Gebt den süßen Weihnachten Saures

Weihnachten ist für die Retter dieser Welt eine offensichtlich grauenhafte Zeit. Statt Verzicht lockt überall der straffreie Genuss der immer noch legalen Droge Zucker.

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„Süßer die Glocken nie klingen als zu der Weihnachtszeit.“ Ein Irrtum weihnachtlicher Gefühlsduselei. Was soll die gefährliche Geschmacksnote süß mit dem klerikalen Läuten zu tun haben? Der Süßigkeiten assoziierende Text provoziert doch geradezu eine politisch korrekte Neufassung in „Lauter die Glocken …“. Was die Gegner wohlschmeckender Nahrungsmittel mit der Komponente süß auf der einen Seite freuen würde, wäre für die Abmahner der Deutschen Umwelthilfe dann wohl ein möglicher Klagegrund wegen des Aufrufs, andächtige Stille durch massive Dezibel zu stören. Jeder hat so sein Thema, mit dem er die Menschheit traktiert.

Weihnachten ist für die Retter dieser Welt eine offensichtlich grauenhafte Zeit. Keine aus Soja geformte Weihnachtsgans liegt als Angebot in den Truhen des Handels. Stattdessen lassen opulente Familien-Essen mit mehreren Gängen jegliche Askese vergessen. Das aktuelle Verlangen nach Genuss erscheint vielen am Verzicht orientierten Zeitgenossen, die unser Verhalten prägen wollen, als Zeichen, die Kontrolle über das eigene Leben verloren zu haben. Weihnachtlich geschickt verpackte Drogen von Nikoläusen aus Schokolade bis zum Marzipan in harmlos erscheinender Kartoffelform werden straffrei angeboten. Schlimmer noch: In traditionsbewussten Haushalten werden alle Varianten von Plätzchen gebacken, um damit vor allem Kinder zu verführen und ihnen die Gesundheit zu ruinieren.

Das Thema Zucker liegt unheilschwanger in der vorweihnachtlichen Luft. Nicht nur auf Weihnachtsmärkten, wo es nach gebrannten Mandeln duftet. Der aktuell süße Notfall verlangt Abhilfe an allen Fronten der Agitation gegen ungezügelten Genuss. Das fängt in den vorweihnachtlichen Rezeptteilen der Zeitschriften an, die Dinkel-Kekse sowohl ohne Zucker als auch ohne Geschmack propagieren. Eine ehemalige TV-Moderatorin, die seit über einem Jahrzehnt zuckerfrei zu leben vorgibt und stattdessen reichlich Fruchtzucker mit dem Risiko der Bildung einer Fettleber verzehrt, nutzt die vorweihnachtliche Aktualität, um bei Spiegel-Online auf sich und damit den Verkauf ihres Buches aufmerksam zu machen. Die ZEIT gestaltet eine Seite mit der Frage „Brauchen wir die Zuckersteuer?“. Eine Autorin des Beitrags ergeht sich dabei in Kraftausdrücken, um sachliche Inkompetenz zu kompensieren. Zucker ist für sie die billigste Droge. Sie deckt auf: „Angefixt wird man bereits als Säugling über die Muttermilch (sieben Prozent Zuckergehalt).“ Solchen Mist kann wirklich auch nur die Evolution bauen. Die Forderung nach einem nationalen Stillverbot drängt sich geradezu auf. Mütter, nehmt die Kinder von den Brüsten, um ihre Gesundheit zu retten.

Auch Politiker sind durch den Advent auf gedankenlosen Krawall gebürstet. In Bremen haben sich die Senatoren von SPD, Grünen und Linken mit einem zur Weihnachtszeit passenden Antrag in Stimmung gebracht. Sie fordern, dass Land Bremen solle sich für eine Herstellerabgabe auf zuckerlastige Lebensmittel einsetzen. Außerdem soll Werbung, die Kinder zum Konsum von gesüßten Lebensmitteln verleitet, verboten werden. In den Kitas dürfte damit manches Weihnachtsgedicht, in dem Plätzchen, Schokolade und Marzipan erwähnt und damit bei den unmündigen Kleinen propagiert werden, auf dem Index landen. Auf was unterzuckerte Hirne so alles kommen. In der Begründung ihres Antrags stellen die Senatoren fest, dass in bildungsfernen Ortsteilen die Kinder öfter dick sind als die dünnen Kinder in den klugen Regionen des Bundeslands Bremen. Da Bremen traditionell am untersten Ende des Bildungs¬monitors rangiert, wird die Dringlichkeit zum Handeln offensichtlich. Nachdenken lohnt. Statt die Schokolade teurer zu machen, sollte man sich doch eher über eine Bildungsoffensive Gedanken machen. Vielleicht nach den Weihnachtstagen.


Detlef Brendel, Wirtschaftspublizist

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Kommentare ( 27 )

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Kevin Reimann
4 Jahre her

Ich frage mich, wie ich als Kind überlebt habe. Ernährungswissenschaftlich hätte ich dehydriert umkippen müssen. Nur Zuckerwasser in Form von Fanta, Cola, Orangen- und Waldmeisterlimonaden (Aroma und Farbstoffe), in Tasse Pefferminztee 7 Teelöffel Zucker. Dazu noch die ganzen anderen Süßigkeiten. Trotzdem sah ich als Kind unterernährt aus, man war halt draußen und hat die Kalorien verbrannt. An so richtig fette Kinder kann ich mich nicht erinnern.

Vulkan
4 Jahre her

Dass unser Finanzminister auch derjenige ist, der die „Lufthoheit über den Kinderbetten“ anstrebt, lässt bei mir sämtliche Alarmglocken läuten. In Norwegen gibt es schon Querverbindungen von Zuckerverbot zu „Kinderrechten“: https://www.deutschland-kurier.org/norwegen-mahnt-uns-keine-kinderrechte-ins-grundgesetz-eine-kolumne-von-martin-reichardt/: Zu hoher Zuckerkonsum kann zu Inobhutnahmen durch das Jugendamt führen, denn „Bei Kindern mit Karies besteht der Verdacht auf Vernachlässigung oder es bekommt zu viele Süßigkeiten, was gegen die Regel verstößt, dass Kinder nur am Wochenende Süßes essen dürfen.“

Eloman
4 Jahre her

Sweets for my sweet, sugar for my honey!

Lore Kokos
4 Jahre her

2022 – Soylent Green Der Film zum Problem wurde schon 1973 gedreht. Soylent Yellow und Soylent Red könnten als vegetarische bzw. vegane Grundnahrung auf den Markt gebracht werden, während kleinere Chargen Soylent Green aus den freiwillig dahingeschiedenen Opas und Omas gefertigt werden könnten. Da sind die alten Klimaschädlinge allemal nützlicher als auf Kreuzfahrtschiffen oder beim Enkelbesuch mit dem SUV. PS: Dass FFF behauptet, die Kampfansage an die Großeltern sei ein Spass gewesen, glaube ich keine Sekunde. Die Truppe mag ja die Weisheit für sich gepachtet haben, aber ganz sicher nicht den Humor. PPS: Haben Frau Rackete und Frau Neubauer ihr… Mehr

schukow
4 Jahre her
Antworten an  Lore Kokos

Naja, die sind schon blöd, aber so blöd sind sie dann auch wieder nicht. 🙂

Silverager
4 Jahre her

Auch der Finanzminister Olaf Scholz ist der Meinung, wir brauchen eine – wie es so schön und euphemistisch heißt- ordentliche „Bepreisung“ des Zuckers. Je höher nämlich die Zuckersteuer, desto dünner und gesünder unsere Kinder und deren Eltern und desto höher die Einnahmen des Staates.
Ich schlage maßvolle 5 Euro Steuer je Kilo Zucker vor.
Als nächstes – nach CO2 und Zucker – wollen wir uns der Schokolade und dem Kakao widmen, noch vor dem Kaffee.

Julian Schneider
4 Jahre her

Schwachsinn. Zucker ist Energie. Zu viel und zu einseitig ist ungesund. Das gilt aber auch für Körner, Rohkost und Dummheit.

GermanMichel
4 Jahre her

Na ja, Zucker ist also keine Droge die eine globale Fettsucht Epidemie verursacht, und gleichzeitig amerikanische Nahrungsmittel Konzerne reich macht?

Alle anderen Drogen zusammen haben nicht annähernd die verheerenden Auswirkungen wie die Industriezucker/Fett Gemische aka Süßigkeiten und Junkfood. Das ist alles sehr gut mit dem Rauchen vergleichbar, und wird hoffentlich bald ebenso geächtet.

Kassandra
4 Jahre her
Antworten an  GermanMichel

Die werden da nicht dran gehen. Denn all das, was sie beschreiben, wird gerne als leicht und fast immer gut zugängliche „Ersatzbefriedigung“ benutzt, wenn der Gefühlshaushalt durcheinander gekommen ist.
Wenigstens bei Westlern wirkt es, sich selbst damit „ruhig zu stellen“. Noch.

Es ist wie viele aufgebauschte Themen eines, das von den wirklichen Themen ablenken soll.

Eloman
4 Jahre her
Antworten an  GermanMichel

Verzichtsaposteln war Genuss immer schon zuwider!?

Silverager
4 Jahre her
Antworten an  GermanMichel

@ GermanMichel
Ihre hier vorgetragene Analogie des Zuckers zum Rauchen ist echt verblüffend.
Sie werden sicher schon dick, wenn Sie Menschen sehen, die Süßes zu sich nehmen, quasi durch Passiv-Mitessen.

KorneliaJuliaKoehler
4 Jahre her

Ein süßes Verlangen ist uns angeboren. Wer sich zuerst an frischen und selbst zubereiteten Mahlzeiten wirklich satt isst, der hat gar nicht so einen ewigen Heißhunger auf Süßes. Naschen ist ausdrücklich erlaubt, sollte allerdings nicht auf Dauer die Hauptmahlzeiten ersetzen. Der Grund, warum es so viele adipöse Kinder gibt, liegt doch eher am minderwertigen Fertigfutter und den Softgetränken, mit dem sie schon im zarten Babyalter vollgestopft wurden und an der mangelnden Bewegung! Der individuelle Geschmack und die Vorliebe für extrem viel Süßes wird schon in der frühesten Kindheit festgelegt! Verbote bringen gar nichts! Erziehung zur Mäßigung schon eher.( Ich weiß,… Mehr

Mindreloaded
4 Jahre her

Was machen die Moslems dann mit ihrem“Zuckerfest“? Sicherlich werden sie das Fest umbenennen, damit sich Minderheiten nicht provoziert fühlen.

Klaus Kabel
4 Jahre her

Die Grün-ideologisch-vegan-zuckerfrei-Sojamilch-Laktoseintoleranz-Gutes essen verachten-Fraktion kann mir den Buckel küssen. Ich esse Weihnachtsplätzchen von Oma, esse Gänsebraten und alles was mir schmeckt. Dabei die Mitte finden und sich bewegen. Ist für die Verbieter natürlich zu einfach.