Sich endlich selbst schöner trinken

Püriertes Obst oder Gemüse galt lange Zeit vielleicht als adäquat fürs Altersheim oder Babynahrung. Doch mit der Jahrtausendwende schwappte der Smoothie-Trend aus den USA über den Großen Teich. Seither glauben Gesundheitsfanatiker und Weltenretter an die Heilkraft der Säfte. Das ist riskant.

Steffi Loos/Getty Images

Wer in hohem Alter Obst nicht mehr beißen kann, greift zu Babygläschen mit Püriertem. Daraus entstand dank moderner Hoch­leistungsmixer, die mühelos Avocado­kerne bis auf Feinstaubkörnung zer­kleinern, ein Hype für die Jugend. Da Bananenmilch und Erdbeerpüree das Odium der zahnlosen Oma anhaftet, entstanden als Gegenentwurf die „grü­nen Smoothies“ zur Rettung der Welt. Und sich selbst kann man damit auch gleich schöner trinken.

Die edelsten Rohstoffe kommen heu­te aus der Biotonne. Explizit werden die Blätter von Radieschen, Kohlrabi und das Kraut von Möhren empfohlen, selbst zu giftigen Rhabarberblättern wurde schon geraten. „Am Gemüse­stand oder im Supermarkt lassen wir sie gern als Abfall zurück“, beklagen Ernährungsexperten, „doch das ist eine ungeheure Verschwendung.“

Der Verschwendung soll ein Riegel vorgeschoben werden, dafür wird dann der genießbare Teil verschmäht. „Ver­wenden Sie für die Zubereitung eines grünen Smoothies ausschließlich das Blattgrün und nicht die Knolle“, rät eine „ganzheitliche Ernährungsberaterin“: „Die Knollen (etwa Rote Bete) sind zu­ dem sehr stärkehaltig und sollten nicht roh im Smoothie verarbeitet werden, da dies häufig zu Verdauungsbeschwerden führt.“ Aber auch vor Möhren oder Nüs­sen wird wegen Unbekömmlichkeit ge­warnt. Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. Abfall allein genügt für eine echte Weltrettungsplörre noch nicht. Da fehlt noch eine Handvoll Laub, welches uns die Bäume darbieten. Schließlich sei dieses, als die Menschen noch natur­ verbunden lebten, verspeist worden. Stimmt: Zum letzten Mal vor 100 Jah­ren – während des großen Hungers am Ende des Ersten Weltkriegs.

Jetzt fehlen nur noch die „gesunden Kräuter“. Die allein genügen nicht, es sollten schon Wildkräuter sein, egal welche. Nur verschämt wird im Neben­ satz erwähnt, er sollten halt keine Gift­kräuter sein. Doch wer kennt noch die Kräutlein am Wegesrand?

Giftcocktails

Als Regelkonsum gelten unter Hard­core­-Weltrettern täglich ein bis zwei Liter, schon allein um die Fünf­-am­-Tag­-Pflichtmenge zu vertilgen. Er­ fahrungsgemäß führt das zu hefti­gen Bauchbeschwerden. Deshalb soll man sich nur jede Viertelstunde ei­nen Schluck gönnen. Denn das bringt „Power fürs Immunsystem“! Die Mix­turen haben Vorbilder: Eine Brühe aus Brennnesseln und Rhabarberblättern beispielsweise verwendet der Biobau­er zur Bekämpfung von Blattläusen. Vielleicht will er deren Immunsystem stärken?

„Warum ist der grüne Smoothie so gesund?“, fragt ernstlich ein „Dr. med.“ seine Leser. Wir ahnen die Phrase, die jetzt folgt: Es ist die „große Bandbreite an Vitaminen, Mineralien und Wirk­stoffen, die dem Körper guttun. Diese Form der Nahrungsaufnahme stellt sich als eine der gesündesten Formen heraus … Weil der Smoothie nicht er­hitzt wird, bleiben alle gesunden Stoffe des Drinks erhalten.“

Es stimmt ja, dass Wildkräuter und Schalen mehr Wirkstoffe enthalten „als Tabletten und Tropfen“. Aber die ha­ben nichts im Essen verloren: Es sind meist Pestizide – damit schützt sich die Pflanze vor Schädlingen. Probleme ver­ursacht die Oxalsäure im Kraut vieler Gemüsearten. Sie erzeugt Nierensteine. Pyrrolizidine zerlegen die Leber bei­nahe wie ein Uhrwerk. Oder die Poly­acetylene, zum Beispiel im Möhren­ kraut: Das Nervengift Carotatoxin ruft hin und wieder bei vorwitzigen Kun­dinnen Lähmungen hervor.

Das waren nur drei von Tausenden wirklich riskanter Substanzen aus den Smoothie­Zutaten. Deshalb isst der Mensch die Knollen – Schalen, Kraut und Kerne landen im Abfall.

Als besonderes Leckerli werden dem gesundheitsbewussten Publikum Ker­ne empfohlen: Heilsam sei der Kern der Avocado, ein tolles Superfood. Schließ­lich werde er auch in seiner mexikani­schen Heimat geschätzt, vermengt mit Käse oder Schmalz. Allerdings nur, um damit Mäuse zu vergiften.

Zur Warnung schmeckt das meiste von Natur aus bitter. Damit die Gesundheitsplörre trotzdem nicht instinktiv ausgespuckt wird, empfehlen die Ratgeber das Abschmecken mit Zitronensaft, einer ordentlichen Portion Süßstoff und reichlich Vanille und Zimt. Gerade das Bittere sei besonders „gesund“, denn es bremse den „Heißhunger“. Weil es den Appetit verdirbt, komme es der „Figur“ zugute. Viele Bitterstoffe sind leider lebergiftig. Die Zahl der Lebertransplantationen bei jungen Frauen wird steigen. Dann schieben wir es wahlweise auf „Glyphosat“, „Nitrat“ oder „Diesel“.

Tödliche Keime auf den Blättern

Neben den pflanzlichen Abwehrstoffen, den primären Pestiziden, lauern auf den Blattoberflächen weitere Bösewichter: Krankheitserreger. Blattgemüse sind die wichtigste Ursache von Lebensmittelvergiftungen – wichtiger noch als Muscheln und Pilze. Der Smoothie ist die perfekte Nährlösung für Keime, bei Zimmertemperatur vermehren sich die Keime im Zellsaft exponentiell.

Eine Untersuchung, die mal vom ZDF in Auftrag gegeben wurde, spiegelt die Lage zutreffend wider: Demnach waren 40 Prozent der Sprossen und über 70 Prozent des Asia-Gemüses mit ESBL-Keimen belastet – mit resistenten Erregern, die zu lebensbedrohlichen Infekten führen können. Daran hat sich nichts geändert.
Woher kommen die multiresistenten Keime? In Ländern mit billigen Arbeitskräften werden Abwässer gern ungeklärt auf die Äcker geleitet. Die Mischung aus Fäkalien, Medikamenten und Flüssigkeit ist Bewässerung und Düngung in einem. In Asien sind Reserve-Antibiotika für jeden erhältlich, der sie bezahlen kann. So importieren wir auf Gemüse und Früchten Keime, die bereits gegen Wirkstoffe resistent sind, die hier noch gar nicht zugelassen sind.

Offenbar ist vergessen, dass vor wenigen Jahren mehr als 50 Menschen an bioveganen Sprossen verstorben sind. Erwischt hat es vor allem junge Frauen, die sich gesund zu ernähren wähnten. Zum Glück konnten damals viele Opfer durch ein nicht zugelassenes gentechnisches Präparat gerettet werden. Dadurch wurde auch die weitere Ausbreitung der Seuche gestoppt.

Man hat sich nicht mal bedankt bei der Firma, die das teure Präparat in Sonderschichten herstellte und verschenkte. Stattdessen wurde alsbald grünen Smoothies aus der Mülltonne, exotischen Blattgemüsen und Sprossen das Wort geredet. Gegen Dummheit ist nun mal kein Kraut gewachsen.


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Kommentare ( 48 )

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friedrichwilhelm
4 Jahre her

TE Leser sollten doch intellektuell so weit sein, im Internet und auf YT „nutrition facts“, „Healthy diet“ oder ähnliches einzugeben. Nach kurzem Suchen eröffnet sich ein Kosmos an tatsächlichem Wissen, so dass es sich erübrigt, hier Afterwissen kundzutun. Herrn Pollmers Kompetenz relativiert sich dabei übrigens auch sehr schnell.

Walde
5 Jahre her

Was hat das Thema mit den Grünen zu tun? Weil Salatblätter grün sind?
Ich verstehe auch nicht, wenn zum Thema „Plastik in Meeren“ oder sonstigen Umweltproblemen immer wieder die Grünen in die großen Diskussionsrunden eingeladen werden – so als wenn diese Experten hierfür wären – das ich nicht lache.
Beim Thema „Heiße Luft“ könnte ich mir Grüne schon eher vorstellen.

Karl S.
5 Jahre her

Die Thesen von Herr Pollmer sind im besten Fall haltlos. Möchte wohl gerne Wissenschaftler sein und hat auf seinem Gebiet der Lebensmittelchemie nicht genug Aufmerksamkeit bekommen. Dass Säfte tatsächlich „Heilkräfte“ haben, kann man z.b. bei Dr. Norman Walker nachlesen, der hat das am eigenen Leib schon vor einigen Jahrzehnten herausgefunden, annähernd wissenschaftlich untersucht und dokumentiert. Oder siehe Gerson Institute. Vielleicht kein Allheilmittel aber sicherlich besser als industriell verarbeitete Lebensmittel der Pollmer-Diät, Currywurst, Fleischsalat. Wenn man dem Ton seines Artikels folgt bekommt man den Eindruck, als wird Herr Pollmer von einer Horde missionierender Veganer verfolgt. Das wird sicherlich nicht so sein.… Mehr

Vinyl-Dealer
5 Jahre her

** Wie üblich verbreitet Herr Pollmer -übrigens ein Lebensmittelchemiker und kein Ökotrophologe- Halbwarheiten. Hier sei nur die „böse“ Oxalsäure bei Gesmüsekraut angeführt. Spinat und Mangold enthalten auch viel Oxalsäure. Was nun? Auch nicht mehr essen, weil „böse“? Bitterstoffe sind laut Pollmer ungesund. Soso, haben doch die meisten Gemüsesorten in der Vergangenheit mehr Bitterstoffe als heute besesssen, die ihnen im Laufe der Zeit allerdings durch den Menschen herausgezüchtet wurden. Mit dieser Logik hätte die Menschheit bereits vor Jahrhunderten aufgrund der Bittersoffe ausgestorben sein müssen. Thema Sprossen. In der Tat würde ich auch keine Sprossen im Handel kaufen. Was aber spricht dagegen… Mehr

Hadrian17
5 Jahre her
Antworten an  Vinyl-Dealer

Nun, … … wenn ich das richtig verstanden habe, ist der Autor im wesentlichen darüber verstört, dass Grünabfälle, die selbst der berühmte Esel Rumsfidel verschmäht hätte, zu Smoothies versaftet, der Bevölkerung als „gesund“ verkauft werden. Wie sagte schon in den Dreissigern ein berühmter Satiriker: „Man kann die Leute dazu bringen, Fussmatten zu essen, man muss ihnen nur sagen, das Vitamine drin sind.“ Das war natürlich eine politische Metapher. Niemand hat damals Fussmatten gefressen. Da sind wir heute offensichtlich weiter. Inzwischen fressen die Leute die „Fussmatten“ mit Begeisterung … nur sind sie jetzt püriert. Auch das ist eine politische Metapher und… Mehr

Jasmin
5 Jahre her

Herr Pollmer, ganz so abwegig sind grüne Smoothies nicht. Ich habe in einer Rheumaklinik mal den Hinweis bekommen, dass sich grüne Smoothies positiv auf die Entzündungsprozesse des Rheuma auswirken.
Aus den von Ihnen genannten Gründen (Insektizide, Herbizide, aber auch Unkenntnis, was denn nun essbar oder eben nicht), habe ich mir tiefgefrohrenes grünes Gemüse gekauft, und wild gemischt. Mit Fruchtsaft oder Obst dazwischen kriegt man das dann auch recht gut runter. Und es wirkt, wie ich an dem Abschwellen der Gelenke sehe. Die Alternative wäre es, das Cortison hochzufahren, was aber mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden ist.

Moses
5 Jahre her
Antworten an  Jasmin

Wo haben Sie tiefgefrorenes Blattgrün gekauft?
Es geht nicht um den Dill oder Petersilie.

Jasmin
5 Jahre her
Antworten an  Moses

Moses
Lesen hilft. Ich habe nichts von Blattgrün geschrieben, sondern von grünem Gemüse.?
Gehen Sie mal mit offenen Augen einkaufen, und schlendern an der Kühltheke längs. Spinat, Mangold, Rosenkohl, Wirsing, Grünkohl, Porree, Broccoli ..
Petersilie und Dill sind übrigens Kräuter, aber kann man gut zum verfeinern benutzen.

Karl S.
5 Jahre her
Antworten an  Jasmin

Blattgrün geht auch… im Bioladen kaufen (und dazu muss man nicht die GRÜNEN wählen, da darf man auch so rein) … waschen und essen oder einfrieren. Geht alles. Oder selbst sammeln (außerhalb der Hundestreifen neben Wanderwegen) … so hat es die Menschheit Jahrtausende gemacht …. aber Herr Polmer findet bestimmt eine mit Cortisol angereicherte Fleischspeise, der er stattdessen empfiehlt.

Andreas aus E.
5 Jahre her

Die meisten der Zutaten sollte man besser dem „Stallhasen“ geben.
Ein munteres Kaninchen in artgerechter Haltung erfreut den ideologiefreien Biogärtner zu Leb- wie zu Bratröhrenzeiten.
Auch das Smoothie-Kraut gedeiht dank der Küddel prächtig. Was davon dann über ist, kann man ja der linksgrünveganen Verwandtschaft schenken. Und sei es, um damit die Löcher in deren Kopf zu stopfen.

Karl S.
5 Jahre her
Antworten an  Andreas aus E.

Die größten und stärksten Tiere sind Vegetarier. Irgendwas macht der Stallhase vielleicht auch richtig? Um sich gesund zu ernähren, muss man keiner bestimmten politischen Richtung anhängen, wundere mich eh, dass hier dieser Zusammenhang ständig kommt… wo hier doch so viele kritisch hinterfragendende Selberdenker unterwegs sind? Warum Udo Pollmer so boshaft gegen Smoothietrinker wettert, bleibt vermutlich sein Geheimnis. Der hat ja auch ganz alleine die einzig richtige Interpretation der „Chinastudy“ gefunden…. und sich damit selbst disqualifiziert. Heisst, wenn ursprünglich mal Qualifikation vorhanden gewesen wäre. Bei einem Chemiker auf dem Gebiet der Ernährungslehre aber zumindest fraglich.

Olivia
5 Jahre her

Von dem Zeug bekommt man „lange Zähne“ sagt mein Vater ( ein alter weiSer Mann).

Karl S.
5 Jahre her
Antworten an  Olivia

Könnte auch Nährstoffmangelparodontose gewesen sein.

Olivia
5 Jahre her
Antworten an  Karl S.

Nein, es war Humor?

Karl S.
5 Jahre her
Antworten an  Olivia

…bei mir doch auch 🙂

Gabriele Kremmel
5 Jahre her

In Ernährungssachen erleben wir leider inzwischen dasselbe, vereinfachte Schwarz-Weiß-Denken und Glaubenssystem wie in vielen Bereichen gesellschaftlicher Belange. Komplexes und Vielfältiges wird abstrahiert bis nur noch pauschale Einteilungen in „gut“ und „schlecht“ und „falsch“ und „richtig“ übrig bleibt. Nicht die (bekannten aber selten genannten) Kehrseiten und Wechselwirkungen sind das Problem sondern die extremen Vereinfachungen und die Reduktion auf das nur Gute. Trotz, und vielleicht wegen persönlich bester Erfahrungen mit gesundheitlichen Effekten von Kräutern und Säften (nicht Smoothies) teile ich die Kritik des Autors an dem undifferenzierten Umgang mit den „gesunden“ Ernährungshypes, die unkritisch und kenntnisfrei übernommen und dann bis zum Exzess… Mehr

gast
5 Jahre her

Wir machen auch gelegentlich einen grünen Smoothy in Kleinstmenge und füttern damit ein Meerschweinchen, wenn es krank ist und nicht selbst fressen kann. Wir nehmen aber nur Zutaten, die es sonst auch roh frisst. Menschen würden aber meist die Zutaten eines grünen Smoothies roh und in dieser Menge nicht verzehren. Durch das pürieren und der ewige Spruch „das ist gesund“ überlistet man die Fähigkeit des Körpers, selbst zu erkennen, was für ihn gesund ist.

Hadrian17
5 Jahre her

Danke!

Die Artikel des Autors sind – wie immer – ein „lucidum intervallum“ im Irrenhaus!