Start der Formel 1-Saison: Aus der Boxengasse in eine ungewisse Zukunft

Am Wochenende startet die Formel 1 in die neue Saison. Die Corona-Pandemie hat auch dieses Milliarden-Spektakel fest im Griff und kann dafür sorgen, dass mit dem abgespeckten Notfall-Kalender und fehlenden TV-Einnahmen spätestens ab 2021 das Aus droht.

imago images / HochZwei

Es waren skandalöse Umstände und das indiskutable Verhalten des Weltverbandes FIA standen Anfang März am Anfang des eigentlichen Starts der Formel 1 in Melbourne. Zuschauer, Rennställe und TV-Motorsportfans in aller Welt wurden tagelang hingehalten, ob der Grand Prix von Australien stattfinden würde oder nicht. Am Ende entschied man sich für eine Absage, nachdem ein Williams-Mitarbeiter positiv auf Covid-19 getestet wurde. Die Umstände von Down Under wurden wochenlang aufgearbeitet, diskutiert und scheinbar auch gelöst. Doch trat bei allen Verhandlungen, Absprachen und Ängsten eines zum Vorschein. Der Formel 1-Zirkus hat sich spätestens seit den Vorfällen von Melbourne drastisch verändert. Fast alle Rennställe mussten über die Bücher ob ihrer klammen Budgets und haben aufgrund der Frage, ob und wann der Rennzirkus wieder öffnen würde, Existenzsorgen. Denn auch hier geht es um millionenschwere Summen aus TV-Verträgen, die erst dann zum Tragen kommen, wenn die Reifen quietschen. Voraussetzung für eine komplette Auszahlung durch den Rechtehalter Liberty Media – das US-Unternehmen kaufte 2016 die Formula One Group für satte 4,4 Milliarden US-Dollar – ist aber eine Saison mit mindestens 15 Rennen und diese Planung ist weiterhin abhängig von den gesundheitlichen Voraussetzungen in den einzelnen Gastgeberländern. Doch weil es ums liebe Geld geht, entschied man sich, erst einmal einen Sockel von acht Rennen auf die Beine zu stellen und dann mal zu schauen, was sich im Laufe des Jahres noch ergibt. So startet am Wochenende im österreichischen Spielberg auf dem Red Bull-Hausstrecke die Light Version der Formel 1 und endet, Stand jetzt, am 6. September in Monza.

Geisterrennen und strenges Hygienekonzept

Niederländische Motorsportfans in orangen T-Shirts wird man bei Landsmann Max Verstappen bei Startschuss auf dessen Hausstrecke in Österreich vergeblich suchen, denn alle Rennen sind sogenannte Geisterrennen. Lediglich 3.000 Personen dürfen den Spektakeln beiwohnen und bei der Vielzahl der Mechaniker, Journalisten, Sponsoren, Streckenposten und Organisatoren ist dieses Maximum schon erreicht. Des Weiteren wird es keine Motorhomes und auch keine VIP-Bereiche geben. Maskenpflicht gilt nicht nur für die Fahrer, sondern für alle, die mit den PS-Stars in Berührung kommen könnten. Doch Hygiene und Geisterrennen sind das eine, die schwindende Hoffnung auf weitere Rennen in diesem Jahr das andere. Werden Sotschi in Russland, Shanghai und Bahrain noch Rennen austragen können? Es ist durchaus möglich, dass diese Termine Corona ebenso zum Opfer fallen wie die bereits abgesagten Wochenenden in den USA, Mexiko, Monte Carlo oder Brasilien.

Zuerst kommen Hamilton und Mercedes und dann lange, lange nichts

Von der Corona-Pandemie kurz durchgeschüttelt sind der amtierende Weltmeister Lewis Hamilton und Mercedes auch in der „Formel 1 Light“ die großen Favoriten. Der Engländer kann in diesem Jahr den Rekord von Michael Schumacher von sieben Weltmeistertiteln einstellen, Mercedes könnte mit dem siebten Team-WM-Titel in Folge eine neue Bestmarke setzen. Schon in den ersten Testfahrten zu Beginn des Jahres zeigten die Nonplusultras der Gilde, dass sie für den kommenden Jahre nicht nur sportlich, sondern auch finanziell den anderen Teams und Fahrern überlegen sind. Lediglich Max Verstappen wird zugetraut, dass er Lewis Hamilton ein wenig ärgern kann. Vom Rest des Fahrerlagers spricht in diesem Atemzug keiner mehr, wenn es um den Titel geht. Somit droht der Formel 1 eine gähnende Langeweile, wie man sie eigentlich aus der Fußball-Bundesliga um den Kampf um die Meisterschaft kennt. Hinzu kommen weiterhin die berechtigten Sorgen, dass die Saison nicht so zu Ende gefahren kann wie erhofft. Sowohl Rennställe und auch die Fahrer – mit Ausnahme von Ferrari, Red Bull und Mercedes – sorgen sich um ihre Finanzen. Es wäre auf jeden Fall der Super-Gau für alle Motorsportfans in aller Welt, wenn das liebste Kind mit PS unter der Haube aufhört, zu atmen.

Mercedes wird Stimme für “Gleichberechtigung und Respekt”

Es wird also erwartet, dass nur wenig Farbtupfer in dieser Saison einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Für einen sorgt schon Mercedes und wird ab Spielberg seine Silberpfeile in tiefstem Schwarz ins Rennen schicken: „Die Silberpfeile werden in der gesamten Saison 2020 in schwarz antreten, um unser klares Engagement für mehr Vielfalt in unserem Team und unserem Sport zu demonstrieren“, sagte Motorsportchef Toto Wolff in einer Mitteilung: “Rassismus und Diskriminierung haben keinen Platz in unserer Gesellschaft, unserem Sport und unserem Team“, betonte der Österreicher: „Die richtigen Überzeugungen und die richtige Geisteshaltung sind nicht genug, wenn wir stumm bleiben. Wir möchten daher unsere Stimme und unsere weltweite Plattform nutzen, um uns für Respekt und Gleichberechtigung einzusetzen.“

Die Begeisterung in Deutschland ist merklich gesunken – Mercedes prüft den Ausstieg

Ein wenig Aufmerksamkeit tut gut, denn schon jetzt hat die Formel 1 ein gröberes Problem, vor allem in Deutschland. Die Geisterrennen in diesem Jahr sind für viele schon die berühmt-berüchtigte Ehrenrunde in jeglicher Hinsicht. Ex-Weltmeister Sebastian Vettel ist für die kommende Saison noch ohne Cockpit, RTL stellt nach 29 Jahren seine Übertragungen ein und Hockenheim ist nur noch ein Mythos. Das einst so stolze Motorsport-Land Deutschland droht in der Versenkung zu verschwinden. Das öffentliche Interesse am Motorsport ist merklich gesunken, die nackten Zahlen kennen die Macher von RTL und von Sky, das ab 2021 als einziger Sender die Formel 1-Rennen zeigt, nur wenige davon im Free-TV. Es könnte sein, dass im kommenden Jahr kein einziger Deutscher im Cockpit eines Formel 1-Boliden sitzt – nach 40 Jahren. Wann Mick Schumacher, Sohn der Formel 1-Legende Michael, reif für die wichtigste Rennserie wird, ist noch offen. Nun wird sogar gemunkelt, dass Mercedes Ende dieses Jahres den Stecker ziehen könnte: „Mercedes hat alles gewonnen, was man gewinnen kann. Und die Teams müssen demnächst wieder sehr viel Geld in die Hand nehmen. Es steht eine schwere Zeit bevor, und keiner weiß, wo die Reise hingeht“, sagte Micks Onkel Ralf gegenüber den Stuttgarter Nachrichten. Und dann fehlt auch noch der Mythos Hockenheim. Auf der legendären Rennstrecke an der A5 zwischen Karlsruhe und Frankfurt könnte es vielleicht Rennen geben, doch ist noch nichts in Stein gemeißelt. Alles hängt davon ab, ob Sotschi doch noch veranstalten darf und kann.

So werden sie am kommenden Wochenende ohne Zuschauer, mit Hygienekonzept und Maskenpflicht in Spielberg die ersten Runden drehen und hoffen, dass die Pandemie abschwächt und somit mit den weiteren Rennen die erhofften Millionen in die meist klammen Rennställe fließen. Wie in der Fußball-Bundesliga sind die nahe Zukunft und die Eingeständnisse nur dem Geld geschuldet. Es sieht nicht schön aus, aber der Rubel rollt trotzdem. Anders als beim Fußball weinen die Motorsportfans den Teams keine Träne nach, wenn sie verschwinden und wenn Fahrer kommen und gehen. Außer es sind neue deutsche Talente und vielleicht auch wieder Sebastian Vettel. So war dieser Sport immer und so wird er auch immer bleiben.

Der bisherige Formel 1 Rennkalender 2020, Stand: 02.07.2020

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Kommentare ( 31 )

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Oliver Koenig
3 Jahre her

14 Fahrer, die unterwürfig niederknien und nur 6, die sich weigern, sich selbst zu demütigen.
Unglaublich.

F.Peter
3 Jahre her

Eine Formel 1, in der vorneweg zwei „Leichenwagen“ fahren, schaue ich mir nicht mehr an. Denn wo Ideologie Einzug gehalten hat, weicht der Verstand. Und bei solch hochkomplexen Techniken wie in der Formel 1 kann niemand auch nur auf einen Gedanken verzichten, sonst braucht es tatsächlich Leichenwagen!

Vogelfrei
3 Jahre her

Vettel und die meisten anderen Fahrer haben ihre Knie gebeugt vor dem „antirassistischen“ Zeitgeist. Der ist für mich erledigt. Zu dieser herrlich unkorrekten Sportart gehört unerschrockener Nonkonformismus, ungeniert ausgelebter Egoismus und persönlicher Mut. Das ist alles längst im Verschwinden begriffen. Farblose Marketingleute ziehen die Fäden und trimmen alles auf Stromlinie. Kann dann weg. Und die führende Firma Mercedes arbeitet ja fleissig mit an der eigenen Abschaffung.

Iso
3 Jahre her

Mit einem Hamilton kann man mich nicht hinterm Ofen hervorlocken. Das ist so attraktiv, als ob Frankreich die Fußballweltmeisterschaft gewinnt, obwohl von Frankreich auf dem Platz kaum was zu sehen war. Denkt man weiterhin an den Buchtitel von Thilo Sarrazin „Deutschland schafft sich ab“, dann sind diese Abschaffer auf allen Ebenen am Werk. Die Einen schaffen Deutschland ab, andere die Sprache, das Bargeld, die Meinungsfreiheit, die Demokratie, das Recht, die Wahrheit, und nebenher noch die Formel 1, und sich selbst als Automarke.

Andreas Lange
3 Jahre her

Anbiederung war schon immer die große Stärke des Daimler-Benz-Konzerns. Als es ab 1925 opportun war, hat man nur zu gerne den Fuhrpark des „Führers“ beliefert, als es 2015 opportun war, hat man (bzw. Zetsche) Merkels „Fachkräfte“ und das durch sie angeblich bald stattfindende „neue Wirtschaftswunder“ begrüßt, um dann ganze 20 dieser „Fachkräfte“ einzustellen… Als der Mecedes-Werbeträger Lewis Hamilton sich dann aber, wie viele gelangweilte „PoC“ mit zu viel Geld und Tagesfreizeit, zu einem Einpeitscher der Bilderstürmer machte und nach Vandalismen gegen Denkmäler schon die nächsten forderte, habe ich jedoch tatsächlich erwartet, dass Mercedes-Benz sich doch noch an das lange gepflegte… Mehr

Alfonso
3 Jahre her

Formel 1 ist eine Unterhaltungsshow für Alte, für Leute aus der Nach- und Nachnachkriegsgeneratuon (ü50). Für diese Leute ist das Auto noch ein Statussymbol mit dem man zeigen will, wer man ist bzw. wer man gerne sein möchte. Deshalb sterben der Formel 1 auch die Zuschauer weg, wie man z.B. an der Entwicklung in Hockenheim deutlich erkennen kann.

F.Peter
3 Jahre her
Antworten an  Alfonso

Zwar auch eine Einstellung. Jedoch ist es schon immer so gewesen, dass aus solcher Hochtechnologie auch immer sinnvolle Anwendungen für den Alltagsgebrauch abgefallen sind. Technische Entwicklung benötigt halt auch Versuchsfelder, die F1 ist eines davon!
Aber in einem Land, das von Hochtechnologie nichts mehr hält, weil keiner mehr in der Lage ist zwei und zwei richtig zusammen zu zählen, da braucht es das alles nicht mehr.
Nur mit den „Alten“ hat das grad gar nix zu tun sondern vielmehr mit den Jungen, die kraft- und saftlos und ohne Perspektive ihr Dasein fristen statt zu leben!

Iso
3 Jahre her
Antworten an  F.Peter

Ja genau, wenn man sieht welche Dynamik die eigene Generation entwickelt hat, die mit 16 schon ein Auto, ein Motorrad, eine Wohnung, das Haus, das Boot, die Familie, und das eigene Einkommen wollte, dann sind das Welten die dazwischen liege. Heute daddeln sie wie 12-jährige auf dem Smartphone, gehen freitags für´s Klima hüpfen, und hausen bis Mitte 30 bei Mutti unterm Dachausbau, weil irgendwo die Power fehlt.

Hendrik Birke
3 Jahre her

Es fehlen „harte“ Jungs, die mit einer Kippe im Mundwinkel, einer halbleeren Flasche Champagner (oder Schnaps) und zwei Boxenludern im Arm zum Boliden trotten. Unrasiert, ungestylt und frech, egal, in welcher Situation. Es fehlen die Helden, die dem Zuschauer das Gefühl geben „genau so möchte ich auch sein, coole Rampensau“. Keine Bubis, die vom Fahrzeug oder Management gelenkt werden. In anderen Sportarten ist das leider auch schon so: da ist die Frisur wichtiger als die Leistung.

Contra Merkl
3 Jahre her
Antworten an  Hendrik Birke

Heute machen die Werbung für rasierte Beine, sind bunt tätowiert und tragen Strumpfhalter wegen Sexismus.
Eigendlich sind das nur noch laufende Werbeträger.

Korner
3 Jahre her

Mal ehrlich. Ist die Formel 1 nicht letztendlich zu einem Showlauf verkommen? Früher, bevor der Gott der Formel 1, vor lauter Angst Sicherungsvorschriften eingeführt hat, die aus dieser Königsklasse einen Korso werden lies, war das noch Rennsport. Das heutige Format muss ich mir nicht antun. Langweilig, manipuliert und vorhersehbar. Das brauche ich persönlich nicht. Schau ich mir dagegen die Moto GP oder die anderen Motorradrennserien an, habe ich wieder das, was dei Formel 1 früher war. Kämpferisch, Mann gegen Mann, ungeschminkt und immer hart am Limit. Davon kann der Autokorso, der sich Formel 1 nennt, nur träumen. Davon abgesehen, hat… Mehr

Bernd Schulze sen.
3 Jahre her

Fragt sich ob Mercedes wirklich noch so finanziell stark ist, wie man vorgibt. Bleibt es so, werden sie sich von Benzin und Diesel erst in DE und dann im Westen der EU verabschieden müssen. Ob mit Flachbatterien sich Milliarden verdienen lassen und wer soll die Kaufen, Grüne und Linke Parteibonzen? Formel 1 und intelligente Fahrer gibts nicht mehr, nur noch abgehobene Rundendreher.

Sonny
3 Jahre her

Die Formel 1 ist, genauso wie die Bundesliga, langweilig geworden. Es siegt sowieso nicht mehr der oder die Beste, sondern nur der oder die Beste mit dem meisten Geld.
Die schleimende Anbiederei von Großkonzernen verursacht mir Magenbeschwerden. Sich für Gleichberechtigung einzusetzen ist für mich eine Selbstverständlichkeit. So demonstriert jedoch ist sie nichts anderes als eine schleimige Schneckenspur.