So twittert man sich um seinen Job

Joe Kaeser erntete Applaus für seine Tweets zu Politik und Kilmaschutz. Doch er hat sich verspielt und jetzt wird klar, wie wenig Applaus auf Twitter in Wahrheit wert ist.

Christof Stache/AFP/Getty Images
Josef Käser ist einer der bekanntesten Manager Deutschlands. Als Vorstandsvorsitzender der Siemens AG ist er verantwortlich für mehr als 379.000 Mitarbeiter und 83 Milliarden Euro Jahresumsatz. Und weil er so global ist, hat der bodenständige Niederbayer aus Arnbruck sich selbst in Joe Kaeser umbenannt. Kommunikation ist eben alles. Er ist auch einer der kommunikativsten Manager Deutschlands und mischt sich ein in Politik und öffentlichen Diskurs – eine Eigenschaft, die in vielen deutschen Chefetagen zu kurz kommt.

Gerade über Twitter nimmt Käser gerne Kontakt mit der Gesellschaft da draußen auf. Dort twittert er ebenso über seine Meinung zur Sozialen Marktwirtschaft und über gesellschaftliche Themen wie Seenotrettung oder kommentiert die Vorgänge in anderen Unternehmen. Das ist ungewöhnlich freimütig. Mit den politischen Vorgängen hat er sich weit aus dem Fenster gelehnt – und immer gab´s Beifall.

„Menschen die Leben retten sollten nicht festgenommen werden. Menschen die töten, Hass und Verletzung säen und fördern schon.“

„Große Veränderungen bei Daimler. Dieter Zetsche hinterlässt große Schuhe zum füllen. Aber Ola Källenius lernt schnell. Und Markus Schäfer ist eine hervorragende Wahl. Glückwunsch für eine großartige Nachfolger-Planung!“

Großes Aufsehen erregten seine Aussagen zur Politik:

— Joe Kaeser (@JoeKaeser) May 16, 2018

Kaeser spricht gerne von der Verantwortung von Konzernen für die Gesellschaft als Ganzes. Sie sollen mehr tun als nur Geld verdienen, sich auch engagieren. Doch wenn man als Unternehmer mehr gesellschaftliches Engagement fordert, dann ist das ein Tanz auf Messers Schneide. Auf der einen Seite sind die Ansprüche von Aktionären, Kunden und Mitarbeitern, auf der anderen die der Öffentlichkeit, für die man sich soeben mit verpflichtet hat. Es ist dieser Tanz, in dem Kaeser in den vergangenen Tagen über ein australisches Signalanlagen-Projekt gestolpert ist und abzustürzen droht.

Was war passiert?

Am 10. Dezember 2019 unterschrieb Siemens einen Vertrag, in einer australischen Kohlenmine eine Eisenbahn-Signalanlage zu bauen. Der Projektumfang beträgt ungefähr 19 Millionen Euro. Für eine Firma wie Siemens mit Jahresumsatz um die 85 Milliarden ist das kein weiter bemerkenswertes Projekt.

Doch im Angesicht des Großflächenwaldbrandes in Australien erhob sich Protest von „Klimaschützern”, die das Projekt zu verhindern suchten. Hier beging Kaeser seinen ersten Fehler:

Er kündigte an, das Projekt zu prüfen, obwohl er von Anfang an wissen musste, dass er von dem bereits unterschriebenen Vertrag nicht mehr zurücktreten konnte. Zwar schob er hier unbegrenzte vertragliche Entschädigungszahlungen vor, doch in Wahrheit dürfte es schon der Reputations-Schaden unzuverlässiger Vertragspartner gewesen sein, der einen Rücktritt unmöglich machte. Wer sich um Projekte bewirbt, mit deren Erfolg oder Misserfolg Firmen und Industrien aufsteigen oder fallen, der muss noch den kleinsten Vertrag behandeln, als sei er in Stein gemeißelt. Twitter verlockt zu schnellen Aussagen. Das geht gut, wenn man den Beifall vom politischen Mainstream sucht oder gegen eine Oppositionspartei Stellung bezieht. Wenn es um Geschäfte geht, wird´s gefährlich.

Doch Joe Kaeser, immer proaktiv, glaubte er wüsste einen Ausweg: Er bot der Friday-For-Future Galionsfigur Luisa Neubauer einen Posten im Aufsichtsrat der Siemens-Tochter Siemens Energy an. Dies stieß allerdings die Aktionäre, Mitarbeiter und jene, die eine Professionalisierung der chronisch vettern-wirtschaftlichen deutschen Aufsichtsräte fordern, vor den Kopf, denn eine besondere Qualifikation der Neubauer ist nicht zu erkennen. Neubauer lehnte den Job auch noch ab – womit Kaeser keine Beruhigung im Australien-Skandal gewinnen konnte, allerdings all seine traditionellen Verbündeten verärgert hatte. Es war ein unbedachter Risiko-Spielzug, der nach hinten losging.

Mittlerweile behauptet Kaeser zwar, dass er Neubauer nur einen Posten im Beratungsgremium ohne Mandat angeboten hätte, doch nun ist es zu spät für derartige Ausflüchte. Die Öffentlichkeit, die er sonst so gerne bespielt, hörte „Aufsichtsrat“ und reagierte entsprechend. Jene, die ihm applaudierten, wenn er sich pro Klimaschutz äußerte, zur Seenotrettung oder gegen Trump und  die AfD, stehen ihm in dieser Krise eben nicht bei. Bei Twitter gibt es keine Treue, nur kurzfristigen Applaus. Aber der kann sofort in blanken Hass umschlagen.

Heute, am 5. Februar, ist Jahreshauptversammlung von Siemens. Ob Kaeser sich um Kopf und Kragen getweetet hat und den Vorstandsvorsitz verliert, wird sich dann zeigen.


TE kommentierte das Geschehen um Kaeser und Neubauer bereits hier:

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