Wahlanalyse: Merkel als Mühlstein am Hals der CDU

Nicht wegen Björn Höcke, sondern wegen Angela Merkel haben so viele Thüringer AfD gewählt. Den meisten von ihnen ging es vor allem darum, der Bundeskanzlerin den größtmöglichen Widerspruch zu präsentieren. Der Erfolg der AfD und der eigene Niedergang sind das Ergebnis der Feigheit der CDU vor ihrer Führung.

Michele Tantussi/Getty Images

Wenn es Merkel ernst damit wäre, die AfD zu bekämpfen, sollte sie möglicherweise persönliche Konsequenzen ziehen. Denn einer der zentralen Gründe dafür, die AfD zu wählen, ist sie selbst. Das gilt zumindest für die jüngste Landtagswahl in Thüringen, wie eine   Nachwahlbefragung durch das Meinungsforschungsinstitut INSA-Consulere  zeigt.

Jeder Zweite (49 Prozent), der nicht CDU gewählt hat, gibt als Grund dafür Kritik an der Bundespolitik, beziehungsweise der Berliner GroKo an. Jeweils zwei Drittel der AfD-Wähler benennen als Grund für ihre Stimmabgabe zugunsten der AfD die Kritik an Angela Merkel (64 Prozent) beziehungsweise die Kritik an der Bundespolitik (67 Prozent). Und selbst unter CDU-Wählern ist die Zustimmung zu Bundeskanzlerin Merkel (22 Prozent) geringer als die Zustimmung zum thüringischen CDU-Spitzenkandidaten Mike Mohring (32 Prozent).

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Wegen des thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke, der als führender Kopf des radikalen „Flügels“ gilt, haben dagegen nur 25 Prozent der AfD-Wähler AfD gewählt. Umgekehrt war Bodo Ramelow für 76 Prozent der Linke-Wähler der Grund für diese Entscheidung. Kurz gesagt: Angela Merkel und ihre als „alternativlos“ behauptete Politik waren nicht nur die Ursache des Aufkommens der „Alternative für Deutschland“. Ihr Verbleib im Kanzleramt ist auch weiterhin der Grund für den wachsenden Wahlerfolg der AfD. Dem Wahlkämpfer Mike Mohring hing also die Kanzlerin wie ein Mühlstein um den Hals, wenn selbst unter CDU-Wählern nur 22 Prozent sich zustimmend zu Merkel äußern. 

Jahrelang war selbst unter eigentlich kritisch eingestellten Unionsabgeordneten das stärkste Motiv für Merkel-Treue der pure Machterhalt. Fragte man CDU-Granden, warum sie sich Merkel gefallen ließen, antworteten sie sinngemäß: Sie erhält uns die Macht (also mir einen schönen Posten), und einige, die wenigstens nebenbei auch ans Land dachten, ergänzten: Das verhindert immerhin, dass Deutschland von Rot-Grün-Links regiert wird. Das sorgte bei einer großen Mehrheit innerhalb der Fraktion dafür, sie jahrelang – auch während der so genannten Flüchtlingskrise – weitgehend widerspruchslos regieren lassen. Doch auf den Zuspruch der Wähler selbst können sich die braven CDU-Berufspolitiker mittlerweile kaum noch berufen, wie die jüngsten Ergebnisse offenbaren. In Wahlkämpfen sind Merkel und ihr innerster Machtzirkel in Berlin längst zu einer schweren Belastung geworden. 

Dass das merkelsche Machtkartell innerhalb der CDU dennoch weiterhin standfest ist, kann letztlich nur durch die Konstruktion der innerparteilichen Demokratie erklärt werden, die nämlich keine wirkliche ist. Berufspolitikerkarrieren werden in allen Parteien, das ist ein fataler Konstruktionsfehler des real existierenden bundesrepublikanischen Parteienstaates, nicht in erster Linie durch Zuspruch der Wähler und noch nicht einmal durch den Zuspruch der Parteibasis gemacht. Sondern in der Mehrheit der Fälle durch geschicktes Taktieren und wohltemperiert Loyalität zu den Machtzentren. Von oben nach unten wird in allzu vielen Fällen über Aufstiege entschieden. 

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Die CDU hat diese negative „Eliten“-Auslese, die zu einer Akkumulation von Feigheit und Kriechertum vor der eigenen Führung führt, in den vergangenen Jahrzehnten unter Merkel in ganz besonderer Weise perfektioniert. Die letzte CDU-Spitzenpolitikerin, die persönliche Risikobereitschaft im Angesicht der eigenen Parteiführung bewies, war Merkel selbst, als sie im Dezember 1999 jenen berühmten, unabgesprochenen FAZ-Artikel gegen Helmut Kohl veröffentlichte.   

In dem stand der mittlerweile berühmt gewordene Satz: „Die Partei muß also laufen lernen, muß sich zutrauen, in Zukunft auch ohne ihr altes Schlachtroß, wie Helmut Kohl sich oft selbst gerne genannt hat, den Kampf mit dem politischen Gegner aufnehmen.“ Doch einmal selbst an der Macht, hat Merkel der Partei das Laufen gründlich abtrainiert. Und den „Kampf mit dem politischen Gegner“ hat sie ad absurdum geführt, indem sie sich ihm programmatisch bis zur Ununterscheidbarkeit anglich. 

Die AfD ist ein bleibendes Vermächtnis dieser merkelschen Unpolitik. Thüringens Wahlergebnis könnte, ja, müsste Die Partei als Menetekel erkennen, als Indiz für das noch steigerbare Ausmaß der angerichteten Katastrophe. Doch selbst das zu erkennen und die konsequenten Schlüsse für das eigene Überleben als Partei zu ziehen, nämlich die Ära Merkel ein für alle Mal zu beenden, scheint der müden CDU immer noch zu viel der Mühe zu sein.

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Kommentare ( 120 )

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120 Comments
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CIVIS
4 Jahre her

Dem Eingangsstatement von Herrn Knauss

„>>>Nicht wegen Björn Höcke, sondern wegen Angela Merkel haben so viele Thüringer AfD gewählt. Den meisten von ihnen ging es vor allem darum, der Bundeskanzlerin den größtmöglichen Widerspruch zu präsentieren. Der Erfolg der AfD und der eigene Niedergang sind das Ergebnis der Feigheit der CDU vor ihrer Führung.<<<"

ist nichts hinzuzufügen. Genau auf den Punkt gebracht !

Leka
4 Jahre her

Merkel ist nur das hervorstechendste Symptom ihrer Gefolgschaft und deren gewachsenen Strukturen. Kampf um Machtausübung und – erhalt, Günstlingswirtschaft, Strippenzieherei und Seilschaften finden sich ebenso in anderen Parteien. Andererseits ist die Kanzlerin auf Grund ihrer herausgehobenen Position, ihrer individuellen Eigenschaften und speziellen Vergangenheit mehr als andere ein geeigneter und williger Akteur für die Installation der sogen. Neuen Weltordnung. Inwieweit Nachfolger diesen Weg weiter beschreiten werden, wird die Zukunft zeigen.

Hartholz
4 Jahre her

Merkels CDU gehts wie Österreichs Roten. Da geben sich die Kandidaten die Klinke in die Hand, um größtmöglichen Schaden zu bewahren und doch passiert ständig das Gegenteil – ähnlich der SPD. Würde eine AKK also nach der Physikerin der Macht das Zepter übernehmen, was meiner Meinung nach eine glänzende Idee wäre, käme das nur einem Brandbeschleuniger gleich. Da sich die Blockparteien aber nichts anderes, als zusammen immer über die 50% Hürde zu kommen und Rechts zu verhindern auf die Fahne geschrieben haben, ist es eigentlich egal wer im BK-Amt sitzt von denen. Die Befehle kommen offenbar sowieso direkt aus Brüssel… Mehr

bfwied
4 Jahre her

Auch nach Merkels Abgang, freiwillig, weil hochgelobt, oder erzwungen, wird die CDU sich nicht wesentlich ändern, da sie schon vor zu langer Zeit zu einer auf Linie gebrachte Merkel-Partei geworden ist. Auch Merz kann nicht viel ausrichten, es sind die an kleinen und großen Schaltstellen des Poltitikbetriebs sitzenden Parteimitglieder und, noch etwas schlimmer, es ist der Mainstream, die Denkrichtung der Leute, immerhin der Mehrheit des Volkes, die nicht auf Knopfdruck verändert werden kann. Niemand gibt gerne zu, dass er ideologisch deformiert wurde, dazu gehören Größe und Charakter, und das brachten auch die Leute nach dem 2. WK nicht auf. Wer… Mehr

moorwald
4 Jahre her

Es ist klar: Merkel muß weg. Aber mit ihrem Abgang wird kein einziges Problem gelöst sein. Es wird zunächst Nachfolgekämpfe geben. Und ohne eine starke Persönlichkeit ist eine Erneuerung der CDU – was nur heißen kann: Wiedergewinnung eines konservativen Profils – undenkbar. Eine solche Persönlichkeit. ist aber nicht in Sicht. Es müßte ein Kämpfer sein, der anders als Merkel, die CDU nicht in eine Dauernarkose versetzt, sondern sie durch Ideen, feste Überzeugungen und Führungsstärke mitreißt.
M.a.W.: ein echter Politiker, der nach der Macht strebt, um zu gestalten, „den Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm zu wenden“…

EndemitdemWahnsinn
4 Jahre her
Antworten an  moorwald

Der neue Kanzler muss ja nicht von der CDU kommen. Am besten die CDU mit Merkel gleich mitentsorgen.

teanopos
4 Jahre her

„Die letzte CDU-Spitzenpolitikerin, die persönliche Risikobereitschaft im Angesicht der eigenen Parteiführung bewies, war Merkel selbst, als sie im Dezember 1999 jenen berühmten, unabgesprochenen FAZ-Artikel gegen Helmut Kohl veröffentlichte.“
Risikobereitschaft ? was hatte diese Frau zu verlieren? und auch schon damals gab es Ansätze von Quote.

bfwied
4 Jahre her
Antworten an  teanopos

Stimmt! Und sie ist die allermieseste Kanzlerin seit Hitler, Ulbricht, Honecker und Co. Kein anderer westlicher Staatschef kann in seinem Land, auch nicht in Frankreich, so viel Unheil anstellen wie in Deutschland, er wird angegriffen, gebremst, abgesetzt – man folgt hier, man kämpft erbittert mit tödlicher Präzision für die vorgegebene Ideologie. Das beherrschten die Deutschen im 2. WK, das beherrschten sie in der DDR, der sozialistischen Spitze im Ostblock, und das beherrschen sie heute wieder. Sie folgen sogar der früher verhassten SED – Die Linke – und ihren Gesinnungsgenossen in SPD, Grünen, Merkel-Partei. Es fehlt einfach das selbständige Denken, das… Mehr

Katharsis
4 Jahre her

Kohl´s Mädchen Merkel ist für Deutschland die GRÖKAZ – die grösste anzunehmende Katastrophe aller Zeiten – schlechthin! Das Erbe, das sie uns hinterlassen wird, dürfte auf unabsehbar lange Zeit nicht zu bewältigen sein und aus Deutschland wohl den alten kranken Mann im Siechtum machen! Aber ganz ehrlich? Was haben wir anderes von einer Ex- DDR- Physikerin und FDJ- Parteisekretärin aus der Uckermark und Tochter des „Roten Pastors von Templin“, die von Kohl rein aufgrund der Tatsache, dass sie zum einen aus der DDR stammte und zum anderen eine Frau war, in die bundesdeutsche Spitzenpolitik gehievt wurde, erwartet?!!

Th. Radl
4 Jahre her

„Nicht wegen Björn Höcke, sondern wegen Angela Merkel haben so viele Thüringer AfD gewählt.“
Das sollte man den CDU-Fuzzies auf ein dickes Brett malen und vor die Nase setzen! Sollte sogar recht einfach gehen, da ist ja schon ein dickes Brett!

Tesla
4 Jahre her

„Jeweils zwei Drittel der AfD-Wähler benennen als Grund für ihre Stimmabgabe zugunsten der AfD die Kritik an Angela Merkel (64 Prozent) beziehungsweise die Kritik an der Bundespolitik (67 Prozent). (…) Wegen des thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke (…) haben dagegen nur 25 Prozent der AfD-Wähler AfD gewählt.“ Erst einmal mein Kompliment an den Autor für seine Analyse und klaren Worte. Was INSA mit den Worten „Kritik an Angela Merkel“ höflich in Watte packt, ist die Ablehnung Merkels. Es sind die AfD-Wähler, die ihrer Forderung „Merkel muss weg“ auch mit ihrer Stimme Nachdruck verleihen wollen. Auf Wahlkampfveranstaltungen in den Osten hat sich… Mehr

martin ruehle
4 Jahre her

Mit ihrer Behauptung, ihre Politik sei alternativlos hat Merkel die real-sozialistischen politischen Zustände im Merkelland zutreffend beschrieben.

Alles jenseits der AfD ist sich weitgehend einig und singt, orchestriert vom Medienkartell, das gleiche, monochrome Loblied auf Grünbuntland und hilft sich aus, wenn ’s beim Wählen mal eng werden könnte.
Das Kartenhaus bricht erst dann in sich zusammen, wenn es im Gebälk der Ganz Großen Koalition zu unüberbrückbaren Gegensätzen käme, die auch durch das Beschwichtigen mit Pöstchen, Karrieren und Abermillionen für Gefälligkeitsprojekte nicht zu kitten wären. Sieht das jemand? Ich nicht!