Bestseller-Autor Douglas Murray und „Der Selbstmord Europas“

Der Historiker und Journalist Douglas Murray, Mitherausgeber des „Spectator“, hat einen aufregenden Bestseller darüber geschrieben, wie Europa freiwillig in eine Katastrophe taumelt. Das Buch führte wochenlang die angelsächsischen Hitlisten an. Nun ist es auch auf Deutsch erschienen.

Douglas Murray ist ein Mann, wie es ihn in dieser Ausprägung in Deutschland nicht gibt. Oder bestenfalls gut versteckt, vielleicht noch in einer kleinen bayerischen Universitätsstadt: ein „young fogey“, ein junger Konservativer. Der sich noch dazu traut, Ansichten darzulegen. Er ist mit seinen 37 Jahren Mitherausgeber des „Spectator“, eines renommierten britischen Kulturmagazins, das man im politisch korrekten Deutschland wahrscheinlich hervorholen lassen müsste von dort, wo unsere Leitmedien so manche tapfere Publikation gern sähe: unter dem Ladentisch. Das Magazin ist politisch komplett unkorrekt.

Als Stammgast in zahllosen Talkshows und Konferenzen im englischsprachigen Raum, gibt Murray den kritischen Intellektuellen, der so in Deutschlands konformistischer Szene an Universitäten oder in den Medien kaum mehr vorkommt. Er propagiert den Wert einer kulturellen Heimat, in seinem Fall die oft geschmähten Vorzüge eines Merry Old England. Murray ist offen schwul – und wahrscheinlich gerade deshalb so empfindlich gegenüber den Zumutungen, die importierte Kulturen für Leute wie ihn vorgesehen haben könnten. Selbstverständlich ist er damit auch jenseits des Ärmelkanals ein Böser. Man hört ihm im Vereinigten Königreich aber immerhin zu. Da spielt eben englische Höflichkeit mit – oder die legendär tolerante Oxbridge-Debattenkultur. Und in diesem Umfeld hat Murray ja auch seine Ausbildung genossen. Zunächst als Stipendiat in Eton und dann in Oxford, wo er Englisch und Geschichte studierte.

Dabei ist Murray kein Upper-Class-Kind. Er stammt aus einfachen Verhältnissen in London. Wie ein solcher Background einen Konservativen hervorbringen kann? In England möglich. Auch die anderen Herausgeber des „Spectator“ und seine Kollegen aus diesem Kreis, Rod Liddle, James Delingpole oder Toby Young – zum Teil Gäste bei Tichys Einblick –, haben sich ja ähnlich entwickelt. Allesamt sind sie neokonservativ, entgehen aber dem Stigma des Alter-weißer-Mann-Seins durch la méthode Macron: ihre Jugend. Und im Falle Isabel Hardmans oder Laura Prendergasts auch durch ihr Geschlecht und ihre Attraktivität. Ähnlich wie Tamara Wernli und Birgit Kelle sind es oft die klugen Frauen, die heute die kritischen Fragen stellen.

„Der Selbstmord Europas“
Bestseller-Autor Douglas Murray im Interview
Wahrscheinlich schulten die Elite-Colleges Eton und Oxford genug eigenständiges Denken und das Verlangen, Offensichtliches auch beim Namen zu nennen, ohne ideologische Scheuklappen. Am Ende war es die Erfahrung der Entwicklung Londons in den vergangenen drei Jahrzehnten, die Murray dazu brachte, sich auf den Wert des Spezifischen, des Englischen seiner Kultur zu besinnen – und sich zu fragen, was die ungezügelte Zuwanderung davon übrig lassen würde.

Aus Douglas Murray ist dann das geworden, was einem gewissenhaften Konservativen immer gut zu Gesicht steht: ein Pessimist. Murray hält die ungezügelte Immigration nicht nur für bedrohlich, sondern sogar für regelrecht selbstmörderisch. Von England oder Europa, wie es seine Eingeborenen noch kennengelernt haben, so glaubt er, wird in kurzer Zeit nichts übrig geblieben sein. Im Gegensatz zu den Vertretern der veröffentlichten Meinung glaubt er dabei weder an die Schuld seiner Nation am Elend der Welt, das wiedergutgemacht werden muss, noch an eine auffrischende Wirkung der Aufnahme aller Mühseligen und Beladenen.

Verlage lehnten Veröffentlichung ab

Da aber dieser Gedanke ein hässlicher ist – und weil die Befürworter der Soros’schen One World statt Gefahren nur den leuchtenden Pfad sehen wollen, auf dem sie vermeintlich wandeln, wird auch Douglas Murray angefeindet und bedroht. Der „Guardian“ nannte ihn prompt den Gentleman-Nazi, und auch in England gilt: Wer dieses Label angehängt bekommt, ist zum Abschuss durch den Mob freigegeben. Und so muss auch Murray um seine Sicherheit fürchten. Sein Lebenspartner wird nicht erwähnt, Gleichgesinnte in Frankreich und den Niederlanden stehen unter Polizeischutz.

Wahrscheinlich ist es sein stark ausgeprägter englischer Humor – und das, was man dort „stamina“, Durchhaltevermögen, oder „stiff upper lip“ nennt, was ihm durchzuhalten hilft. Aber zumindest ist er als Rufer in der Wüste nicht einsam: Er wird gehört. Sein 2017 beim renommierten Bloomsbury Verlag erschienenes Buch führte in der englischsprachigen Welt wochenlang die Bestsellerlisten an – das Hardcover geht mittlerweile in die 23. Auflage. Es wurde in 17 Sprachen übersetzt, unter anderem ins Polnische und Albanische. Das Interesse ist ungebrochen, das Pressecho in der Welt riesengroß. Dennoch zierten sich nicht nur deutsche Verlage. Erst nachdem die Edition Tichys Einblick die Veröffentlichung angekündigt hatte, folgten Verlage in Italien und Frankreich. So fällt die Mauer des Schweigens Stein um Stein.

Der deutsche Leser sollte von den bitteren Erkenntnissen und detailversessenen Recherchen des Engländers am besten verschont bleiben. So wurde Murray auf der Suche nach einem deutschen Verlag bedeutet, solch ein Buch würde in Deutschland nicht erscheinen. Das hat sich Gott sei Dank als unrichtig erwiesen. Tichys Einblick hat sich dieses beeindruckenden Autors angenommen und sorgt dafür, dass dieser internationale Bestseller nun in der Sprache der Dichter und Denker studiert werden kann.

Murrays Buch liest sich wie eines dieser beeindruckenden englischen Geschichtswerke — mit dem kleinen Unterschied, dass wir nicht in ferne Vergangenheiten schauen, sondern mittendrin sind im Geschehen. Etwa so, als würde man die Geschichte des Ersten Weltkriegs schon 1916 lesen können. Inklusive Schuldanalyse und dem Ausgang der Katastrophe. Und der Autor lässt kaum Zweifel aufkommen, dass am Ende der Entwicklung, die mit Angela Merkels einsamer Entscheidung, Europas Grenzen zu öffnen, ordentlich Fahrt aufnahm, sich vieles zum Schlechteren wandeln wird.

Murray zeigt detailliert auf, wie es zum „Selbstmord Europas“ kam. Das Buch ist wahrlich nichts für schwache Nerven – aber die Zeit, in der wir leben, schließlich auch nicht.


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Das Interview mit Douglas Murray (Englisch) – sowie in deutscher Übersetzung HIER

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Kommentare ( 77 )

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Isabelle
6 Jahre her

Murrays Buch ist nur zu empfehlen, das Beste, was ich bislang auf diesem Gebiet gelesen habe. Die deutsche Übersetzung scheint gut zu sein. Danke an TE für die Verbreitung dieses Werkes, ansonsten wird das Buch von den anderen deutschen Verlegern ignoriert. Das erinnert an dunkle Zeiten … Unbedingt lesen!

Isabelle
6 Jahre her

Das Buch Murrays, „The Strange Death of Europe“, das ich im Original zum zweiten Mal lese, ist ein absolutes Muss, exzellent geschrieben und recherchiert, und beschreibt die Entwicklung, die zum heutigen Zustand in den meisten Ländern Europas geführt hat. Hoch anzurechnen ist ihm, dass er diese Aufgabe der eigenen Kultur und Identität im Lichte einer philosophischen und kulturellen Entwicklung analysiert und nicht als etwas, das von anderen „dunklen“ Mächten stammt. Murray macht es ganz klar, dass nur die Europäer aus eigenem Antrieb diese fatale Entwicklung umkehren können, in die wir uns selbst manövriert haben. Das Resettlement Programme der UN ist… Mehr

country boy
6 Jahre her

Kein Verlag wollte das Buch drucken? Eine solche Vogel-Strauß-Politik wird den Verlagen vielleicht wieder auf die Füße fallen. Über die Silvesterereignisse in Köln wollte ja zunächst auch keine Zeitung berichten.

Alex Preiss
6 Jahre her

Eines nicht allzu fernen Tages, nämlich in ca. 2 Generationen, wird Deutschland bzw. Teile Westeuropas, das Schicksal des Libanon geteilt haben. Aus einer einstmals christlichen Hochburg wird dann zuerst ein nahezu paritätisches Verhältnis zwischen Muslimen und Christen entstehen. Allein dass muslimische Frauen den christlichen Männern quasi nicht als Heiratspartner zur Verfügung stehen, umgekehrt christliche Frauen, die muslimische Männer heiraten aber fast immer konvertieren, wird recht schnell eine muslimische Mehrheit entstehen. Verstärkt durch den Trend zur Auswanderung derjenigen Deutschen, die es sich leisten können. Ich hoffe meine Kinder sind dann mitsamt ihren Kindern nicht mehr auf diesem Kontinent, denn niemand der… Mehr

Luise Lührs
6 Jahre her

Nicht wenige regen sich über die deutsche Übersetzung des Titels dieses Buches auf, aber: dass wir, die europäischen Völker, mit Deutschland auf Platz 1, durch verschiedene Interessen-Kartelle in genau diesen Zustand , den wir haben, getrieben werden und der sich noch extrem verschlimmern wird, kann in jedem Fall als „Selbstmord“ betrachtet werden. Denn wo bleibt die vehemente Gegenwehr? Wo sind die Massen , die sich diesen Verbrechern entgegen stellen, die durch Lügen, Relativierungen, bewusste Täuschungen und tätiger Mithilfe bei der Massenmigration aktive Hilfe zur Zerstörung dieses Kontinents leisten? Wo sind die Menschen, die, ebenso massenhaft, täglich zum Kanzleramt pilgern? Wo… Mehr

Duncan Mueller
6 Jahre her

Exzellentes buch. Ich bin noch nicht ganz durch. Es gibt sehr intensive momente in denen der autor die spannung zwischen dem elend der fluechtenden, die ihr leben aufs spiel setzen, beschreibt. Man fuehlt regelrecht dass man helfen muss. Genauso intensiv beschreibt er wie die in europa entstehenden parallelgesellschaften den kontinent mit ihren hoeheren geburtenraten langsam aber erfolgreich uebernehmen. Mein persornlicher take ist: Wenn unsere kinder und enkel in der gleichen freiheit und sicherheit aufwachsen und leben sollen wie die heute ue30 es konnten muss die weitere migration gestoppt werden ….sofort.

Anthea
6 Jahre her

https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/fluechtlinge/zukunft/resettlement.html

Und dann den Beitrag über „potentielle ? Rolle Deutschlands“ lesen….da waren die Herrschaften unzufriefen weil D zu wenige Flüchtlinge aufnahm.. und dann kam 2015 und die“ Beratung“ Merkels?. Alles klar?

Anthea
6 Jahre her

Die „Ermordung „Europas wäre es trefflicher gewessen.

Christian Erkelenz
6 Jahre her

Seit ca. 1 Jahr google ich nach „Douglas Murray“ und „deutsch“ – ohne jeden Erfolg. Als ich nun endlich fündig wurde, habe ich es sofort bestellt. Die erste, original verpackte Auflage liegt bereit und wartet geduldig auf mich.

Allerdings lese ich derzeit noch „Die Schlafwandler“ von Christopher Clark, welches ebenso nerven- und herzzerreißend ist. Jedoch beschreibt es die europäische Wirklichkeit vor 100 Jahren, was für einen gewissen emotionalen Abstand sorgt.

Sobald dieses Buch beendet ist, beginne ich Douglas Murray. Ein, wie ich finde, ausgesprochen passender Anschluss. Ein Jahrhundert später…..

Heinrich Moser
6 Jahre her

Haben nicht gerade 85% der Deutschen Parteien gewählt, die für unbegrenzten Zuzug sind?
Die Deutschen wollen das so!