Streit um Burka-Verbot: Feminismus ringt um Deutungshoheit

Die taz-Redakteurin verlangt eine Abgrenzung zur AfD aus Mangel an Identität und will sich damit gegen Terre des Femmes abgrenzen, die ihr aber genau das vorwerfen: Ein Abgrenzungsproblem.

© NICOLAS ASFOURI/AFP/Getty Images

Die Frauenrechtsgruppe „Terre des Femmes“ findet, Vorwürfe gegen ihre Forderung eines Burka-Verbots seien so vehement, teils denunziatorisch geworden, dass sie die Debatte vergiften.

Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie leichtfertig neuerdings gerade jüngere Journalistinnen bereit sind, Presse- und Meinungsfreiheit zu opfern, nur, um unbequeme Fragen zu vermeiden, die zu stellen doch ihre ureigene Aufgabe sein sollte.

— WELT (@welt) April 4, 2018

Ein aktuelles Fallbeispiel liefert Patricia Hecht für die Berliner taz. Bei ihr trifft es dieses Mal die 1981 in Hamburg gegründete Frauen- und Mädchenrechts-NGO Terre des Femmes, die sich für ein Verbot von Burka und Gesichtsverschleierung einsetzt, weil sie heute schon befürchten, dass Verschleierung zukünftig in Deutschland viel öfter vorkommen wird. Terre des Femmes will also vorbeugend fordern, bevor man einer wachsenden Zahl verschleierten Frauen etwas abfordern muss.

So weit, so gut und auch von Patricia Hecht grundsätzlich nicht beanstandet. Ein Zugeständnis an Burka und Co macht sie nicht. Aber sie geht mit keinem Wort auf die Prophylaxe-Idee von Terre des Femmes ein, wenn sie schreibt: «Nun möchte Terre des Femmes ein Problem abschaffen, das nicht sonderlich weit oben auf der Liste der Dringlichkeiten steht. (…) Dabei hat sogar der Bundestag jüngst festgestellt, dass solche Schleier „hierzulande eher selten“ anzutreffen sind. Es gibt also faktisch keinen Grund, sie zu verbieten.»

Nun gibt es eine Reihe nicht gesellschaftskonformer Verhaltensweisen, die ähnlich selten passieren, wie im Moment noch das Tragen einer Burka, die aber dennoch aus gutem Grunde unter Strafe gestellt werden, quasi als Wegweiser hinein in eine geordnete Gesellschaft. Hinein in ihr ureigenes Wertesystem.

Aber Patricia Hecht geht es um etwas ganz anderes. Die Journalistin hat ein offensichtliches Abgrenzungsproblem. Kein so seltenes, denn darunter leidet aktuell auch die Mehrheit im Deutschen Bundestag. Der Abgrenzungskandidat heißt AfD: Bin ich gegen die Burka, bin ich gegen etwas, gegen das sich auch die AfD positioniert hat. Hecht empfiehlt den Frauenrechtlern der NGO daher, sich doch bitte Themen auszusuchen, wo das nicht der Fall ist: Schwangerschaftsabbruch, Lohngefälle und körperliche oder sexualisierte Gewalt. Nun kann es passieren, dass man mindestens bei den beiden letztgenannten Themen doch wieder auf AfD-Linie liegen könnte, glaubt die Autorin aber offensichtlich noch nicht.

Mit einem Wort: Abgrenzung auch hier verfehlt. Also Abgrenzung in dem Sinne, dass man es selbstbewusst aushält, auch einmal mit der AfD einer Meinung zu sein, ohne Sorge, sich deshalb bereits vereinnahmen zu lassen. Wie wenig selbstbewusst ist das ausgerechnet beim Thema Feminismus? Nun ist die einstige Vorzeigefeministin – quasi die Mutter des Feminismus in Deutschland – Alice Schwarzer, nicht nur partiell ins konservative Lager übergewechselt. Die Zeitung „Der Freitag“ nannte sie in einem Atemzug mit Sarrazin und Broder unter der Rubrik: „Die Rechtsdenker – im dunkeldeutschen Wald“. Die Zeitung schrieb über Schwarzer: „Gäbe es ein ZK des Feminismus, würde sie den Vorsitz beanspruchen.“ Und weiter: „Wenn es Alice Schwarzer nicht schon gäbe, sagen böse Zungen, hätte man sie erfinden müssen, um den Feminismus in Verruf zu bringen.“

Wenn nun also Patricia Hecht bei der taz als „Redakteurin für Gender und soziale Bewegungen im Inland“ gegen die Burka-Verbotsforderung von Terre des Femmes anschreibt, weil das Deckungsgleich mit einer AfD-Forderung sei, wenn sie also Abgrenzungsprobleme reklamiert, dann darf man spekulieren, dass es sich um einen innerfeministischen Positionsstreit handelt: Feminismus hat hier nur dann eine Existenzberechtigung, wenn er politisch links steht. Schon aus Tradition. Wenn sich etwa Autorinnen wie Birgit Kelle Feministinnen nennen, dann darf das nicht sein. Entsprechend häufig auch die Anwürfe gegen Kelle in der taz bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen, welche Kelle allerdings für sich entscheiden konnte.

Aber auch der Spiegel steht der taz in nichts nach, wenn er ebenfalls untertitelt:
„…Terre des Femmes will, dass Nikab und Burka aus der Öffentlichkeit verschwinden. Eine Nähe zur AfD weisen die Frauenrechtlerinnen trotz ihrer Forderung zurück.“

Eine Nähe zu was sonst noch muss man zurückweisen, um sich genügend abgegrenzt zu haben? Man grenzt sich verbal ab, weil man keine selbstverständliche Abgrenzung anbieten kann? Weil sich ein paar schwarze Schafe unter die Feministinnen geschlichen haben, nein, weil nun sogar die einstige Vorzeigefeministin Schwarzer braune Unterwäsche tragen soll?

Terre des Femmes zeigt sich in einer Erklärung zur Forderung des Burka-Verbots viel selbstbewusster: Religionskritik sei generell ein Merkmal jeder aufgeklärten, pluralistischen und offenen Gesellschaft und hätte nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun. Mehr noch: Terre des Femmes sieht sich „in der Tradition der Feministinnen, die sich seit Beginn des letzten Jahrhunderts gegen den religiös-patriarchalischen Fundamentalismus und seine vorgeschriebenen Geschlechterrollen und voraufklärerischen Ansichten einsetzen.“ Die NGO spricht sich eindeutig aus gegen „Beschneidung, Frühehe, Vollverschleierung und Kinderschleier“, die sie als „rassistisch, islamophob oder (neo)kolonialistisch“ dechiffriert. In Richtung von Patricia Hecht und anderen urteilt sie hart: „Die Vorwürfe sind so vehement, teils denunziatorisch geworden, dass sie die Debatte vergiften.“

Was nun Patricia Hecht für die taz in wenigen Zeilen entgegenzusetzen hat, ist leider kein Debattenbeitrag sondern allenfalls der gescheiterte Versuch einer Verteidigungsrede. Die Autorin fühlte sich offensichtlich persönlich angegriffen. Sie verlangt eine Abgrenzung zur AfD aus Mangel an Identität und will sich damit gegen Terre des Femmes abgrenzen, die ihr aber genau das vorwerfen: Ein Abgrenzungsproblem.

Eine verquere Dialektik und also eine leider mangelhafte Debattenfähigkeit, wenn Hecht mit folgenden Worten schließt: „Aber auch Terre des Femmes weiß, dass Debatten in bestimmten Kontexten geführt werden. (…) Terre des Femmes macht sich zum Helfershelfer – nicht der Frauen, sondern der AfD.“

Nun hatte sich Terre des Femmes aber gerade gegen diesen Anwurf debattenstark aufgestellt. Der taz und Patricia Hecht ist das gleich – wohl in der Hoffnung, dass die taz-Leserin nicht ebenfalls den deutlich ausführlicheren Beitrag der NGO gelesen hat.

Journalismus: geopfert auf dem Altar eines Feminismus, der intern um seine Deutungshoheit ringt. Patricia Hecht hat in diesem Ringen gerade für die taz das Handtuch geworfen.

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