachbarland entstanden, wann hatte man es versäumt, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, den Wahnsinn einzudämmen? Und vor allem: Was können die deutschen Behörden daraus lernen, angenommen, die Clan-Kriminalität in Deutschland sei ebenfalls auf dem Weg dorthin, wenn sich jetzt schon alteingesessene Clans mit neuen aggressiveren Banden aus der Gruppe der Neuzugewanderten ab 2015 bekämpfen?

Der Anwalt des Kronzeugen in einem viel beachteten großen Strafprozess gegen Bandenkriminelle wurde morgens vor seinem Haus erschossen. Der Täter soll laut Zeugen zwischen 16 und 20 Jahre alt sein, berichtete die Polizei. Er flüchtete zu Fuß. Die Ehefrau des Anwalts, die ihn zum Auto begleitet hatte, blieb unverletzt.

Der Anwalt verteidigte den Kronzeugen Nabil B., der gegen eine Bande rund um Ridouan T. und dessen Stellvertreter Said R. (meistgesuchter Krimineller in den Niederlanden) aussagen wollte. Der Bruder des Kronzeugen war schon im März 2018 ermordet worden, nachdem der Kronzeugendeal abgeschlossen war. Nun also der Anwalt von Nabil B. Der Kronzeuge will in 13 Mordfällen und Mordversuchen belastende Aussagen machen.

Die linksliberale Bürgermeisterin der Stadt spricht von einem „unvorstellbarem Schock“. Das allerdings ist erstaunlich angesichts der anhaltenden Verhältnisse in Amsterdam. Liegt es daran, dass es mit dem Anwalt einmal jemanden getroffen hat, der nicht unmittelbar aus der Migranten- bzw. Clanszene kommt?

Der Justizminister des Landes sprach davon, dass „das Fundament unseres Rechtsstaates“ angegriffen wurde. Aber was genau hat es angegriffen? Diese Morde oder doch die liberale Politik des Landes, die es dazu überhaupt erst hat kommen lassen? Für den Minister ist jetzt klar, dass man die organisierte Kriminalität habe wuchern lassen. Eine Antiterroreinheit der Niederlande wurde nach Amsterdam beordert. Hollywoods Drehbuchautoren dürften begeistert sein.

Amsterdamer Anwälte wollen jetzt einen stillen Protestmarsch durch die Stadt organisieren. Aber gegen wen? Gegen die Clans oder doch besser gegen die Regierung, die das alles zugelassen hat? Aber dann werden auch die Rechten mitmarschieren wollen. Diese Tage sind einmal mehr reich an Lippenbekenntnissen, wenn der Polizeichef der Stadt fordert, die Unterwanderung des Landes durch Kriminelle müsse gestoppt werden.

Die Bandenkriege in seiner Stadt sind aktuell hauptsächlich von Menschen marokkanischer Herkunft organisiert. Aber eben nicht nur: Viele Familien aus unterschiedlichen Herkunftsländern streiten um den großen Kuchen und schießen sich dorthin den Weg frei.

Wieder die Süddeutsche berichtet: „Die Gruppen gelten als extrem brutal, es kam zu Enthauptungen und jährlich zu fast einem Dutzend Morden im Milieu.“ Weiter schriebt die Zeitung: „Daneben wird der Mord auch rechtspopulistische und/oder islamkritische Politiker wie Geert Wilders oder Thierry Baudet stärken, die in kriminellen Migranten und überhaupt in der Einwanderung die Wurzel allen Übels sehen.“ Aber wer würde sich trauen angesichts der jüngsten Ereignisse hier zu widersprechen? Und so ganz richtig ist das auch nicht, denn es ist vor allem doch die linksliberale Politik, die für Wilders und Co. Wurzel des Übels ist, weil sie es ist, die solche Verhältnisse überhaupt erst zugelassen hat.

Die Gewerkschaft der Polizei spricht angesichts vermuteter Einflussnahmen auch auf Politiker schon von den Niederlanden als „Narko-Staat“. Das allerdings kann keine neue Erkenntnis sein, wenn die Drogen-Versorgungslinie Amsterdam-Deutschland eine Traditionsroute ist. Amsterdam allerdings ist in Europa keine Ausnahme, auch beispielsweise im schwedischen Malmö werden von Migranten auf offener Straße Morde verübt.

Und das führt dann zu einer weiteren Erkenntnis, die alle Staaten in Europa angeht: Das Problem ist akut. Und es ist kein nationales, wenn diese Clans heute jeder für sich tausende von Mitgliedern zählen, die ihre Dependancen über ganz Europa verteilt haben, wenn die Netzwerke längst nicht mehr nur über einzelne Städte eines Landes verteilt sind. Europa ist im Würgegriff eingewanderter Kriminalität. Und der Mord an einem Anwalt in Amsterdam wird ganz sicher nicht ausreichen, dass sich daran etwas ändert. Dafür ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu viel passiert, ohne dass die Staaten sich hier zusammengesetzt und endlich mit allen nur zur Verfügung stehenden Mitteln aufgeräumt hätten.

Im Gegenteil: Neuere Erkenntnisse zeigen, dass die Migrationspolitik Europas das Problem weiter verschärft, wenn sich, wie schon berichtet, die alteingesessenen Clans nun schon mit den Neuankömmlingen ins Gefecht begeben. Aber ist eine Lösung des Problems mit der etablierten Politik überhaupt noch möglich?

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 79 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

79 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
ugartner
4 Jahre her

Die Schlussfrage ist sicher rhetorisch gemeint.

Sabine Ehrke
4 Jahre her

‚Aber ist eine Lösung des Problems mit der etablierten Politik überhaupt noch möglich?‘ NEIN.

Sharkeen
4 Jahre her

Welches ist die bestgeschützte Grenze Deutschlands? Die niederländische. Die Cosa Nostra (die Mafia!) war (bis ca 2015) quasi tot. Wie haben die Italiener es geschafft, die Omertà zu durchbrechen? Natürlich mit Zeugenschutzprogrammen, aber auch damit, dass die Ankläger alle aus dem Norden waren. Bedrohung und Bestechung ist so nicht ganz so einfach. Das wichtigste: Beweisumkehr im kriminellen Milieu. Du sagst, dein Geld ist sauber. Beweis mir, dass es nicht aus kriminellen Machenschaften stammt. So wurde auch Geldwäscherei bekämpft. Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass italienische Museen plötzlich alle richtige Kassen haben inkl. Quittungen. Die Clankriminalität kann nur über Geld bekämpft werden.… Mehr

U.M.
4 Jahre her

Die Zustände in NL als auch in D werden so, wie sie in den USA in den 20er und 30er Jahren zu AL Capone Zeiten waren. Wenn nicht sogar um einige Brutalitätsstufen höher.

der_chinese
4 Jahre her
Antworten an  U.M.

Absolut, kein Zweifel!

manfred_h
4 Jahre her
Antworten an  U.M.

…oder wie in den 70ern!

Waehler 21
4 Jahre her

Das tut mir leid, dass es in den Niederländen ein Gefühl von Unsicherheit existiert.
Aber man muss alles in Relation sehen! Allein im Juni 2019 wurden 19 Jugendliche durch einen Blitz getroffen! Wer regt sich darüber auf, wer tut etwas dagegen ? Vielleicht Greta?
Die Wahrheit ist: Niemand!
Deshalb ist es so wichtig, dieses Ereignis nicht zur Panik zu benutzen

Ihr
Abou Chakka

Sabine Ehrke
4 Jahre her
Antworten an  Waehler 21

Du liebe Güte. Setzen 6!

manfred_h
4 Jahre her
Antworten an  Waehler 21

Na, ich denke schon, dass es einen Unterschied macht, ob zB mein/“Ihr“ Sohn o. Tochter von „Gottes“ Blitz getroffen oder von Verbrecherhand erschossen wird und das sich dann entsprechend unterschiedlich mehr oder weniger darüber geäußert und aufgeregt wird.

Hairbert
4 Jahre her

In den Kommentaren wird viel über „Lösung“ diskutiert. Nun, aktuell besteht sie offensichtlich darin, mit Klimapanik und entsprechenden Weltuntergangszenarien von solchen „Einzelfällen“ abzulenken und sie möglichst rasch ins kollektive Vergessen abzudrängen; Amsterdam, Brüssel oder Frankfurt betreffen ja (noch) nicht alle, aber die Klimaapokalypse ist allgegenwärtig. Die mit aller Radikalität und leider auch Brutalität geführten Dauerdiskussionen und alarmistischen Forderungen bezüglich der „Dringlichkeit“ einer Mobilitätswende berechtigen vortrefflich, Forderungen nach einer Migrationswende abzuwerten und zu verbannen. So bleibt als trauriges Fazit tatsächlich die Frage, ob eine Lösung des Problems mit der etablierten Politik überhaupt noch möglich ist – oder schlimmer noch, hinsichtlich der… Mehr

spindoctor
4 Jahre her

>“Amsterdamer Anwälte wollen jetzt einen stillen Protestmarsch durch die Stadt organisieren.“

Nee echt? Doch sicher nicht diejenigen, die aus Steuergeldern alimentiert werden, um die Ausschaffung Illegaler, meist auch Krimineller, zu verhindern.

dobbi
4 Jahre her

Man sehe mir den Dialekt nach, geht nur so;): Ditt is hier bei uns uffm Wedding schon seit Jahren janz normal, statt Keilerie mit watt ooch imma mannjejnmann wird am hellerlichten Tage rumjeballert- wahlweise maschiert ooch ma eena inne (schiischa)kneipe und zieht ne Ladung übern Raum oda vaziert n Frisörfachhandel für Kurzhaarköppe mit Langmähnenbärte mit ner Salve ausm fahrenden Auto. Allet janz normal. Und Wedding is Platz 4 uff da Hipstaleiter von tuut dü Monde. Vasteh‘, wer will. Wie hieß et früher? “ Ick sitze da und esse Klops/ uff eenmal kloppts…“ Heute weeßte, dassde bessa nich rausjehst um zu… Mehr

Alf
4 Jahre her

„Jetzt sind sie nun mal da.“
„Wir machen nichts Ideologisches, es gibt massive Evidenzen“

Judith Panther
4 Jahre her

Cui bono? Wie wir soeben aus sicherer Fake-Quelle erfahren steckt hinter der Aufrechterhaltung des Drogenverbotes die Drogenmafia selber. Die leben einfach zu gut davon! Sie haben aus den Erfahrungen der Prohibition gelernt und sich wahrscheinlich am meisten darüber geärgert, als das Alkoholverbot damals ganz schnell wieder aufgehoben wurde, weil Kriminalität und Alkoholkonsum dadurch erst so richtig angestiegen waren. Wenn Alkohol und Drogen süchtig machen, warum sind wir dann nicht alle ständig besoffen und bekifft? Schließlich kann jeder sich beides beschaffen. Am leichtesten übrigens im Knast. Was bliebe von der Mafia noch übrig, wenn es morgen alle Drogen bei ALDI gäbe?… Mehr