Zensur-Gesetz: Steinhöfel in der Anhörung des Bundestages zum NetzDG

Das NetzDG stellt einen Frontalangriff auf die Meinungsfreiheit dar, wie ihn die Republik seit der „Spiegel-Affäre“ oder Adenauers vor dem Verfassungsgericht gescheitertem Versuch, ein „Staatsfernsehen“ einzurichten, nicht mehr erlebt hat.

Am 13.05.2019 war ich Sachverständiger in einer Anhörung zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz vor dem Ausschuß für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages. Jeder Sachverständige hatte Gelegenheit, eine maximal vierminütige Eingangsstellungnahme gegenüber den Abgeordneten des Ausschusses abzugeben. Nachstehend deren Wortlaut, meine ausführliche schriftliche Stellungnahme ist hier auf der Seite des Deutschen Bundestages abrufbar.

“Das NetzDG stellt einen Frontalangriff auf die Meinungsfreiheit dar, wie ihn die Republik seit der „Spiegel-Affäre“ oder Adenauers vor dem Verfassungsgericht gescheitertem Versuch, ein „Staatsfernsehen“ einzurichten, nicht mehr erlebt hat. Es steht auch für eine Kapitulation des Rechtsstaates vor der Aufgabe, geltendes Recht durchzusetzen.

Am 19. Juni 2017 war ich schon einmal in diesem Raum. Als Zuschauer bei der Anhörung über den Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD zum NetzDG.

Sieben von zehn der damals hier anwesenden Sachverständigen erklärten den Gesetzesentwurf für: “verfassungswidrig, europarechtswidrig”, hielten “schwerwiegende Grundrechtseingriffe (für) denkbar”, “Das Gesetz wird in Karlsruhe scheitern. Das Bundesverfassungsgericht wird seine Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit nicht vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz faktisch einebnen lassen”, hieß es, “Facebook wird gedrängt, Richter über die Meinungsfreiheit zu sein, ohne dass dies rechtsstaatlich begleitet wird. Das Gesetz bedroht die Meinungs- und Pressefreiheit”, man habe “ausdrückliche verfassungsrechtliche Bedenken”, es sei “nicht verfassungsgemäß”.

Ich hatte es damals nicht für möglich gehalten, dass sich die Regierungsparteien über diese gewichtigen Bedenken hinwegsetzen würden.

Nach der Abstimmung über die Ehe für Alle fand das Gesetz eine formale Mehrheit im fast menschenleeren Plenum. Eine Dokumentation der Geringschätzung gegenüber dem Souverän. Das Gesetz war von Anfang an überflüssig. Jedenfalls dann, wenn man von einem funktionierenden Rechtsstaat ausgeht.

Im April 2017 hatte ein 57jähriger Arbeitsloser die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth, auf Facebook als „linksfaschistische Sau“ beschimpft und gefordert, sie „aufzuhängen.“ Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Arbeitslosen wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 4.800 Euro. Bei einem berufstätigen Arbeitnehmer wäre die Strafe deutlich fünfstellig ausgefallen. Dieses Beispiel, eines von vielen, belegt, dass der Rechtsstaat – auch ohne NetzDG – auf Straftaten im Netz hart und angemessen reagieren konnte.

Ein Gericht sollte das letzte Wort darüber haben, ob ein Inhalt straf- oder zivilrechtliche Vorschriften verletzt und zu löschen ist oder online bleiben muss. Die massenhafte Verlagerung dieser Entscheidungsbefugnis in die Löschzentren der Internet-Riesen, wo nicht hinreichend geschulte Kräfte auf Mindestlohnbasis im Sekundentakt freie Rede exekutieren, ist eines Rechtstaates unwürdig.

Die sogenannten „Gemeinschaftsstandards“ entwickeln sich dort zu einer Art supranationalem Recht, das über unserem Art. 5 rangiert. Geschaffen von der IT-Aristokratie im Silicon Valley, den weltweit zuständigen Wächtern über „Hate Speech“. Personen, die sich für offenbar moralisch so überlegen halten, dass sie sich ohne jede demokratische Legitimation anmaßen, die Wächter über die Kommunikationsgewohnheiten von 7 Milliarden Menschen zu sein.

Selbst die Befürworter des Gesetzes sollten erkennen, dass es bis zum heutigen Tage keinen erkennbaren Nutzen gebracht hat. Dem Bundesamt für Justiz wurden 32 neue Planstellen bewilligt und dennoch war man dort trotz vom Steuerzahler zu tragender Personalkosten in Millionenhöhe bis heute noch nicht einmal zu einer Evaluierung des Gesetzes oder einer Auswertung der Transparenzberichte in der Lage. Und wenn dessen Präsident im WDR angesichts eines ersten geplanten Verfahrens von „mächtigen Gegnern“ spricht, die mit Hilfe von Anwälten „ein Verfahren verzögern könnten“, dann ist das kein Auftreten, dass Unternehmen wie Facebook, die in den USA gerade 5 Milliarden Dollar für eine erwartete Strafe der Federal Trade Commission zurückstellen, beeindruckt.

Alle im Bundestag vertretenen Oppositionsparteien lehnen das Gesetz in wesentlichen Teilen als verfassungswidrig ab. Dass es hier angesichts so weitreichender Übereinstimmung und angesichts der greifbaren Gefahren für ein so elementares Grundrecht wie die Meinungsfreiheit nicht einmal für den Minimalkonsens abstrakte Normenkontrollklage reichen soll, ist den betroffenen Bürgern nur schwer zu vermitteln.

Es wäre ein Akt echter gesetzgeberischer und demokratischer Souveränität, das Gesetz komplett aufzuheben und bewahrenswerte Teile wie die Vorschrift über den Zustellungsbevollmächtigten, das Beschwerdeverfahren oder die Transparenzpflichten in andere Gesetze zu integrieren.”


Zuerst hier erschienen.

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Kommentare ( 16 )

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Konservativ_DasGuteBewahren
4 Jahre her

Das perfide ist doch – die Kritiker, die gegen den links-grünen Kurs der Alt-Parteien sind sollen zum Schweigen gebracht werden. Darum geht es bei NetzDG. Kontrolliert wird das alles über die Stasi-Amadeus-Stiftung, die den Knopf drücken um das Netz kontinuierlich zu „säubern“. Parallel wird alles als finsteres „Rechts“ verunglipft was früher noch Wahrheit, Demokratie, Souveränität, Rechtschaffenheit, Christlichkeit, aufgeklärte europäische Kultur, Werte und Moral bedeutete. Das ist alles jetzt „Rechts“ und darf in der Veröffentlichten Meinung nicht mehr zu sehen sein. Genau diese Haltungen sind aber konservativ und erhaltenswert und notwendig für den Fortbestand der europäischen Identität. NetzDG soll also das… Mehr

StefanB
4 Jahre her

„Alle im Bundestag vertretenen Oppositionsparteien lehnen das Gesetz in wesentlichen Teilen als verfassungswidrig ab.“ –> Diese Aussage kann ich nicht nachvollziehen. Selbst die CDU behauptet, dass das NetzDG „wirkt“ und dessen Wirksamkeit sogar noch „erhöht“ werden müsse.
https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/das-netzwerkdurchsetzungsgesetz-wirkt

„Es wäre ein Akt echter gesetzgeberischer und demokratischer Souveränität, das Gesetz komplett aufzuheben…“ –> Was sagt uns im Umkehrschluss demnach der Umstand, dass dies nicht geschieht?

Indigoartshop
4 Jahre her

Im Prinzip handelt es sich beim NetzDG um das Schriftleitergesetz von 1933 in anderen Farben, erweitert um den Kreis der „User“ im globalen Netz. Die Absicht der Machthaber und ihrer juristischen Folgschaft damals wie heute ist die Kontrolle der Information, ihre Herkunft, Lenkung und Verbreitung als Medium der absoluten, ungeteilten Macht, bereinigt von jeder Opposition.

Ben Neva
4 Jahre her

Die Politik hielt es erst für angebracht so ein Gesetz auszuwürgen, als im Zuge der illegalen Zuwanderung hormongesteuerter Mörder die Menschen im Netz begannen sich zu organisieren.

Als Jahre zuvor die Taliban und IS ihre Enthauptungsvideos in den sozialen Medien verbreiteten und zu Hass und Terror aufriefen, da hielt es Politik für nicht notwendig etwas zu unternehmen.
Das NetzDG ist nicht anderes als ein Maulkorb für die restliche, nicht durch Propaganda durchindoktrinierte, Bevölkerung damit der Masterplan einiger Weniger abgeschlossen werden kann.

Protestwaehler
4 Jahre her

„Alle im Bundestag vertretenen Oppositionsparteien lehnen das Gesetz in wesentlichen Teilen als verfassungswidrig ab“ ???

Ich war der Meinung, nur und ausschließlich die AfD ist für die vollständige Abschaffung dieses Gesetz, alle anderen Parteien wollten nur das es noch mehr auf die AfD maßgeschneidert wird weil die immer so neidvoll viele Klicks im Netz bekommen.

IJ
4 Jahre her

Das NetzDG hat massgeblichen Anteil daran, dass die SPD auf 15% abgerutscht ist und wohl bald einstellig wird. Insofern hat es auch etwas Gutes. (Sarkasmus aus)

Alexis de Tocqueville
4 Jahre her

Gericht oder nicht ist auch schon egal, denn wir haben sowieso keinen Rechtsstaat mehr! Claudia Roth darf nicht als „linksfaschistische Sau“ bezeichnet werden, noch nicht mal als „ekelerregend“. Aber Frau Weidel „Nazischlampe“ zu nennen geht schon ok, ein Kavaliersdelikt, ein Lausbubenstreich. Und selbstverständlich wird so herum niemand für „ekelerregend“ verurteilt. Rechtsstaat ist aber nur, wenn die Gesetzte für alle gleichermaßen gelten. Wir sind der Regierung und den links unterwanderten Gerichten weder Respekt noch gehorsam schuldig. Ganz im Gegenteil: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art 20 (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom… Mehr

Yuminae
4 Jahre her

Wenn man es nicht löschen würde, sondern nur markieren würde mit „ist böse“, dann könnte ich als mündiger, erwachsener Bürger selbst entscheiden, ob das Blödsinn oder was auch immer ist.
Aber sogar das verwehrt man. Da war man ja bei den Kinderporno-Stop-Schildern damals liberaler. Scheinbar sind Kinderpornos weniger schlimm als die Meinungsfreiheit zu erhalten. Zumindest sehe ich das so.

Thorsten
4 Jahre her

Das Gesetz ist ein Baustein eines größeren Plans, die Demokratie stärker zu „lenken“. Vermutlich merken es ein Großteil der Politiker nicht mal.

Deutschland und die EU höhlen das Grundgesetz bewußt aus, um ein „geeintes Europa“ zu schaffen. Nur könnte es sein, dass andere europäischen Staaten da nicht mitmachen.

manfred_h
4 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Zitat: „Deutschland und die EU höhlen das Grundgesetz bewußt aus, um ein „geeintes Europa“ zu schaffen.“ > RICHTIG, sehe ich auch so! Ich war besonsers in den jüngeren Jahren als nicht sehr politisch interessierter Mensch immer sehr zufrieden u. Stolz auf Karksruhe und unser höchstes Gericht. Doch mittlerweile ubd bsaondees seit Zeiten von Brüssel u. EuGH nimmt meine Achtung u. Respekt (auch) vor den BGH immer mehr ab. Denn für mich als Deutscher mit deutschen Paß ist die/“meine“ Gerichtsbarkeit IN DEUTSCHLAND der Mittelpunkt ubd nicht ein Gericht im fernen Brüssel neben dortiger „Zentralregierung“. ICH will u. brauche KEIN 4.Reich bamens… Mehr

schukow
4 Jahre her

Das NetzDG ist m. E. mehr Ausdruck von Angst als von Machtstreben. Daß in der zumindest gefühlten Anonymität des Netzes Dinge gesagt und geschrieben werden, die ungehörig sind, ist genausowenig schlimm wie zu vermeiden. Genausowenig wie das Bekritzeln von Lokustüren mit obzönen Sprüchen. Wer sich daran stört, soll den Mist ‚halt nicht lesen. Den Aufruf bestimmte Politiker an der Laterne aufzuhängen, wird man ‚am Tresen‘ sicher auch schon vernommen haben. Es ist nicht recht, aber daraus folgen keine Taten. Frau Roth würde wohl kaum in einer einschlägigen-Rechtsrock-Kneipe einkehren, warum aber nimmt sie dann solchen Stuß im Netz ernst? — Ich… Mehr