Wahlschlappe für die deutschen Meinungsführer-Medien

Dass die Meinungsführer-Medien mit den etablierten Parteien gegen eine neue, demokratisch gewählte Partei gemeinsame Sache machen, wirft die Frage nach einem „politisch-medialen Komplex“ auf, der politische Konkurrenten und deren Anhänger ausgrenzt.

© Gero Breloer/AFP/Getty Images
Berliner Runde am Abend der Bundestagswahl, 24. September 2017

Am 24. September haben nicht nur CDU, CSU, SPD und die Partei die Linke (PdL), sondern auch die deutschen Leitmedien, allen voran ARD und ZDF, eine deutliche Wahlschlappe erlitten. Die Meinungsführer-Medien haben sich zwar nicht förmlich als Partei zur Wahl gestellt, dafür aber für jedermann erkennbar gegen den Einzug der AfD in den Bundestag bei jeder sich bietenden Gelegenheit öffentlich Partei ergriffen. Dies ist angesichts des Wahlerfolgs der AfD kräftig in die Hose gegangen. In den neuen Bundesländern haben sich 22,5 Prozent und in den alten Bundesländern 11,1 Prozent der Wähler offenkundig nicht davon abschrecken lassen, in der Wahlkabine ihr Kreuz (oder beide Kreuze) bei der AfD zu machen, obwohl die Medien ihnen  monatelang Tag für Tag predigten, eine Wahl der AfD in den Bundestag sei der Anfang von einem abermaligen Ende der Demokratie in Deutschland.

Dieses offenkundig abstruse Narrativ diente vor den Wahlen allein dem Zweck, den Einzug einer neuen, nationalistisch orientierten und durch demokratische Wahlen legitimierten Partei in den Bundestag dadurch zu verhindern, dass sie aus dem demokratischen Verfassungsbogen ausgegrenzt wird, obwohl sie programmatisch laut Verfassungsschutz keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolgt. Obwohl diesem Narrativ bei einem beachtlichen Teil der Wähler  kein Erfolg beschieden gewesen ist, findet es nach den Wahlen gleichwohl seine Fortsetzung – allerdings in den veränderten Umständen angepasster Form.

Sechs Damen und drei Herren
ARD und ZDF: Schlussrunde
Medial eingeläutet wurde die angepasste Variante am Wahlabend mit dem Vorwurf des CSU-Spitzenkandidaten Joachim Hermann an ARD und ZDF, sie hätten in ihren Sendungen dem Flüchtlingsthema und der AfD viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Inzwischen werfen, wie die Stuttgarter Zeitung vom 28. September berichtet, „Politiker mehrerer Parteien den öffentlich-rechtlichen Sendern vor, der AfD zu viel Aufmerksamkeit eingeräumt und damit zum guten Wahlergebnis der Partei beigetragen zu haben.“ Damit einher geht die stillschweigende Aufforderung der fraglichen Parteien an die (öffentlich-rechtlichen) Medien, im gemeinsamen Kampf gegen die „demokratiefeindliche“ AfD  das taktische Vorgehen zu ändern und ihr sowie ihren Themen, allen voran dem Flüchtlings- und Immigrationsthema, möglichst wenig mediale Aufmerksamkeit zu schenken.

Bundespräsident Steinmeier warnt angesichts der Wahlerfolge der AfD zeitgleich vor einer „Veränderung der politischen Kultur“ sowie einem „Kampf gegen das Establishment“ und fordert deswegen dazu auf, „stärker zwischen der Partei AfD und ihren Anhängern zu unterscheiden.“ Entgegen seiner parteipolitischen Neutralitätsverpflichtung insinuiert auch er damit eine Gefährdung der Demokratie durch die AfD und unterstützt damit indirekt Forderungen nach einer stärkeren Ausgrenzung der Partei aus dem medialen Raum, wenn sie schon nicht aus dem Bundestag hrausgehalten werden konnte.

Die andere Sicht
Die britische Presse nach der Bundestagswahl
Diese Taktik ist allerdings alles andere als neu. Sie wurde bis zum Sommer diesen Jahres schon einmal für mehrere Monate ohne Erfolg angewendet und war schon damals eine Reaktion auf eine zuvor gescheiterte, andere Taktik. Diese bestand angesichts des Wiederaufstiegs der AfD als Ergebnis der Grenzöffnung der Jahre 2015/2016 darin, den „demokratiefeindlichen“ und „rassistischen“ Charakter dieser Partei durch die „Entlarvung“ ihrer Politiker in Talkshows und Interviews der Bevölkerung vor Augen zu führen. In dieser Zeit sah man erstmals in der Geschichte des bundesrepublikanischen Fernsehens in der Tat die heute von Hermann und anderen beklagte Vielzahl von Talkrunden, in denen – etwa bei Anne Will, Maybrit Illner oder Sandra Maischberger – die jeweilige Moderatorin zusammen mit den anderen Teilnehmern sich an der „Entlarvung“ des jeweils anwesenden AfD-Talkgastes abarbeitete. Die Sendungen verkamen zu politischen Tribunalen ohne jeden Aufklärungs- und Erkenntniswert – außer in Hinblick auf die zunehmend irritierende Funktionsweise der Medien.

Abgesehen davon, dass ein solches Vorgehen allen Standards eines Qualitätsjournalismus wie auch professioneller Moderation widerspricht, war es außerdem auch noch ausgesprochen erfolglos. In den wöchentlichen Wasserstandsmeldungen zu den voraussichtlichen Wahlergebnissen der AfD stellte sich nämlich nicht das ein, was man sich in den Redaktionen der Sender und vieler Zeitungen sowie in den Parteizentralen von der „Entlarvungstaktik“ offensichtlich versprach: einen Rückgang der Prognosen unter die Fünf-Prozent-Marke. Ab Beginn des Jahres 2017 wurde deswegen dazu übergegangen, die AfD nicht mehr so häufig einzuladen und das Flüchtlingsthema seltener zu behandeln. Es bestand die Hoffnung, dass der Rückgang der Immigrantenzahlen im Vergleich zu den Jahren 2015/2016 dazu führe, dass das Thema für die Wähler an Bedeutung verliert und die Wahlchancen der AfD geringer werden.

ARDZDF
Berliner Runde: Statt Politik geht die Geister-Jagd weiter
Die Parteien folgten daher im Verbund mit den Meinungsführer-Medien über mehrere Monate der Taktik der Kanzlerin, durch das Beschweigen von eigenen Fehlern und dadurch verursachten Problemen diese bei den Bürgern respektive Wählern in Vergessenheit geraten zu lassen. Dabei ging es keineswegs nur um die von der Kanzlerin gemachten Fehler beim Thema Immigrationspolitik, sondern auch um die zeitgleich begangenen Fehler der Meinungsführer-Medien selbst. Viele von ihnen sind bekanntlich ihrer Aufgabe der kritischen journalistischen Überprüfung und Bewertung von Merkels Entscheidungen des Jahres 2015 und ihres weiteren Vorgehens in keiner Weise nachgekommen, sondern haben sich zu Claqueuren ihrer verfehlten Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik gemacht.

Dies ist inzwischen nicht nur das Ergebnis einer von der Otto Brenner Stiftung beauftragten Studie des Medienwissenschaftlers Michael Haller, sondern blieb auch vielen Wählern nicht verborgen. Die „Verschweigenstaktik“ verfing bei ihnen daher ebenso wenig wie die zuvor praktizierte „Entlarvungstaktik“. Ab dem Sommer 2017 berichteten die Umfragen verstärkt davon, dass das Thema Flüchtlingskrise für viele Wähler weiterhin das Topthema ist. Zeitgleich explodierten die Wahlprognosen für die AfD. Wir dürfen daher gespannt sein, ob die geforderte Neuauflage der „Verschweigenstaktik“ nun zu dem erhofften Ergebnis führt, den Zulauf vieler Wähler zur AfD, etwa bei anstehenden Landtagswahlen, zu stoppen oder gar wieder umzukehren. Bislang haben beide Taktiken den Erfolg der AfD jedenfalls eher befördert als gebremst. Das ist angesichts der Weigerung der Kanzlerin, ihre Flüchtlingspolitik grundlegend zu ändern, auch nicht weiter verwunderlich und wird  so lange der Fall bleiben, wie sie an ihrer Weigerung festhält.

Unabhängig hiervon wirft der Umstand, dass die (öffentlichen-rechtlichen) Medien mit den etablierten Parteien gegen eine neue, demokratisch gewählte Partei gemeinsame Sache machen, die Frage auf, ob wir es in Deutschland inzwischen mit einem „politisch-medialen Komplex“ zu tun haben, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, politische Konkurrenten und deren Anhänger, die sich für die Verteidigung nationaler Interessen, Werte, Grenzen und kultureller Gebräuche einsetzen, aus dem demokratischen Verfassungsbogen systematisch auszugrenzen. Daraus ergeben sich Zweifel an der Verfassungskonformität der beteiligten Parteien und Meinungsführer-Medien. Desweiteren stellt sich die Frage, was sich die betreffenden Parteien und Medien davon versprechen, alles „Nationale“ als „demokratiefeindlich“ zu denunzieren. Die dem zugrunde liegende kategoriale Entgegensetzung von „Nation“ und „Demokratie“ ist nicht nur (historisch) falsch, sondern hilft in der gegenwärtigen Situation auch in keinster Weise weiter. Sie vergiftet nur das politische Klima, was man inzwischen nicht nur in den neuen Bundesländern zusehends beobachten kann. Alle Demokraten sollten sich derlei politischen Irrwegen und ihren Protagonisten daher mit Entschiedenheit entgegenstellen, auch diejenigen unter ihnen, die nicht sonderlich national oder sogar anti-national denken – vor allem auch in den Meinungsführer-Medien.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 48 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

48 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Bernd Schreller
6 Jahre her

Ich hab dasselbe Gefühl, dass bei der Wahl manipuliert worden sein könnte. Die als so katastrophal für Deutschland hingestellten 12,6 % erscheinen mir eher an der unterstmöglichen Kante des für die AfD erwartbaren Ergebnisses. Die Aufregung der MSM und der Politiker der anderen Parteien halte ich für gespielt. Eine nette Anekdote aus den frühen 80ern. Bei einer Wahl hatte die FDP ein sehr schlechte Ergebnis eingefahren. In der Parteizentrale der Partei von einem Journalisten dazu kritisch angegangen, wurde der damalige Parteivorsitzende Mischnik patzig und fragte verblüfft und entrüstet, wie der denn ueberhaupt reingekommen sei, und ließ den Journalisten (von dem… Mehr

Tesla
6 Jahre her

Merkel hat ausgespielt. Sie weiß es nur noch nicht. Selbst wenn sie noch eine Koalition zusammenbekommt, würde sie als lame duck in die Regierung starten und die Wähler ihrer Rücktrittsforderung in kommenden Landtagswahlen Nachdruck verleihen. Das betrifft auch Seehofer, denn erst wird die absolute Mehrheit in Bayern fallen – wahrscheinlich mit einem ähnlich schlechten Ergebnis wie bei der Bundestagswahl mit weniger als 40%. – dann steht Seehofer selbst zur Disposition. Wenn Seehofer fällt, dann fehlt Merkel auch die Unterstützung aus Bayern. Glücklicherweise informieren sich immer weniger einseitig durch BILD und Glotze. Die Auflagenrückgänge der großen Tageszeitungen und Politmagazine sprechen seit… Mehr

Frau Rauscher
6 Jahre her

Sehr geehrter Herr Springer, erst einmal möchte ich mich für den sehr guten Beitrag bedanken.

Nur in einem Punkt muss ich Ihnen wieder sprechen, meiner Meinung nach hat die Strategie der MSM doch Erfolg gehabt da ich mir ziemlich sicher bin, dass die AfD ansonsten noch mehr Stimmen erhalten hätte, z.B. diejenigen welche jetzt die Königsmacherpartei FDP abgegriffen hat.

Nico Laus
6 Jahre her

Steinmeier – Wahl-Looser und Wichtigtuer.
Als Außenminister tat er immer so, als sei er auf der Durchreise um die Welt zu retten – erfolglos!
Man vergleiche ihn mal mit einem Sebastian Kurz …
Die ÖR – „Journalisten“ sollten sich mal an einen Hajo Friedrichs erinnern, er hatte ein anderes Format.
Heute: betreutes – oder besser gesagt beschränktes – Denken ist angesagt, ob Will, Plasberg, Maischberger, Illner …

ichdarfdas
6 Jahre her

Wieso waren? Unser zukünftiger Aussenminister mit dem großen ökologischen Schuhabdruck Bonusmeilen-Chem
ist immer noch drinnen. Betreutes Denken durch Atlantikbrücken Kleber und Atlantikbrücken Zamparoni machens möglich……

delta3 fox
6 Jahre her

Leider ist es Wahrheit, denn die Grünen und Roten wären ohne die Stimmen der neuen Passinhaber längst im Keller – das wussten die schon vor Jahren. Ich erinnere nur an die vielen Deutsch-Türken, die ja auch in Größenordnungen SPD oder Grüne wählen. Und ich bin mir sicher, dass die „Stimmenrekrutierung“ schon irgendwann im Schlauchbot begann…
Merkel würde ihren Rechtsverstoß hingegen jederzeit wiederholen…tut sie sogar indirekt mit der finanziellen Unterstützung und Duldung der NGO’s und der Einheiten von Frontex – nur fällt es nicht es derzeit nicht auf, wenn jede Nacht im Hafen Hunderte „Neue“ an Land gehen..

Mertens
6 Jahre her

Wie können Sie nur ZDF-Theveßen kritisieren ? Der ist nicht nur 2.ChRed beim Sender sondern auch „ZDF-Terrorismus-Experte“ ! Die ganze Welt hört auf dessen Urteil, wird in alle Sprachen übersetzt und weltweit versendet …Trump und Putin gucken jeden morgen zuerst, was Theveßen sagt.

Mertens
6 Jahre her

Wie soll das funktionieren ? Die gehen dann schlussendlich vor das BVerG, und wer entscheidet denn da ???? Unsere Justiz können Sie vergessen, siehe aktuell das milde Urteil gegen den prominenten Skandal-Banker-Funke. Das Gericht konnte „eine Schwere der Tat“ nicht hinlänglich nachweisen…

Mertens
6 Jahre her

Wie uns die ÖR vor allem mit ihren Kalkshows manipulieren und für blöd halten, hat vor wenigen Tagen Eva Hermann in ihrem Video „Eva Hermann packt aus“ sehr schön beschrieben (über 700 Tsd Aufrufe bisher). Die Frau kennt sich im ÖR nun wirklich aus. Tipp: Unbedingt Gucken, auf Youtube. Ich selbst gucke kaum noch die ÖR.

Illusionslos
6 Jahre her

Das Verschweigen und Beschönigen nutzt Merkel alles nichts. Nun beginnt es so zu kommen, wie ich schon vor Monaten orakelte, andere Länder werden ihre Grenze zu Deutschland bewachen. Nun beginnt Dänemark an der Grenze zu Deutschland Soldaten zu positionieren, lt. Focus. Und die Grünen sind natürlich sofort dabei, das zu kritisieren. Warum ? Die Dänen ahnen wohl, dass Madame schon die nächste Million nach DE holt und jeden , ob kriminell, Terrorist oder illegale Migranten ins Land läßt und die Dänen wollen diese Art der Bereicherung eben nicht. Andere Länder werden folgen, ich wette darum.