Lehrer klärt Tagesschau über Mathe und Statistik auf

Die Tagesschau hat gleich zwei Fehler in einem Artikel gemacht. Da hat Mathe-Lehrer Roland Jeske „im Kampf gegen mathematischen Unfug“ Initiative ergriffen und einen Brief an ARD-Chef Kai Gniffke geschrieben.

imago Images

Ein Tagesschau-Bericht befremdet den Hochschullehrer Professor Roland Jeske „im Kampf gegen mathematischen und statistischen Unfug“. Und das gleich in „zweierlei Hinsicht“. Darum hat er dem ARD-Intendanten Kai Gniffke einen Brief geschrieben, der TE vorliegt.

Konkret kritisiert Jeske den Beitrag der Tagesschau „Prognosen zur Inflation: So entwickeln sich die Preise“ vom 26. April dieses Jahres. In diesem Artikel war von einer Inflationsprognose für dieses Jahr von 65,9 Prozent die Rede. Das würde bedeuten, dass die Kaufkraft innerhalb eines Jahres um ganze zwei Drittel abnähme. Wenn dem so wäre, dann würde wohl Chaos ausbrechen. Und zwar so richtig. Darum geht Jeske davon aus: Der Verfasser des Artikels hat möglicherweise das Komma falsch gesetzt. So machte dieser aus einer Inflationsprognose von gemeinten 6,59 Prozent eine von 65,9 Prozent. Kommafehler – wer kennt es nicht. Flüchtigkeitsfehler haben wohl alle schonmal gemacht. So ein Fehler kann ja mal passieren.

Aber scheinbar bemerkte niemand diesen Fehler – außer Jeske. Und das lässt den Lehrer wundern: „Bin ich nach zwei Wochen öffentlicher Pressemeldung Ihres Hauses der Erste, der diesen offenkundigen Fehler überhaupt entdeckt und liest derartige Meldungen mit doch wichtigen tagesaktuellen politischen Aussagen in Ihrem Haus eigentlich irgendjemand kritisch durch, bevor diese veröffentlicht werden?“, fragt er Gniffke in seinem Brief. Außerdem legt Jeske dem ARD-Intendanten ans Herz, sich die Frage zu stellen, „wer überhaupt noch die Meldungen der Tagesschau in Gänze liest, wenn derartige Fehler unerkannt durchgehen“. Nach zwei Wochen hat die ARD ihren Artikel korrigiert und die Inflationsprognose der Bundesregierung zu 6,0 Prozent berichtigt – wenn auch, ohne auf ihren Fehler hinzuweisen.

Doch das war noch nicht alles: Jeske stellt nicht nur die mathematischen Kompetenzen der Journalisten der Tagesschau – bezahlt von der Rundfunkgebühr – in Frage, sondern auch die statistischen. Im gleichen Artikel, dessen Autor Gniffkes Redaktion nicht bekannt gibt, wird Jeskes „statistisches Befinden unangenehm berührt“. Eine Grafik veranschaulicht die Inflationsrate im Zeitraum von 1992 bis 2021. Runder hätte es geklungen, hätte die Grafik den Zeitraum von 1992 bis 2022 gezeigt. Und es wäre laut Jeske auch statistisch korrekt gewesen: Immerhin hat das Statistische Bundesamt bereits Mitte Januar in einer Pressemitteilung die Inflationsrate für das letzte Jahr mit 7,9 Prozent bekanntgegeben. In den drei Monaten danach, bis die Tagesschau ihren Artikel mit der Grafik veröffentlichte, müssten sie es eigentlich geschafft haben, auch diese Inflationsrate zu berücksichtigen. Diese hätte der Grafik einen „deutlich anderen Charakter verliehen“, betont Jeske. Er möchte daher von Gniffke wissen: Warum hat die ARD-Redaktion das Jahr 2022 nicht dargestellt, hat sie es womöglich vergessen oder unterschlagen?

Bisher hat die ARD die Inflationsrate des letzten Jahres trotz des Hinweises von Jeske noch nicht in die Grafik aufgenommen. Und hält somit ein nicht-aktuelles und vor allem verharmlosendes Bild der Inflationsentwicklung der letzten Jahre aufrecht. Auf den Brief hat Gniffke bisher ebenfalls nicht reagiert und entsprechend keine Stellung zu den Fehlern aus seiner Redaktion genommen. Sollte er noch antworten, wird TE berichten.

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Kommentare ( 61 )

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Harry Charles
10 Monate her

WIE SCHÖN,

dass es außer mir noch wenigstens einen (!) Lehrer in Deutschland gibt, der (vielleicht) kein Linksgrüner ist. Allerdings: 6,59 ist wahrscheinlich etwas wenig, vielleicht haben die einfach hochgerechnet wie es aussieht, wenn Habeck, Baerbock, Scholz und Co. noch ne‘ Weile am Ruder sind. Dann wird wahrscheinlich selbst 66% noch zu wenig sein.

Wolfgang Schuckmann
10 Monate her

Ganz kurz: Getreide wird nicht durch Bienen bestäubt, sondern durch den Wind.Die Biolehrer heute aber auch…..

Homer J. Simpson
10 Monate her

Auweia! Drei Dinge auf einmal? Das geht doch wirklich nicht! Das konnten mal die Ü-Eier, aber Redakteure im ÖRR? Hier ist die Qualitätshürde nicht an sowas banales Beiwerk wie mathematischer, literarischer, physikalischer oder geschichtlicher Kompetenz aufgehangen, nein, hier ist es an der Königsdisziplin der Ideologie verankert, wer Redakteur im ÖRR wird! Grünes Parteibuch reicht! Spart sogar die Nachfrage nach sämtlichen Referenzen! Mehr darf es aber nicht sein! Noch ein abgebrochenes Studium dazu – und eh man sich versieht sitzt man für die Grünen im Bundestag oder wird Minister! Das wäre dann das Ende vom Traum des Redakteur beim ÖRR…. Und… Mehr

Last edited 10 Monate her by Homer J. Simpson
Andreas aus E.
10 Monate her

Es geht nicht um eine Komma-, sondern um eine Haltungsnote. Ich beispielsweise schwitze mir gerade den Mors ab, trotz kurzer Hosen und Klimawandel und mache mir Sorgen, ob Lebensmittelpunktgesponsin lebendig vom Wahllokal heimkehren wird, und ob ich, der ich gleich meine Mutter besuchen möchte, nicht von Genderisten überfallen werden wird.
Zu aller Information, insonderheit an „Grüne“: Ein „Germane“ kann auch ohne jegliche Hilfsmittel so richtig stinkig werden. Einfach in Ruhe lassen. 🙂

Ananda
10 Monate her

Derartige „Fehler“ kommen eben dabei heraus wenn „Haltung“ produziert wird und man sich nicht mehr mit der Wirklichkeit beschäftigt, früher auch als Fakten bekannt..
Das gravierendste Beispiel dazu ist augenblicklich „Wärmepumpen sind toll“. Die passenden Fakten dazu wären: Deutschland hat weder das belastungsfähige Energienetz um diese Massen an Zwangs-Wärmepumpen zu beliefern, noch eine verlässliche Energieproduktion. Warum ist wohl ab 2024 Energierationierung angesagt?

Andy Malinski
10 Monate her
Antworten an  Ananda

Es gibt außerdem zu wenig Wärmepumpen und zu wenig Fachbetriebe, die sie in der propagierten Menge installieren können …

puke_on_IM-ERIKA
10 Monate her

Es geht beim Lügen- und Lückenfunk nicht um Berichterstattung, sondern um ReGIERungsgefällige und – devote Verlautbarung. Was da nicht hineinpasst, wird gerne mal weggelassen aka unterdrückt-daher Lückenfunk. Vielleicht merkt‘s ja keiner….

Sozia
10 Monate her

„…wer überhaupt noch die Meldungen der Tagesschau in Gänze liest, wenn derartige Fehler unerkannt durchgehen““ Die Tagesschau erreicht mich seit bald einem geschätzten Vierteljahrhundert überhaupt nicht mehr. Sehe ich das doch mal zufällig irgendwo, kommt in mir ein Gefühl der Verzweiflung auf über so viel offensichtlichen manipulativen Stumpfsinn. Ich kann es nur empfehlen, es mir nachzutun, das klärt den Kopf und hilft beim Denken.

Illidan
10 Monate her

Das Niveau, auf welchem in den Öffentlichen seit Jahrzehnten Logik und Statistik praktiziert wird, sollte eigentlich jeder MINT student nach einem Semester hinter sich gelassen haben.
Die öffentliche Debatte wird absichtlich stupide gehalten, das hat System. Und kleine Schlampigkeiten, an denen sich die Kritiker abarbeiten können, schaden diesem System nicht, sie nützen ihm.

Petra G
10 Monate her

Da kann er lange warten, bis eine Antwort von dem Herrn bekommt. Nach den geradezu größenwahnisnnigen Plänen für eine Transformation vom ÖR zum Streaminganbieter Nr. 1.
Neue Maßeinheit für den weitesten Abstand zur Realität = 1 Gniffke

kasimir
10 Monate her
Antworten an  Petra G

Trotzdem finde ich es gut, wenn man die ÖR immer mal anschreibt und auf eklatante Fehler hinweist.
Von mir bekommen die auch immer mal wieder Post (z.B. warum Arne Schönbohm nicht rehabilitiert wird, Böhmermann sollte verpflichtet werden in seiner Sendung mindestens eine Richtigstellung zu bringen). Was auch immer sehr effektiv ist, wenn man das Schreiben parallel als offenen Brief bei Twitter oder auf einem anderen Medium veröffentlicht, dann sehen sich die werten Herrschaften von ARD/ ZDF nämlich meist gezwungen, zu antworten :-))

Oblongfitzoblong
10 Monate her
Antworten an  Petra G

Sie wählen gleich ein Maximum als Grundeinheit. Was geschieht mit Politiker*innen? Haben die mal eben 5 Gniffke, oder noch mehr? Wird es dann, wie bei der Erdbebenmessung, eine nach oben offene Gniffkeskala geben?

Monostatos
10 Monate her

Was soll man auch anderes erwarten, wenn die proklamierte Zielsetzung nicht die objektive, faktenbasierte Berichterstattung, sondern die „Meinungsbildung“ ist. Bei ARD, ZDF und anderen selbsternannten „Leitmedien“ geht es dementsprechend ausschließlich darum, dass die Meldungen „passend“ sind. Was nicht passt, wird wie bei Handwerkspfuschern passend gemacht.