Fridays for Future: Demonstration großstädtischer Überheblichkeit

Zu Anfang ist er selbst mitgelaufen, jetzt wirft Clemens Traub den Anhängern Greta Thunbergs nicht nur heuchelnde Selbstinszenierung, sondern auch die Spaltung der Gesellschaft vor

Vorneweg: Ein Plädoyer gegen Klimaschutz ist dieses Buch in keiner Weise. Dass Klimaschutz wichtig ist, bezweifelt der 23-jährige Clemens Traub nicht. Im Gegenteil: „Klimaschutz war mir schon immer ein Herzensanliegen“. Deswegen sei er auch zu Anfang von Christa Thunberg und der ihr folgenden Bewegung überzeugt gewesen und nahm selbst an mehreren Fridays for Future-Demonstrationen teil – „wie im Rausch“. Doch mittlerweile sei er „ernüchtert und enttäuscht“.

Das ist also das Buch eines Apostaten, eines vom Glauben Abgefallenen. Traub ist SPD-Mitglied. Trotz seiner Jugend könnte man dazu sagen: ein SPD-Mitglied vom alten Schlage. Einer, der sich nicht zur Speerspitze der Weltverbesserung zählt, sondern die Anliegen der kleinen normalen Leute in der Provinz (Traub ist Pfälzer) vor Augen hat. Fridays for Future könne „die Spaltung der Gesellschaft noch weiter vertiefen: in städtische Eliten, die angeblich den Klimaschutz erfunden haben, und die breite Mitte der Bevölkerung, deren alltägliche Lebenswelt die allzu radikalen Forderungen nicht zulässt.“

Fridays for Future sei zu einer „gefährlichen Demonstration großstädtischer Überheblichkeit“ geworden, in der, so der Titel des zweiten, vielleicht besten Kapitels, die Parole heiße: „Arzttöchter erklären die Welt“. Die wohlgehütete Lebenswelt der „Bewegung in ihrem Elfenbeinturm“ verstelle die Einsicht, „dass es Menschen gibt, bei denen die Sorgen angesichts immer höherer Strom- und Mietpreise die Diskussion über den Verzicht auf Flugreisen von vornherein obsolet machen“.  Aber, so Traub, „die Herausforderungen in Sachen Umweltschutz können … nur dann bewältigt werden, wenn wir die ganze Gesellschaft für unsere Klimabegeisterung gewinnen können.“

Maßstablos
Fridays for Future: Zukunft ohne Freiheit
Das Verdienst des Buches ist nicht zuletzt die Entlarvung der Heuchelei der Demonstranten. In weiten Teilen liest sich Traubs Buch wie eine Studie in der Tradition des französischen Alltags-Soziologen Jean-Claude Kaufmann, der uns erklärte, warum die Menschen moderner Gesellschaften wirklich tun, was sie tun. Die Demonstranten, so stellt Traub fest, inszenieren sich als rebellische Außenseiter im Kampf gegen eine finstere Übermacht – während sie doch auf der Welle des Mainstreams surfen und einige längst die Fridays for Future-Organisationen als Sprungbrett öffentlicher Karrieren nutzen.

Traub macht hier eine feinsinnige Beobachtung: „Die allermeisten Fridays for Future-Aktivisten wissen: Ihnen gehört die Zukunft. Viele haben die klassische Biografie eines Kosmopoliten. Ihnen wurde durch ihre soziale Herkunft alles in die Wiege gelegt, um zum Profiteur unseres Systems zu werden. Einfach alles stimmt: das Auftreten, das soziale Umfeld und natürlich die Bildung. Obwohl sie den Weltuntergang als permanente Drohung vor sich hertragen, bereitet ihnen ihre Zukunft keine Angst. Warum denn auch? Für sie stehen die Türen sehr weit offen. Sie beherrschen die komplizierten Regeln unserer individualisierten Wissensgesellschaft ganz genau. Sie werden ihr Praktikum in Brüssel und nicht in Bottrop machen. Lieber EU-Kommission als Einzelhandel. Der wird zukünftig eh keine Chance mehr haben. Und außerdem: Connections regeln! Ihr englischer Wortschatz ist meist größer als der deutsche. Denn sie sind die Elite von morgen. Das Gefährliche daran: All das ist den Demonstranten meist gar nicht bewusst.“

„How dare you!“, rief Greta Thunberg der Öffentlichkeit entgegen, während kein geringerer als der UNO-Generalsekretär neben ihr saß und einer 16-Jährigen lauschte, die mit zitternder Stimme die Politik beschuldigte, ihr ihre Kindheit gestohlen zu haben. Greta selbst ist zur Ikone geworden für Aktivisten, die sich als „unverstandene Außenseiter“ sehen.

Fridays for future mausert sich zum Konzern
Bestätigt: Fridays for future wird monetarisiert
„Außenseiter sein, erst das macht das Rebellentum sexy“, erkennt Traub. Aber es ist eben ein angemaßtes Außenseitertum der tatsächlich Etablierten. Die Fridays for Future-Bewegung – nebenbei gesagt: nicht nur sie – hat es geschafft: „Die klassische Rollenverteilung zwischen Täter und Opfer im gesellschaftlichen Kontext wird dadurch gleichsam in fahrlässiger Weise auf den Kopf gestellt: Nicht länger die alleinerziehende Mutter und Multijobberin wird als Opfer der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse gesehen, sondern der klimabewusste Stipendiat und Einser-Abiturient, der erleben muss, wie Billigfleisch-Konsum unsere Umwelt gefährdet.“

Traub hat ein freimütiges Buch geschrieben, mit dem er sich einreiht in die kleine, randständige aber doch wichtige Minderheit jener jungen Sozialdemokraten – Nils Heisterhagen ist darunter vielleicht der beste Kopf -, die die Tradition der vernünftigen, ideologie-immunen und im besten Sinne bodenständigen Interessenvertretung der kleinen Leute gegen die neue SPD-Nomenklatur vertreten.

In einer Partei, die Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zu ihren Vorsitzenden und Heiko Maas zum Außenminister macht, während sie mit der Linken und den Grünen um die Liebe der Antifa buhlt, sind sie derzeit chancenlos. Und doch ist es erfreulich und für die politische Kultur hierzulande unverzichtbar, dass sie ihre Stimme erheben.

Clemens Traub, Future for Fridays? Streitschrift eines jungen Fridays for Future Kritikers, Quadriga, 144 Seiten, 14,90 €


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Kommentare ( 72 )

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November Man
3 Jahre her

Gerade noch einen Schulabschluss geschafft. Dann 20 Jahre ohne Abschluss irgendwas studieren. Anschließend feststellen dass man noch nichts verdient und kein Geld in der Tasche hat, rein gar nichts in der Kommune erreicht hat.
Dann wird noch 20 Jahre bis zur Frührente oder Mindestrente auf den Straßen heftig gegen den Kapitalismus demonstriert.
Eine Lebensplanung wie viele der 68er.

Johann Thiel
3 Jahre her

Wohl kaum, die DDR-Bürger waren nun mal die Ossis, an deren gesellschaftlichen Errungenschaften jetzt auch die Wessis teilhaben dürfen.

Ernst-Fr. Siebert
3 Jahre her

Solche Erkenntnisse und dennoch in der SPD? Das passt nicht. Das sind oft Leute, die meinen, den Sozialismus mus(!)s man nur richtig machen. Und schon sind wir bei Esken.

Sherry
3 Jahre her

FFF bedeutet nichts anderes als Friday for Fools. Nachdem die Kirchen die Menschen verraten und verkauft haben, suchen einige nach einer neuen Religion, die ihnen Halt verspricht. Und sie laufen den absurdesten Philosophien hinterher. Für mich gehört BLM ebenfalls dazu. Eine Schülerin sagte mal: „Seit ich bei FFF bin, hat mein Leben endlich einen Sinn.“ Na ja, 26% der Bevölkerung hat bereits einen Migrationshintergrund. Bald schwingt der Islam die Knute. Der sagt dann all den jungen Gören, wo ihr Platz ist. PS: Bin nur mal gespannt, wie sich das mit der sozialistischen, bunten Gender-Gaga „Neu-Realität“ der verarmten Bevölkerung verbinden wird.… Mehr

Agrophysiker
3 Jahre her

Somit wäre es eine wirksame Maßnahme diese fakisch unproduktiven direkt und indirekt staatlich finanzierte Arbeitsplätze massiv zusammenzustreichen. Vorschriften abbauen, Verwaltung massiv abbauen, Krankenkassen, Rentenkassen etc. zusammenlegen und auch dort massiv Stellen einsparen. Mittel für den ökosozialen Kompex massiv zusammen streichen. Dann könnte man Steuern und Abgaben soweit senken, dass der echt arbeitende Teil der Brevölkerung finanziell wieder gut über die Runden kommt. Die Pesudoelite die letztendlich weitgend auf kosten der einfachen Bürger lebt, müsste sich dagen wieder um ihre zukunft sorgen und produktiv tätig werden. Ohne massiven Reduzierung des Staatanteils wird man diese diktatorischen Sozialisten nicht zurückdrängen!

Riffelblech
3 Jahre her

Komisch scheint an so viel zusammengetragenem Wissen und tiefer Erkenntnis eines Mitläufers zu sein ,das wir Alle ,die diesen Blödsinn von Ferne und äußerst kritisch betrachtet haben , nichts Neues und Bahnbrechendes erkennen können. Es sind elitäre Jugendliche die sich aufschwingen messiasähnlich die Wahrheit zu verkünden Das Dumme ist nur ,das sie nicht erkennen ,welche Werkzeugfunktion sie eigentlich haben . Sie sind nix anderes als die Marionetten eines Players im Hintergrund ,der sie wie Soldaten im Krieg an die Front schickt. Dort werden sie verheizt,durch Neue, gleich Dumme ,ersetzt, aber die politische und wirtschaftliche Agenda bleibt die Gleiche . Sie… Mehr

November Man
3 Jahre her

Ich denke, die FFF-Kinderbewegung weiß immer noch nicht, ob sie für, gegen oder wegen des Klimas auf den Straßen herumsitzen und den Verkehr behindern.

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her

„dass der Großteil der Demonstranten NICHT mit der Regierung, der Medien und der Lehrer einig waren.“

Das trifft auf FFF auch zu. Ein paar glühende Anhänger des Sozialismus, und viele Schüler, die einfach von der Lehrerin zur Demo abkommandiert wurden.

schwarzseher
3 Jahre her

Der Einfluß des 1 menschengemachten CO2 Moleküls von 100 000 Gasmolekülen in unserer Atmosphäre ist verschwindend klein gegenüber den übrigen Einflüssen, vor allem der Sonne, zumal die Fähigkeit von CO2 sehr begrenzt ist, elektromagnetische Strahlung in Wärme umzuwandeln ( siehe Absorptionslinien ). Die falsche Vorstellung, daß mit steigendem CO2 Gehalt die Welttemperatur rasant ansteigt, geht auf die ersten Bohrungen Mitte des vergangenen Jahrhunderts im arktischen Eis zurück. Die daraus gewonnenen Kurven für Welttemperatur und CO2 Gehalt zeigten einen frappierend gleichen Verlauf. Zu Beginn jeder der letzten vier Eiszeiten sanken CO2 und Temperatur und blieben ca. 80 000 Jahre mit Schwankungen… Mehr

Politkaetzchen
3 Jahre her

„Außenseiter sein, erst das macht das Rebellentum sexy“

Und genau da liegt das Problem: Wer ein „Rebell“ ist nur, um sich als cooler Außenseiter zu inszinieren, ist kein Rebell sondern ein Mitläufer. Die FFF Kids waren früher in der Schule, die die den coolen Kids nachliefen, dieselben Klammotten trugen und diesselbe Sprache sprachen, um den cooleren zu gefallen.