Warum eine Fleischsteuer verfassungswidrig wäre

Der neueste Vorschlag in der Bewegung zur Konsumsünden-Bestrafung lautet: eine Fleisch-Steuer soll her.

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Der Unions-Abgeordnete Albert Stegemann schob dafür die CDU-Versicherung „keine Steuererhöhung bis 2021“ beiseite, und meinte: „Eine solche Steuer kann ein konstruktiver Vorschlag sein. Dafür müssten diese Mehreinnahmen aber zwingend als Tierwohlprämie genutzt werden, um die Tierhalter in Deutschland beim Umbau zu unterstützen.“ Denn: „Der Weg zu einer gesellschaftlich nachhaltig akzeptierten Nutztierhaltung kostet Milliarden, die die Landwirte in Deutschland nicht alleine tragen können.“ Wie auch der Ausbau des Bahnverkehrs habe gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung „ihren Preis“.

Stegemanns SPD-Kollege Rainer Spiering schlägt „der Einfachheit halber“ eine Fleischsteuer „über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent“ vor. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen Friedrich Ostendorff spricht sich ebenfalls für eine Mehrwertsteueranhebung aus: „Ich bin dafür, die Mehrwertsteuerreduktion für Fleisch aufzuheben und zweckgebunden für mehr Tierwohl einzusetzen“, sagte Ostendorff.

Abgesehen von sozialen Erwägungen, abgesehen davon, dass der Aufschlag dann für vorbildlich produziertes Fleisch bayerischer Weiderinder genau so gelten würde wie für importiertes Billigfleisch, dessen Herstellungsbedingungen niemand aus Deutschland heraus regeln kann: Abgesehen davon schlagen die Politiker etwas Verfassungswidriges vor, wenn sie eine Extrasteuer erheben wollen, die irgendwie zum Umbau der Stallwirtschaft in Deutschland dienen soll. Denn Steuern dürfen gerade nicht zweckgebunden sein. Im Haushaltsrecht gilt das so genannte Gesamtdeckungsprinzip. Das heißt: alle Steuereinnahmen fließen dem Gesamthaushalt zu. Wofür die Einnahmen dann ausgegeben werden, bestimmt das Parlament.

Höhere Fleischsteuer
Darf’s ein bisschen mehr sein? Aber sicher doch!
Würde der Verwendungszweck von Steuern vorab festgelegt, wie es dem Grünen Ostendorff und seinen Kollegen vorschwebt, dann würde das Haushaltsrecht des Parlaments unterlaufen. Das Haushaltsrecht gilt nicht umsonst als Königsrecht eines Parlaments. Das wäre ein elementarer Verstoß gegen den ohnehin schon anderweitig unterhöhlten Grundgesetzartikel 20 – die so genannte Staatsfundamentalnorm – die eine durchgehende Legitimation des politischen Handels durch die Wähler vorschreibt.

Es gehört zwar zur politischen Verkaufspraxis zu behaupten, eine bestimmte Steuer sei „für“ etwas. Prominentes Beispiel: Der von Helmut Kohl eingeführte „Solidaritätszuschlag“, der vorgeblich und nur für einige Jahre den Aufbau Ost finanzieren sollte. Tatsächlich handelt es sich bei dem Solidaritätszuschlag um eine allgemeine Bundessteuer. Und die wird zumindest von einem Teil der Bundesbürger auch noch gezahlt werden, nachdem der Solidarpakt zur finanziellen Sonderausstattung der Ost-Länder zum 31. Dezember 2019 endet. Die Sektsteuer, erhoben vorgeblich zweckgebunden zum Bau der kaiserlichen Flotte, existiert noch heute.

Dass Bundestagsabgeordnete die Grundlagen des eigenen Haushaltsrechts nicht kennen sollten, wäre schon sehr überraschend. Wer einen Blick auf Wirtschaftsdaten und Haushalt wirft, der sieht, dass es bei einer Steuererhöhung auf das Problemprodukt Fleisch („Klimasünde Fleisch“ – Tagesspiegel) kaum um das Tierwohl geht.

Die Konjunktur in Deutschland läuft aus, es kommen Sorgen über den Handelsstreit zwischen den USA und China dazu. Außerdem zeigt die Kampagne von Grünen und Verbänden wie der DHU gegen die deutsche Autoindustrie allmählich Wirkung.

Im Juli 2019 ging die deutsche Industrieproduktion im Vergleich zum Vormonat um 5,2 Prozent zurück, hauptsächlich wegen der Schwäche in der Automobilbranche – der stärkste Rückschlag seit der Finanzkrise 2009. Zeitversetzt dürfte es also bald zu größeren Steuerausfällen kommen, bei unveränderten Verteilungswünschen der Koalition in Berlin, siehe „Respektrente“.

Eine Steuer auf Fleisch gibt es übrigens schon: sieben Prozent Mehrwertsteuer. Aber für das medial erzeugte schlechte Gewissen noch extra abzukassieren, die Versuchung ist offenbar bei einer ganz großen Koalition im Bundestag übermächtig. Da kann die Argumentation schon mal ein bisschen grundgesetzwidrig ausfallen.

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Kommentare ( 62 )

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Cosa nostra
3 Jahre her

Ja, das Gesamtdeckunsgprinzip. Deshalb zahlt man bis heute die Schaumweinsteuer, die einst der Finanzierung der deutschen Flotte gegen Engeland diente. Einfach im Gesamtdeckungsprinzip versunken, der kaiserliche Traum. Heute haben wir weder schwimm- noch fahr- oder flugfähiges Gerät bei der Truppe und die Steuerfahndung kommt mit der Straßenbahn zur Durchsuchung. Die Gesamtdeckung deckt eben dann doch nicht gesamt. Die Gesamtdeckung hat eher sowas von Ewigkeitsprinzip wie die ÖRR-Zwangsgebühr. Erinnert mich an die Mülltrennung. Erst alles trennen, Joghurtbecher spülen, dann auf getrennten Wegen zur Müllverbrennung und dort wiedervereint Übrigens müssen sogar deutsche Soldaten ihren Müll trennen. Einmal die Woche kommt dann ein… Mehr

Slawek
4 Jahre her

Ich ahne nichts Gutes. Fett und Zucker sind ja auch nichts anderes als Energie und können daher in kWh abgerechnet werden.

grauer wolf
4 Jahre her

Alle Lebensmittel, die Blähungen verursachen verbieten, dass wäre mal eine Ansage zum Klimaschutz.
Achzigmillionen die nicht fur… was bringt das fürs Klima?
Wer kann helfen?

grauer wolf
4 Jahre her

Immer her mit den neuen Steuern.
Wenn der Auszahlungsbetrag auf dem Lohnzettel bei Null ist, ist äh alles vorbei.

Farbauti
4 Jahre her

Gardinensteuer, Klopapiersteuer, Schuhsteuer, Bratwurststeuer, Nagellacksteuer, Kinderpupsabgaben, Gema für Witze, Grillsonntagssonderabgabe …
Die brauchen alle noch dringend ne Hazienda wohin sie sich verflüchtigen können, wenn es hier kracht. Wer so doof ist CO2 Steuer bezahlen zu wollen, der bezahlt auch noch für Zahnschmerzen.

Cojo Tee
4 Jahre her

Königsrecht des Parlaments? Das Königsrecht unseres Parlaments besteht doch darin Froschschenkel zu essen. Oder war es, Kröten schlucken, hingeworfen von der Kanzlerin?

drnikon
4 Jahre her

Da kommen noch mehr Steuererfindungen. Lachsteuer ist nicht auszuschließen. Auf die Idee überflüssige Subventionen, also alle, abzuschaffen will man nicht kommen. Die NGO müssen unterstützt werden, um die neuen und höheren Steuern irgendwie legitimieren zu können.

Sonnenschein
4 Jahre her

Na dann, Pfeil und Bogen ausm Schrank und ab in den Wald. Wäre doch gelacht.

W aus der Diaspora
4 Jahre her

Ich denke, dass die Mehrwertsteuererhöhung auf Fleisch und Fleischerzeugnisse kommen wird. Es gibt zwei massive Gründe die dafür sprechen: 1. Die EU erhält einen Teil des Mehrwertsteueraufkommens von jedem Land. 2. Die Mehrwertsteuer auf Bahntikets soll ganz entfallen oder zumindest gesenkt werden. Beides zusammen würde bedeuten, dass die EU weniger Geld bekommen würde, dass wird weder Merkel noch die EU selbst zulassen. Also muss auf anderen Produkten die Mehrwertsteuer erhöht werden. Für die Ökofaschisten bietet sich Fleisch da förmlich an. Problematisch wird es dann nur bei Mischkost. Z.B. die berühmte tiefgefrorene Salamipizza. Eben, überhaupt die Produkte, in denen nur ein… Mehr

Cosa nostra
3 Jahre her
Antworten an  W aus der Diaspora

Die Verdienstausfälle könnte man sich ja leicht per Finanztransaktionssteuer für ausgehende Zahlungen, die den Euro-Raum verlassen, holen. Damit würde man dann auch dem Kaufkraftverlust der Rücküberweisungen der deutschen Sozialhilfe von „Flüchtlingen“ ins Ausland ein klein wenig entgegenwirken.

Snakebite
4 Jahre her

„[…] schob dafür die CDU-Versicherung „keine Steuererhöhung bis 2021“ beiseite“ Man muss doch nur wissen, wie man diese Steuer-(erhöhung) verkauft. Es wird einfach argumentiert werden, das dies ja keine Steuererhöhung ist (wenn es eine „Fleischsteuer“ wird), sondern eine völlig neue „gerechtfertigte Steuer“ (wegen „Umwelt und so“) und schon wird das Wahlvieh dies muhend abnicken… Wird dann bei einer CO2-Steuer dann ebenso ablaufen… (Vielleicht ist die „Fleischsteuer“ der Testfall für eine CO2-Steuer? Schließlich hat der Staat noch nicht die Kontrolle über die verbliebenen rund 50% der Gehälter, Löhne etc. der Bürger. „1% seines Einkommens müssen doch dem gemeinen Bürger (im Mittelalter… Mehr