Tichys Einblick
Nicht sehr bekömmlich

Bei Maischberger gab‘s Schlachtplatte

Schwere Kost zu später Stunde, die nur durch den hochprozentigen Auftritt Jan Fleischhauers genießbar wurde.

Screenshot ARD

Ist er das schon, der älteste spätnächtliche Debattenzirkel im Deutschen Fernsehen? Gefühlt jedenfalls schon, und wenn man ihn nach dem Ablauf beurteilt, nach der Qualität der Ausführung und den handwerklichen Details, dann wird es schon wieder Zeit für eine Runderneuerung, auch wenn die letzte grade mal ein paar Monate zurückliegt. Was sich allerdings nicht an der Qualität der Gäste bei Maischberger festmachen ließe. Für das Mahl angereist waren :

Jörg Meuthen, AfD (Bundesvorsitzender) – Für ein Interview-Intervall vorgeladen
Heide Rezepa-Zabel (Kunstsachverständige, „Bares für Rares“)
Von Wien aus zugeschaltet: Nikolaus Barta (Kunstversicherungsexperte)
Sandra Navidi (Finanzexpertin)
Jan Fleischhauer („Focus“-Kolumnist)
Albrecht von Lucke (Politikwissenschaftler)

Das Menu hatte auf den ersten Blick in scheinbar gleicher Rangfolge nur Hauptgerichte zu bieten, die Kandidatenkür für den SPD-Vorsitz, der kommende Parteitag der AfD, der Millionendiebstahl in Dresden, den Auftritt Bloombergs als Präsidentschaftskandidat in den USA und die möglichen Verstrickungen des Prinzen Andrew in den Epstein-Skandal. Ein Bauchladen an Themen, die man gut und gerne auch einzeln mit je 75 Minuten Sendezeit und denselben Gästen trefflich hätte besprechen können.

Ob die Anziehungskraft der Talkshow nun an der Attraktivität der Darbietung liegt oder einem gewissen Nimbus der Alternativlosigkeit, ähnlich dem, den altgediente Regierungschefinnen genießen, bleibt dem Urteil der Zuschauer überlassen. Und die scheinen Frau Maischberger immer noch treu verbunden.

Zumindest die Anwesenheit einiger kritischer Geister sollte doch anregend auf die Gespräche wirken. Begonnen wird mit der Frage an den Kolumnisten des Focus, Jan Fleischhauer, ob er denn einen „Gewinner der Woche“ ausmachen könne? Und das konnte er in der Tat, nämlich Markus Söder, den „früheren bayerischen Holzklotz“, der nun durch die bayerische  Rednerschule (Bierzelte, gefüllt mit tausenden Bajuwaren) gestählt, auf dem CDU-Parteitag zum Platzhirschen avanciert sei. Obwohl es natürlich ein leichtes sei, eine Rede von Angela Merkel in den Schatten zu stellen.

Hier schaltet sich zum ersten, und beileibe nicht letzten Male, Albrecht von Lucke ein, der die Rede der Kanzlerin durchaus als eine starke in Erinnerung habe. Söder bräuchte noch ein paar Jahre Lagerung, bis er zum Kanzlermaterial reifen würde.  Zum Verlierer der Woche wählte man einstimmig Friedrich Merz, aus dem nun die „Luft“ entwichen sei, als er zwar im Vorfelde aggressiv getönt aber hernach brav den Treueeid auf Merkel und Kramp-Karrenbauer geschworen habe.

Großer Junge auf dem Turm
Friedrich Merz: Der Junge, der nicht ins Wasser springt
Jan Fleischhauer machte darauf aufmerksam, dass, so glaube er, Kollege Tichy das sehr schön beschrieben habe: Der Bengel, der im Freibad auf den 5er Sprungturm steige und dann feige wieder herunterschleiche, weil er sich nicht traue, ins Wasser zu springen. (Szenen-Applaus)

Von der CDU schwenkte man nun zum ersten Menupunkt des Abends, den letzten Metern im Rennen um den SPD-Vorsitz. Albrecht von Lucke hält Olaf Scholz für den „Richtigen“, schon wegen seiner Prominenz als Finanzminister. Die anderen kenne man ja kaum, wer wisse denn schon, wer Norbert Walter-Borjans sei? Und mit dessen Aufruf zum Verzicht auf einen eigenen Kanzlerkandidaten der SPD habe er die Position der Partei geschwächt. Diese Idee der Doppelspitze sei im Übrigen bei den Grünen abgekupfert. Jan Fleischhauer bemerkte lapidar, dass er, aus einer traditionell der SPD tief verbundenen Familie komme und darauf verzichte, die am Boden liegenden Partei noch zu treten, die immer vor allem an ihren Vorsitzenden gelitten habe, sogar an Willy Brandt.

Pflichtschuldig ließ Maischberger noch die spät aufgetauchte mögliche Kandidatur für die US-Präsidentschaft des Demokraten Michael Bloomberg anreißen: Sandar Navidi, schon lange wohnhaft in New York, durfte ihre Zweifel daran anbringen, dass in den USA nur Kandidat werden könne, wer entweder Milliardär sei oder einer alten, mit dem Weißen Hause vertrauten Dynastie entstamme. Trotzdem sei Bloomberg für sie ein ernstzunehmender Gegner für Donald Trump, der nun durchaus angeschlagen sei, die Sympathie vieler Amerikaner (die ihn aus vielen Jahren Showmastertätigkeit bestens kennen würden) aber nach wie vor nicht verloren habe.
Hauptgericht

Sandra Maischberger trug nun den heimlichen Hauptgang des Abends auf: Jörg Meuthen, Bundesvorsitzender und Sprecher der AfD, durfte zum Einzelgespräch Platz nehmen. Schnell wurde klar, dass jedenfalls die Moderatorin sich hier auf einer Mission wähnte. Auf mehreren Seiten könnte man nun über diese, sich über fast die gesamte Sendezeit hinziehenden, bis aufs Messer ausgetragenen Wortgefechte Buch führen. Im Hintergrund nicht etwa Fotos der anderen Themen des Abends, von Prinz Andrew, den gestohlenen Klunkern aus Dresden, Bloomberg oder Scholz, sondern eine Ahnengalerie der AfD. Wie Terrier hingen Sandra Maischberger, zeitweise sekundiert von dem – darüber sicher todunglücklichen – Namensvetter des Parteigründers an den Hosenbeinen von Meuthen und zerrten, was die Kräfte hergaben.

Verwirre und herrsche
Bundestagsdebatte: Merkel ist die Meisterin der entwaffnend schlechten Rede
Rentenkonzept, rote Linien, Brandmauer zum rechten Rand, zweifelhafte Äußerungen der Parteikollegen, zu jedem Thema prasselten Fragen auf den Gast ein. Das Ziel war es, diesem Piratenschiff in friedlichen deutschen Gewässern, der Partei, deren Namen man nicht ausspricht, einen Fangschuss zu versetzen, bevor es ins Trockendock ihres Parteitages laufen kann. Das Flutventil Jörg Meuthen öffnen, um den Kahn endlich in Schlagseite zu versetzen. Aber so sehr sie versuchten, den Mr. Teflon der AfD in eine Lage zu manövrieren, in der er zuzugeben gezwungen wäre, nun aber doch die Mitgliedschaft in der Partei aus Gewissensgründen aufgeben  zu müssen : es gelang nicht. Höcke, Gedeon, Curio, deren Verfehlungen alle zitiert wurden, um Meuthen zu einer Abkehr vom Irrglauben zu bewegen, es half nichts.

Man konnte die Verzweiflung spüren, die in der Unverschämtheit gipfelte, den so Bedrängten auch nach seiner offiziellen Verabschiedung aus dem Interview noch aus der Kulisse heraus an den Tresen zurück zu zitieren (komm’se mal zurück!), weil man die Diskussion über ihn und seine Partei schlecht in seiner Abwesenheit hätte fortführen können. Und wo dann dieser Rückruf auf die Bühne darin gipfelte, ihm das Versprechen abnehmen zu wollen, die Hardliner in der Partei mit zielgerichteten Fragen auf dem Parteitag bitte schön zu Fall zu bringen. Beim Abgang des Parteivorsitzenden dann Applaus, wegen dessen Leistung oder der der Showmasterin? Großes Kino, aber nicht aus der A-Klasse.

Als Dessert wurden noch serviert: Die Schmuckexpertin Heide Rezepa-Zabel, vielen bekannt als Schmuckexpertin aus Horst Lichters Show „Bares für Rares“ – für die sich Sandra Maischberger noch ein paar Minuten nahm, um den Zuschauern die Angst vor dem Verlust der Dresdner Schätze Augusts des Starken zu nehmen. Frau Rezepa-Zabel konnte Hoffnung machen: Vielleicht würden ja die Schmuckstücke in „ein paar Jahren“ wieder  auftauchen, aber erst nachdem wer immer für den Diebstahl verantwortlich sei, „sich genügend damit amüsiert habe“. Der zugeschaltete Experte aus Wien durfte noch eben die Zweifel an der Sicherheit solcher Preziosen in den offenbar nur spärlich gesicherten Museen bestätigen, dann wurde die Runde verabschiedet und der Zuschauer entlassen. Das Thema Epstein und die möglichen Gefahren für das britische Königshaus waren hinten heruntergefallen, aber das schien niemanden wirklich mehr zu stören.

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