Perlen in der deutschen Presse

Das Beste über ein Horrordorf in Brandenburg, schlimme Briten und den künftigen Imam von Bordesholm.

imago images / Ralph Peters

Zur schönen Medientradition in Deutschlands gehört der Brauch, nach einer Wahl – vor allem dann, wenn sie nicht zur Zufriedenheit der Berliner und Hamburger Redaktionen ausgefallen ist – einen Ort herauszusuchen, in dem besonders schlimm gewählt wurde, Journalisten auf Tagesexkursion hinzuschicken und zu berichten, wie es so weit kommen konnte. Nach den Wahlen in Sachsen und Brandenburg fiel die Wahl auf das brandenburgische Dorf Hirschfeld an der Grenze zu Sachsen. „AfD-Rekorddorf Hirschfeld – Null Prozent Flüchtlinge, aber 50,6 Prozent AfD“, titelte der „Tagesspiegel“ am 2. September.

Dass es prozentual nicht so viele Flüchtlinge beziehungsweise Migranten gibt, trifft übrigens auf fast alle kleinen Orte im Osten zu. Ab welcher Flüchtlingszahl ist die Wahl der AfD für Hauptstadtjournalisten eigentlich keine Überraschung mehr? Und: könnte es vielleicht noch andere Motive für die Wahl dieser Partei geben als ein Asylbewerberheim in der Nachbarschaft?

Die Grünen holen übrigens ihre besten Ergebnisse traditionell dort, wo es weit und breit weder Atomkraftwerke noch bedrohte Regenwälder gibt, nämlich in zentral gelegenen Großstadtvierteln.

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Und gleich noch einmal der bewährte „Tagesspiegel“: dort schrieb der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft ehemaliger SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel am 6. September über den wahren Wahlverlierer, nämlich die AfD:

„Schaut man sich nämlich die Wahlergebnisse auf der Basis der Wahlberechtigten an – also aller Deutschen in beiden Bundesländern –, so wählten in Sachsen 18,1 und in Brandenburg 14,2 Prozent der Bürger die AfD.“ Daraus folgt, so Gabriel: „Die AfD ist das Gegenteil einer Volkspartei.“

Was ist dann eigentlich die SPD, die bundesweit in den Umfragen zwischen 12 und 14 Prozent schwankt? Dass nach dieser Methode, die absoluten Zahlen der Wähler ins Verhältnis zu den Wahlberechtigten zu setzen – was man ja machen kann – die SPD in Sachsen nicht nur außerparlamentarisch, sondern fast verschwunden wäre, vertiefte Gabriel leider nicht.

Apropos relative Volkspartei SPD: In einer recht launigen Reportage schilderte die WELT-Reporterin Richarda Breyton am Donnerstag die Castingveranstaltung der Sozialdemokraten in Saarbrücken.

Dabei fielen zwei bemerkenswerte Aussagen. Erstens die von Ralf Stegner: „Die meisten Menschen haben kein Problem, dass ihre Gemeinde islamisiert wird.“ (Wobei das AfD-Rekorddorf in Brandenburg wahrscheinlich sehr spät drankommt. Das gibt dann Schlagzeilen wie: „Hirschfeld hinkt bei Minarettbau hinterher“). Wie auch immer: sollte es Stegner nicht an die SPD-Spitze schaffen, stünde ihm noch eine Karriere als Imam von Bordesholm offen.

Der zweite Merksatz kam von dem Kandidaten und Verdi-Gewerkschafter Dierk Hirschel, der seine These zur Ankurbelung der Wirtschaft erklärte: einfach mehr Schulden machen. „Die 100-Euro-Scheine liegen auf der Straße“, erklärte er. „Olaf müsste sich einfach nur bücken, um die 100-Euro-Scheine aufzuheben.“Geld auf der Straße finden – war das bisher nicht vor allem das Kerngeschäft zugewanderter Fachkräfte?

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Von der SPD- zur Grünen-Ökonomie: In der „Welt“ erläutert Robert Habeck seine Vorstellung die sich grundsätzlich mit denen Hirschels decken. Er will nämlich „die Schuldenbremse reformieren“. Eigentlich soll die Schuldenbremse ja erst ab 2020 angezogen werden. Aber mit dem Reformieren kann man gar nicht früh genug anfangen.

„Wir wollen die europäischen Stabilitätsvorgaben auf Deutschland übertragen und daran entlang die Schuldenbremse aktualisieren“, so Habeck. „Das würde dem Staat zwischen 30 und 35 Milliarden Euro jährlich an zusätzlichem Spielraum geben. Das Geld wollen wir dann in einen Investitionsfonds überführen, der der Jährlichkeit des Haushalts entzogen ist und Ländern und Kommunen offensteht. Damit ließen sich beispielsweise Infrastruktur, Breitbandversorgung, Sanierung von Schulen, Sporthallen, Schwimmbädern und der Ausbau der Schiene finanzieren.“

Wozu aus Habecks Sicht dafür zusätzliche Schulden nötig wären, sagte er leider nicht. Allein der Haushaltsüberschuss des Bundes im ersten Halbjahr 2019 betrug 45 Milliarden Euro.

Zu den falschwählenden Ostdeutschen sagte der Grünen-Vorsitzende auch etwas: Ostdeutsche brauchten Respekt.
„Es gilt, diesen Respekt in Sprache und in Verhalten umzusetzen und von da aus eine Art Deutsche-Einheit-2.0-Diskurs zu beginnen.“
Teilen sich Habeck und Kramp-Karrenbauer eigentlich den gleichen Sprachstilberater?

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Zweites großes Thema der Medienwoche waren die störrischen Angelsachsen, insbesondere Boris Johnson. Die deutsche Qualitätspresse beschreibt den britischen Premier schon von Anfang an zum einen als verschlagenen Trickser, zum anderen als hilflosen Trottel, der über seine eigenen Schnürsenkel stolpert. Der Ton ließ sich allerdings noch steigern, wie die Medienwoche zeigt.
„Boris Johnson und kein Halten mehr: Der narzisstische, offenbar zum Größenwahn neigende Premierminister in London – charakterlich ein Spielertyp – stürzt sein Land noch tiefer in die Brexit-Krise“, erklärt Klaus-Dieter Frankenberger in der FAZ. Und fragt: „Wie konnte es bloß so weit kommen?“

Womöglich durch eine Volksabstimmung in Großbritannien, die die Brexit-Befürworter gewonnen haben?

Der Spiegel hebt ein zweites Mal innerhalb weniger Wochen Boris Johnson im MAD-Stil mit Zahnlücke und irrem Blick auf sein Cover: „Wie der Premier Johnson die Zukunft der Briten verzockt.“

Wie die gedeihliche Zukunft des perfiden Albion auszusehen hat, weiß die deutsche Presse eben am besten, und zwar seit ungefähr 1914.

Nüchterne Betrachtungen zum Brexit gibt es durchaus, wenn auch nicht in deutschen Vorbildmedien, sondern als Leserbrief im „Telegraph“:

Dass Leserzuschriften manchmal das Beste an der Zeitung sind – diesen Trend gibt es bekanntlich nicht nur im Königreich, sondern auch hierzulande. Sie werden in dem Land, in dem die Kanzlerin die Zukunft mit Energiewende und Migrationspolitik rational gestaltet, nur meist nicht gedruckt.

Wäre ja noch schöner.

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Kommentare ( 50 )

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Armin Reichert
4 Jahre her

Wie man Nachrichten professionell manipuliert, zeigt die sogenannte „Deutsche Presse-Agentur“ dpa:

https://www.focus.de/politik/deutschland/parteien-linksextremisten-greifen-afd-und-spd-am-haeufigsten-an_id_11138228.html

Laut „Presserat“ dürfen Meldungen dieser Nachrichtenfälscher ohne jede Prüfung weiterverbreitet werden. FOCUS Online distanziert sich auch brav von jeglicher Prüfung auf Wahrheit:

“ Inhalt bereitgestellt von dpa. Er wird von der FOCUS-Online-Redaktion nicht geprüft oder bearbeitet“.

Und was lesen wir? Die SPD, die unverhohlen in ihrem Magazin „Vorwärts“ eine offizielle Zusammenarbeit mit der linksextremen „Antifa“ propagiert, wird als Opfer genau dieser Linksextremisten dargestellt, und dies nur, um das wahre Opfer AfD zu relativieren.

Schöner lügen mit der dpa.

Frank v Broeckel
4 Jahre her

Für die wenigen, die immer noch NICHT wissen, was das Ganze in Wahrheit überhaupt zu bedeuten hat! Bei einer angenommenen permanenten zusammengefassten Fruchtbarkeitsziffer von 1,4 im Verhältnis zu 2,1 haben jeweils 100 Deutsche UND jeweils 100 Ost- und Südosteuropäer IMMER durchschnittlich 66,66 eigene Kinder und IMMER durchschnittlich 44,44 eigene Enkel! Und pünktlich zum Jahre 2015 ff kommt eine Ersatzenkelstampede zumeist nichteuropäischer Ersatzenkel angerauscht, die aus den EINFACHEN Grunde nicht Ersatzenkel heißen, weil es hier in Deutschland kein eigenes Ersatzenkelrecht und kein eigenes Bundesamt für Migration und ErsatzenkelInnen gibt! Und aus diesen einfachen Grund heißen die zumeist nichteuropäischen Ersatzenkel für den… Mehr

CIVIS
4 Jahre her

… und dass die Leserzuschriften in Niveau und auch Rechtschreibung den Bezugsartikel meistens weit übertreffen, … das sollte allen „Haltungsjournalisten“ doch eigentlich zu denken geben; … wenn sie dazu überhaupt noch in der Lage sind !

Michael_M
4 Jahre her

„Dass es prozentual nicht so viele Flüchtlinge beziehungsweise Migranten gibt, trifft übrigens auf fast alle kleinen Orte im Osten zu.

Die Grünen holen übrigens ihre besten Ergebnisse traditionell dort, wo es weit und breit weder Atomkraftwerke noch bedrohte Regenwälder gibt, nämlich in zentral gelegenen Großstadtvierteln.“

ein immer wieder schönes beispiel dafür, dass:
* die #lügenpresse das pack für dumm hält und
* das #lügenpresse absolut und vollumfänglich gerechtfertigt ist.

find ich super ?

#promediensterben

W aus der Diaspora
4 Jahre her

Danke!
Eine perfekte Zusammenfassung der Woche 🙂

Snakebite
4 Jahre her

Ich habe den Artikel des“ Tagesspiegel“ gelesen… Hatte Relotius seine Finger bei dem Artikel im Spiel? Denn die Frage, wie der Journalist bei einer Wahlveranstaltung zugegen gewesen sein kann, die vor der Wahl stattfand und der Journalist erst nach der Wahl die Ortschaft besuchte, bleibt im Artikel ungeklärt und kann, so wie sich der Bericht liest, nur auf der Aussage eines zufällig später am Fenster vorbeigehenden Regionalpolitikers (welch Zufall) der (ich glaube!) Linken… Trotzdem wird die Stimmung im Saal und Reden im Saal wiedergegeben… (Erinnert irgendwie an unseren Heldenjournalist Relotius.) Könnte TE das einmal recherchieren? „Die Grünen holen übrigens ihre… Mehr

Gerro Medicus
4 Jahre her

Sie haben noch was vergessen: Nazi wird Ortsvorsteher in Altenstadt-Waldsiedlung! Mit den Stimmen von CDUlern und SPDlern. Es droht die Machtübernahme durch Nationalsozialisten…

Denn schließlich wurden die ja damals auch durch die Zentrumspartei an die Macht gebracht, (Wieso drängt sich mir da gerade der Gedanke auf, dass die Nachfolger der Zentrumspartei, die CDU, nun die Grünen mit an die Macht bringen will?
Zufälle gibts! Oder wiederholt sich hier nur Geschichte?)

Reinhard Schroeter
4 Jahre her

Seit September ’15 lohnt sich ein Block in die deutsche Presselandlandschaft und das Schauen und Hören deutscher Fernseh -u. Radioprogramme nur noch für einen Wähler/Anhäger der Blockparteien. So einer bin ich nicht und habe durch eine glückliche Fügung des Schiksals die Möglichkeit mich über die entsprechenden ungarischen Medien zu informieren. Natürlich schenken sich die regieungsnahen und die Medien der Opposition, was die Innnenpolik angeht, nichts und das will auch niemand. Die Unterschiede und Altanativen werden klar herausgestellt und ausgetragen, was die ungarischen Medien schon deshalb spannend und intessant macht. Worauf jedoch beide Seiten verzichten ist eine böswillige Häme und ehrabschneidende… Mehr

Der Andere
4 Jahre her

Gutes kann niemals aus Lüge und Gewalt entstehen. Mohandas Karamchand Gandhi Wie heißt es schon im Alten Testament: „Der schlimmste Mensch ist der, dessen Zunge schärfer ist als sein Verstand.“ „Ein marxistisches System erkennt man daran, dass es die Kriminellen verschont und den politischen Gegner kriminalisiert.“ Alexander Solschenizyn „Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie angeschaut haben“ Alexander von Humboldt Die Forderung einer Quote ist in unseren Augen die eigentliche Diskriminierung. Denn wenn man mit gesundem Menschenverstand davon ausgeht, dass alle Menschen gleich sind und auch genau das auch fördern möchte, ist es lächerlich irgendeine… Mehr

Susanne H.
4 Jahre her

Da ergibt der Ausspruch: „Perlen vor die Säue werfen“, eine ganz neue Interpretation! 😉
Die MSM scheinen in einer Trotzhaltung die Wirklichkeit in solcher Konsequenz verdrängt zu haben, dass sie wohl faktisch nur noch „Kuckuck“ aus ihrem entsprechenden Wolkenheim schreien/schreiben können!