Bei Maischberger der Dämonisierungsstadl mal ohne Dämonen

Dieses Mal traut sich Sandra Maischberger einfach nicht, ihren üblichen Dämonisierungskurs zu fahren. Aber beim nächsten Mal wird das schon wieder klappen. Wetten?

Screenshot ARD

Sandra Maischberger möchte am Tag nach dem deutschen Nationalfeiertag über West- und Ostdeutschland sprechen. Über „Tage der Uneinheit“ Und sie fragt: „Ist Deutschland gespalten?“ Ein dolles Stück. Denn fragt da nicht eine der aktivsten Spalterinnen? Eine Talkmasterin des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, die zuvor den Graben quer durch die Gesellschaft Sendung für Sendung weiter vertieft hat? Wer das anders sieht, der möge bitte nachlesen. Zum Beispiel hier

Also: schon die Fragestellung ist falsch. Die Moderation möchte einen Keil dort hineintreiben, wo zusammengewachsen ist, was einmal zusammengehören sollte und wollte. Möglicherweise aber ist die Spaltung auch zu allererst gar keine horizontale, sondern eine vertikale. Eine zwischen oben und unten. Zwischen den Bürgern und jenen, die sich zu ihren Schulmeistern emporschwingen wollen, den politischen Eliten, den Absahnern und ihren Gefolgsleuten in den Medien und Chefetagen. Nein? Könnte man aber so lesen, wenn man in den sozialen Medien mal dem Volk auf’s Maul schaut, solange dort die  Maas’schen Löschteufelchen noch nicht zugeschlagen haben.

Haben und Sagen
Ossis: Nicht integrierbar in die rot-grüne Republik
Wer ist nun bei Maischberger eingeladen dazu Stellung zu beziehen? Kerstin und Frank Hansen aus Langballig sind dabei. Muss man nicht kennen, könnte man aber, wenn man z.B. Leser der Schleswiger Zeitung ist. Die berichtete über das ungleiche Paar, sie in der SPD aktiv, er in der AfD. Die Tierärztin und der Marineoffizier. Wo sonst das Drehbuch für eine veritable Romanze möglich scheint, müssen sich die beiden gegen Anfeindungen erwehren: eingeschlagene Autoscheiben, Farbbeutel-Attacken. Ebenfalls dabei sind Bettina Gaus, die politische Korrespondentin der taz. Martin Patzelt, CDU-Politiker aus Frankfurt (Oder). der den Wahlkreis von Alexander Gauland gewonnen hat. Und Ralf-Dieter Brunowksy, der hat als Journalist mal die Zeitschrift Capital versenkt, ehe er in den Job „Medienberater“ flüchtete.  „Rechtspopulisten” in den neuen Bundesländern seien eine Zumutung für „alle Demokraten” lautet seine lichtvolle Erkenntnis.

Der interessanteste Gast allerdings sollte doch Boris Palmer sein: Der Grünen-Politiker musste innerparteilich einiges einstecken, als er einen härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik genannten Immigrationspolitik forderte – auch deshalb, weil er es wagte, darüber sogar noch ein Buch zu schreiben – dankbar aufgenommen vom politischen Gegner. Dennoch: beharrlich glaubt der Oberbürgermeister von Tübingen: „Meine Politik ist das beste Rezept gegen die AfD“,

Also los geht’s. Frau Gaus darf zuerst und meint, Risse hätte es schon immer gegeben. Das wüsste sie auch deshalb so genau, weil ihr Vater der ständige Vertreter der Bundesrepublik in der DDR war. Man erinnert sich dunkel. Herr Patzelt sieht einen der Gründe warum die AfD im Osten so viel Stimmen bekam auch darin, dass die Linke nicht mehr die Rolle hat, die sie zuvor gespielt hätte. Herr Palmer erinnert daran, dass man niemand zurückholen kann, den man vorher beschämend nennt. Das Vokabular müsse geändert werden.

Ehepaar Hansen ist dran. Er betrachtet sich als 89er mit einem intensiven Gefühl, sich gegen Bevormundung wehren zu müssen. Patzelt weiß nicht, wer sich bevormundet fühlen könnte. Dafür bräuchte es doch keine Sammelbewegung für aufgestaute Gefühle. Brunowksy erinnert an das Sommermärchen, da wäre doch noch alles anders gewesen und er war auch noch auf der Höhe der Zeit, damals, wie schön war das doch in der Jugend. Und heute riefen so viele „Volksverräter“, wenn die Bundeskanzlerin irgendwo auftritt. Dabei ginge es doch so vielen besser. Dresden und Leipzig ständen im bundesweiten Städteranking unter den ersten vier.

" Wäre Jamaika die richtige Antwort?"
Bei Anne Will: Der nicht integrierte Ossi und der schlaue Herr Prantl
„Sind die Ostdeutschen Verlierer oder Gewinner?“ fragt Maischberger. Brunowksy erwartet jetzt „Ärmel hochkrempeln“ von den Ostdeutschen statt jammern; der Ossis ist faul, das hat sich gehalten bei einem, der nie Umbrüche erlebte. Diese Staatsgläubigkeit muss wohl in den Genen der DDR-Bürger stecken. Böse! Martin Patzelt erzählt, er hätte Ostdeutsche gefragt, „Wollt Ihr so leben wie damals?“ Wollte keiner. Aber was will Patzelt dann? Dankbarkeit? Sich besser fühlen im Kopf mit der Einheit, sagt er. Immerhin blitzte ihm der Wohlstand aus allen Türen, Fenstern und Gehöften entgegen. Maischberger fragt, warum dann so viele die AfD gewählt haben. Die AfD also als Lackmustest für das Böse. Man stelle sich einmal vor, hier würde diskutiert werden, was die AfD besser machen könnte als die anderen. Hier und anderswo ist so eine Fragstellung unvorstellbar.

Für die TAZ–Journalistin entsteht viel Ohnmacht aus der Globalisierung. Sie scheint die letzte Linke bei der durchgegrünten TAZ zu sein. Patzelt erinnert wieder an die West-Alimentierung der neuen Bundesländer in den letzten 27 Jahren. Irgendetwas wie Dankbarkeit müsse da schon sein. Und Verantwortung übernehmen auch für die DDR. Immerhin hätten viele am System mitgearbeitet. Jetzt immer nur wie die Kinder an der West-Mutterbrust saugen, ginge nicht. Klar ist hier allenfalls: So etwas hätte kein Westler sagen dürfen.

Ehepaar Hansen ist die ersten 30 Minuten zum Zuhören verdammt. Brunowksy erinnert, dass man zu DDR Zeiten wenig mit Ausländern zu tun hatte, aber in der Diktatur wusste, mit welchen Mitteln man Sicherheit schaffen kann. CDU-Politiker Patzelt erinnert noch mal daran, dass der überwiegende Teil der Menschen im Osten nicht wie die AfD ticken. Patzelt war übrigens der, der privat die beiden Afrikaner als leuchtendes Beispiel aufgenommen hatte und damit durch die Presse ging.

Familie Hansen darf immer noch nicht. Nun sind seit der Vorstellkung der beiden ungleichen Partner schon 40 Minuten vergangen. Die Fremdenfeindlichkeit ist kein Ostdeutsches Problem, weiß die Dame von der TAZ. Rassismus und Ausländerfeindlichkeit seien Ventile. Sie selbst fand Frau Merkels „Flüchtlingspolitik” übrigens „prima“. Die Wut über Globalisierung und ein nicht demokratisches Europa hätte auch ein anderes Ventil gefunden, wenn die „Flüchtlinge” nicht gekommen wären. Eine steile These. Zu steil, um hier von der Runde aufgenommen zu werden.

Nach 45 Minuten nimmt sich Herr Hansen von der AfD einfach das Wort und holt dankenswerterweise den selbstgefälligen Herrn Patzelt von seinem Gutbürger-Podest, auf dem er immer höher wuchs. Hier beginnt dann auch das Durcheinanderreden, weil sich auch Frau TAZ dem AfDler entgegenstellen will. Aber leider wurde Herr Patzelt kritisiert und nicht sie. Patzelt verspricht jetzt, in den nächsten vier Jahren der Wut hinterher zu gehen, „Da beißt die Maus keinen Faden ab.“ Na dann.

Die Spaltung geht weiter
Parteiensystem: Der nächste Wahlkampf hat eben begonnen
Nach 50 Minuten endlich der Einspieler „Ehepaar Hansen“. Es gab Sitzungen der SPD, erzählt Frau Hansen, wo es um ihre Ehe ging. Ein SPDler aus den eigenen Reihen hätte sogar Scheidung gefordert. So eine Partnerschaft wäre unmöglich. Natürlich, komisch ist es schon, wenn der Ehemann plakatiert „Freiheit statt Sozialdemokratie“, um dann mit einer Unfreien verheiratet zu sein. „Mein Mann war immer schon konservativ,“, lächelt Frau Hansen dazu versöhnlich. Herr Hansen schwärmt, wie attraktiv der Aufbruch war in der AfD. Er bringt die Parteienstaats-Kritik ins Spiel. Direktdemokratische Momente müssten her. Den Staat haben die Parteien unter sich aufgeteilt. Keiner geht darauf ein, wie sehr der Hass jetzt in die Familien einzieht. Seit wann müssen Ehepaar immer in einer Partei sein? Aber jetzt wird eben das Private politisiert.

Maischberger fragt sich, wie das zu Hause sei bei Hansens. Auch Herr Maischberger hätte Ihr die Frage mit auf den Weg gegeben. Dann muss sie. So geht’s bei den Maischbergers also. Und dann wird’s schön: Frau Hansen nennt Stegner aus der eigenen Partei als negatives Beispiel für Bevormundung. Na hoffentlich kommt morgen kein cholerischer Stegner mit roten Farbbeuteln im Gepäck zu den blöden Hansens nach Langballig. Weit hat er es ja nicht.

Tatsächlich wird das Gespräch besser in dem Moment, wo die Hansens ins Spiel gekommen sind. Hier sitzt eine SPD-Politikerin, die offensichtlich anders umgeht mit der AfD als Maischberger und der ganze Rest der Runde und alle Runden zuvor. Und es wird auch klar, dass es nicht alleine daran liegt, dass Ihr Ehemann bei der AfD ist.

Frau Gaus möchte die Ängste und Nöte der AfD nicht ernst nehmen, schon gar nicht bei Hooligans und Stöckchen hinhaltenden Funktionären. Da hört es bei ihr auf mit dem Verständnis. Das Parteiestablishment der AfD würde zündeln, ohne selbst Flüchtlingsheime anzuzünden.

Wenig Hoffnung
Boris Palmer schüttelt sein schwäbisches Haupt
Palmer erzählt, er wurde von der Antifa mit Getränken überschüttet und angerempelt als Rassist und Ausländerfeind. Es gäbe doch drei Strategien gegen die AfD, die miteinander konkurrieren. Erstens wäre da Ausgrenzung, Diffamierung, Dämonisierung – das wäre mit Blick auf die AfD wenig hilfreich. Dann gäbe es das Totschweigen und ignorieren. Das funktioniere auch nicht. Sein Vorschlag sei „Dialog und Respekt“, aber mit aller Härte in der Diskussion. Aber es gäbe eben viele auch in seinen Reihen, die lieber dämonisieren wollen. Nicht nur dort, möchte man ihm zurufen, leider ist auch die gesamte Sendung darauf aufgebaut, die AfD als das ultimativ Böse zu dämonisieren.

Zwei Journalisten, ein Grüner, ein CDUler und ein Ehepaar mit unterschiedlicher Parteizugehörigkeit, das sich erstaunlich gut versteht. Aber was war das nun? Die AfD zwar durchgehend im Mittelpunkt der Diskussion. Aber man kreist auch hier um die Partei, als tanze man um ein goldenes Kalb des politischen Protests gegen das Establishment als Gotteslästerung.

Stanislaw Tillich
Der sorbische Sachse: Die Leute wollen, dass Deutschland Deutschland bleibt
Versöhnliches zum Schluss: Martin Patzelt versteht das Ehepaar als Modell, wie wir miteinander umgehen könnten. Und die AfD sei eben nun da in den Parlamenten, wo jetzt solche Diskussionen geführt werden könnten. Bloß klingt das ebenso vernünftig, wie das, was Boris Palmer über den Umgang mit der AfD gesagt hat. Aber  man muss an dieser Stelle eben auch konstatieren, dass beide damit Außenseiter in ihren Parteien sind. Außenseiter in allen etablierten Parteien wären.

Ja damit sogar außerhalb des Konzeptes der gesamten Sendung stehen. Nur hier traut sich Sandra Maischberger diesmal einfach nicht, ihren üblichen Dämonisierungskurs zu fahren. Wer mag, verstehe das als Fortschritt. Aber es steht zu befürchten, dass schon die nächste Sendung wieder nach dem alten Muster verläuft. Schauen wir auch dann mal.

Ach so, Brunowksy (1968 Offiziersanwärter bei der Bundesmarine, Corpsstudent) sagt dann noch Obrigkeits-treu, Stanislaws Tillichs „Deutschland muss Deutschland bleiben“ sei total beknackt – und Palmer und Patzelt schlagen sich dabei zustimmend gegenseitig auf die Schenkel. Von so einer Phalanx kann doch die Kanzlerin bei ihren Jamaika-Verhandlungen nur träumen, oder? Sympathieträger des Abends, natürlich ganz klar: Kerstin und Frank Hansen. SPD und AfD. Na, das ist doch mal was.

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Kommentare ( 24 )

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24 Comments
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Peter Gramm
6 Jahre her

Kleinwüchsige sind immer besonders aggresiv.

frederike
6 Jahre her

In der Basker Zeitung ist unter dem Titel ein Artikel geschrieben worden. Mehr Demokratie wagen. Sehr sehr lesenswert. Lege ich wärmstens ans Herz.
Geistiger Ziehvater ist das SED Regime der DDR. Sie war für Propaganda heute sagt man PR zuständig und das funktioniert in allen Systemen ähnlich.

Sagittarius A *
6 Jahre her

O.K. – ich werde mal darauf achten. Mit meinem Beitrag wollte ich Palmer auch nicht heiligsprechen.
Nur im Vergleich zu der völligen Unfähigkeit des Großteils der anderen Politiker auch nur minimalst auf Außeneinflüsse, wie Kritik, zu reagieren, schien mir die (eigentlich selbstverständliche, bei anderen aber inzwischen nicht mehr selbstverständliche) Fähigkeit an sich, erwähnenswert.
Das sagt nur aus, dass Palmer, meiner Meinung nach über diese Fähigkeit verfügt, aber nichts darüber, zu welchem Zweck er sie einsetzt.

Thomas Hensel
6 Jahre her

Zum Ausgleich für diese annulierte Ehe gibt es doch dann sicher eine neue Ehe zweier anderer Personen. Identisches Geschlecht kein Hindernis! Artikel 6 GG? Drauf gepfiffen. Einer mit falscher Parteipräferenz? No go!

Queensland
6 Jahre her

Natürlich wurde Herr Patzelt bei Maischberger NICHT nach dem Werdegang der aufgenommenen Flüchtlinge gefragt. Danke, dass Sie recherchiert haben. Wenn sich Politiker so gutmenschlich schmücken, sollten investigative Journalisten nachfragen. Denn wir wollen schließlich wissen, ob es klappt mit dem Stroh zu Gold spinnen und den zukünftigen Rentenzahlern 🙂

Sonnenschein
6 Jahre her

Danke Herr Wallasch. „Ehe für alle“ nur nicht für Fam. Hansen…………..

Ralph Maier
6 Jahre her

Hallo, Herr Patzelt hatte das m.W. in einem Interview selbst einmal erwähnt. Ich hatte dies selbst im TV gsehen.
Ist allerdings schon eine Weile her. Die genauen Umstände und Vorkommnisse weiß ich allerdings auch nicht; also frei erfunden ist das Ganze nicht.

nachgefragt
6 Jahre her

„Patzelt weiß nicht, wer sich bevormundet fühlen könnte.“ Ein aktuelles Paradebeispiel von Bevormundung und Wählertäuschung findet derzeit leider keine Beachtung. Merkel hat ja bereits die Bekanntgabe ihrer Pläne bezüglich der Vertiefung der EU im Sinne Macrons und Junckers auf nach den 15.10. verschoben. Was bisher in unseren Medien, auch hier bei TE, keine Beachtung fand, ist das Dokument „Communication – Tacking Illegal Content Online“ der EU-Kommission: http://ec.europa.eu/newsroom/dae/document.cfm?doc_id=47383 Dabei handelt es sich um nicht weniger als die Ankündigung, das deutsche NetzDG EU-weit und verschärft einzuführen. Man darf annehmen, in der Voraussicht, wenn das deutsche Gesetz gekippt werden sollte, hat man dann… Mehr

Montesquieu
6 Jahre her

zu Punkt 2): ich habe eine andere Theorie:

Die AfD ist da am stärksten, wo die schulische Früh-Indoktrinierung noch nicht so weit fortgeschritten ist und wo ein offener Austausch über einschlägige Tabuthemen im Kollegen- und Freundeskreis zumindest noch eingeschränkt möglich ist.

Wer sich in NRW etwas auskennt, weiß, dass die Präsenz von Ausländerkriminalität nichts mit der AfD-Akzeptanz zu tun haben kann.

Der Frosch im sich erhitzenden Topf quakt nicht.

Wir lagen vor Madagaskar
6 Jahre her

Mein Beitrag von oben bezieht sich absolut in keiner Weise auf Opfer, da gibt es nichts mißzuverstehen. Im Gegenteil, die Metapher vom tausendjährigen alten Holz ist eindeutig für den Geschichtskundigen: die Einstellung macht keinen Unterschied zwischen Braun, Rot oder Grün. Sie ist stets präsent. Und bedient sich oft der gleichen Instrumente.