16 Boote auf Lesbos angelandet: Bricht Türkei den EU-Türkei-Deal?

Die Türkei muss der EU die Frage beantworten, welchen Zusammenhang die offensichtliche Lockerung der Grenzkontrollen vor Lesbos mit der Stimmungslage in der Türkei hat, wo sie ihre Willkommenskultur revidiert und syrische Migranten härter anfasst bis hin zur strikten Einhaltung von Residenzpflichten.

Milos Bicanski/Getty Images
Archivbild Lesbos, November 2015

Beginnen wir mal mit einer bitteren Frage: Wie lange wird es dauern, bis die Nichtregierungsorganisationen (NGO) nach der Armada vor der libyschen Küste eine zweite an „Seenotrettern“ organisiert und vor die griechische Insel Lesbos fährt, wenn dort immer mehr Migranten – nun wohl vornehmlich aus Afghanistan – in überfüllten Lagern auf ihre Weiterfahrt nach Deutschland warten?

Lager, denen man zwar nicht nachsagen kann, dass dort gefoltert wird, die aber wohl nach Lesart der NGOs irgendwie folterähnliche Zustände vorweisen, wenn es Mangel an allem gibt, an Hygiene, Sicherheit, Unterbringung und möglicherweise auch an Essen.

Seit Monaten wabern Gerüchte durchs Netz, die Türkei hätte den EU-Türkei-Deal längst aufgekündigt – laut türkischem Außenminister allerdings nur ein Missverständnis. Wenn dem aber doch so wäre, dann wäre das allenfalls eine rechtliche Frage, eine des Vertragsbruchs, wenn, was aktuell mit den Anlandungen passiert, nicht von der türkischen Grenzsicherung engagiert verhindert wurde.

Wenn also türkische Grenzschützer auf dem Lesbos gegenüberliegenden türkischen Festland nicht eingegriffen haben, als sich über ein dutzend Boote mit Migranten auf den Weg nach Lesbos machten und dort auch angekommen sind.

Wird die Türkei die Migranten zurücknehmen und welchen quantitativen Unterschied würde das machen, wenn laut EU-Türkei-Deal vom März 2016 dafür sowieso die selbe Anzahl auf sicherem Wege nach Deutschland/Europa kommen darf? Wir erinnern uns, Punkt zwei der damaligen Abmachung lautete: „Für jeden Syrer, der von den griechischen Inseln in die Türkei zurückgebracht wird, soll ein anderer syrischer Flüchtling aus der Türkei in die EU umgesiedelt werden (1:1 – Neuansiedlungsregelung).“

Die Türkei muss der EU jetzt dringend die Frage beantworten, in welchem Zusammenhang diese offensichtliche Lockerung der Grenzkontrollen vor Lesbos mit der Stimmungslage in der Türkei selbst zusammenhängt, wenn die Türken mittlerweile ihre Willkommenskultur revidiert zu haben scheinen und beispielsweise syrische Migranten in der Türkei deutlich härter angefasst werden bis hin zur strikten Einhaltung von Residenzpflichten usw.

Nun haben also am Donnerstag mehr als ein dutzend Boote vom türkischen Festland aus Lesbos erreicht. Rund 650 Migranten sollen sich an Bord befunden haben, die die Überfahrt von etwa zehn Kilometern wagten. So jedenfalls berichtet die örtliche Polizei und auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, die ebenfalls an Ort und Stelle sind.

Die griechische Regierung bestellte unverzüglich den türkischen Botschafter ein, der sich zur neuerlichen Massenankunft erklären sollte. Der Botschafter seinerseits soll im Gespräch die Gültigkeit des Türkei-Deals betont haben, berichtet beispielsweise der SPIEGEL.

Interessant an diesem Fall ist sicher auch der hohe Anteil von Migranten aus Afghanistan. UNHCR-Sprecher Boris Cheshirkov soll geäußert haben: „Wir waren überrascht. Wir haben diese Art abgestimmter Ankünfte in dieser Zahl seit 2016 nicht mehr erlebt.“ Hier lohnt es sicher, einmal die Wege dieser afghanischen Migranten genauer zu durchleuchten. Und sicher werden die UN-Organisationen entsprechende Interviews auch führen – wünschenswert wäre es hier, die Ergebnisse auch einmal zeitnah der Presse mitzuteilen.

Alleine im August 2019 steig die Zahl der Migranten, die auf diesem Wege auf die griechischen Inseln, also nach Europa kommen, auf 7.000 registrierte Personen – diejenigen, die unter dem Radar laufen, dürften hier noch einmal eine zusätzliche und nicht unerhebliche Größe sein.

Was passiert nun mit diesen Neuankömmlingen? Zunächst geht es ins Lager Moria, welches mittlerweile mit annährend 10.000 Wartenden belegt sein soll. Warten auf was? Auf den Transfer nach Deutschland?

Warten? Nein, denn es kommt jetzt viel schneller Bewegung in die Sache, als von den Betroffenen erhofft wurde, wenn die griechische Regierung jetzt ihre Marine einsetzt, um die ersten eintausend Migranten von der Insel aufs Festland zu bringen. Kann man hier sagen, die nächste Etappe Richtung Deutschland ist damit getan? „Wie in Athen mitgeteilt wurde, bringt die Marine rund 1.000 Migranten mit zwei Kriegsschiffen aufs Festland nahe Thessaloniki.“

Beispielsweise für die deutschen Kirchen sind diese Ereignisse wieder willkommener Anlass, emotionale Bilder zu lancieren, wenn beispielsweise das Kirchenportal evangelisch.de einmal mehr den so genannten „Friedhof der Rettungswesten“ auf Lesbos abbildet und zum Lager Moira aktuell dramatisch aufschreibt:

„Die bedrückende Enge, mangelnde Hygiene, latente Gewalt und die zermürbende Perspektivlosigkeit sorgen dafür, dass ein großer Teil der Bewohner spätestens hier traumatisiert wird.“

Wer würde bestreiten wollen, dass es bei rapide ansteigendem Andrang und also einer Überbelegung in kürzester Zeit zu Engpässen und Frustration kommt? Noch mehr, wenn befreundete Landsleute bereits Bilder und Berichte aus Deutschland via Smartphone in die Lager senden?

Aber gerade die Kirchen müssen sich doch dringend einmal fragen lassen, welchen Anteil sie daran haben, diese Leute mit ihrem Tun zur Migration zu ermuntern, die oftmals daheim zwar in prekären Situationen leben, die aber durchaus vor Ort bestimmte Perspektiven in Sicherheit haben bzw. schnell bekommen müssen.

Zur Wahrheit gehört eben auch die Erkenntnis, dass nicht jeder Migrant auf Lesbos um sein Leben läuft, sondern einem besseren Leben entgegen eilt, was ein großer Unterschied ist. So unterschiedlich, wie die Lebensumstände auf dem blauen Planeten. Diese Unterschiede auszuräumen, mag die Weltaufgabe der Gegenwart und Zukunft sein, sie ist aber ganz sicher nicht alleinige Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland.

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Kommentare ( 78 )

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Kassandra
4 Jahre her

Hinsichtlich der Frankfurter Erklärung wurde im 2. Vatikanischen Konzil Allah dem Gott der Christenheit gleich gestellt – und sie scheinen bei beiden Kirchen tatkräftig alles zu unternehmen, dass es zur „sousmission“ kommt. https://frankfurter-erklaerung.de/2016/12/allah-und-der-gott-der-christenheit/
Was wird man den Kreuzabnehmern versprochen haben?

Armin V.
4 Jahre her

Dabei handelt es sich wohl um Afghanen, die schon in dritter Generation in den Lagern leben und noch nie in Afghanistan waren!

DELO
4 Jahre her

Man muß sich einmal vorstellen, wie das schwachsinnige deutsche Handeln im Mittelmeer u.a. auf die Türkei wirken muß. Es sind doch nun wirklich nicht die Türken, die sich daneben benehmen. Die haben mehr Migranten im eigenen Land, als alle anderen.
Verschlimmernd kommt noch hinzu, daß eine verblödete deutsche Kirche vollends den nie gehabten Verstand verliert. Wenn man diese Freibiergesichter schon im Fernsehen sieht, wird einem speiübel. Es wäre wirklich Zeit für einen zweiten Martin Luther, der das ganze Gesindel wieder an den Pranger stellt.

Kassandra
4 Jahre her

Welche erreichen gerade aus dem Raum Idlib die türkische Grenze. Da hier der IS Besatzer war und Assad am Räumen ist, nimmt man an, es sind den Kopf aus der Schlinge ziehende IS-Leute samt Gefolgschaft. Werden die dann auch bei uns eingeflogen? Kurz warnt vor viel Einbahnstraßenverkehr auf der Balkanroute. Wieso berichtet niemand und klärt auf, welche Lawine sich bereits wieder auf der Strecke befindet? Auch die shuttleboote laden ihre Fracht zur Zeit einigermaßen unbeachtet in Italien oder Malta aus. Nur Joseph Muscat twittert, dass aus Malta alle direkt nach D ausgeflogen werden. In Lyon hat ein mutmaßlicher Afghane gestern… Mehr

manfred_h
4 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Ich habe heute Morgen folgende Meldung leider nur halbwegs mitbekommen….

In den Nachrichten(ntv o. WELT) war zu hören, daß nun schon wieder über 100 „Flüchtlinge“ auf mehere(6-8?) NGO Schlepperschiffe vor Italen dümpeln und auf Einlaß warten.

2.) Und was die letzten 400 ans Land gebrachten „Flüchtlinge“ betrifft, von denen war/ist dann nix mehr zu hören. Wobei mich hier auch besonders interessieren würde wie viele von denen nach Rumänien mußten und nach Deutschland durften.

Schwabenwilli
4 Jahre her

Die Boote voll vorwiegend mit Afghanen na das ist doch eine prima Sache die Bundeswehr kann die leeren Boote bestimmt gebrauchen um ihre Soldaten so kostengünstig wie möglich nach Afghanistan zu schippern

Karl Napf
4 Jahre her

Kommt Gruen in die Regierung bekommen wir einen Resettlement-Minister.
Dann muessen sich die Prachtburschen nicht so mit Booten abplagen.

Karl Napf
4 Jahre her

16 Boote voll Afghanen?
Super Sache.

Was zu tun ist?
Ich schlage je Boot 3 Rueckfuehrungsfluege vor – kurzfristig ein teuerer Spass, aber das rechnet sich schon mittelfristig.

manfred_h
4 Jahre her
Antworten an  Karl Napf

Mit Blick auf die afghan. „Flüchtlinge“ ist ja auch der „Witz“: Wir schicken UNSERE Söhne, Töchter u. Väter nach Afghanistan damit die dort für deren afghan. GLAUBENSkämpfe ihre Knochen u. Gesundheit hinhalten oder gar ihr Leben geben während wir hier in Deutschland die gesunden u. kräftigen Afghanen alimentieren und uns an deren Gemesser, Kriminalität, Gewalt, sexuelle Übergriffe und Allah-Fanatiker erfreuen dürfen. WARUM!? Auch die Afghanen gehören sofort nach Afghanistan zurückgeschickt. Und wenn sie dort lange Weile haben, dann sollen die doch immer sooo stolzen und ehrvollen Afghanen in afghan Armee eintreten und etwas für ihr Land u. Volk tun. Da… Mehr

humerd
4 Jahre her

fast hätte ich geschrieben: Norbert Blüm, übernehmen Sie und drücken wieder einmal auf die Tränendrüse. Dann lese ich auf W ON:“Jeder fünfte Asylbewerber ist in Deutschland geboren (…) Nun kommen zwar die meisten aus kinderfreundlichen Kulturen. Trotzdem verwundert es, weil in den Sammelunterkünften Migranten leben, die noch nicht lange im Land sind und deren Asylverfahren in der Regel noch nicht abgeschlossen sind. (…)Kommen also fast alle Asylbewerberinnen kurz nach der Einreise nieder? (…)Allerdings sind darin auch Kinder von abgelehnten Asylbewerberinnen enthalten, die ausreisepflichtig sind, aber für ihren Säugling einen Asylantrag stellen. Hinzu kommen solche Abgelehnten, die eine spezielle Unterart von… Mehr

Odysseus
4 Jahre her

Faro de Ceuta hoy ist es heute wert zu googln. Zu Ihrem Artikel. In München an der Messe bin ich inzwischen zweimal auf einen afghanischen Taxifahrer getroffen. Vielleicht weil ich für Taxifahrer ein „guter Stich“ bin, erzählt er mir wie er die Lage sieht. Er kennt den aktuellen Tarif für Afghanen um von Griechenland sicher nach München zu kommen. Er weiß auch warum Afghanistan die nächsten Jahrzehnte kein friedliches Land werden kann. Da ist nicht nur Bayern mit Hessen verfeindet. Da kämpft auch Fürstenfeldbruck gegen Miesbach. Sogar zwischen Obergiesing und Untergiesing kann ein abgrundtiefer Hass bestehen. Alle Gruppen haben ihre… Mehr

Kassandra
4 Jahre her
Antworten an  Odysseus

Googeln Sie mal nach Paschtunwali, einen der Ehrenkodexe von Afghanen. Danach können auch verfeindete Nachbarn nie endende Kriege austragen. Kuna heißt das übrigens im uns geografisch näheren Albanien…
So Sozialisierten ist nicht zu helfen. Allerdings bringen sie ihre Art, mit Konflikten umzugehen, mit ihrer Denkweise direkt in unsere Gesellschaft. Ablassen werden sie von ihrem gelernten Verhalten zumeist auch hier nicht.

H. Priess
4 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Herbst 2015 fragte ich unter anderem: Werden die Menschen, die zu uns kommen, die sich seit Generationen haßen und bekriegen, hier miteinander in Frieden leben wollen oder hier weiter machen wie sie es gewohnt sind?
Ich denke die Frage ist beantwortet.

manfred_h
4 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Zitat: „Allerdings bringen sie ihre Art, mit Konflikten umzugehen, mit ihrer Denkweise direkt in unsere Gesellschaft.“

> SO ist es!
Und daran wird sich auch nichts dran ändern – Nicht einmal dann wenn die Kinder bekommen die hier geboren werden und dann den Kindergarten besuchen. DENN die Erziehung u. Sozialisierung findet zu allererst IM Elterhaus statt!

Zu diesem Thema auch mal ANBEI ein lesenswerter Artikel….

Ein Psychater:  Heutige Migranten,

> SIND NICHT integrierbar!

> SIND mit „irren Gewaltpotential“ Zeitbomben!

> Und SIND…..!

http://www.epochtimes.de/politik/deutschland/psychiater-im-zdf-heutige-migranten-sind-nicht-integrierbar-politiker-ignorieren-angst-der-buerger-a2227192.html

AlNamrood
4 Jahre her

In Spanien sind auch wieder hunderte Afrikaner über den Zaun gesprungen.
Wäre ich ein skeptischerer Mensch würde ich fast Methode hinter dem Timing in beiden Fällen vermuten, so kurz nach dem die NGOs blamiert wurden Salvini gegangen ist.

Silverager
4 Jahre her
Antworten an  AlNamrood

Da Sie aber nicht skeptisch sind, kann Ihnen ja eine derartige Vermutung gar nicht kommen.