Politpegel: Grüne 26, Union 24

Wenn diese Prognosen Wirklichkeit werden ist es endgültig sinnlos, von einem bürgerlichen Lager hier und einem linken Lager dort im deutschen Parteiengefüge zu sprechen.

© David Gannon/AFP/Getty Images

Werfen Sie bitte einen Blick auf die Ergebnisse der berühmten Sonntagsfrage zur Bundestagswahl nach einer aktuellen Umfrage von INSA für BILD:

Im Vergleich zur Bundestagswahl minus 9 Prozentpunkte Union, minus 7,5 SPD, also minus 16,5 für Schwarzrot. FDP und Die Linke je minus 1,7. Grüne plus 17,6. AfD plus 0,9.

Da ist es endgültig sinnlos, von einem bürgerlichen Lager hier und einem linken Lager dort im deutschen Parteiengefüge zu sprechen. Und ja, was sich da bewegt, ist eine Lawine. Aber ihr Auslöser sind nicht die Grünen, wie es die üblichen Medien gern hinstellen und nur zu viele ihrer Jouralisten selbst gern glauben.

Auslöser ist die katastrophal falsche Politik von Union und SPD, falsch, gemessen an den Wünschen der Masse ihrer Wähler noch bis in die jüngste Vergangenheit. Doch falsch in der aberwitzigen Taktik von Merkel und Nahles samt Nachfolgern ist erst recht, der modischen Flucht ihrer Wähler zu den Grünen dadurch begegnen zu wollen, indem sie sich von ihren alten Wählern noch weiter entfernen, wenn sie den Klimahype der Grünen noch mehr übernehmen. Sie alle kennen den Spruch, dann bevorzugen die Leute doch gleich das Original statt der Kopie. Das ist auch der Grund, warum die FDP davon nicht profitieren kann – jetzt rächt sich die Profillosigkeit. Auch die AfD stagniert, obwohl sie ohne Zweifel die Lawine losgetreten hat – die jetzt in ein anderes Wahllokal rollt. Für die neuen Wähler der Grünen sind die Vertreter der AfD einfach nicht modisch genug. Jedenfalls im Westen. Im Osten sieht es anders aus. Dazu später mehr.

Doch die Lawine der Fluchtwähler von den ganz alten Parteien, deren Gros auf die Grünen als weniger alte Partei zurollt, kann diese auch schnell unter sich begraben. Zögen die Grünen tatsächlich in dieser Größenordnung in den Bundestag ein, vielleicht auch noch bei vorgezogenen Wahlen, also noch in diesem Jahr, hätten sie nicht einmal im Ansatz die Personen, die das managen können. Die Grünen selbst wüssten nicht, welche Konstellation von Leuten da für sie in den Bundestag einzöge. Bis die Grünen sich selbst sortiert hätten, würde nicht nur viel Zeit brauchen, sondern auch nicht ohne innere Konflikte vor sich gehen können. Und auf das Land käme eine weitere Steigerungsstufe der jetzt bereits gefährlichen Eskalation des ohnehin schon zügellosen Kampfes um die Deutungshoheit zu. Denn der Absolutheitsanspruch der sogenannten Klimapolitik duldet keine noch so geringe Differenzierung – gleichzeitig sind die Versprechungen nicht erfüllbar.

Nun sind bekanntlich Umfragen Momentaufnahmen und keine Progognosen. Doch dass sich an dem sichtbaren Trend noch etwas anderes ändert, als dass er sich verstärkt, halte ich bei den Umständen, die ihn hervorgebracht haben und sich ebenfalls verstärken, für unwahrscheinlich. Die nächsten Wahlen werden es zeigen und die Umfragen werden ja eher noch häufiger als seltener werden. Das deutsche Parteiensystem befindet sich im Umbruch, der Parteienstaat zeigt Risse.

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