Angstvoll weichgespült: ZEIT scheitert mit Text zur Seenotrettung

Der ehemalige Kriegsreporter Ulrich Ladurner scheitert mit seinem Versuch, die Wahrheit zu schreiben, ohne seiner Zeitung weh zu tun. Oder hat die ZEIT seinen Kommentar kontra redigiert?

Shutterstock / Screenprint ZEIT Online

Die Aufregung ist groß, besonders laut keift einmal mehr Jakob Augstein, wenn er einen Kollegen der ZEIT via Twitter maßregelt: „Der Text von Ladurner ist einfach beschämend!“

Genannter Ulrich Ladurner ist Italiener aus Südtirol. Und der hatte in der ZEIT getitelt: „Sea-Watch hilft auch Matteo Salvini“

Es geht hier also um Kategorien wie Scham und Schande. Jeder will in dieser Kakophonie der Gutmeinenden die erste Geige spielen, wenn reflexartig beispielsweise auch EKD-Chef Bedford-Strohm seinen unheiligen Senf dazugegeben muss: „Eine Schande für Europa!“

Und weiter beim Bischof von Berlin/Brandenburg: „Die Aussicht auf Ernte für die Bemühungen so vieler Menschen in der europäischen Zivilgesellschaft, allen voran der Sea-Watch-Crew, um Humanität ist an diesem Tag eine besondere Ermutigung. Meine Gedanken und Gebete sind an diesem Morgen bei Carola Rackete.“

Und als wären diese bischhöflichen Erntedanksagungen nicht schon nervig genug, wird Bedford-Strohm nun auch noch Ehrenbürger von Palermo, verliehen von Palermos linksgerichtetem Bürgermeister Leoluca Orlando, wohl um der italienischen Regierung einen auszuwischen. Und inwieweit diese Kräfte alle in einem Boot sitzen, wurde noch einmal deutlicher, als Orlando mitteilte, dass er neben Bedford-Strohm auch die private Seenotrettungsorganisation Sea-Watch auszeichnen möchte.

Aber was konkret hat Europa-Korrespondent Ladurner, der für die ZEIT schon aus den Krisengebieten Irak, Iran, Afghanistan und Pakistan berichtet hat, geschrieben, was ihn nach Mariam Lau zum nächsten Buhmann beim Wochenblatt in Sachen „Seenotrettung“ macht? Wird sich die ZEIT auch dieses Mal genötigt fühlen, so eine erzwungene Entschuldigung abzusetzen?

Wahrscheinlich war schon der Einstiegssatz maximale Provokation, wenn Ladurner mit der These startet: „Auch Lebensretter müssen sich Kritik gefallen lassen.“ Klar, das klingt zunächst unsinnig, denn wer ein Leben rettet, der ist sehr weit entfernt von einer kritischen Auseinandersetzung mit seinem Tun; hier zählt das Überleben dessen, um den sich gekümmert wurde. Mehr wäre dazu eigentlich nicht zu sagen.

Das waghalsige Manöver der Carola Rackete
Lampedusa und Sea-Watch 3: Ohne Rücksicht auf Verluste
Normalerweise. Aber diese Debatte ist aus sich heraus vergiftet, wenn vor der libyschen Küste Migranten Boote besteigen mit nur einem Ziel: sich außerhalb der libyschen Hoheitsgewässer in „Seenot” zu bringen und das zeitlich und örtlich möglichst so präzise zu takten, dass auf hoher See ein Schiff einer europäischen Nichtregierungsorganisation unterwegs ist, demgegenüber man seine „Seenot” anzeigen kann und das dann gewillt ist, die Aufgenommenen nicht etwa an das nächste Ufer zu bringen, sondern nach Europa, um dort den begehrten Asylantrag zu stellen, der diese Asylzuwanderer in die deutschen Sozialsysteme oder in solche anderer nordeuropäischer Länder übergibt.

Ulrich Ladurners Text ist alles andere als ein Aufreger, er ist sogar insoweit ein echtes Ärgernis, weil der Autor sich nicht entscheiden kann, weil er zerrieben wird zwischen der Sorge der Zeitung um den nächsten Shitstorm und die nächste erzwungene Entschuldigung.

Doch, Ladurner hätte ahnen dürfen, auf was er sich einlässt und dann entweder argumentativ gut aufmunitioniert auftreten oder es besser sein lassen. So wünscht er sich ziemlich hilflos eine „Deeskalation“ zum Thema Migration und er möchte die „Debatte um Migration entgiften“, er möchte weiter nicht weniger, als die europäischen Gesellschaften „zusammenführen und versöhnen“.

Aber so redet man nicht mit politischen Ideologen. So kann man schon gar nicht einen journalistischen Artikel eröffnen, der kritisch auf diese „Seenotrettung“ vor der libyschen Küste schauen und gleichzeitig vermeiden will, dass der Arbeitgeber dafür erneut in die Knie gezwungen wird. Nein, das kann nicht funktionieren.

Die Rettungsaktionen im Mittelmeer sind für Ladurner „eben nicht nur ein „klarer Akt der Menschlichkeit““, sondern er schreibt: „Aber die Arbeit von Sea-Watch ist eben auch ein politischer Akt mit konkreten politische Folgen.“

Für den ZEIT-Redakteur aus Südtirol spielt Sea-Watch durchaus eine Rolle für den Wahlerfolg Salvinis. Aber das kann nur die falsche Frage sein: Wer diese unverantwortlichen Aktionen vor der Küste Libyens einordnen und kritisieren will, der erreicht nichts, wenn er vorgibt, auf der selben Anti-Salvini-Seite zu stehen und die Tätigkeit der Nichtregierungsorganisationen nur deshalb zu kritisieren, weil sie indirekt Salvini unterstützen würden. Das ist tatsächlich anbiedernder Blödsinn. Und die Reaktionen zeigen schon, dass diese fragwürdige journalistische Vorgehensweise nicht greift.

Für Ladurner ist die Anlandung der Sea-Watch 3 eine Provokation des Innenministers Italiens. Sicher ist sie auch das, aber auch diese Frage ist nachgereicht, wenn es darum geht, warum dieses Schiff überhaupt in der Lage war, Menschen zu ermutigen, sich in Lebensgefahr zu bringen.

Aber ein viel lohnenswerterer Gegenstand einer journalistischen Arbeit wäre es doch, zu recherchieren und zu berichten, welche Rolle hier beispielsweise der deutsche Außenminister spielt, wenn der sich mit seiner Befürwortung der Aktionen der Nichtregierungsorganisationen (NGO) vor der libyschen Küste in die inneren Angelegenheiten Italiens einmischt. Dann, wenn Heiko Maas mit der gleichen Mission wie Bedford-Strohm unterwegs ist, als der der rechtskonservativen Regierung Italiens ein paar Nadelstiche versetzen wollte.

Weil sich Ulrich Ladurner nun aber für sie ZEIT so scheut, die Dinge beim Namen zu nennen, kommt alles durcheinander, wenn er dann noch die schlechte wirtschaftliche Situation Italiens als idealen Nährboden für den Konflikt betrachtet: „Und mitten hinein steuert Sea-Watch ein Schiff mit 42 Migrantinnen und Migranten, die wohl kaum ahnen, in welchen politische Konflikt sie da geraten sind.“

Was für ein journalistischer Murks ist das eigentlich? Oder wurde der Text erst vermurkst, als sich zu viele Entscheider bei der ZEIT mit dem Rotstift über den Text beugten in Erinnerung ihres Canossa-Ganges, als es darum ging, sich für besagten NGO-kritischen Artikel entschuldigen zu müssen?

Ulrich Ladurner fragt ganz schüchtern: „Wie wäre es, wenn Sea-Watch das eigene Handeln und Auftreten einmal überdenkt – und vor allem die politischen Folgen solcher Protestaktionen?“

Wie wäre es, wenn die ZEIT einmal überdenkt, ob sie zukünftig wieder vernünftigen Journalismus machen will, wie es Chefredakteur Giovanni di Lorenzo schon Anfang 2017, also vor über zwei Jahren, mit dicken Backen angekündigt hatte, ohne dass freilich zwischenzeitlich etwas besser geworden wäre?

Der ehemalige Kriegsreporter Ulrich Ladurner wünscht sich mehr Aktionen „ohne Lärm“ in der Migrationskrise. Im Ergebnis wird ihm nun viel Lärm um nichts serviert. Um seinen weichgespülten Artikel, den Kollege Jakob Augstein auf Twitter „beschämend“ findet. Das allerdings ist er nicht. Ladurner hat einfach nur den unmöglichen Versuch unternommen, solche unqualifizierten Äußerungen der üblichen Verdächtigen wie Augstein zu vermeiden und damit das Gegenteil erreicht.

Mit wirklich konsequenter journalistischer Arbeit wäre das nicht passiert. Und wenn die Zeit dem verdienten Kriegsreporter hier einen Maulkorb umgelegt hat, dann hätte er sich konsequenterweise verweigern müssen. Hat er aber offensichtlich nicht.

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Kommentare ( 84 )

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Aljoschu
4 Jahre her

Das dem ganzen Dilemma zugrundeliegende Problem ist, dass Merkel und Gabriel es zugelassen haben, dass Schwarz-Rot scheibchenweise aber stetig linke und grüne Ideologie zur Basis ihrer Politik gemacht haben. In der Umweltpolitik ist es die Panikmache vor dem menschengemachten Klimawandel, dabei wird unterschlagen, dass das Klima sich in der Erdgeschichte immer im Wandel befunden hat und dass es dafür viele Gründe gibt, die viel einflussreicher sind als das Zutun unserer Generation Menschen. In der Asylpolitik ist es die Unterstellung, wir hätten es generell mit Flüchtlingen aus Krieg und Not zu tun, so etwa wie einige unserer Großeltern, die vor 75… Mehr

Wolfgang M
4 Jahre her

Das Problem in Deutschland ist, dass man nicht zwischen Flüchtlingen und Schiffbrüchigen unterscheidet. Schiffbrüchige bringt man zum nächsten Hafen. Unsere Seenotretter übernehmen bei der Schleusung die letzte Lücke nach Europa. Ob sich auf dem in Seenot geratenen Boot Flüchtlinge, Glückssucher, Kriminelle oder Terroristen befinden, können die Seenotretter überhaupt nicht beurteilen. Aber die Schiffbrüchigen werden alle nach Europa gebracht. Dass die sich selbst und vorsätzlich in diese Lage gebracht haben, wird dabei überhaupt nicht berücksichtigt. Unsere Politiker, unsere Medien, unsere Kirchen unterstützen die Seenotretter und geben diesem Vorgehen einen moralischen Unterbau. Eine Begründung dafür ist, dass die Europäer für das Klima,… Mehr

Sonny
4 Jahre her

Ich wünschte, ich würde morgen früh aufwachen und die ganze linksgrüne Gesinnungsmeute wäre auf Nimmerwiedersehen verschwunden, insbesondere die der selbsternannten Journalistenkaiser. Dann herrschte endlich wieder Frieden und man könnte sich auf die wirklich wichtigen Sachen konzentrieren.

Riffelblech
4 Jahre her

Dies Aktion der sog Seenotretter ist von Anbeginn an kriminell . Sich GPS gesteuert dorthin zu begeben ,wo die Schlepperschiffe,nämlich größere Boote ankommen ,die kleine Boote im Schlepp haben ,in welche die sog Flüchtlinge dann umgeladen werden ,die dann zum — Retten— freigegeben werden ,das ist schlichtweg Verarschung . Leider ,unsere Regierung speziell BP und BA geben sich der Hoffnung hin,keiner merkt den Betrug . Und ja ,es ist auch richtig ,das viele Bürger sich dieses Vorgehens eben nicht bewusst sind ,weil darüber nicht gesprochen werden darf. Somit sind wir wieder bei staatlich und freilich auch kirchlich sanktioniertem Betrug ,auf… Mehr

Cubus
4 Jahre her

Von NGOs beeinflusster Haltungsjournalismus, dessen journalistische Freiheit sich in der Freiheit von 200 alten Männern erschöpft, ihre Meinung zu sagen.

martin ruehle
4 Jahre her

Steinmeier, Maas, Bedford Ohnekreuz und die übrigen „prominenten“ Vertreter der verdrehten Realitätsverlorenen repräsentieren nicht Deutschland!

Sie sind die Spitze des rosa-grünen Eisbergs, der seit den späten 60ern in der alten Bundesrepublik in immer kürzeren Abständen mit der politischen Vernunft kollidierte bis diese schließlich weitgehend versenkt wurde.

Wer aus ideologisch motivierter,illegaler Menschenschlepperei „Seenotrettung“ konstruiert ist entweder grenzenlos naiv oder vorsätzlich verlogen unterwegs!
Diese Lügen werden – auch bei noch so häufiger Verbreitung durch die Hofberichterstatter und Profiteure der illegalen Masseneinwanderung – keinen Bestand haben.
Der Widerstand gegen den „linksverdrehten“ Zeitgeist wächst – nicht nur in Italien und Osteuropa …!

Richard Beuthler
4 Jahre her

Ich kann es nicht glauben, daß Menschen die Zeit-Redakteure wirklich so eindimensional denken !?!

Ich denke, diese „Aktivisten“, getarnt als „Journalisten“ wenden wieder nur einen alten Trick der Linken: Die eigene Agenda als „von den Meschenrechten gedeckt“ etc. zu überhöhen, um jede kritische Auseinandersertzung gleich nieder knübbeln zu können !

Wenn wir diese Menschen nicht stoppen wird Europa und vorallem DE von Ausländern nur so geflutet … das wird dann den gesellschaftlichen Zusammenhalt vollens zerstören !

Werner Brunner
4 Jahre her

Ja mei , so sind , denken und handeln sie halt , die Mehrheit der Journalisten …. Seltsames ** , wohin ich auch schau ….. Bei dem einen Printerzeugnis oder TV – Sender mal mehr , beim anderen mal weniger … Aber , immer ideologisch und oberlehrerhaft , besserwisserisch sowieso …. Ich frage mich immer wieder , woher nehmen die Vertreter dieser Zunft ihr Selbstvertrauen , sich so zu äußern ? Eine völlig ungeschützte Berufsbezeichnung reicht aus , jedes noch so dummes Geschwätz unter die Leute zu bringen …. So ähnlich verhält es sich auch mit den Politikern ….. Ist… Mehr

Reiner07
4 Jahre her

Seenotrettung mit automatisierter illegalen Einreise in die EU? Hier wird ein Abholservice praktiziert, der lediglich Rettung vorgaukelt und real nur Schleusung betreibt. PERVERTIERTE ANGEBLICHE RETTUNGEN! Seenotrettung zum nächsten Hafen von Nordafrika ist offenbar keine Rettung? Gibt es ein Verbot echte Gerettete zum nächsten Hafen zu bringen? Nein gibt es nicht, es ist eigentlich die übliche Standardprozedur, doch genau dies wird durch die von Soros gesteuerten NGO‘s ignoriert. Was zeigt, dass es niemals um Lebensrettung ging, sondern darum möglichst viele illegale Migranten anzulanden. Die Reise ohne Visum ins Schlaraffenland, in dem man die kostenlose Rundumversorgung, eine Wohnung und ein Taschengeld bekommt,… Mehr

bkkopp
4 Jahre her

Es scheint, dass der Konflikt derzeit nicht lösbar ist. Die einen meinen, dass die “ Seenotrettung “ ein ehrenwerter, humanitärer Akt sei und dass die Leute nicht in den nächsten Hafen, oder dorthin zurückgebracht werden könnten wo sie herkommen. Die anderen meinen, dass die Flüchtlinge dafür bezahlen, um in Seenot und in die Rettung geschickt zu werden, und, dass die “ Retter “ kein Recht haben, die Flüchtlinge in Europa abzuladen. Die Art und Weise der Einfahrt in den Hafen von Lampedusa ist ein zusätzliches juristisches Thema. Die Ereignisse und die öffentliche Propaganda für eine Seite, vom Bundespräsidenten bis zum… Mehr

Kassandra
4 Jahre her
Antworten an  bkkopp

Wenn, wie Putin erklärte, ein Kardinalfehler zugrunde liegt, gibt es keine Lösung.