Griechenland-Retterei: Schweigen und zahlen

Griechenland setzt auf Martin Schulz (SPD): Er will die Wünsche nach weiteren Schuldenerleichterungen und höherem Lebensstandard erfüllen. Dabei ist Griechenland das Opfer seiner selbst.

© ARIS MESSINIS/AFP/Getty Images)

In den vergangenen Tagen haben sich in Griechenland gleich drei neue politische Bewegungen bzw. Parteien gegründet. Steht die griechische Parteienlandschaft womöglich vor tektonischen Verschiebungen? Oder gibt es einmal mehr nur alten Wein in neuen Schläuchen? Vieles deutet auf zweitens hin. Denn die Initiatoren sind nicht irgendwer. Bei der Mitte-Links-Bewegung „Ora Apofaseon“ (dt. Zeit der Entscheidung) sind Europaabgeordnete sowie mit Anna Diamantopoulou und Yiannis Ragousis sogar auch ehemalige Minister mit an Bord. In der Regierung von Pasok-Ministerpräsident Giorgos Papandreou (2009-2012) leiteten die beiden zeitweise wichtige Ressorts wie Innen, Verkehr, Bildung und Wirtschaft.

Auch die neue Partei „Dimokratiki Efthini“ (dt. Demokratische Verantwortung) von Alekos Papadopoulos steht in den Startlöchern. Auch Papadopoulos war im Kabinett von Papandreou Minister (Gesundheit, Wirtschaft).

Geld versickert im System
Griechenlands Paten: Fass ohne Boden
Mit dem Ziel, Griechenland von der Bail-out-Politik zu „befreien“, gründete auch der Europaabgeordnete Notis Marias jüngst eine eigene Partei. Der ehemalige ANEL-Politiker hat sich folgende Ziele auf die Fahne geschrieben: Neben einem Schuldenerlass, möchte er grundsätzlich die „wucherischen Kreditgeber“ loswerden und dazu noch von Deutschland Reparationen für den Zweiten Weltkrieg eintreiben.

Schon vor der jüngsten Wahl zum europäischen Parlament 2014 hatte der frühere saarländische FDP-Generalsekretär und FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis eine nur spärlich mit liberalen Fetzen verhüllte Schuldenerlasspartei gegründet (Hellenische Europabürger), mit der er allerdings den Wiedereinzug in das Europäische Parlament verpasste. Seine Neugründung war mit 1,44 % an der griechischen Dreiprozenthürde gescheitert. Ob der Doppelstaatler inzwischen eine Sektkellerei auf Kreta betreibt, wie er zuvor angekündigt hatte, ist nicht verbürgt. (Hallo Jorgo, wenn es stimmt, freue ich mich auf ’ne Einladung!)

Die griechische Politik bringt sich offensichtlich für zwei Ereignisse in Stellung: Am 24. September 2017 wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt und das aktuelle, dritte Griechenland-Programm läuft zum 20. August 2018 aus. Vermutlich hoffen in Athen nicht wenige auf einen Regierungswechsel in Berlin. Denn in der Tat: Mit einem Bundeskanzler Martin Schulz wäre man einem Schuldenerlass ein gutes Stück näher gekommen. Schulz hat sich bereits im Jahr 2011 für Eurobonds, also die gemeinsame Begebung von Staatsanleihen aller Euro-Mitgliedstaaten, ausgesprochen. Schulz ist für viele griechische Politiker die Inkarnation des ewigen Traums: immer über den eigenen Verhältnissen leben können, weil der reiche Onkel für alles geradesteht!

Für jeden verantwortlichen deutschen Politiker sollten die Lehren aus sieben Jahre Eurokrise klar sein: Jeder Euro an Griechenland ist ein weiterer Euro zu viel. Sich dies nicht einzugestehen, ist die Fortsetzung des gewaltigen finanziellen Raubzuges bei unseren Kindern und Enkeln. Und aller schwülstig überhöhten Rhetorik in der Währungsfrage zum Trotz („scheitert der Euro, dann scheitert Europa“), ist die uns seit dem ersten Bail-out im Mai 2010 versprochene goldene Zukunft nicht in Sicht: Großbritannien geht, und auch bei den restlichen 27 geht nicht mehr viel zusammen.

Kein Euro mehr für Griechenland
Euro: Kein Geld mehr für Griechenland
Griechenland wurden seitdem in drei „Rettungspaketen“ insgesamt 301,6 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2012 wurde die griechische Schuldenlast mithilfe eines Schuldenschnittes und eines Schuldenrückkaufprogramms um 43 bzw. 21,6 Milliarden Euro erleichtert. Die Target-2-Schulden Athens belaufen sich aktuell auf über 71 Milliarden Euro. Die ELA-Verbindlichkeiten liegen auch zwei Jahre nach dem Chaos-Sommer 2015 bei 43,7 Milliarden Euro.

Die griechische Regierung begegnet dieser in der europäischen Geschichte noch nie dagewesenen Solidarität aber keinesfalls in Demut, sondern stellt Ansprüche und fordert mehr vom Gleichen. Obwohl Athen im Dezember 2016 nochmals Schuldenerleichterungen gewährt wurden, besserte sich nichts. Im Gegenteil: Im Februar hieß es hierzu in einem internen Vermerk des EU-Verbindungsbüros des Deutschen Bundestages:

„Im Zusammenhang mit der zweiten Überprüfung des ESM-Anpassungsprogramms für Griechenland laufen die Beratungen der sog. Institutionen (Kommission, ESM, EZB und IWF) weiter, obwohl aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zum weiteren Vorgehen in Griechenland seit Dezember 2016 keine Überwachungsmission der Institutionen nach Athen mehr unternommen wurde. Seitens der griechischen Regierung wird die Verabschiedung zusätzlicher Reformmaßnahmen zur Sicherung der Schuldentragfähigkeit nach Auslaufen des ESM-Programms im Jahr 2018 weiterhin abgelehnt.“

Ob der IWF sich weiterhin an der griechischen Schuldenorgie beteiligen will, bleibt zu bezweifeln. De facto ist der Währungsfonds im Sommer 2015 aus der Griechenland-Rettung ausgestiegen. Vom IWF ist seitdem kein einziger Cent mehr in Richtung Athen geflossen. Und egal welcher Eindruck auch erweckt wird: Am 19. August 2015 hat der Bundestag das dritte Griechenland-Paket in Höhe von 86 Milliarden Euro in der Hoffnung darauf beschlossen, dass sich der IWF beteiligt. Wenn der IWF den Daumen senkt – wovon ich ausgehe –, braucht es keine neue Parlamentsbefassung. Das hat auch der Wissenschaftliche Dienst bestätigt. Natürlich wird, wenn Frau Lagarde aussteigt, die Stimmung innerhalb unserer Fraktion auf den Tiefpunkt sinken: schließlich haben Finanzminister und Fraktionsvorsitzender politisch ausdrücklich versprochen, dass dies nicht geschehen werde.

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Mittlerweile hat sich die griechische Regierung dazu verpflichtet, „zusätzliche Reformmaßnahmen zur Sicherung der Schuldentragfähigkeit nach Auslaufen des ESM-Programms zu verabschieden“, wie uns jüngst mitgeteilt wurde. Es dürfte wohl inzwischen keinen Stein mehr in Griechenland geben, der nicht schon dreimal reformiert wurde. Jetzt wird wieder einmal ein Maßnahmenpaket erarbeitet, das Ende Mai/Anfang Juni vorgestellt werden soll. So geht es schon seit Jahren: Harte Euros gegen wachsweiche Zusagen. Wie geprügelte Hunde kommen die Vertreter der Troika immer wieder aus Griechenland zurück, als Parlamentarier komme ich mir verhöhnt vor.

Und auch innerhalb der Troika gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen Kommission, EZB und IWF. Etwas nebulös heißt es hierzu: „Einige vertreten die Auffassung, dass das Land bis zum Herbst 2017 ohne gravierende finanzielle Engpässe auskommen könnte. Andere rechnen mit schwerwiegenderen Finanzierungslücken bereits im Sommer 2017.“

Aus einem Schreiben aus dem Bundesministerium der Finanzen geht hervor, dass Griechenland auf ein viertes Programm zusteuert, wenn in Griechenland nicht endlich der Reformeifer ausbrechen sollte. Die griechische Taktik sieht aber genau anders aus. Athen möchte beweisen, dass es nicht in der Lage ist, die vereinbarten Reformen zu erfüllen. Das Land möchte wie vor dem Jahr 2010 durchgeschleppt werden. Griechenland ist kein Opfer, jedenfalls nicht das Opfer vermeintlich böser Mächte wie Deutschland. Griechenland ist das Opfer seiner selbst. Nur wenn Griechenland das einsieht, hat es eine Chance. Je eher die Transferzahlungen eingestellt werden, desto schneller wird Griechenland zu dieser Einsicht kommen. Die jüngst erfolgten Parteineugründungen weisen aber leider in eine ganz andere Richtung.

PS: Einige Banken in unserem Land verlangen seit Kurzem eine Gebühr für das Geldabheben aus Guthaben. Auch dies ist eine Folge der verfehlten Eurorettungspolitik. Die EZB hat den Leitzins soweit gesenkt, dass das Hauptgeschäft der Banken wegfällt.

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Kommentare ( 83 )

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Fake News
7 Jahre her

Die deutschen Politiker verkaufen ihre Bürger für dumm und reden ihnen ein, dass die ganze Welt mit deutschen Steuergeldern alternativlos „gerettet“ werden muss. Damit keiner das Ganze hinterfragt, werden „Abweichler“ beschimpft und mit der Drohung konfrontiert, ins wirtschaftliche und gesellschaftliche Abseits gestellt zu werden. Man darf dies durchaus als Meinungs-Diktatur bezeichnen.
Die Welt als großes Theater!

Discus
7 Jahre her

Seit 7 Jahren sind Hilfspakete zur Finanzierungspraxis und zur Gewohnheit geworden. ELA, Target II, Schuldenschnitte, Zins-, Tilgungs- und Laufzeitstreckungen bis ultimo, das griechische BIP ist seit 2010 völlig erodiert, die heutige staatliche Verschuldung ist höher als vor dem ersten Schuldenschnitt (gemessen am jetzigen BIP), eine real stattfindende Kapitalflucht hat das griechische Bankensystem destabilisiert, Kapitalverkehrskontrollen Fehlanzeige. Griechenland ist ein permanenter Zuschussbetrieb, bedarf der Dauerhilfen, der öffentliche Sektor ist viel zu groß, die sozialen Sicherungssysteme sind kaum noch zu finanzieren, der Euro wird zum ökonomischen und sozialen Sargnagel für Griechenland. Seit dem Beitritt zur Währungsunion explodieren in den ehemaligen Weichwährungsländern die Staatsschulden,… Mehr

Frohgemut Hambsch
7 Jahre her

ohne das griechenland eine verwaltungsreform umsetzt wird es keine zufriedenstellende griechenland lösung geben,den ein unternehmen kann nicht monatelang auf eine genehmigung warten um seinen betrieb zu erweitern-das ist keine unternehmerfreundliche einstellung und das verhindert auch die schaffung von arbeitsplätzen,aber will die syriza/anel regierung die arbeitslosigkeit eigentlich ernsthaft bekämpfen?

Frank in ZA
7 Jahre her

Soso, aus dem Nichts. Das Geld wurde aber trotzdem ausgegeben.
Wenn ich Ihnen Ihre Schulden ablöse, beklagen Sie sich dann auch, ich würde nur die Banken stützen?

hasenfurz
7 Jahre her

Jaja, die Sahra. Die kann ja nur lügen! Allein die Partei in der sie ist, das sagt doch alles! Sollte besser gleich in die AfD eintreten.

Ist es nicht schön, wie der Propagandafunk der Staatsausräuberparteien funktioniert?

Sascha Xöx
7 Jahre her

Griechenland war schon vor 5000 Jahren korrupt! Das ändert sich niemals!

Marcel Börger
7 Jahre her

Mein lieber Hase! Danke für die Links! Historisch habe ich keinerlei Zweifel an der Linie, wie im ersten Link dargestellt. Die „Geschichte der CIA“ (sehr lesenswert) habe ich schon vor Jahren als Buch konsumiert. Die Beteiligung der CIA an der Iran-Contra Affäre mit Manuel Noriega in Panama, als auch Hekmartjar in Afghanistan sind bekannte Beispiele, wie Drogenhandel mit Regime Change Plänen der Geheimdienste Hand in Hand gingen und wohl auch noch gehen. Der Syrien Krieg und die Bewaffnung der „Gemäßigten“ Opposition/Rebellen, bis hin zum Großmachen des IS sind traurige, aktuelle Beispiele für die sehr weitgehende Einmischung von Geheimdiensten in internationale… Mehr

hasenfurz
7 Jahre her
Antworten an  Marcel Börger

Hmmm… der Witz, der echte Knaller lieber Marcel Börger, besteht darin, daß Sie für diese Ihre, mir wiederholt dargelegte pragmatische Sichtweise der Dinge (akzeptiere ich natürlich, ist ja Ihre Entscheidung) _natürlich_ überall Bestätigungen finden und sich nicht wirklich in problematische Bereiche bewegen. Das bedeutet in der conclusio: Sie haben oder hätten damit nichts, rien, niente Wirksames in der Hand. Und das ist exakt das, was das System will: daß die Leute sich in den Grenzen der kontrollierten und kontrollierbaren, erlaubten (weil unproblematischen) Narrative bewegen. Ich erspare es der TE-Moderation, hier detailliert auszuführen, welche Verbrecher den deep state bilden, denn das… Mehr

Marcel Börger
7 Jahre her
Antworten an  hasenfurz

Wir sind ja bei einigem garnicht weit auseinander. Nur verwechseln Sie bitte nicht politische Macht mit echter Macht. Ein Mafiaboss der selbst die Tötung eines Menschen anordnen kann, hat mehr echte Macht als die meisten unserer Minister oder Kanzler. Ein Milliardär hat mehr echte Macht an Börsen, als alle Finanzminister zusammen. Unsere demokratischen Regierungen haben nur kleine Bereiche, die sie wirklich gestalten können, sind oft bis meist nur die verlängerte Verwaltung und müssen sich im Bereich des bezahlbaren und ihrer Haushalte bewegen. Von den Steuereinnahmen ist nur ein sehr kleiner Teil wirklich frei zur Gestaltung verfügbare Masse, das Gros der… Mehr

hasenfurz
7 Jahre her
Antworten an  Marcel Börger

Her Börger, Herr Börger, was mach ich nur mit Ihnen. Sie glauben diesen MSM-/ Seilschaften-Polit-Schmus, daß alles regulär läuft, doch nicht wirklich, ich bitt‘ Sie. Schauen Sie sich bspw. mal die Familie Bush an: „Bush Family Values: War, Wealth, Oil. Four generations have created an unsavory web of links that could prove an election-year Achilles‘ heel for the president. (…) The intelligence community: Bushes and Walkers have been involved with the intelligence community since World War I. The importance of Sam Bush’s wartime munitions-regulating role was obvious. During the 1920s, when George H. Walker was doing a lot of business… Mehr

Marcel Börger
7 Jahre her
Antworten an  hasenfurz

Ich glaube wenig!
Aber eine Schwalbe macht keinen Sommer.

Irgendwelche Sauereien finden sie überall wo Geld und Einfluss kondensiert. Lockere Geschäfte, Kick back etc. gehört fast zum guten Ton.
Hoeneß und viele andere, die es schon lange nicht mehr oder nie nötig hätten, lassen grüßen.
Ab einem bestimmten Kontostand ist es nur noch Zeitvertreib und Spaß, da will man doch nichts verpassen……

Till Eulenspiegel
7 Jahre her
Antworten an  Marcel Börger

Unsere Regierenden sind willenlose Hampelmänner. Die Strippen werden im Hintergrund mittels (bezahlter) Lobbyisten durch die international wirklich Mächtigen gezogen. Hier reihen sich auch problemlos die islamischen Ölmächte ein!

xandru
7 Jahre her

Griechenland ist wie eine Türkei ohne Atatürk: osmanische Verhältnisse pur – und natürlich sind alle anderen schuld.

hasenfurz
7 Jahre her

Wo waren Sie die letzten Jahre? Diese Diskussion wurde schon zig-mal geführt…

http://www.diesseits.de/schwerpunkt/bundestagswahl-2013/1376604000/was-neoliberalismus

Katharina
7 Jahre her

[Ich kann nichts dafür, daß sowohl Vorstellungsvermögen wie Interesse bei den normalen Dumpfbacken gegen Null ausgeprägt ist, sich über die Welt, in der man lebt und wer da auf welche Weise herrscht, zu informieren].Zitat Ende [Ich hab nur keinen Bock drauf, daß die grottendämliche Blödheit denkbefreiter Zeitgenossen hier einen Faschismus installiert, der mir ein vernünftiges Leben unmöglich macht, dann werde ich radikal.]Zitat Ende …schätze dann agieren wir beide nach ähnlichen Vorstellungen und Empfindungen! Und ja, ich arbeite tatsächlich in der „Abteilung“ ,,,die WA(H)RE Nächstenliebe…(nachdem ich ein klassisch naturwissenschftl. Studium , zwar beendet ..aber mich dessen nie bediente) Genau um dieser… Mehr