Das Referendum Türkei

Dem Missbrauch von Religionsfreiheit und Doppelbotschaft – Toleranz für sich einfordern und die Intoleranz wählen - nicht länger zusehen, sondern von den Türkeistämmigen und Muslimen Loyalität zu unserer Verfassung verlangen. Sie steht nicht zur Abstimmung.

© Michele Tantussi/Getty Images
People wave Turkish flags as they drive through Breitscheidplatz in front of the Gedaechnichtskirche or Church of the remembrance following the announcement of the result of the Turkish referendum on April 16, 2017 in Berlin

Das Verfassungsreferendum in der Türkei ist höchst umstritten und knapp angenommen worden – und Erdogan damit an einem Etappenziel angekommen. Er wird nun daran arbeiten, die gesamte Macht bei sich zu konzentrieren und zukünftig als von Allah erwählter Sultan, Kalif und Kadi, also weltlicher und religiöser Führer wie Richter in einer Person aufzutreten.

Die Demokratie hat er schon früher nur als einen Zug gesehen, um sein Ziel einer islamischen Türkei zu erreichen. Auf diesem Weg haben viele ihm, von Linksparteien bis zu CDU in Deutschland und darüber hinaus in der EU, jahrelang den Rücken gestärkt. Die Türkei galt lange bei den westlichen Eliten als das Vorzeigeprojekt für die Vereinbarkeit von Demokratie und Islam. Diese romantische Hoffnung wurde am Ostersonntag endgültig zunichte gemacht .

Auch Zweidrittel der in Deutschland lebenden wahlberechtigten Türken haben für Erdogans Ermächtigung gestimmt. Am Abend der Abstimmung fuhren Autokorsos mit Erdogan-Fans um den Breitscheid-Platz und spielten die (Mehter)Kriegsmusik der Osmanen. Es waren meist junge Männer, wohl hier geboren und aufgewachsen, die den Sieg des vermeintlich starken Mannes am Bosporus feierten.

Mit ihrem EVET für Erdogan haben sie gleichzeitig Nein zur Demokratie und Integration gesagt. Sie wollen Türken sein und bleiben. Diese Identität haben sie in ihren Familien und von den aus der Türkei gelenkten Moscheen gelernt. Sie wurden in der Opferrolle des ausgegrenzten Migranten von der „linksgrünen“ Politik wie z.B. „ihren“ Abgeordneten Özcan Mutlu, Christian Ströbele oder Aydan Özoguz bestärkt.

Jetzt weinen diese Wahlbeobachter Krokodilstränen über den Weg in die Diktatur.

Keiner von ihnen hat vorher z.B. auf die antidemokratischen Strukturen der Islamvereine hingewiesen oder etwas dagegen unternommen. Die Moscheen, sowohl die von der Türkei gelenkten DITIB-Moscheen, wie die aus Saudi-Arabien finanzierten der Muslim-Brüder oder der Milli Görüs, waren Wahllokale der Erdogan-Partei und sind Agenturen der Abgrenzungspolitik der Muslime und Türkeistämmigen in Deutschland.

Wir dürfen diesem Mißbrauch von Religionsfreiheit und Doppelbotschaft – Toleranz für sich einfordern und die Intoleranz wählen – nicht länger zusehen, sondern müssen von den hier lebenden Türkeistämmigen und Muslimen Loyalität gegenüber unserer Verfassung verlangen. Sie steht nicht zur Abstimmung.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 37 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

37 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Walter Knoch
6 Jahre her

Sehr geehrte Frau Kelek, zunächst eine Bemerkung zu Ihnen als Person, gedacht als ganz ehrliches Kompliment und nicht als billige Schmeichelei. Ich hatte Sie durch Ihre Bücher kennengelernt und dann die Freude gehabt, Sie persönlich in Frankenthal erleben zu dürfen. Ihre Warmherzigkeit, Ihre Lebendigkeit. Frau Kelek, es gibt Menschen, deren Ausstrahlung wärmt. Zur Sache: Wir haben Islam-Unterricht, wir haben Geschichtsunterricht, wir haben Religionsunterricht, wir haben Ethikunterricht an unseren Schulen. Wo wird die Person des Religionsgründers und Kriegsherrn Mohammed thematisiert? Wo die medinensischen Verse des Koran, wo die gesunden Ahadith, wo die Tafsir der islamischen Exegeten, wo die Sirat, wo die… Mehr

Mööööp
6 Jahre her

Übrigens: ich benötige Frau Kelek nicht, um zu denken. Was ich hier geschrieben habe, ist für jeden zu erkennen, der nicht ideologisch komplett verblendet ist.
Wenn Sie diskutieren wollen, dann sagen Sie doch mal, in welchem Land, in dem moslems die Mehrheit stellen, westliche Werte gelten. Ein Gegenbeispiel reicht, um zu widerlegen, dass der islam die antithese zum Westen ist. Ich höre.

Mööööp
6 Jahre her

Sie sagen das, als ob das was Schlechtes wäre. Kommen Sie mit der Wahrheit nicht klar?

P.Reinike
6 Jahre her

Das Absurde ist ja in der Tat, daß bisher immer die reaktionären Kräfte des Islam gestärkt wurden und nicht die säkularen Kräfte, die es besonders in den großen Städten der Türkei gibt, allen voran das kemalistisch orientierte Ankara. Die relativierenden Zahlenspielchen kann man beiseite schieben, denn niemand besteht hier auch darauf, daß bei einer Wahlbeteiligung von 50% nur 15% SPD gewählt hätten, eine so kleine verirrte Minderheit. Die hiesigen Türken haben Erdogan ein viel eindeutigeres positives Votum abgegeben als in diesen großen Städten, mit Ausnahme des immer schon islamisch-religiös geprägten Konya. Daß die Widersprüche jetzt so offen werden, ist positiv… Mehr

Mööööp
6 Jahre her

„Toleranz fordern und Intoleranz wählen“ Das wird Moslems von klein auf anerzogen. Überall, wo Moslems in der Minderheit sind, fordern sie Toleranz ihren hinterwäldlerischen und barbarischen Werten gegenüber. Überall, wo sie in der Mehrzahl sind, ist Schluss mit Demokratie, Religionsfreiheit, Minderheitenschutz. Ich kann’s nur immer wieder sagen: Der Islam ist die Antithese zum Westen und deshalb muss der Westen schleunigst damit beginnen, den Großteil der Moslems in westlichen Ländern abzuschieben, vollkommen egal, welche Staatsbürgerschaft sie besitzen. Der Westen kann nur dann überleben, wenn er endlich anerkennt, dass es in Ordnung ist, gegen einen Aggressor Krieg zu führen und ihn auch… Mehr

Old-Man
6 Jahre her
Antworten an  Mööööp

Sie haben vollkommen Recht,und umschreiben im großen ganzen auch meine Meinung zu diesem Thema!
Zu einigen ihrer Aussagen stehe Ich sogar noch „strenger“da,aber Ich will ja TE nicht auf die Liste beim Maasmännchen und seiner kruden Truppe bringen!!
3.Stock links nennt sich wohl nicht nur so,sondern hängt wohl dieser Ideologie der verblö……. an!

Ralf
6 Jahre her
Hanna Jüngling
6 Jahre her

Unsere Verfassung steht faktisch schon lange zur Disposition. Teilweise durch unsere Regierung, teilweise – und das schon seit Jahrzehnten – durch einen nicht geringen Teil des Volkes, der außerdem seinen Marsch durch die akademischen und medialen Institutionen erfolgreich beendet hat: an den Hochschulen kann sich heute (außer in Fächern wie Mathematik oder Altphilologie) kaum noch ein fachkompetenter, nur der Sache selbst verpflichteter Wissenschaftler mehr halten. Ich habe im Freundeskreis selbst erlebt, wie man die Besten systematisch und alleine aufgrund psychosozialer Spielchen herausgemobbt hat, wenn sie sich einem Mainstream, den ich bisher noch nicht ganz durchschaut habe, nicht beugen. Und da… Mehr

Remix
6 Jahre her

Jeder von uns kann etwas tun, nach dem Motto: „Ihr wollt uns ‚beglücken‘? Wir sind Millionen​ Mücken – auf eurem Rücken“.
Außerdem verbessert​ es das Lebensgefühl jedes Einzelnen​, nicht einfach alles in sich hineinzufressen. Besser für die Demokratie​ ist es auch, wenn die Leute ihre Meinung sagen. Wäre es anders, würden wir alle nicht hier schreiben.

Jan
6 Jahre her

„Wir dürfen diesem Mißbrauch von Religionsfreiheit und Doppelbotschaft – Toleranz für sich einfordern und die Intoleranz wählen – nicht länger zusehen, sondern müssen von den hier lebenden Türkeistämmigen und Muslimen Loyalität gegenüber unserer Verfassung verlangen.“ Ja, aber wie soll das aussehen und was ist, wenn sie es dann trotzdem nicht tun? Es gibt Zuwanderer aus der Türkei und Nahost, die wissen, wie der Westen tickt und Teil davon werden wollen. Das ist aber leider der geringere Teil. Der größere Teil will hier vom Wohlstand profitieren, aber seine kulturelle Identität beibehalten oder sogar auf den Rest der Gesellschaft ausdehnen. Da die… Mehr