Schulz – „It’s social justice – stupid“

Merkel oder Schulz? Entscheidend wird für die kommenden Jahre vielmehr sein, wie die Mehrheitsverhältnisse zwischen SPD, Grünen und der Partei Die Linke auf der einen und CDU/CSU, AfD und FDP auf der anderen Seite sind.

© Steffi Loos/Getty Images

Martin Schulz will Bundeskanzler werden, indem er sich seiner Partei und den Wählern gemeinsam mit den Chefs der wichtigsten DGB-Gewerkschaften als Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Deutschland AG präsentiert. Bei der SPD und ihrer Anhängerschaft hat dies zu einem kollektiven Begeisterungstaumel geführt, der stark an die Willkommenskultur des Herbstes 2015 erinnert. Auch das Kanzleramt soll nun mit Hilfe einer Gesinnungsethik der universellen Menschenfreundlichkeit, die in Deutschland weit verbreitet ist, erobert werden.

Standen im September 2015 die Opfer von Krieg und Elend im Mittelpunkt alles Bestrebens, sollen bis September 2017 die Opfer der sozialen Ungerechtigkeit an deren Stelle treten. Der Unterschied zwischen beiden Opfergruppen besteht für Schulz vor allem darin, dass die einen wählen dürfen, während dies den anderen (noch) verwehrt ist. Deswegen haben „die Flüchtlinge“ in seiner Bewerbungsrede auf dem Parteitag auch keine Rolle gespielt, wohl aber die „hart arbeitenden“, dafür aber ungerecht behandelten Menschen, deren Wohlergehen er in den Mittelpunkt all seines Strebens und des Strebens seiner Partei stellen möchte.

Man darf gespannt sein, ob es Schulz mit dieser herzerweichenden sozialmoralischen Lyrik gelingen wird, in das Kanzleramt einzuziehen. Im Moment begeistert er damit vor allem seine Parteifreunde und das „links-grüne“ Milieu in Deutschland, denen er, in Abwandlung eines berühmten Slogans von Bill Clinton, gleichsam zuruft: It’s social justice – stupid. Dies entspricht deren gesinnungsethischen Orientierung und Gefühlslage, die von der Vorstellung lebt, die meisten Menschen seien Opfer ungerechter Verhältnisse, um deren Schicksal sich ein ebenso fürsorglicher wie barmherziger Staat allumfassend zu kümmern habe. Aus der Migrationskrise wissen wir, dass diese Haltung in der deutschen Bevölkerung zwar weit verbreitet, aber nicht ohne weiteres mehrheitsfähig ist. Überdies provoziert sie verantwortungsethische Gegenreaktionen, die im Falle der Migrationskrise schon weit fortgeschritten sind, im Falle von Schulz aber noch auf sich warten lassen.

Das dürfte nicht zuletzt auch damit zu tun haben, dass die CDU unter Merkel selbst gesinnungsethisch schon so stark infiziert (und belastet) ist, dass sie sich ziemlich schwer tut, Schulz und seine SPD verantwortungsethisch zu entzaubern. Deswegen wird es bis zur Bundestagswahl vor allem davon abhängen, ob und wie es CSU, AfD und FDP gelingt, diejenigen Bevölkerungsschichten anzusprechen und zu mobilisieren, die wissen, dass es zur Führung eines Unternehmens wie auch einer Volkswirtschaft nicht ausreicht, das Wohl der Menschen verbal in den Mittelpunkt allen Handelns zu stellen, wie ungerecht behandelt diese sich auch immer fühlen mögen. Die Alternative lautet angesichts dieser Sachlage im September daher nicht: Merkel oder Schulz ? Entscheidend wird für die kommenden Jahre vielmehr sein, wie die Mehrheitsverhältnisse zwischen SPD, Grünen und der Partei Die Linke auf der einen und CDU/CSU, AfD und FDP auf der anderen Seite sind. Fallen im kommenden Bundestag erneut die Wählerstimmen von AfD und FDP unter den Tisch, dann werden die Gesinnungsethiker Deutschland mit R2G regieren.

Nach einem sozial- und arbeitswissenschaftlichen Studium in Deutschland und Frankreich begann Roland Springer seine berufliche Laufbahn an den Universitäten Darmstadt und Göttingen mit Untersuchungen zum technisch-organisatorischen Wandel in verschiedenen Branchen. Danach war er mehr als zehn Jahre als leitende Führungskraft beim Personalvorstand der Daimler AG tätig.  Anschließend gründete er eine eigene Beratungsfirma, die er bis heute als geschäftsführender Gesellschafter leitet.

Roland Springer arbeitet neben seiner unternehmerischen Tätigkeit als außerplanmäßiger Professor im Bereich Personal und Organisation an der Universität Tübingen. Seit Beginn des Jahres 2016 engagiert er sich nebenberuflich außerdem in der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit.

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Kommentare ( 43 )

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Frau A.
7 Jahre her

Ich fand keinen besseren Platz zum Posten.

SPD. Nicht nur Schulz will mit dem Geld um sich werfen, nein, auch unser neuer Herr Außenminister hat eine ganz tolle neue Idee:

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/f-a-z-exklusiv-gabriel-will-mehr-geld-fuer-europa-ausgeben-14935843.html

Und dann noch der ohnehin höhere Anteil für Deutschland, wenn die Briten weg sind.
Da wird mir richtig blümerant und nicht einmal Riechsalz kann helfen.

Augias
7 Jahre her

Wie sagte der große Bismarck so treffend: „Es muß uns Söhnen Teuts erst einmal schlecht gehn, ehe wir Courage haben. Solange wir noch etwas zu verlieren haben, fürchten wir uns; sind wir ausgezogen und durchgeprügelt, so ist jeder ein Löwe.“ SPD NEIN DANKE! Der CLU eine angeblich wieder entdeckte „Soziale Gerechtigkeit“. Dass ich nicht lache! SPD hat fertig! Ideologisch verblendete Politiker ändern nie ihre Meinung sondern nur ihre Taktik um das Volk hinters Licht zu führen. Wenn ich mich recht erinnere, haben SPD Politiker die Arbeitnehmer jahrelang zur Lohnzurückhaltung aufgerufen. Hat auch gut geklappt, es gab 20 Jahre Reallohnsenkungen. Folge… Mehr

Hosenmatz
7 Jahre her

„Fallen im kommenden Bundestag erneut die Wählerstimmen von AfD und FDP
unter den Tisch, dann werden die Gesinnungsethiker Deutschland mit R2G
regieren.“

Ist das jetzt als Wahlempfehlung für FDP oder AfD zu verstehen, damit diese auf jeden Fall ins Parlament einziehen?

Antisozialist
7 Jahre her

„Alles was die Sozialisten vom Geld verstehen, ist die Tatsache, dass sie es von anderen haben wollen.“

Konrad Adenauer

AlfredE
7 Jahre her

Ich finde den Links-RUCK der SPD gut, denn auch die linke Leidensfähigkeit der CDU/CSU hat seine Grenzen, und bringt hoffentlich viele zum aufwachen.

Je linker die SPD je kleiner die Chance für eine neue GroKo.

CG
7 Jahre her

Schwarz-Grün implodiert in dem Moment, wo sich herausstellt, daß die Grünen bei der BTW unter 5 % bleiben. Das deutet sich bereits an, die Umfragewerte fallen, immer wieder 1 Punkt weniger. Bei den Landtagswahlen im letzten Jahr gab es nicht nur für die CDU, sondern regelmäßig auch für die Grünen Tiefschläge. Aber man konnte sich ja trotzdem noch Regierungspöstchen sichern, also alles nicht so schlimm. Der nächste Tiefschlag kommt mit ziemlicher Sicherheit bei der Landtagswahl in NRW. Ich gehe davon aus, daß die Grünen gar nicht mehr im Landtag vertreten sein werden. Die AfD wird deutlich zweistellig sein, die derzeitigen… Mehr

Veronika Hack
7 Jahre her

Die werden sich dann wundern was aus Afrika auf uns zukommt ,da sagt keiner die Wahrheit. Wenn ich das im Bekanntenkreis anspreche glaubt das keiner und sagt davon hab ich noch nie gehört. Bin froh das ich Alt bin aber meine Tochter und die Enkel müssen darunter leiden. Mein Enkel engagiert sich sehr.

Brandanus
7 Jahre her

Schulzens Dauerrede über „Gerechtigkeit“ macht Sinn. Da 99% der Menschheit den Eindruck hat, vom Schicksal irgendwie benachteiligt zu sein, spricht das jeden an. Und welcher Mensch guten Willens wäre nicht für „Gerechtigkeit“? Im übrigen hat das Thema den Vorteil, daß niemand so genau sagen kann, was man sich unter „Gerechtigkeit“ vorzustellen hat. Wie beim Sozialstaat müßte man z.B. fragen, wo die „Gerechtigkeit“ ihre territorialen Grenzen hat. Weil der Begriff also weder logisch noch empirisch exakt zu fassen ist, entzieht sich Schulz der Gefahr, auf konkrete Bedingungen und Konsequenzen seiner Rede festgenagelt zu werden.

Henryke
7 Jahre her

Lassen Sie ihn schlafen; Predigten haben wir genug gehört;-)

Henryke
7 Jahre her

Ich bin ganz Ihrer Meinung.
Allerdings steht einer konservativen Koalition derzeit im Grunde eine einzige Person im Wege.
Zu hoffen bleibt, dass sich die CDU nach dem Desaster der drei kommenden LTW von dieser schrecklichen Frau als erneute Kandidatin trennen wird.
Ansonsten verdient sie das gleiche Schicksal wie ihre italienische Schwesterpartei DC.

Ralf Pöhling
7 Jahre her
Antworten an  Henryke

Volle Zustimmung. Merkel hat die ganze CDU unter ihrer Knute und sich selbst ins Aus manövriert. Kompetenten Ersatz gäbe es in der CDU theoretisch genug. Man scheint ihn bloß nicht zu lassen, oder es fehlt an Mumm. Die CDU muss was tun, da gibt es keinen Zweifel. Die Bundestagswahl 2017 entscheidet über das Schicksal dieses Landes…