UN-Migrationspakt: Belgien debattiert und die EU-Kommission in Brüssel hört es nicht

EU-Kommissar Avramopoulos verlangt nun, alle Mitgliedsstaaten müssten dem UN-Migrationspakt zustimmen. Er hat eine eilige Agenda, von der die meisten außerhalb des Brüsseler EU-Viertels noch gar nicht gehört haben dürften.

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Der Existenzsprung vom Politiker im Mitgliedsland zum EU-Kommissar ist Dimitris Avramopoulos nicht gut bekommen. Im Interview mit der WELT verlangt er nun, alle Mitgliedsstaaten müssten dem UN-Migrationspakt zustimmen. Die Art von Diplomatie, die er dabei einsetzt, gipfelt in einem Satz, den die Regierungsmitglieder von Warschau bis Rom ganz gewiss sehr zu schätzen wissen werden: „Wer den Migrationspakt ablehnt, hat ihn nicht ausreichend studiert.”

Noch „besser” aber ist, was danach kommt. Der Kommissar hat eine eilige Agenda, von der die meisten außerhalb des Brüsseler EU-Viertels noch gar nicht gehört haben dürften:

„Die Uhr tickt. Wegen der Europawahlen im Mai muss das EU-Parlament praktisch bis Februar zustimmen. Sonst wird es eng. Die Gesetzesvorschläge für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem sollten jetzt schnell verabschiedet werden.”

„Gesetzesvorschläge für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem”? Haben Sie darüber etwas gehört oder gelesen?

Die WELT fragt, worum es konkret geht, und der Leser erfährt mit ihr:

„Es gibt sieben Vorschläge. Dabei geht es um einheitliche Aufnahmekriterien in allen EU-Ländern, angeglichene Verfahren zur Beurteilung von Asylanträgen, außerdem vergleichbare Aufnahmebedingungen, etwa bei der Unterbringung und den sozialen Leistungen und einen solidarischen Ausgleich bei der Aufnahme von Flüchtlingen.

Die Europäische Asylagentur wird mit den notwendigen Mitteln ausgestattet, um bei der Bearbeitung von Asylanträgen noch wirksamer helfen zu können, und wir erweitern die europaweite Datenbank Eurodac, sodass besser kontrolliert werden kann, wie sich Migranten innerhalb der EU bewegen.”

Noch schnell vor dem EU-Wahlkampf und ohne öffentliche Diskussion sollen nach dem UN-Migrationspakt und dem UN-Flüchtlingspakt sieben Gesetze in Brüssel durchgepaukt werden:

»WELT: Eine Harmonisierung des Asylrechts könnte aber auch Verlust von nationalen Entscheidungskompetenzen bedeuten.

Avramopoulos: Eben nicht. Jedes Land entscheidet weiterhin allein darüber, ob ein Asylantrag genehmigt wird oder illegale Migranten zurückgeschickt werden.

Ziel eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist es, Flüchtlinge innerhalb der EU solidarisch zu verteilen, Asylverfahren zu verkürzen, Asylmissbrauch härter zu bestrafen, „Asylshopping“ zu unterbinden und angemessene Aufnahmebedingungen für Asylsuchende zu gewährleisten. Wir müssen unser Asylsystem krisenfest machen. Das ist es bisher nicht.«

Was Frau Merkel im tatsächlichen oder inszenierten Streit mit Herrn Seehofer nicht gelang, Migranten in der EU zu verteilen, soll nun gehen? Und wieder soll danach angeblich jedes Land entscheiden? Ist der Herr Kommissar wirklich so naiv, nicht zu merken, dass er mit allem, was er sagt, die Regierungen, die dem UN-Migrationspakt in Marrakesch nicht zustimmen wollen, darin bestärken wird?

Wundern über Herrn Avramopoulos ist auch deshalb angebracht, weil er wohl mitten in Belgien noch nicht mitgekriegt hat, dass die dortige Regierung sozusagen unter seinen Augen aktuell über dem UN-Migrationspakt auseinanderzubrechen droht, wie n-tv.de und andere Medien berichten:

„Der UN-Migrationspakt spaltet auch die belgische Regierung. Die Regierungspartei N-VA ist dagegen und stellt sich damit offen gegen Ministerpräsident Charles Michel.”

Die mögliche Kompromisslinie könnte sein, wie wir aus Belgien hören, dass die belgische Regierung eine Erklärung zu Protokoll gibt, dass der UN-Migrationspakt Belgien zu nichts verpflichtet. Was Kabarett-reif wäre bei einem Text, in dem es vor lauter Verpflichtungen nur so wimmelt.


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Kommentare ( 55 )

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Diogenes
5 Jahre her

Mit jeder Maskenschicht, die die EU abzieht, kommt ein garnicht mehr erwartetes schlimmeres Grauen zum Vorschein. Eigentlich spannend, wie das Gesicht der EU nackt aussehen wird.
Was sind das eigentlich für Wahnsinnige und woher kommen die, die wöchentlich, nach und nach, aus ihren Löchern (Shitholes) kriechen?

Hand Meier
5 Jahre her

Warum wird die finanzielle Kehrseite ausgeblendet? In ihrer Heimat hochverschuldete Migranten bezahlen jede Reiseetappe in bar. Sie holen diese Bar-Beträge aus den boomenden Bargeld-Filialen der Western-Union auf den Zugrouten per telefonischer Anweisung, minus fast zweistelligem Abschlag. Haben die Abenteurer das Zielland erreicht, erfolgt der Schuldenabbau Richtung Heimat und die Eigentümer der Bargeld-Filialen kassieren erneut, was sie sich mit den Politikern auf ihrer Payroll einsacken. Es ist modernes, gieriges Schuld-Sklaventum, eine Lizenz zur Ausbeutung von Menschen, wie alle Zahlen zeigen, wenn z. B. 1 Mio. Migranten die nur etwa 5.000 € in bar schulden dem „Bar-Bezahl-Dienst-Leister“ also zweimal fast 10 %… Mehr

lalaland
5 Jahre her

…irgendwann jeder Einwohner für seinen Lohn den gleichen Lebensstandard haben kann Wenn das alles im Sinne EINER EU harmonisiert ist, dann kann man über für alle Mitglieder allgemeingültige Gesetze wie Asylrecht oder Migration nachdenken die jeder Mitgliedsstaat zu erfüllen hat. Denn warum haben wir bevorzugte Länder für Migranten und auch Asylsuchende? Die Höhe der Leistung ist unerheblich (denn die ist abhängig von den Lebenshaltungskosten des Landes), ausschlaggebend dürfte der Leistungskatalog sein. Deutschland bietet viel, aber es bietet nicht mehr für Asylsuchende oder Migranten als für die eignen Bürger (auch wenn so mancher das gerne so sieht). Deutschland als Vorbild für… Mehr

lalaland
5 Jahre her

Wenn wir in Europa, welches ja ach so vereint ist, irgendwann:

-In jedem EU Land die gleichen Soziallesisungen bekommen (Höhe Arbeistlosengeld, Krankenversicherungsleistungen, Kindergeld, Rentenhöhe im Vergleich zum Verdienst etc.)
-In jedem EU Land auch die gleichen prozentualen Abgaben auf den Lohn haben
(Rente, KV, Arbeistlosenversicherung, etc)

-In jedem EU Land im selben Alter in Rente gehen

-In jedem Land Abgaben auf zwingende Lebenshaltungskosten (EEG Umlage, KFZ Steuer, Spritsteuer, MwSt. etc) harmonisiert sind

-In jedem Land der EU

Sabine Ehrke
5 Jahre her
Antworten an  lalaland

‚In jedem Land‘ wird es nicht geben in der Diktatur der vereintigten Staaten von Europa. Ein einziges Shithole-Moloch ohne jede Nation.

Berndi
5 Jahre her

In der EU gibt man sich auch keine Mühe mehr, den Stalinismus zu verbergen.

Protestwaehler
5 Jahre her

Aber ist es eigentlich wirklich „links“, den Mächtigen als Prostituierte zu dienen :-/

Protestwaehler
5 Jahre her

Dazu passt ja das heutige Interview von Le Pen mit RT… Wenn Macron den Pakt gegen den Willen des Volkes (80% aller Franzosen sind laut Umfrage gegen einer weitere Zuwanderung) unterschreiben sollte, wird Le Pen diesen bei einem zukünftigen Wahlsieg umgehend wieder annulieren… das wird wohl nur gehen, indem sie aus der UN austritt… die Folgeerscheinungen wären interessant zu betrachten 😉
Denen fliegt bald nicht mehr nur ihre verblödete EU um die Ohren, das könnte noch viel größere Ausmaße annehmen.

Dirk S.
5 Jahre her

Hängen UN-Migrationspakt und das geplante Gemeinsame Europäische Asylsystem vielleicht zusammen? Wollte die Bundesregierung den Umweg über die eine Etage höher stehende UN ausnutzen, um die bisher eine Umverteilung ablehnenden Staaten wie Ungarn und Österreich „auf Linie“ zu bringen ? Erst einen angeblich unverbindlichen Rahmenvertrag auf UN-Ebene abschließen und dann mit EU-Gesetzgebung inhaltlich konkret ausfüllen? Würde aufgrund der jetzigen zeitlichen Zusammenhänge ja passen. Wäre doch mal eine Recherche wert …

Kassandra
5 Jahre her
Antworten an  Dirk S.

In Ungarn wurden in den letzten Monaten nationale Gesetze dahingehend geändert, dass weder die EU noch durch die UN übergriffig über den Kopf der ungarischen Regierung hinweg Tatsachen schaffen kann, die das ungarische Volk ablehnt.
Orban hofft weiterhin auf eine Veränderung durch die EU-Wahl in 2019, so dass sich auch im Europäischen Parlament die Mehrheitsverhältnisse zu Ungunsten der jetzigen Migrationspolitik verschieben und baut derweil auf die guten Kontakte der Visegrad-Staaten untereinander. http://www.miniszterelnok.hu/viktor-orbans-erklarung-nach-seinem-gesprach-mit-dem-ministerprasidenten-tschechiens-andrej-babis/

batman
5 Jahre her
Antworten an  Dirk S.

Genau das habe ich mich auch gefragt. Das war vermutlich der Plan, der grandios gescheitert ist.

Django07
5 Jahre her
Antworten an  Dirk S.

Oh Rechereche ! Wofür haben wir denn einen Rechercheverbund mit sz und diversen ÖR-Sendeanstalten? Auch ein Herrn Restle mit seinem werteorintierten Journalismus kann doch mal sich dazu äussern.

Ananda
5 Jahre her
Antworten an  Dirk S.

Mit dem Migrationspakt hat Merkel die bisherige Gesetzgebung wie Grundgesetz, Asylrecht ohne lästiges Abstimmen oder auch nur den tatsächlichen Vorgang klar zu benennen, außer Kraft gesetzt. Geschickt getäuscht, geschickt intrigiert und das Land zum Aussaugen freigegeben. Jeder Trickbetrüger kann von der Frau noch lernen.

Marcel Seiler
5 Jahre her

Die EU-Granden verstehen es, immer mehr Zwietracht zwischen den Staaten zu säen und in den Bevölkerungen die Ablehnung dieser EU voranzutreiben. Wer, wie ich, einen Rückbau der EU für richtig hält, kann das eigentlich nur begrüßen.

Arminius
5 Jahre her

Klar, die sind sich alle einig, alle Asylanten nach D durchzureichen.
Wohin auch sonst?
Dexit, sofort!!

Wolkendimmer
5 Jahre her
Antworten an  Arminius

Zuvor bitte den Mexit, und zwar presto!