TE-Mediensafari: Der Verlierer heißt Sebastian Kurz

Wie die deutschen Gutmedien klingen, gilt es jetzt wohl langsam die ersten Artikel über ein Impeachment von Sebastian Kurz anzuschieben.

imago images / ZUMA Press

Mit 38,4 Prozent verfehlte Sebastian Kurz glasklar die absolute Mehrheit bei der Nationalratswahl in Österreich. Gut, er schnitt alles in allem besser ab, als es der Fall gewesen wäre, wenn nur deutsche Journalisten und Claus Kleber hätten wählen dürfen. Die Tatsache, dass die Ostmark dort beginnt, wo die Reichweite der „Süddeutschen“ endet, verzerrt das Wahlergebnis bei unseren Nachbarn erheblich. Die qualitativ guten deutschen Medien versuchten am Wahlabend und dem Tag danach, diesen Effekt wieder auszugleichen, so gut es ging.

„Kurz – ein Favorit mit Kratzern. „Ich, ich, ich – das ist der Inhalt“, überschreibt der ARD-Journalist Srdjan Govedarica für Tagesschau.de seinen Text, über den gerade noch einmal davongekommenen Austrofeschisten.

Denn: „Bei einer Wahlrunde im Fernsehen gab es Buhrufe aus dem Publikum. Für Kurz ist sowas Neuland. Ebenso ungewohnt für Kurz und sein Team: Unangenehme Enthüllungen von investigativen Journalisten auf den letzten Wahlkampfmetern. Etwa zu den Parteifinanzen der hochverschuldeten ÖVP, die – so der Vorwurf – Großspender und sehr hohe Wahlkampfkosten verschleiere und sich nicht immer an die Regeln halte.“

Um auch in die Tiefe zu gehen – man will sich schließlich keine Kurz’sche Inhaltslosigkeit vorwerfen lassen – sprach Govedarica außerdem mit der in Österreich weltbekannten Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl, die laut Tagesschau “regelmäßig auf Twitter Sprach- und Strategiemuster von Politikern analysiert“. Wobei die Formulierung offen lässt, ob sie Tweets analysiert oder ihre Analyse auf Twitter vornimmt, was möglicherweise aber auch einen geringfügigen Unterschied macht. Auf Tagesschau.de fasst der ARD-Mann Strobls twittergestütze Analyse des Beinaheverlierers Kurz so zusammen:
„Sie sagt, dass Kurz berechtigte und unberechtigte Kritik an seiner Politik bewusst vermenge und sich so gegen jede Art von Kritik immunisiere. (…)Und indem er diese sehr gefährliche Strategie fährt, sagt er uns, dass er sich eben keiner Kritik stellt, dass jede Kritik an ihm unzulässig ist.
Zudem sei der Wahlkampf der konservativen ÖVP komplett darauf zugeschnitten, dass Kurz wieder Kanzler werden muss. ‚Ich, ich, ich ist eigentlich der Inhalt des Wahlkampfes von Sebastian Kurz“, sagt die Wissenschaftlerin. Und in Strategiepapieren der ÖVP würden seine Anhänger sogar als ‚Jünger’ bezeichnet. ‚Da sieht man auch diesen religiösen Charakter, diesen sektenartigen Charakter in Wahrheit.’“
Eine Kampagne und überhaupt die Politik ganz auf sich zuschneiden: in Merkelland wäre das undenkbar. Der sektenartige Charakter einer Partei ebenfalls. Und Jünger beziehungsweise Jüngerinnen existieren diesseits der Alpen nur im strikt außerpolitischen Bereich, beispielsweise bei den Fridays-for-Future-Demonstrationen.

Im „Tagesspiegel“ seziert Gerd Appenzeller den Alpentrump so:
„Jetzt hatte der Klimawandel in der Liste der Top-Wahlkampfthemen die Migrationsfrage abgelöst. Auch da schaffte es Kurz, die Debattenhoheit zu behalten. Das gelang ihm vor allem, weil er es versteht, komplexe Zusammenhänge in unterkomplexer Sprache vereinfacht darzustellen.
Die Geringschätzung demokratischer Institutionen wird nicht nur bei der FPÖ, sondern auch bei Sebastian Kurz selbst deutlich. Dass er im Parlament durch eine Mehrheit von SPÖ und FPÖ gestürzt wurde, interpretierte er als Missachtung des Volkswillens. Sein Wahlergebnis vom Sonntag wird er als Bestätigung empfinden.“

Österreich, das vielen deutschen Journalisten sonst immer nur als Landstreifen galt, der uns den Zugang zum Mittelmeer erschwert, genießt jetzt, jedenfalls beim „Tagesspiegel“, zusätzlich den sympathischen Status eines Kleintiers:
„Österreich ist zu klein, um die tradierten Werte der Europäischen Union zu zerstören. Aber es ist groß genug, um an den Fundamenten zu nagen.“
„A rat, a rat!“ (Hamlet).

„Zeit“-Korrespondent Joachim Riedl wiederum weiß, dass die Nationalratswahl am Sonntag den Untergang des wie gesagt in den Redaktionen schon Abgewählten nur noch ein bisschen hinauszögert:

„Sebastian Kurz weiß, dass er keine dritte Chance mehr bekommen wird. Scheitert auch seine zweite Regierungskoalition, geht seine politische Karriere dem Ende zu.“

Diese Worte haben Gewicht, denn wenn jemand weiß, was Scheitern bedeutet, dann die wohlmeinenden deutschen „Preßbengel“ (Karl Kraus) m/w/d.

Wie es journalistisch auch geht, zeigt neon.de, das Stern-Supplement für die Generation Thunberg. Dort erreicht die Wahl in Österreich nicht ganz die relevante Ebene. Wichtige Themen sind: „So kam es zu dem Foto von Jan Böhmermann und Barack Obama“ (vermutlich, ja tatsächlich: dadurch, dass sie in München nebeneinander standen, und jemand eine Kamera dabei hatte),/ „Helfe ich dem Klima, wenn ich einmal pro Woche auf Fleisch verzichte?“/ „Mehrheit der Amerikaner befürwortet Amtsenthebungsvorstoß gegen Donald Trump“. Kurz, angezählt und demnächst sowieso weg, kommt bei Avantgardisten von neon.de folgerichtig schon nicht mehr vor. Es gibt nur einen Beitrag weit unten am Rand: „Österreichs Grüne feiern sensationelles Comeback“.

Für alle Medien gilt es jetzt, langsam die ersten Artikel über ein Impeachment von Sebastian Kurz anzuschieben.

Scheitert er doch nicht, dann haben sich die Österreicher wenigstens den Kanzler eingehandelt, den sie auch verdienen.

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Kommentare ( 90 )

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schukow
4 Jahre her

Kurz geht einen Weg, der 1. gut für ihn ist, 2. gut für die ÖVP, und wenn dann 3. das Volk auch noch ‚was davon hat, umso besser. Das spricht übrigens nicht gegen ihn, es ist schlicht das Äußerste, was der Wähler von einem Politiker erwarten darf.

Vintersoul
4 Jahre her

Ich bin diese dümmliche Sippe deutscher Haltungsjournalisten einfach nur noch leid. Intellektuell knapp über der Sonderschule aber ein Diplomabschluss in Moral und Linientreue.

Es wird Zeit, dass sich die schweigende Masse erhebt, denen das gegen den Strich geht. Ich bin mittlerweile auch nicht mehr bereit mit solchen „besonderen“ Geschöpfen zu diskutieren. Ich lasse solche Leute einfach nur noch meine tiefe Verachtung spüren.

Armin V.
4 Jahre her

Da hier in letzter Zeit massiv zensiert wird – besonders was Sebastian Kurz betrifft – macht es eigentlich keinen Sinn mehr, sich an Diskussionen zu beteiligen. Schade, aber Kritik an Kurz ist scheinbar für Herrn Goergen unerträglich. Dann werde ich auch keine Beiträge mehr lesen oder verbreiten. Spenden schon gar nicht.

Mir ist sowieso unerklärlich, warum Leute wie Müller-Vogg oder Tipi, hier ihren Müll überhaupt noch verbreiten dürfen?

Die Beiträge von Alexander Wendt finde ich ansonsten sehr gut.

Kurz ist jedenfalls einer der größten Blender aller Zeiten! Unseren Nachbarn werden die Augen noch aufgehen!

RubbeldieKatz
4 Jahre her
Antworten an  Armin V.

Sehen Sie V., das mit dem Zensieren ist ja so eine Sache. Im Gegensatz zu den staatlich gelenkten Mainstream Medien, dürfen Sie hier Ihre Kritik äußern. Auch an einem Autor. Versuchen Sie mal in den Mainstream Medien gegen die dortige Linie zu schreiben. Sie werden Ihr blaues Wunder erleben. Das ist dann eben der Unterschied zu TE!

Übrigens. „Leute wie Müller-Vogg oder Tipi“ würden dort notwendige Alternative Meinungen nicht verbreiten dürfen. Man kann hoffen, dass Sie den Unterschied erkennen.

Umkehr
4 Jahre her
Antworten an  Armin V.

Ihr Beiträge – bereits bei dem Artikel über das Kleber/Kurz Interview -enhalten leider sehr viel Polemik und sind teilweise beleidigend. „dürfen hier ihren Müll verbreiten“ist kein sachlicher Beitrag. Wenn TE auf Qualität bei den Beiträgen achtet ist das keine Zensur.

F. Hoffmann
4 Jahre her

Ja, da ham die Ösis schon wieder falsch gewählt! Muss man da die Wahl nicht wiederholen? Ist doch guter Brauch wenn Abstimmungen z. B. über die EU nicht so ausgehen wie „man /frau“ gern möchte…

prague
4 Jahre her

Östereich ist nicht allein.

prague
4 Jahre her

Ich habe mir gerade überlegt, dass die Bildung in gewissen deutschen Ländern sich ziemlich verschlechtet hatte, aber dass man nicht bis vier zählen kann, das war mir neu, aber was alles man für die „richtige Nachricht“ macht ist langsam erschreckend. Sogar ich, als Migrantin kann bis vier zählen, dass, das die Auserwählten bei der WDR nicht können, aber die haben sicherlich ihre Schulbildung in ihrem Bundesland gemacht, also kein Wunder.

Hartholz
4 Jahre her
Antworten an  prague

Vielleicht hat man beim WDR auch nur zu lange in die „Wünsch dir was-Glaskugel“ geschaut und dann den von den „Qualitätsmedien“ den so erträumten zweiten statt vierten Platz gesehen.

schukow
4 Jahre her
Antworten an  prague

Beim WDR sind die mit dem Laberfächer-Abitur gelandet. Irgendwie mußten wir die doch aus den Füßen bekommen, sonst liefe hier in NRW doch gar nix mehr.

humerd
4 Jahre her

Ich befinde mich derzeit in Österreich und schäme mich nur noch Deutscher zu sein. Ich finde keine Antwort auf die Frage, weshalb die Deutschen alles mit sich machen lassen und die Welt retten wollen. Noch weniger finde ich Antworten auf die Frage, was wir uns anmaßen die demokratische Wahl der Bürger zu kritisieren. Den Rentnern in Österreich geht es erheblich besser und die Wohnungsnot ist geringer als in Deutschland. Auch finde ich keine Antwort, weshalb unser Wald stirbt, ob wir wohl unser eigenes Klima haben? An den Lebensmitteln hier in Österreich wird mir immer wieder bewusst, welchen Dreck man uns… Mehr

Hartholz
4 Jahre her
Antworten an  humerd

D sollte sich vielleicht wieder in seine Fürstentümer und Königreiche des 19. Jhd aufspalten. Der Adel kann nicht soviel Unfug anstellen wie die Union unter Merkel und ihre ganzen linken Freunde.

schukow
4 Jahre her
Antworten an  Hartholz

Die größeren dieser Gebilde waren nicht das Hauptproblem, wenn man vom Fehlen demokratischer Mitsprache einmal absieht. Die vielen kleinen Partikular-Herrschaften allerdings standen jedem Fortschritt im Wege. Ich bin allerdings davon überzeugt, daß die »Berliner Republik« einen Zusammenbruch der EU nicht überlebt, die ollen von und zu nebst auf und davon sollten mir dann aber besser aus dem Wege gehen.

flozn
4 Jahre her

Was soll diese WDR-Meldung mit den Grünen als „zweitstärkste Kraft“? Derzeit sind sie auf Platz 4 mit 13,8%

https://wahl19.bmi.gv.at/

Und das ist eh schon mehr als genug für so eine kapitalismusfeindliche Partei. „Fairteilen“ von Arbeit und Einkommen, Grundsicherung + Wohnung für alle, Asylverfahren für alle + Kohle ab Tag 1, gleiche Rechte für Nicht-Staatsbürger, Gender-Gedöns inkl. 50%-Frauenquoten in ALLEN Lebensbereichen, Umkrempeln des Schulsystems, …

Nicht zuletzt aufgrund ihres weltfremden Parteiprogrammes gelten die Grünen ja eher als Partei der Protestwähler.

Hartholz
4 Jahre her
Antworten an  flozn

Bei den Grünen wird Marx immer unverschämter gelebt, sorry, gepredigt. Gelebt soll dieser Schund ja nur vom Wahlvolk werden.

Oblongfitzoblong
4 Jahre her

Sind die von Herrn Wendt beschriebenen Kritiken an Herrn Kurz nicht alle Freud‘ sche Fehlleistungen? Die Kritikpunkte, die die Medienvertreter der MSM so gerne bei unserer Kanzlerin und ihrer Regierungsmannschaft anbringen würden, projektieren sie auf den dafür untauglichen Herrn Kurz. Es war eine taktische Meisterleistung, nach dem Strache-Drama sich nicht auf einen Monate dauernden Medienkrieg einzulassen und selbst ins Fadenkreuz zu geraten, sondern die Koalition zu beenden. Jetzt ist Kurz gestärkt und das Problem Stracke ist nach dessen endgültigem Rückzug erledigt.

heinzfleck
4 Jahre her

Mein Verweis im letzten „Hart aber Fair“-Gästebuch (welch ein Name für diese Sendung) auf Vera Lengsfeld und die Entlassung des Chefs der hessischen Filmförderung aufgrund von AfD-Kontakten führte zu Sperrung wegen der Netiquette. So ist das halt bei rotgrünen Propagandasendungen oder -medien. Muss man sich nicht antun. Man informiert sich besser im Ausland,Tichy,Epoch,Lengsfeld. Das hilft die Rotlichbestrahlung abzuwehren. Bei den ÖR gibt es bestimmt wieder Parteisekretäre: Zum ko…