Sarrazin: Prüfstein der deutschen Debattenkultur?

Ab morgen gibt es das neue Buch von Sarrazin zu lesen. Erregungswogen kulminierten schon viel früher - viele meinen schon, bevor sie lesen.

Johannes Eisele/AFP/Getty Images

„Diese Woche wird im Zeichen einer Hinrichtung stehen. Seit die Öffentlichkeit davon Wind bekam, dass Thilo Sarrazin ein Buch über die Muslime in Deutschland geschrieben hat und dieses am kommenden Donnerstag veröffentlicht, werden überall bereits die Äxte aus den Kellern geholt, die Dolche gewienert und die Messer gewetzt. Nicht allein sein neues Buch mit dem Titel „Feindliche Übernahme“ soll zerrissen werden, Thilo Sarrazin muss aus seiner Partei, der SPD, ausgeschlossen – am besten gleich selbst erledigt werden.“

Mit diesen Zeilen beginnt Jacques Schusters lesenswerter Leitartikel bei WELT.

Auf den Tag genau acht Jahre nach „Deutschland schafft sich ab“ erscheint nun Thilo Sarrazins neues Buch mit dem Titel „Feindliche Übernahme“. Auseinandersetzungen um dieses Buch finden bereits seit Wochen statt und die Bewertungen fallen umso heftiger aus, je weniger sie von eigener Kenntnis des Inhalts getrübt sind.

Nur wenige weisen auf diesen eklatanten Mangel demokratischen Verhaltens hin wie etwa Jacques Schuster: Auf den Mangel an Toleranz – auf die diese Republik doch so stolz ist – die jedoch immer dann jenen verwehrt wird, die eine Ansicht vertreten, die im „juste milieu“ als anstößig gilt – und auf den ebenso großen Mangel an Dialogbereitschaft – angeblicher Ausweis unserer liberalen Gesellschaft. Gehe es um Sarrazin, so Schuster, bestehe die Kommunikation „nur noch aus Monologen oder monologischen Aktionen, um den Dialog zu stören.“

Schuster habe sich vergeblich bemüht, einen Politiker zu finden, der Sarrazins „Feindliche Übernahme“ für die WELT bespreche – er habe keinerlei Vorgaben gemacht, bis auf die Bedingung: das Buch müsse gelesen werden. „Jeder wusste, Sarrazins neue Arbeit sei des Teufels, ohne auch nur das Deckblatt in der Hand gehalten zu haben.“

Sarrazin geht es in seinem neuen Buch – so viel erfährt man bereits im Klappentext – um das Zurückbleiben der islamischen Welt, die Integrationsdefizite der Muslime in Deutschland, die Unterdrückung der Frauen im Islam und die Zunahme der muslimischen Bevölkerungsanteils durch Zuwanderung und höhere Geburtenrate. Seine Forderungen beinhalten, die Zuwanderung zu unterbinden und die Integration bereits hier lebender Muslime „mit robusten Mitteln“ voranzutreiben.

Schuster weiter: »Darf man dieser Meinung sein? Wer die Frage verneint, sollte sich Gedanken über die eigene Voreingenommenheit machen. Wenn er dann noch immer von sich überzeugt ist, möge er an den Philosophen John Stuart Mill denken. 1859 schrieb der: „Wenn alle Menschen außer einem derselben Meinung wären und nur dieser einzige eine entgegengesetzte hätte, dann wäre die ganze Menschheit nicht … berechtigt, diesen einen mundtot zu machen.”«

Hier geht es zu dem Leitartikel von Jacques Schuster bei WELT.



 

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Kommentare ( 101 )

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Wuidara
5 Jahre her

Ich kaufe mir das Buch erst dann, wenn sich unser aller Kanzlerin abfällig und ablehnend darüber geäußert hat – natürlich hat sie das Buch selbst nicht gelesen, aber davon gehört. Die Kanzlerin als Literaturpapst, eine neue Rolle für sie.

Sonny
5 Jahre her

https://www.welt.de/politik/deutschland/article181360800/Feindliche-Uebernahme-von-Thilo-Sarrazin-SPD-Politiker-dringen-auf-Parteiausschluss.html?jwsource=em

Schauen Sie sich die halbstündige Pressekonferenz mit Herrn Buschkowsky an. Hier spricht Herr Buschkowsky Klartext zu Herrn Sarrazins neuem Buch, und er hat es sogar gelesen!
Sehr bemerkenswert. Und er bestätigt, Sarrazin hat sich noch zurückgehalten. Die Realität ist um einiges schlimmer. Der Unterschied besteht m.E. zwischen Buschkowsky und Sarrazin nur in einem Punkt, in den Zukunftsaussichten. Während Herr Sarrazin wohl nicht mehr daran glaubt, dass die feindliche Übernahme des Islam verhindert werden kann, ist Herr Buschkowsky der Meinung, dass sich die westliche Welt dies nicht ohne Gegenwehr gefallen lassen wird.

jboese2
5 Jahre her

Ich habe ‚Deutschland schafft sich ab‘ kurz nwch Erscheinen gelesen und als pessimistische Fantasieabhandlung betrachtet. Heute sind viele Punkte in dem Buch von der Wirklichkeit meilenweit überholt worden. Den Zustand dieses Landes heute hätte ich nie erwartet. Insofern werde ich auch das neue Buch lesen, mit offenerem Geist als seinerzeit. Alles ist möglich, von einer doch noch gelungenen Integration Millionen Einwanderer bis zum Bürgerkrieg.Aber ich bin pessimistischer als damals.

Manfred Gimmler
5 Jahre her

In der Tat: Hinrichtungen gibt es im Land überall – eingeleitet von „moralischen Autoritäten“ der Medienwelt, die sich in ihren Redaktionsstuben als Großinquisitoren und „professionelle Demokraten“ aufspielen. Und deren Epigonen – eine wachsende Anzahl von Schneeflöckchen – fremdeln nachweislich mit einer anspruchsvollen Debattenkultur. So haben sicherlich viele Leser bereits die Erfahrung bei den „Großen“ (Zeit, Spiegel, Süddeutsche, FAZ, TAZ, WELT) machen dürfen, daß Kleinmut und Selbstgerechtigkeit offenbar die Auswahl der Leserbriefe steuert und Kritik nicht nur als persönliche Beleidigung gesehen wird, sondern auch einen Ausgrenzungsgrund aus der „Gemeinschaft der Guten“ darstellt. Viele der „gelernten Demokraten“ sind als Tugendterroristen von den… Mehr

Birgit
5 Jahre her

Ich bin immer öfter schlicht fassungslos.
WAS – um Gottes Willen – geht ab in diesem Land, dass ich Herrn Sarrazin schon fast als ‚Helden‘ empfinde, bloß weil er Fakten (!) benennt, die er auch akribisch belegt.

Auch ich habe mittlerweile Angst. Am meisten vor der so genannten ‚Political Correctness‘, denn sie macht nicht nur taub und blind, sondern wirkt mittlerweile wie Arsen in kleinen Dosen. Erst macht sie schwach, aber auf Dauer tötet sie… Cui bono?

—–
… wurde auf WO nicht veröffentlicht

jorgos48
5 Jahre her
Antworten an  Birgit

Trösten Sie sich Birgit, nicht nur in der WO wird nicht veröffentlicht, auch im FOCUS wird sehr viel nicht veröffentlicht. Und in der FAZ gibt es keinerlei Raum für Leserbriefe. Die ZEIT zensiert auch kräftig, alles was aus deren Sicht nicht sachlich ist wird gestrichen. Alles im Zeichen des Kampfes gegen Rechts, was immer das sein soll.

WolfgangZ
5 Jahre her

Robust!

j.heller
5 Jahre her

2010 habe auch ich in den Foren von ZEIT und WELT „Deutschland schafft sich ab“ verdammt, ohne es gelesen zu haben. Peinlich. Niederschmetternd ist allerdings dass meine linksgrünen Genossen das heute immer noch und wieder tun. Man kann Fehler machen, aber man sollte sie nicht wiederholen, vor allem wenn die Realität sie mittlerweile so offenkundig machte.

Werner Geiselhart
5 Jahre her

Ich muss bei unseren Journalisten immer an eine Bekannte denken, die jedesmal, wenn man an ihrem Weltbild rüttelt, indem man sie mit Tatsachen konfrontiert, sich die Ohren zuhält und schreiend aus dem Zimmer flieht, sich irgendwo verkriecht und stundenlang nicht mehr ansprechbar ist.
Bei unseren strunzdummen Politikern scheint inzwischen jeder Wille, sich unvoreingenommen auch unangenehmer Themen anzunehmen, verloren gegangen zu sein.
Immer die selben Beissreflexe: Gewalttaten auf der einen Seite sind Einzelfälle und psychisch bedingt (Traumatisierung etc.), Übergriffe auf der anderen Seite werden der Bevölkerung pauschal angerechnet, ohne die Ursachen zu hinterfragen. Beängstigend!

AJMazurek
5 Jahre her
Antworten an  Werner Geiselhart

Ja, so ist es, jeder der den Bewohnern der jeweiligen platonischen Höhle die Wahrheit über die Welt „da draußen“ verkündet, gilt als „toxisch“ und kann froh sein, nicht gemeuchelt zu werden (wäre ja nur zu verständlich und für einen guten Zweck) … Es ist umso schlimmer, je „gebildeter“ (=opportunistischer, „zuerst kommt das Fressen …“) die Höhlenbewohner sind. Schöne neue Welt? Yes, we can, en marche!

verum dicere
5 Jahre her
Antworten an  Werner Geiselhart

Sinnbildlich habe ich in meinem Bekanntenkreis mehrere Leute, die sich die Ohren zuhalten und laut Lalala singen, wenn sie mit Fakten konfrontiert werden. Zum Beispiel diese hier aus dem Bundeslagebild (BKA): „Unter den insgesamt 95.148 Opfern von Straftaten mit tatverdächtigen Zuwanderern befanden sich 39.096 Deutsche und damit deutlich mehr als noch im Vorjahr (2016: 31.597). Der Anteil der Deutschen liegt somit bei 41 %. Im Bereich Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen fielen 112 Deutsche einer Straftat zum Opfer, an der mindestens ein tatverdächtiger Zuwanderer beteiligt war (2016: 86). 13 Opfer wurden dabei getötet.“ Mir scheint, besonders die Generation 60+ hängt… Mehr

imapact
5 Jahre her

Ein Vorteil hat die neuerliche Hetzkampagne gegen Sarrazin und sein Buch ja: kostenlose Publicity, bereitgestellt ausgerechnet von seinen erbittertsten Feinden. Und gerade deshalb wird das Buch zum Bestseller werden.

Old-Man
5 Jahre her
Antworten an  imapact

Absolut,denn gestern Abend waren schon 120.000 Exemplare ausgeliefert,da wird Liz Mohn sich aber jetzt mit falschen Zähnen vor Wut in den allerwertesten beißen,denn ihrer Freundin konnte Sie ja den Thilo nicht vom Hals schaffen!!
Hoffentlich lesen auch alle die es haben dieses Buch vor den Wahlen,denn hier wird ein Spiegelbild der jetzt und kommenden Zeit unverfälscht und authentisch gezeigt,die das falsche Spiel der Regierenden mit ihren „Untertanen“ ins rechte Licht rücken!!

Wuidara
5 Jahre her
Antworten an  Old-Man

…unverfälscht und authentisch gezeigt,die das falsche Spiel der Regierenden mit ihren „Untertanen“ ins rechte Licht rücken!!

Schreiben Sie bitte nicht ins „rechte Licht rücken“, das geht nicht in diesen Zeiten. Schreiben Sie bitte: ins Richtige Licht rücken! ;–))

Old-Man
5 Jahre her
Antworten an  Wuidara

Sie haben Recht,Ich habe leider nicht bedacht,das man wirklich jedes Wort auf dreimal auf Konformität zu den politischen Verhältnissen im Land der Dichter und Denker setzen muß,solange diese Bande aus rot-grün-links im Tarnanzug der CDU das Sagen hat.
Danke das Sie mich erinnert haben,sonst lande Ich demnächst noch auf dem „Folterstuhl“ der selbsgerechten Linken Bande!

Bernd Golembowska
5 Jahre her
Antworten an  imapact

Am „faszinierendsten“ für mich sind die ganzen negativ Bewertungen bei Amazon noch vor oder am Tag des Erscheinens des Buches. Ich stelle mir dann immer einen schnaubenden, Schaum- vor-dem-Mund ****** migrationsbegeisterten ehemals CDU-, jetzt Grünenwähler Rezensenten vor…. ((-;. Buch bestellt!

Wuidara
5 Jahre her
Antworten an  imapact

… kostenlose Publicity, bereitgestellt ausgerechnet von seinen erbittertsten Feinden.
Wie heißt es so schön:
Viel Feind, viel Ehr!

elly
5 Jahre her

die SPD sticht mit miserabler Debattenkultur hervor:“ SPD-Generalsekretär:“Thilo Sarrazin ist ein verbitterter Mann“ https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-08/spd-generalsekretaer-klingbeil-forderung-parteiausschluss-sarrazin
ja, da sind sie wieder die „alten, weißen Männer“ oder auch wie man Kritiker durch persönliche Diskreditierung zum Schweigen bringen will.
Und so eine Partei nennt sich noch demokratisch! Pfui …

jorgos48
5 Jahre her
Antworten an  elly

Die SPD ist eine Partei die heute bei 16-18% liegt und wahrscheinlich in naher Zukunft im Orkus verschwindet wenn sie so weitermacht. Vielleicht hilft ein zweiter Vereinigungsparteitag mit der Mauermörderpartei? Eine SED im neuen Gewand. Bei der Geschichtsvergessenheit der Rot/Grünen “ Eliten “ ist alles möglich.