Prof. Weidenfeld: Europa ist zum Kontinent der Fragezeichen geworden

Die alten Ziele der EU sind Geschichte: Es braucht eine neue Vision.

Die Europäische Union muss unter der neuen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine neue Vision der europäischen Idee entwickeln, sonst werden sich die Bürger in der EU „frustriert und verängstigt weiter abwenden“. Der Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld, Direktor des Zentrums für angewandte Politikforschung an der Universität München, sieht die EU aktuell im Krisenmodus und in einer „Ära strategischer Sprachlosigkeit“. In einem Gastbeitrag für das Meinungsmagazin Tichys Einblick schreibt Weidenfeld: „Die Europapolitik begegnet den großen Herausforderungen – von der neuen Völkerwanderung über die terroristischen Gefahren, von der Klimadiskussion bis hin zur aktuellen welt­politischen Krisenlandschaft – entweder mit Ratlosigkeit oder mit situativem Krisenmanagement. Die Sehnsucht der Bürger nach strategischen Zukunftsperspektiven bleibt unerfüllt. Die poli­tische Elite bleibt sprachlos.“

Trotz existentieller Herausforderungen biete die Politik keine strategischen Lösungen. „Europa zeigt sich vielmehr als ein Kontinent der Fragezei­chen.“ In den fehlenden Lösungen und dem Vertrauensverlust in Politik und Demokratie sieht Weidenfeld einen Grund für das Erstarken linker und rechter populistischer Parteien. Weidenfeld: „Der Kontinent wirkt im Blick auf seine Gestaltungskraft müde, pessimistisch.“ Es sei jetzt wichtig, Europa eine neue Zielorientierung zu geben. „Es existiert keine Agenda, die Europa in Krisen und Konflikten eine zuverlässige Orientierung geben könnte. Erst wenn es gelingt, eine Kultur strategischen Denkens zu entwickeln, wird es eine markante gestalterische Relevanz nach innen und außen erhalten. Dazu bedarf es einer Neubegründung des europäischen Integrationsprojekts.“


Den ganzen Beitrag lesen Sie in Ausgabe 09-2019 von Tichys Einblick >>>

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Kommentare ( 27 )

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Donostia
4 Jahre her

Wenn in einem Land oder einem Zusammenschluss von Ländern nur noch Politik für Minderheiten gemacht wird, dann macht man am Ende Politik gegen die Mehrheit. Das an sich ist schon undemokratisch. Demokratisch wäre das umzusetzen was die Mehrheit will. Nun bin ich dafür Minderheiten zu schützen. Das Problem ist aber wenn Minderheiten bevorzugt werden. Quoten werden geschaffen. Es geht nicht mehr um Qualifikation. Behördengänge für Ausländer oder Asylanten werden mit Betreuern durchgeführt die sie bei allen bürokratischen Dingen wie z.B. ausfüllen von Formularen helfen. Die deutsche Oma oder deutsche Bürger die in Sachen Behördengänge eher verzweifelt sind und auch nicht… Mehr

Tuunbaq
4 Jahre her

In Brüssel und deutsch-Land wird nur noch um’s goldene Kalb gehüpft. Alles andere ist sekundär. Solange die ihr eigentliches gesamteuropäisches Volk bekämpfen wird das nichts mehr. EUropa ist nur noch zahlender Zuschauer. Danke Junker Merkel und Macron.

elly
4 Jahre her

„REZESSIONSANGST „Panikattacken in der deutschen Klimadiskussion verunsichern die Wirtschaft““„Wir tun so, als sei Donald Trump an unserem schwachen Wachstum schuld“, sagt der Handelsökonom. „Nur geben das die Zahlen nicht her.“ Die Regulierung der Wirtschaft, die schwache Demografie, die Frage, ob Deutschland im Herbst eine Regierung habe – all das belaste den Standort. „Wir machen unser Schicksal immer noch selbst“, sagt Felbermayr.“ https://www.welt.de/wirtschaft/article198369279/Konjunktur-Die-Lage-macht-radikales-Umdenken-notwendig.html Deutschland hat zu Gunsten der NGOs das wichtigste Gut verschleudert, weggeworfen wie ein alte Aktentasche: die Stabilität und Zuverlässigkeit. Negativzinsen hin oder her, er soll denn hier noch irgendwas langfristig investieren? Im Land, in dem Enteignungs-phantasien und Verstaatlichungswünsche… Mehr

ali schmutz
4 Jahre her

In diesem Zusammenhang lohnt sich die folgende Sendung: EU – Wie Richter die Politik steuern, https://www.srf.ch/play/radio/redirect/detail/945d371f-eba2-4c12-8132-313bed991aaa

Gerro Medicus
4 Jahre her

Ausgerechnet von der Truppe abgehalfterter und in ihren eigenen Ländern erfolgloser „Politiker“ zu erwarten, dass diese eine strategiscxhe Vision entwickeln, die die EU voranbringt und in den Augen der Bürger wieder nützlich wrden lässt, klingt wie ein Witz, aber ein ganz schlechter. Viele von denen haben es ja nicht mal geschafft, ihr eigenes Bundesland ordentlich zu führen (siehe Günther Oettinger). Die stammeln sich nun durch ihr Amt in Brüssel, hauen markige Sprüche raus und machen ansonsten nichts, außer ihre üppigen Apanagen zu kassieren. Oder es sind junge Alles(also Nichts-)könner, die in ihrem ganzen noch relativ kurzen Leben noch nicht 1… Mehr

Thorsten
4 Jahre her

Die EU hat ihre Glaubwürdigkeit und Seriosität verspielt und steht ebenso wie der Ostblock Ende der 80er Jahre vor einier historischen Zäsur.

Der deutsche Mittelstand der jahrzehntelang diese EU finanziert hat, steht vor dem Scheideweg dass ihr Staat und Sozialsystem geplündert wird oder eine Notbremse gezogen wird.

Entweder wir (bzw. die AfD) findet einen „deutschen Salvini“ oder Deutschland wird in den kommenden Jahren so finanziell und demografisch ausgeblutet, dass die Europa in Agonie versinkt.

Spätestens wenn das deutsche Geld „alle“ ist, wird ein Großteil der „Eliten“ Europas das Interesse daran verlieren.

Ursula Schneider
4 Jahre her

Ich glaube, Europa – oder besser gesagt die EU – ist eher zu einem Konstrukt der Ausrufezeichen geworden.
– Zu viele Rechts-und Vertragsbrüche!
– Zu wenig Rücksicht auf den Bürgerwillen!
– Zu viele Demokratiedefizite!
– Zu viel Ideologie!
– Zu wenig qualifiziertes Personal!
– Zu viel Bürokratie und Parteienklüngel!
– Zu wenig Selbstbescheidung usw.
Die EU braucht keine neue Vision, sondern konsequente Subsidiarität, Pragmatismus, Vernunft und Augenmaß (z. B. für eine Staateninsolvenzordnung, eine Austrittsmöglichkeit aus dem Euro und nationale Grenzkontrollen).
Vor allem müssen die Bürger eingebunden werden – derzeit werden sie nur abgeschreckt.

Gerro Medicus
4 Jahre her
Antworten an  Ursula Schneider

Sie verkennen dabei eines: die EU war nie ein Konstrukt, der für die Bürger gedacht war. Im Gegenteil, er war ein konstrukt der Finanzeliten, um die Bürger besser kontrollieren und ausbeuten zu können. Das Demokratiedefizit ist gewollt, der Bürger SOLL seine demokratischen Mitspracherechte verlieren, denn die stören nur die Umsetzung der Ziele der Finanzelite. Genau das ist, was wir beobachten

mmn
4 Jahre her

Dann lieber vorerst weiter so destruktiv wie bisher, damit (so die Logik) sich die EU-Bürger noch weiter abwenden (und das System irgendwann doch endlich scheitert). Bloß keine lebensverlängernden Maßnahmen.

Odysseus JMB
4 Jahre her

Die Strategien, die Herr Weidenfeld vermisst, wären weniger allgemeine haltlose Zukunftsversprechen oder besser keine blutleere Beschwörungen, sondern ein Umschwenken im Kurs des bisher untauglichen Gefährts EU, dass seine Rechtfertigung im einer Zollunion sucht, aber in Großmannssucht eine völlig absurde Erweiterungspolitik betrieb, die seine Konzeptionslosigkeit letztlich nur kaschieren konnte. Die geopolitischen Ziele reichten bis an den Irak und Syrien. Dies kann man eigentlich nur verstimmt als die Hybris eines „Großeuropas“ skizzieren. Möglich sollte dies durch ein System optimierter Industriepolitik werden, die die herkömmliche Marktwirtschaft weitestgehend ersetzten sollte. Näheres ist bei Jean Monnet dokumentiert, aber auch bereits von H.M. Enzensberger (2011) reflektiert… Mehr

Marcel Seiler
4 Jahre her

Und mit welchem Personal soll Europa eine neue Zielorientierung gegeben werden? In Deutschland (und Deutschland ist in der EU ein Land mit großem Einfluss) sehe ich niemanden, nichts, null, nada an Personal, das irgendetwas anderes machen wollte als mehr vom Selben (das ja jetzt schon nicht mehr funktioniert). Und der deutsche Wähler will es so. Es wird nicht gut gehen.

Moses
4 Jahre her
Antworten an  Marcel Seiler

Es ist noch schlimmer. Ich sehe niemanden, der mindestens verstanden hätte, dass er Vieles anderes machen sollte.

Gerro Medicus
4 Jahre her
Antworten an  Moses

Das politische Mantra der EU-Hörigen

Alles ist prima so, wie es ist
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Wir brauchen nur noch mehr von demselben