Zigtausende Türk-Deutsche können illegal wählen

50.000 Türk-Deutsche können zur Bundestagswahl gehen, obwohl sie eigentlich gar kein Wahlrecht haben. Sie haben Kraft Gesetz die Deutsche Staatsangehörigkeit verloren, weil sie die Türkische heimlich wiedererlangten.

© Sean Gallup/Getty Images

Es ist kurios: Geschätzt etwa 50.000 Türk-Deutsche können am 24. September zur Bundestagswahl gehen, obwohl sie eigentlich gar kein Wahlrecht haben. Sie haben Kraft Gesetz die Deutsche Staatsangehörigkeit verloren, weil sie die Türkische heimlich wiedererlangten. Doch die Türkei weigert sich, der Bundesregierung Namen oder aktuelle Zahlen zu nennen. Der genannte Grund: Datenschutz.

Man stelle sich vor, eine Stadt mit 50.000 volljährigen Einwohnern aus der Türkei dürfte bei der Bundestagswahl am 24. September komplett die Stimme abgeben. In einer Zeit, in der das deutsch-türkische Verhältnis so schlecht ist wie nie und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan offen Türk-Deutsche auffordert, keinesfalls Angela Merkel, Martin Schulz oder die Grünen zu wählen, hätte diese Meldung Sprengkraft. Faktisch ist es aber so: Bei der kommenden Bundestagswahl werden viele tausend Türk-Deutsche ihre Stimme abgeben, obwohl sie Kraft Gesetz die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben. Das bestätigt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage. Wie viele es genau sind, weiß die Bundesbehörde selbst nicht.

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Das Staatsangehörigkeitsrecht gehört zu den komplexesten Rechtsmaterien einer Demokratie. Vor allem in Bezug auf Immigranten hat sich in den vergangenen Jahren vieles geändert. In Deutschland leben laut Statistischem Bundesamt 1,5 Millionen mit türkischer Staatsangehörigkeit in Deutschland, 1,35 Millionen Bürger haben türkische Wurzeln, aber die deutsche Staatsangehörigkeit. Laut Mirkozensus von 2016, der auf einer statistischen Hochrechnung basiert, leben 247.000 Bürger in Deutschland, die sowohl die deutsche, als auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzen. In Wahrheit dürften es viel mehr sein, denn bereits 2011 wurde ein Zensus durchgeführt, also eine verpflichtende Volkszählung – damals registrierten die Bundesbehörden 530.000 Türk-Deutsche mit beiden Staatsangehörigkeiten.

Zahlreiche Türk-Deutsche haben beide Staatsangehörigkeiten, und das auch legal. Denn wer in Deutschland geborenes Kind eines deutschen und eines ausländischen Elternteils ist, darf beide Pässe besitzen, wird automatisch auch Deutscher. Seit Dezember 2014 ist das Gesetz auch so geregelt, dass Kinder ausländischer Eltern automatisch Deutsche werden, wenn ihre Eltern mehr als acht Jahre in Deutschland leben. Sie besitzen beide Pässe rechtmäßig.

Ganz anders sieht das durch die Gesetzesänderung von 2014 bei in der Türkei Geborenen aus. Viele von ihnen haben die deutsche Staatsangehörigkeit eigentlich wieder verloren – würden ihnen die Behörden auf die Schliche kommen. „Im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht gilt der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit“, teilt ein Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit. „Bei der Einbürgerung in Deutschland müssen Ausländer grundsätzlich ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben“, so der Sprecher weiter. Allerdings gilt das faktisch zum größten Teil nur für die Türk-Deutsche – EU-Ausländer, Schweizer, aber auch anerkannte Asylbewerber und Flüchtlinge dürfen ihren Ursprungspass behalten.

Ein Grund für die insgesamt hohe Zahl deutsch-türkischer Doppelstaatler dürfte sein, „dass sich ehemalige türkische Staatsangehörige, die in Deutschland lebten und die türkische Staatsangehörigkeit im Zuge der Einbürgerung in Deutschland aufgegeben hatten, sich nach türkischem Recht dort unmittelbar wieder einbürgern lassen konnten“, so das Innenministerium. Bis zum Jahre 2000 konnten sie so die türkische Staatsangehörigkeit wieder erwerben, ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu verlieren. Von dieser Möglichkeit hatten etliche in Deutschland lebende ehemalige türkische Staatsangehörige Gebrauch gemacht. Doch nach dem Jahr 2000 war das nicht mehr möglich – sie haben mit dem Wiedererwerb der Türkischen die Deutsche faktisch wieder verloren.

2005 teilte die Türkei mit, dass bis dahin 50.000 Türken nach ihrer Einbürgerung in Deutschland die türkische Staatsangehörigkeit wiedererworben hatten. „Eine seinerzeit von den zuständigen Behörden der Länder durchgeführte Überprüfung hatte ergeben, dass etwa 21.500 Personen durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hatten“, so der Sprecher des Innenministeriums. Ihnen wurde die deutsche Staatsangehörigkeit wieder entzogen.

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Seither blockt die Türkei offenbar jegliche Auskünfte über ihre Staatsbürger ab, die faktisch illegal gleichzeitig deutsche sind: „Es ist nicht auszuschließen, dass Personen, die durch Erwerb oder Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, noch im Besitz deutscher Ausweisdokumente sind. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit tritt automatisch kraft Gesetzes ohne eine behördliche Entscheidung ein und wird daher grundsätzlich erst im Nachhinein bekannt“, teilt das Innenministerium auf Anfrage mit.

„In Gesprächen mit türkischen Regierungsvertretern wurde auf dieses Problem mehrfach hingewiesen und um Informationen über Einbürgerungen deutscher Staatsangehöriger in der Türkei gebeten“, so das Innenministerium. Die Türkei sehe sich aus Datenschutzgründen aber außerstande, „die Daten der deutschen Staatsangehörigen, die die deutsche Staatsangehörigkeit wiedererworben haben, mitzuteilen.“ Nach Angaben der türkischen Regierung wird von deutschen Staatsangehörigen, die die türkische Staatsangehörigkeit erwerben wollen, aber die Abgabe einer schriftlichen Bestätigung verlangt, dass sie über den hierdurch möglichen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit informiert worden sind.

Die Androhung von Strafen indes schreckt kaum ab. Seit 2007 wird bei der Beantragung von Pässen eine Befragung vorgenommen, ob eine ausländische Staatsangehörigkeit erworben wurde, die mit der Deutschen kollidiert. Falsche Angaben werden mit bis zu 5.000 Euro Bußgeld belegt. Verhängt wird es so gut wie nie. Jene geschätzt 50.000 Türk-Deutsche mit doppeltem Pass, die eigentlich die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, machen sich indes tatsächlich strafbar, wenn sie zur Wahl gehen: Laut Bundesinnenministerium handelt es sich um Wahlfälschung nach Paragraph 107a des Strafgesetzbuches. Strafrahmen: Bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.


Christian Eckl ist Lokaljournalist aus Regensburg und als freier Autor für zahlreiche überregionale Medien tätig. Er hat mit einer Arbeit über den Einfluss politischer Eliten auf Mediendebatten 2014 an der Freien Universität Berlin promoviert.

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Kommentare ( 25 )

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Herr Reich
6 Jahre her

Gilt denn noch irgendein Gesetz?
Ich mein jetzt für Regierung und Zugewanderte?

Dass eine Rentnerin, die Flaschen am Bahnhof sammelt zu 2000 € Geldstrafe verurteilt wird, weil sie Biodeutsche ist, wissen wir, genauso wie der Afgahne der ne 16-jahrige vergewaltigt hat Bewährungsstrafe bekommt ohne U-Haft.

Aber jetzt mal so generell: Welche Gesetze gelten noch für die Regierung?

peter
6 Jahre her

Tja. Ja. Sie haben Recht. Und was machen wir jetzt? (und was haben Sie so die letzten 12 Jahre gewählt? Bitte nicht lügen)

Hartwin Brückner
6 Jahre her

Warum wundert mich das nicht? Türken sind in der Regel nicht integrierbar und sollten konsequent abgeschoben werden, wenn sie unrechtmäßig die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Aber Recht und Gesetz hat Merkel abgeschafft.

Arndt
6 Jahre her

Nach meiner Meinung kann nur eine starke AfD eine weitere Amtszeit von Frau Merkel verhindern. CDU/CSU etwa 30% (CSU in Bayern unter 40%), ich könnte wetten, dass das für Merkel und Seehofer das politische Ende wäre. Die AfD müsste dann bei etwa 15% durchs Ziel gehen. Alle Rechenspiele mit einer starken SPD sind meines Erachtens Schwachsinn, denn Schulz wird noch unter 20% absacken. Auch die FDP wird am Ende nur wieder mit Merkel und vielleicht den Grünen im Bett landen. Das sieht man in NRW, wo Lindner mit der CDU eine Koalition eingegangen ist, ausgerechnet mit Laschet, einem der willigsten… Mehr

Thomas
6 Jahre her
Antworten an  Arndt

Überhaupt nicht. Und niemand von den normalen Bürgern sollte sich eine schwache SPD wünschen, denn eine starke CDU und FDP vertreten den kleinen Arbeitnehmer überhaupt nicht. In diesem Punkt ist die Merkel CDU nämlich genauso konservativ wie eh und je und arbeitgeber- und industriefreundlich. Die CDU ist nur deshalb so stark, weil es nur um ein Thema geht und die Leute fürchten, dass es mit der SPD noch schlimmer wird. Aber das Gegenteil ist der Fall. Eine starke AfD alleine bringt nichts, weil die CDU genau durch diesen Denkfehler der Leute weiterhin stark ist.

tc
6 Jahre her

Gibst es schon länger und ist „richtiger“

Rudi
6 Jahre her

Wie blöd ist das denn? Seit wann richtet sich die Meinung nach der Staatsangehörigkeit? Ich stelle also fest: OHNE türkische Staatsangehörigkeit war bislang eine eventuell abgegebene Stimme gültig, aber mit einer weiteren Staatsangehörigkeit ist sie FALSCH? Oder reden wir hier nur von gültig und ungültig? Also sogar als Erzkonservativer muss ich nun wirklich lachen, Lieber Herr Christian Eckl! Oder wollen Sie so unterstellen, dass die Staatsangehörigkeit etwa Loyalität beinhaltet? OK, das kann man vielleicht von assimilierten Menschen erwarten. Aber für mich ist dennoch ein Bajuware ein Bajuware! und der/die würde mir das übrigens überhaupt nicht übel nehmen, da ich ein… Mehr

Gabriele Kremmel
6 Jahre her
Antworten an  Rudi

Es gibt ein solche Partei, und sie wächst. Schauen Sie mal auf die Homepage der BIG Partei. Die konnte laut eigenen Angaben bei der Landtagswahl in NRW eine Steigerung des Stimmenanteils von 63 % gegenüber 2012 verzeichnen.

Ruth Jakon
6 Jahre her
Antworten an  Rudi

Ich glaube da irren Sie sich. Heimlich still und leise wächst da etwas heran. Da werden sich noch alle umgucken. Der Aufruf Erdogans nicht die etablierten Parteien zu wählen wird bald genug brisant werden. Die Parteien die offensichtlich ihre Wähler aus den Reihen der Migranten generieren wollten haben offensichtlich „die Rechnung ohne den Wirt gemacht!“ Heimlich still und leise baut sich da etwas auf. Wer die ADD näher betrachtet wird sich die Augen reiben? GRÜNDER / BUNDESVORSTAND / BERATER : Remzi Aru, Ramazan Akbaş, Halil Ertem,Uğur Karadağ, Ertan Toker, Selfinaz Ocak ,Barbaros Kaman ,Seyhan Dağlı, Ali Fazil Özdamar. Die Einmischungen… Mehr

Harry James mit Armbrust
6 Jahre her

Dann denken wir schlicht mal das Ganze bis zum Ende durch.
Dementsprechende Auskünfte werden wir sicherlich nicht nur nicht von der Türkei erhalten.
Eines Tages werden die Kommunen von „Wahlberechtigten“ den Nachweis der Einstaatlichkeit fordern, sonst dürfen sie nicht wählen. Das wird von kleinen Kommunen auf größere überspringen, die Länder werden bei Landtagswahlen nachziehen und der Bund wird als letzter darauf aufsatteln.

Nur, wie beweist ein Bio-Deutscher, dass er keine fremde Staatsbürgerschaft besitzt?

Damit sind dann Wahlen praktisch abgeschafft ….

jackhot
6 Jahre her

ist doch egal; alle Menschen, alle, die „hier“ leben…

wen interessiert`s, jetzt ist es eben so…

Illusionslos
6 Jahre her

Jetzt sind es nur 50 000 die illegal wählen können, bald werden die mehr als 500 000 die hier illegal eingereist sind auch wählen dürfen, da sie ja alle bleiben dürfen, niemand wird sie abschieben, stattdessen bekommen sie ganz schnell auch die deutsche Staatsbürgerschaft , Wohnung und Rundumversorgung. Die Deutschen begreifen immer noch nicht, wie unsere Sozialkassen geplündert werden und unser Land einfach so verschenkt wird. In Welt ist ein Artikel, wie Spanien von Marokko aus von Schwarzafrikanern trotz 6 m hohen Zäunen überrant wird, alle haben falsche Pässe und geben als Herkunftsland ein afrikanischen Land an, mit dem es… Mehr

Maria sem Véu
6 Jahre her
Antworten an  Illusionslos

In der Tat. Heute morgen um 7 in der S-Bahn im Rhein-Neckar-Kreis. Alle Plätze besetzt mit jungen arabischen oder afrikanischen Männern. Die älteren deutschen Milchkühe müssen leider stehen. Ich zähle immer ein bißchen, wer sich so um mich herum tummelt. Bis heute nachmittag um 16.00 Uhr habe ich 50 Afrikaner gezählt. Einige davon mit körperlichen Behinderungen (die Versicherung zahlt), die wenigen Frauen natürlich mit Kindern, um sich das Bleiberecht zu sichern. Von den Frauen mit Kopftuch möchte ich gar nicht sprechen. Auch besser nicht davon, dass ich in der S-Bahn bei der Rückfahrt wieder zahlreiche Pulcks an jungen, arabischen Männern… Mehr