Sonderweg und Isolation haben Tradition

Viele Medien scheint nicht zu interessieren, dass es außer Luxemburg kein EU-Land mehr gibt, das Deutschland unterstützt. Aber Sonderweg und Selbstisolierung sind deutsche Tradition, wenn auch eine sehr schlechte.

© Tobias Schwarz/AFP/getty Images

Silke Mülherr schreibt in der Welt zum Ausgang der Wahlen in Ungarn unter der Überschrift Nun droht die Orbánisierung Europas.

«Von einer echten politischen Debatte kann in Ungarn ohnehin nicht mehr die Rede sein. Orbán hat sein Land unterworfen und es in eine „Führerdemokratie“ verwandelt, so beschreibt der ungarische Politologe András Körösényi die Lage im Land nach acht Jahren Fidesz-Herrschaft. Orbán hat dabei ganze Arbeit geleistet: Zunächst schüchterte er die Medien ein, dann höhlte er das Verfassungsgericht aus und schließlich brachte er mit Hunderten von Ausführungsgesetzen die politischen Institutionen auf Linie und installierte seine Günstlinge in allen strategischen Positionen des Staates.»

Einmal angenommen, diese Beschreibung träfe zu, wo läge der Unterschied zur Berliner Republik?

1. Hier mussten keine Medien eingeschüchtert werden, sie selbst trieben die Regierung in die Politik der unkontrollierten Masseneinwanderung, und lassen die Regierung ungeschoren bei aller Vernachlässigung der maroden Infrastruktur, der Aufgabe des Rechtsstaats und der Ausbeutung des Sozialstaats.

2. Das Verfassungsgericht ist personell wie die meisten Medien von Leuten besetzt, die die falsche Politik der Regierung noch mehr wollen als diese selbst.

3. Die Regierung musste nirgendwo mehr „Günstlinge“ einsetzen, der ganze öffentliche Dienst und die von ihm subventionierten Organisationen der Gesellschaft sind engmaschig durchsetzt von der dritten Garnitur der 68er-Epigonen, und die nicht dazu gehören, schweigen und machen mit, um ihre Existenz nicht aufs Spiel zu setzen.

4. Um es nicht zu vergessen: Die Politik der deutschen Regierung in der EU ist der von Ungarn diametral entgegengesetzt.

Zurück zur Eingangsfrage: Einmal angenommen, diese Beschreibung träfe zu, wo liegt der Unterschied zur Berliner Republik? Die Antwort ist einfach: Was die Welt hier Orbánisierung nennt, hat für die Zukunft der EU die eindeutig besseren Chancen als die Vorstellungen des polit-medialen Komplexes Deutschlands. Auch wenn Berlin es nicht merkt: Selbst Paris ist längst auf einem anderen Kurs – gegenüber Berlin nicht zu auffällig wg. Geld.

Medienberichte wie dieser in der Welt scheint nicht zu interessieren, dass es außer Luxemburg kein einziges EU-Land mehr gibt, das Deutschland unterstützt. Aber Sonderweg und Selbstisolierung sind deutsche Tradition, wenn auch eine sehr schlechte.

Fußnote: Über diesen Satz von Herrn Asselborn, Luxemburg, bilden Sie sich bitte Ihre eigene Meinung (Hervorhebung von mir):

„Vor allem nach dieser Wahl in Ungarn ist es an Deutschland und Frankreich sowie allen Mitgliedstaaten, die nicht auf Gleichgültigkeit setzen, sich schnell und unmissverständlich auf der Basis des europäischen Vertragswerks einzubringen, um diesen Wertetumor zu neutralisieren“.

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Kommentare ( 101 )

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giesemann
5 Jahre her

DE hatte schon immer einen „Sonderweg“ zu gehen wegen seiner Mittellage. Meines Wissens gibt es keinen zweiten Staat, kein zweites Land, das so viele, so unterschiedliche Nachbarn hat wie DE – mit denen es seit altersher irgendwie zurecht kommen musste. Das konnte bis zu sehr weitgehenden Zerstörungen führen, Beispiel u.a. die Dreißigjährigen Kriege 1.0 und 2.0 (1618 bis 48 und 1914 bis 45). Bei der Migranteninvasion ist dies endlich mal ein prinzipieller Vorteil: Umgeben von lauter sicheren Herkunftsländern, war lange Zeit illegale Immigration kein Thema für DE. Bis die Berliner Regierung das außer Kraft gesetzt hat durch Umgehen oder Aussetzen… Mehr

friedrich - wilhelm
5 Jahre her

…………der asselborn – der reine quasselborn! schade, i c h kenne in luxemburg ein ganz anderes asselborn!

Luisa die Ältere
5 Jahre her

Der sympatisch flotte ung. Aussenminister hat bereits 2016 auf den demütigenden Assel zutreffend gekontert, s. Wikip. „In der gesamten Europäischen Union sorgte im September 2016 Asselborns Äußerung für Aufsehen, Ungarn behandele Flüchtlinge fast schlimmer als Tiere, so dass das Land aus der der EU ausgeschlossen werden sollte.[1] Sein ungarischer Amtskollege Péter Szijjártó reagierte umgehend mit den Worten: „Es war schon bisher bekannt, dass Jean Asselborn eine unernste Figur ist.“

Delinix
5 Jahre her

„Wertetumor neutralisieren…“ So nennt Asselborn den demokratisch gewählten Präsidenten der Ungarn. Pfui Teufel, was sind das bloß für menschenverachtende Diktatoren dort in Brüssel. Schon dieses Vokabular sagt doch alles. Wo bitteschön ist hier eigentlich ein Unterschied zu erkennen zwischen den Propagandabegriffen der Nazis („Ratten“ in „Jud Süß“) und den Propagandabegriffen eines EU-Repräsentanten („Wertetumor neutralisieren“ für einen gewählten Präsidenten)?

akimo
5 Jahre her

Die Rekrutierung in den Medien hat eine rotgrüne Monokultur geschaffen, die unglaublich ist. Sie erinnern sich vielleicht: Die Erfolgswilligen gingen ab den 70igern in die Wirtschaft und die Freaks aus der Schülerzeitung oder der Asta landeten bei den Medien. Dazu kommt in den öffentlichrechtlichen Medien die Besetzung der Redaktionen mit ‚kultivierten‘ (qua Kunstgeschichte- oder Romanistikstudium) Zahnarzt- und Bankergattinnen, die natürlich in der Wolke gefärbt wohlerzogen und lieb sind und die sich unangenehme politische Massnahmen gar nicht vorstellen können.

Dora G.
5 Jahre her

Vielen Dank Herr Georgen für diese Analyse, mir ist auch gestern die Kinnlade runtergeklappt, als ich den Artikel von Frau Mühlherr las. Was ich auch immer erstaunlich finde, oder gerade nicht…, dass im Zuge der ganzen Berichterstattung rund um die Wahl nie von den historischen und mutigen Verdiensten von Herrn Orban die Rede ist. Was har dieser Mann mutigst für die Demokratie schön vor 89 gekämpft. Er war nicht umsonst der letzte Besucher bei Altkanzler Kohl. Und ich sehe immer noch die scheinheilge Rede unserer Kanzlerin bei der Trauerfeier vor mir…Orban ohne jeden aktiven Part. Gerade jüngeren Bürger sollten mal… Mehr

Andreas Bitz
5 Jahre her

Ist diese Kommentierung der Ergebnisse demokratischer Wahlen in Ungarn durch Herrn Asselborn nicht „Hatespeach“ und „Nazi“?
Diese sich als „Eliten“ wähnenden EU-Bürokraten ahnen und fürchten, ihre Zeit ist längst vorbei.

Old-Man
5 Jahre her

Ihre Beschreibung wie es bei uns läuft ist sehr passend und zielgenau Herr Goergen. Und das Deutschland nur noch Seit an Seit mit Luxenburg in der EU der gestrigen übrig ist,das ist eine unverrückbare Tatsache. Der Ausspruch des Herrn Asselborn beschreibt eine Wunschvorstellung,der schon seit einiger Zeit der Boden entzogen wurde,nur der „Sager“ hat es wohl noch nicht bemerkt? Die „Orbanisierung“ der EU ist schon so weit fortgeschritten,das wird sich fortsetzen,auch hier bei uns in Deutschland,aber das haben unsere „Politikleichen“ auch noch nicht verstanden. Frau Merkel hat den Stein ins rollen gebracht,daraus ist nun eine Lawine geworden,die auch bei uns… Mehr

Ichdarfdas
5 Jahre her

Im 2. Quartal 2015 hatte das nicht wirklich reiche Ungarn pro 1 Million Einwohner die zweithöchsten Asylbewerberzahlen in der ganzen EU. Nur unser Buntland war noch „besser“. Gut, die meisten davon dürften dann nach D weitergereist sein. Aber sollte Orban sie in bewachte Lager stecken? Und nun Herr Asselborn?http://www.sueddeutsche.de/news/politik/migration-eu-statistik-meiste-asylantraege-pro-einwohner-in-ungarn-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-150918-99-04763

fulbert
5 Jahre her

Ein wichtiger Punkt fehlt: Ungarn hat ganz offensichtlich demokratische Verhältnisse, denn der Wille der Mehrheit des Volkes spiegelt sich im Wahlausgang und dem bisherigen Agieren der ungarischen Regierung wider.