Seehofer und Merkel 7: „unter der europäischen Decke“

Im Moment sieht es so aus, als gäbe Merkel nach, indem sie und die ihren "europäische Lösung" in bilaterale Vereinbarungen von mehreren EU-Ländern umdeuten.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Kurz nach Mitternacht twitterte Ralf Schuler, Leiter der Parlamentsredaktion von BILD in Berlin, den Pegelstand im Hochwasser der Union.

Fünf Stunden später meldete BILD unter Berufung auf dpa, Merkel habe Seehofer beim Krisentreffen als Kompromiss das Angebot gemacht, „unter der europäischen Decke bilaterale Vereinbarungen mit den am stärksten vom Migrationsdruck betroffenen Ländern zu schließen … mit dem Ziel, eine juristisch wasserdichte Zurückweisung von Migranten an der deutschen Grenze zu ermöglichen, die schon in anderen EU-Ländern Asylverfahren durchlaufen haben …” (inzwischen melden auch andere Medien das von dpa Berichtete).

BILD verweist auf ein Statement von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer im ZDF-heute-Journal, der Kanzlerin gehe es bei der besseren Kontrolle der Migrationsbewegungen als bisher darum, „dass dies in einer Art geschehe, die Europa zusammenhalte.” Die Kernaussage von AKK fasst BILD so zusammen:

„Möglicherweise nicht mit allen 28 EU-Staaten, aber mit den am stärksten betroffenen Staaten wie Italien oder Griechenland könne man zu bilateralen Vereinbarungen kommen, die im Grund das gleiche Ziel erreichten, wie es die CSU habe, aber in einem europäischen System. Daran müsse gearbeitet werden.”

Es ist nur wenig polemisch, wenn ich das so fasse: Merkel gibt nach, wenn Seehofer seine Grenzpläne in bilaterale Vereinbarungen „nicht mit allen 28 EU-Staaten, aber mit den am stärksten betroffenen” einbetten lässt und insofern „in einem europäischen System”. Also wenn der Seehofer Horst – bairisch gesprochen – a Hund is, fusioniert er das mit dem ohnehin schon angepeilten Projekt „Achse der Willigen” von Kanzler Kurz.

Die Eingangsformel von „unter der europäischen Decke” entfaltet erst hier ihre ganze Wirkung: Unter dieser Decke soll verborgen bleiben, dass Frau Merkel ihre Dauerphrase von der „europäischen Lösung” auf bilaterale Vereinbarungen eines Teils von EU-Staaten schrumpft. Teufel auch, aber wenn’s der Wahrheitsfindung dient.

Das wäre der erste, kleine, aber gewichtige Schritt zur Dezentralisierung der EU. Noch haben Seehofer und Merkel nichts vereinbart. Viel Zeit bis zur Absegnung einer derartigen „europäischen Lösung” durch die Unionsfraktion sollten sich Merkel und Seehofer nicht lassen, denn die üblichen Verdächtigen bei Grünen, Linke und SPD, die zuletzt auffallend schweigsam waren, werden sich mit den üblichen Abstempelungen auf alles stürzen, was von ihrer Linie abweicht, die Merkel gegen Seehofer bis zum Aufstand in der CDU vertreten hat.

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