Maybrit Illner: Beifall für einen Nachwuchs-Funktionär

Alle schreiben über den jungen Juso-Rebellen Kühnert, der uns vielleicht von Schulz erlösen kann. Bei Illner konnte sich jeder ein Bild machen. Haben wir endlich auch einen Macron? Oder einen Kurz?

Screenprint: ZDF/maybrit illner

Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz nannte ihn einen „grandiosen Typ“, von bento bis Süddeutsche wird „der redegewandte Juso-Vorsitzende“ (mdr-Staatsfunk) zum linken Hoffnungsträger hochgeschrieben, selbst „Bild“ lobte: „Er redet frei, geschliffen, argumentiert sachlich, aber pointiert.“ Na, dachte sich da Maybrit Illner, dann laden wir den Kevin Kleinert doch mal in die Sendung ein.

„Kühnert!“, sagte Kevin. „Oh ja, Herr Kühnert.“

Viele werden wegen Kevin Kühnert eingeschaltet haben, auch die, die wissen, dass der Juso-Vorsitzende für alles steht, was Vernünftige nur ablehnen können: Massenzuzug, Steuerschrauben, Krankenversorgung nach englisch-indischer Art. Aber in ganz Europa ist die Sehnsucht nach neuen Gesichtern groß, nach irgendeiner Hoffnung. Frankreich hat Macron, obwohl es kleiner ist als Deutschland. Österreich, noch kleiner, hat Kurz. Haben wir wenigstens Kevin?

Der bleibt dabei: „Das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten ist kein Regierungsauftrag.“ Er sieht nur den Auftrag, die AfD zu bekämpfen. Und nein, die Spaltung der SPD betreibe er nicht. Das sei „seit 150 Jahren nicht gelungen, insofern, als dass es unsere Partei immer noch gibt.“ Es gibt sie noch, das stimmt. Der Rest nicht.

Stephan Weil, SPD-MP von Niedersachsen, muss einerseits Kevin, den Unruhestifter, einbremsen und seinen Groko-Umfaller Schulz verteidigen, andererseits auch ein wenig Stolz auf seinen Parteinachwuchs vortäuschen. Das klingt dann so: „Ja, es muss sich was ändern!“ „Wir müssen hart arbeiten.“ „GroKo oder Neuwahlen, keiner der Wege ist ohne Risiko.“

Albrecht von Lucke. Wieder mal. Der ist begeistert von Kevin, will ihn aber sanft auf den Schulz-Kurs zurückführen, denn auch aus einer Groko-Asche könne die Partei aufsteigen, siehe „Beispiel Willy Brandt“.

Der Kevin hoffe gewiss selber, dass er seine Abstimmung am Sonntag verliere, so der schlaue Professor, denn sonst ist er der Boris Johnson, die ganze Führungsspitze erledigt, und die Merkel-Union gewinnt Neuwahlen haushoch.

Gabor Steingart, früher Spiegel, heute Handelsblatt, holt für seinen Juso-Kolumnisten und Kevinhymnen Camus‘ „Eine Revolte beginnt damit, dass einer aufsteht und nein sagt“ aus dem Zitatkasten und lobt, dass der Junge die „Selbstgespräche der SPD-Führung“ beendet habe. Woraufhin der Altgenosse Weil den Jungsozialisten vor solch „vergifteten Pralinen“ des Klassenfeindes warnt.

Dann sollen die Errungenschaften der Groko-Sondierung dem Publikum schmackhaft gemacht werden und eine Dorothea Mohn von der Verbraucherzentrale rechnet vor: Wer 4.000 Euro brutto verdient, spart 20 Euro bei der Krankenkasse, 40 Euro beim Soli, und kriegt im Falle des Falles 25 Euro mehr Kindergeld. Na, schönen Dank ooch.

Von Lucke ist dann schnell bei einem seiner zahllosen Lieblingsthemen: „Mit Macron gegen das Weltbeben.“ Während wir noch die GroKo-Geldgeschenke nachrechnen (das wäre in München knapp zweimal Haaransatztönen), sagt Julia Klöckner, CDU, was Hübsches zu Macron: „Der braucht noch ganz viel Aufbruch, um dahin zu kommen, wo wir schon sind.“

Brutaler Sieg eines scheinbar Sanftmütigen
Sebastian Kurz bei Maischberger: Der Tag, an dem das Alter sichtbar wurde
Nein, wir bleiben heute mal beim Kevin, der klar macht, seinetwegen könne „Schulz auch bleiben, wenn er am Sonntag verliert“. Maybrit Illner macht darauf den wirklich gelungenen Witz, Schulz könne das dann wohl kaum „guten Gewissens“ machen. Guten Gewissens! Großartig! Kevin meinte, dass das Festhalten am Nein (Schulz nach der verlorenen Wahl!) der eleganteste Weg gewesen wäre. Noch schöner wäre vor zwei Jahren der Wechsel zu Rot-Rot-Grün gewesen – zu dem Zeitpunkt hatte R2G die Mehrheit im Parlament.

Stephan Weil setzt währenddessen die Selbstgespräche der SPD-Führung fort, indem er räsoniert, die SPD hätte sich vor zwei Jahren ein schönes Wahlkampfthema aussuchen müssen, danach sei ihnen nichts mehr eingefallen. Aktuell schlägt er „Pflegenotstand“ vor, für die Bürgerversicherung, das wisse er genau, interessiere sich keine Sau. Darauf Illner: „Schulz hat gerade die Bürgerversicherung wieder auf die Agenda gesetzt.“

Steingart, der sich wohl freut, dass seine Auflage mit ein paar Tricks weniger stark herunterging als manche Konkurrenz, legte noch ein bisschen SPD-Bashing nach (es ist aber auch zu leicht). Sie reden von Bildung, und ihre Kader schicken ihre Kinder ins Ausland auf die Schulen. Dax-Unternehmen werden von Ausländern geleitet, weil wir keine Spitzenbildung haben in Deutschland.

Wohl wahr, Kevin ist das beste Beispiel. Schule, Politikstudium, nebenbei Juso-Chef. Geld gibt’s vom Staat als Mitarbeiter eines SPD-Abgeordneten. Mit dem Know How kann man kein Unternehmen leiten. Aber Bildung sagt nicht alles. Wir sind trotzdem enttäuscht nach Illner gestern. Kevin Kühnert ist kein Visionär, kein Revolutionär, er ist nicht einmal spektakulär. Am Ende ein Funktionär, der lange keine Wahlen gewinnen wird. Noch ist er – schreibt Bild – lediglich ein „SPD-Milchgesicht, das den Aufstand probt“.

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Kommentare ( 71 )

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Muller
6 Jahre her

Die „Bürgerversicherung“ an sich waere eine tolle Sache. Wer in einem Haushalt mit Angehoerigen von PKV und GKV ist, der kennt den Unterschied. Was nutzt einem Angehoerigen der GKV das Argument, dass die PKV-Patienten die Ausstattung der Praxen querfinanzieren, wenn diese Praxen ueberhaupt keine GKV-Patienten behandeln? Und solche Praxen gibt es hier in der Gegend viele. …

Arno Schäfer
6 Jahre her

„Kevin -Allein zu Haus“ -daran musste ich irgendwie denken: Ein vorlauter Dreikäsehoch, der selber noch keinerlei Leistungsausweis besitzt, dafür aber ein großes Mundwerk, aus dem andauernd altkommunistische Phrasen aus dem lala-multikulti-Wunderland rattern.
-Wenn DAS die Zukunft der SPD sein soll, dann empfehle ich eine Mitgliedschaft bei Dignitas, Exit oder anderen Sterbevereinen, damit der politische Selbstmord wenigstens nicht so weh tut..

Manfred Gimmler
6 Jahre her

Wenn Kevin Kühnert die SPD bereits hoffnungsfroh zu stimmen vermag, wie erschreckend muß dann erst deren Verzweiflung aussehen?

Daß jetzt ein Student der Politikwissenschaften trotz fehlender Berufserfahrung als „grandioser Typ“ (Kommunikationswissenschaftler Norbert Bolz) in der SPD und darüber hinaus zum Hoffungsträger avancieren darf, ist peinlicher Ausdruck für den desolaten Zustand unserer „politischen Elite“ und für den unter Apathie leidenden Bürger, dem offenbar schon ein neues Gesicht genügen mag.

Thomas Thorpe
6 Jahre her

Sehr geehrter Herr Paetow, nur weil einer schlau tut, ist er noch nicht Professor.

Hartwin Brückner
6 Jahre her

Wenn so etwas eine neue Hoffnung sein soll, dann gute Nacht. Mathematik beherrscht er keinesfalls, sonst hätte er nicht so seltsame Vorstellung von Familiennachzug.
Kurz hat gelernt und seine Politik der Realität angepasst….

Old-Man
6 Jahre her

Nach langer Zeit habe Ich aus reiner Neugier einmal Maybritt Illner geschaut. Ja,der Kevin kann die linke Seele auf Trab bringen,aber nicht meine,Ich bin konservativ. Es war spannend zuzuschauen,wie sich SPD altbacken gegen SPD jung und links behaupten kann.Mein Fazit zu den beiden :unentschieden. Den eigentlich sympatischen Jungspund auf dem Parteitag zu sehen,das kann für die altbackenen der SPD Führungsriege eine echte Bewährungsprobe werden! Das der gute alte Albrecht von Lucke schier vor Verzückung leuchtete,das sei dieser alten linken Seele gegönnt,er hatte es ja in letzter Zeit nicht leicht sich für seine SPD zu begeistern. Aber den Kevin jetzt mit… Mehr

Gero Hatz
6 Jahre her

Wenn dieser Milchbart die Zukunft der SPD verkörpern soll, sehe ich gute Chancen dass diese Partei verschwindet. Ihn mit Kurz zu vergleichen ist wirklich absurd.

mathilda
6 Jahre her

„Frankreich hat Macron, obwohl es kleiner ist als Deutschland. Österreich, noch kleiner, hat Kurz. Haben wir wenigstens Kevin?“
Nein, besser: wir haben Alice Weidel.

Luisa die Aeltere
6 Jahre her

Danke Herr Paetow. Insbesondere auch fuer Ihre wieder sehr professionell humoristischen Jahresrueckblick-Buecher. Realsatire speziell. Die Schweizer und Ungarn haben sich allerdings gewundert, dass wir ueberhaupt noch lachen koennen. „Knapp 2 x Haaransatz-Toenen“ – das reicht mir, um diese Schwaetzrunde nicht sehen zu muessen. Danke dafuer. Ich dachte, diese Moechtegern-Formate belaestigen uns nicht mehr. Aber mal wieder nur ein Traum. Oder ein Traeumchen – wie dieser Dingsda sagte….

Eine Regierung zu haben...
6 Jahre her

…ist besser als keine Regierung zu haben, sagte jemand in der Runde. NJET! Keine Regierung zu haben ist besser als diese Regierung zu haben.