Die Folgen grenzenloser Arbeitsmärkte

Solange der Zustrom an billigen Arbeitskräften aus dem Ausland weiter anhält oder sich sogar noch weiter verstärkt, haben die Arbeitskräfte in den neuen Dienstleistungsbereichen wenig Aussicht auf eine Verbesserung ihrer Lage.

Screenprint:ARD/hart aber fair

Wer in Frank Plasbergs Talkrunde „Hart aber fair“ die Diskussion über das Thema „Feste Jobs gestrichen, Löhne gedrückt: ist das die neue Arbeitswelt?“ verfolgt hat, bekam anhand von zwei Beispielen vor Augen geführt, welche Folgen die um sich greifende Grenzenlosigkeit der Arbeitsmärkte inzwischen auf weite Teile der Beschäftigten in Deutschland hat. Am Beispiel der geplanten Schließung von Produktionsstandorten der Siemens AG wurde den Zuschauern vor Augen geführt, dass die Mitarbeiter global tätiger, großer Industriekonzerne im Hochlohnland Deutschland zunehmend mit Arbeitskräften in Niedriglohnländern, sei es in Osteuropa, in Asien oder anderswo im Wettbewerb stehen.

Durch Standortverlagerungen in diese Länder nutzen deutsche Unternehmen die entsprechenden Kostenvorteile zur Verbesserung ihrer eigenen Wettbewerbsfähigkeit und Steigerung ihrer Profitabilität. Dieser Prozess hat schon in den 1980er Jahren begonnen und ab den 1990er Jahren erheblich an Fahrt aufgenommen. Ein Ende ist nicht abzusehen.

Die Beschäftigten an den deutschen Standorten geraten dadurch unter einen zunehmenden Wettbewerbsdruck der globalen Arbeitsmärkte. Ihre Arbeitsplätze und ihre vergleichsweise hohen Löhne und Gehälter lassen sich nur halten, wenn die mit ihnen einhergehenden Mehrkosten durch eine höhere Qualität und Produktivität der erbrachten Arbeitsleistungen ausgeglichen werden. Andernfalls müssten sie zur Sicherung ihrer Arbeitsplätze Einkommenseinbußen hinnehmen. Nicht nur die großen Industriekonzerne, sondern auch viele, global tätige mittelständische Unternehmen treffen mit ihren Betriebsräten und Gewerkschaften deswegen schon seit Jahren Standortvereinbarungen. In ihnen wird meist geregelt, mit Hilfe welcher qualitäts- und produktivitätssteigernden Maßnahmen die Kosten so weit gesenkt werden können, dass bestehende oder auch neu geplante Produkte weiterhin an deutschen Standorten gefertigt werden können. Mit diesem Vorgehen ist auch der Vorstand und der Betriebsrat der Siemens AG vertraut, weshalb der gestrige Appell aller Talkgäste an die Verantwortlichen des Unternehmens, die deutschen Standorte nicht einfach aufzugeben, auch voll und ganz gerechtfertigt ist.

Keine Lösung in Sicht
hart aber fair: In der Paketbranche ist alles hart und nichts fair
Während die meisten Industrieunternehmen, ihre Betriebsräte und die zuständigen Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften seit Jahren gelernt haben, ihre Produktions- und Lieferantennetzwerke unter Einbindung der deutschen Standorte und der dort beschäftigten, gut bis sehr gut bezahlten Mitarbeiter global auszubauen, haben sich zeitgleich neue Dienstleistungsbereiche mit prekärer Beschäftigung und schlechter bis sehr schlechter Bezahlung entwickelt. Sie arbeiten teilweise, etwa als Leiharbeitsfirmen, den Industrieunternehmen zu, erbringen aber auch Dienstleistungen für ganz andere Kunden, zum Beispiel in Gestalt der bei „Hart aber fair“ behandelten Paketdienste. Zusammen tragen beide Beschäftigungsbereiche zur vergleichsweise geringen Arbeitslosigkeit in Deutschland bei. Während die Beschäftigten des einen Bereichs von ihrer Arbeit gut oder auch sehr gut leben können, haben die Beschäftigten des anderen Bereichs große Mühe, von ihrer Arbeit einigermaßen leben zu können. Ihre Arbeit läßt sich zwar nicht ins Ausland verlagern, da sie nur ortsgebunden erbracht werden kann; sie lassen sich aber dadurch unter einen verstärkten Wettbewerbsdruck setzen, indem das Arbeitskräfteangebot deutlich ausgeweitet wird.

Das geschieht seit Jahren durch die Öffnung der Arbeitsmärkte für Arbeitskräfte aus den europäischen Krisenländern sowie für Arbeitskräfte aus den Armuts- und Kriegsgebieten dieser Welt. Das Angebot an billigen Arbeitskräften in den neuen Dienstleistungssektoren ist dadurch inzwischen so groß geworden, dass nicht nur der Preis der Arbeit in diesen Sektoren ins Bodenlose sinkt, sondern sich auch die Arbeitsbedingungen zusehends verschlechtern. Der Arbeitsplatz eines schlecht bezahlten Paketboten lässt sich nicht dadurch sichern, dass er sich bei der Auslieferung noch mehr beeilt, wenn vor der Tür des Paketdienstleisters hundert weitere Arbeitskräfte stehen, die sich ebenso und vielleicht sogar noch mehr beeilen und gleichzeitig bereit sind, dies auch noch für einen geringeren Stundenlohn zu tun. Selbst ein gesetzlich vorgeschriebener Mindestlohn ist unter solchen Bedingungen ein kaum taugliches Mittel, die Drift nach unten zu stoppen.

Seine Chancen auf einen gesicherten Arbeitsplatz und eine bessere Bezahlung verbessern sich für unseren Paketboten nur dann, wenn das Unternehmen, für das er arbeitet, Mühe hat, frei gewordene oder neue Arbeitsstellen mit weiteren Arbeitskräften zu besetzen. Solange der Zustrom an billigen Arbeitskräften aus dem Ausland weiter anhält oder sich sogar noch weiter verstärkt, haben die Arbeitskräfte in den neuen Dienstleistungsbereichen wenig Aussicht auf eine Verbesserung ihrer Lage.

Das ist nicht ihre Schuld, auch nicht die Schuld der Kunden, die für die erbrachten Dienstleistungen nicht viel bezahlen wollen, sondern die Schuld einer Politik, die der Zuwanderung billiger Arbeitskräfte aus dem Ausland keine Grenzen setzt, sondern diese aktiv vorantreibt. Nutznießer dieser Politik sind die Inhaber der jeweiligen Unternehmen, nicht jedoch deren Mitarbeiter. Besonders erstaunlich ist deswegen, dass insbesondere linke Parteien, einschließlich der Gewerkschaften, diese Politik unter der Parole der „Weltoffenheit“ mit betreiben. Deren Lamento über die skandalösen Arbeits- und Einkommensbedingungen in den neuen Dienstleistungssektoren, bei „Hart aber fair“ vorgetragen von Leni Breymaier, der früheren Verdi-Vorsitzenden und heutigen SPD-Vorsitzenden in Baden-Württemberg, klingt daher alles andere als überzeugend.

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Kommentare ( 71 )

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Mensch nach staatlichem, deutschen Recht
6 Jahre her

„… im Hochlohnland Deutschland …“
Haben Sie den Jahrtausendwechsel verschlafen? Hochlohnland Deutschland, daß war nicht gestern, daß war nicht vorgestern, daß war im vorigen Jahrhundert!

Gero Hatz
6 Jahre her

Ich bin zwar der Ansicht, dass man heutzutage bei Politikern automatisch ein hohes Mass an Inkompetenz und Ignoranz unterstellen sollte; dass die Politiker aber so blöd sein könnten, ihre zukünftigen Wähler importieren zu wollen ist erstaunlich. Was wir bei der nächsten Wahl sehen werden, ist die MEP (Muslimische Einheitspartei Deutschlands) mit 10 % der Stimmen.

Bernd
6 Jahre her

Warum wird bei den Löhnen so ein Faß aufgemacht, während die EZB unsere Ersparnisse nach lust und laune Entwerten darf. Gerecht ist es erst, wenn die Löhne sich wie die Zinsen verhalten.

hubert paluch
6 Jahre her

Genau auf diesem Ticket ist Donald Trump zu seinem Wahlsieg gesegelt. In Deutschland liegt die Arbeitslosigkeit im Sektor der Geringqualifizierten bei über 20%. Genau in dieses Segment stoßen jetzt die meisten Migranten, wobei zahlenmäßig die Zuwanderung aus Osteuropa die der Elendsflüchtlinge aus Afrika bei weitem übersteigt. Die Personenfreizügigkeit zerlegt die EU langfristig so sicher wie das Amen in der Kirche. Großbritannien hat als erstes Mitgliedsland die Reißleine gezogen, nachdem Angela Merkel, ganz die Tochter eines kommunistischen Pastors, im Gespräch mit David Cameron keinen Millimeter von dieser Monstranz der linken Internationalisten abweichen wollte.

Mausi
6 Jahre her

Vielen Dank, dass sie dieses Thema hier so treffend darlegen. Das ist meine Rede seit Jahren, aber überall hört man nur das Argument, dass die ausländischen Arbeitskräfte ja gebraucht würden, weil es Fachkräfte seien. Wer bereits vor 15 Jahren die Augen aufgemacht hat, konnte sehen, dass keine Fachkräfte zuwandern, sondern Niedrigqualifizierte, die in billigen Dienstleistungen arbeiten und die Löhne immer weiter gedrückt haben. In manchen Branchen (und ich schließe hier zynischerweise die Prostitution mit ein) arbeiten seit Jahren kaum noch oder gar keine Deutschen mehr.

Frank Ruzek
6 Jahre her

Zwei Aspekte fand ich sehr richtig in der Diskussion. Der erste Aspekt stammte von Herr Vichy und betraf die „Vaterlandslosen Gesellen“ = Konzerne. Da ist viel dran. Der zweite Punkt betraf die durchgehende Haftung bis zum „Hauptauftraggeber“, hier z. B. Hermes. Er müsste belegen, dass seine Subunternehmer den Mindestlohn zahlen. Wenn nicht, dann sollte dies als Straftat eingestuft werden und nicht als Owi, bei der Nichtzahlung von Sozialabgaben klappt dies ja auch. Unerträglich für mich Herr Erster, er hat maßgeblich bei der Deregulierung der Post- und Paketdienste mitgewirkt und ist nun Vorsitzender der Vereinigung der privaten Zusteller; wohl ein „kleines“… Mehr

JohannesJ
6 Jahre her

Die Paketdienste haben ja massive Probleme, ausreichend Zusteller zu finden für die stetig zunehmende Flut an Paketen. Allerdings: Wir haben doch Marktwirtschaft. Wenn mehr Zusteller benötigt werden, muß man eben mehr Lohn bieten und bessere Arbeitsbedingungen. Wir haben keinen „Fachkräftemangel“, nichtmal einen generellen Arbeitskräftemangel, wie es dieser Tage durch die Presse schallte – wir haben Mangel an ordentlich entlohnten Arbeitsplätzen. Naja, andererseits hat Angela uns ja anderthalb Millionen potentielle Zusteller importiert, deren schulische Bildung oftmals auch zu nicht wesentlich anspruchsvollen Berufen qualifizieren dürfte. Dann wird Amazon also auch in Zukunft nicht mehr als zwei Euro pro Paket berappen müssen. Einziger… Mehr

Helmut Bühler
6 Jahre her

Grün-Links leidet geschlossen unter einer ausgeprägten kognitiven Dissonanz bis hin zur Behandlungsbedürftigkeit.
Wer sich seinen Restverstand bewahrt hat schaut fassungslos auf das bunte Treiben. Da sind ja nicht nur die Gewerkschafte, die freudig internationale Knechte fürs Lohndumping im Land begrüßen, sondern auch Linke, die eine Religion mit Absolutheitsanspruch hegen und pflegen, linke Schwule, die Schwulenhenker wilkommen heißen und Grüne, die ein Gefängnis aus Stoff als Ausdruck der fraulichen Selbstverwirklichung begreifen.
Welche Neurotransmitter müssen da in Unordnung geraten sein – und wie mag man das wohl heilen können?

Licht und Schatten
6 Jahre her

‚Diese Leute werden tun, was der Iman ihnen sagt‘ und ‚ Grüne und SPD wählen‘ kann fuer eine Weile das Gleiche sein

Roland Springer
6 Jahre her

Mit der Vermutung des Wählerimports haben Sie wahrscheinlich recht. Ob die Importierten den linken Parteien dies nicht danken werden, muß man erst noch sehen. Bislang wählen zum Beispiel die türkischen Muslime überwiegend SPD.

hubert paluch
6 Jahre her
Antworten an  Roland Springer

Das hat sich seit der Armenien-Resolution im Bundestag geändert.