Politologe Weidenfeld: Die politische Mitte ist hohl und inhaltsleer geworden

Die Traditionsparteien behaupten, ihr eigentliches Feld der Bewährung sei die politische Mitte. Allerdings fehlt ihnen die konzeptionelle Kraft für eine überzeugende Definition, was die Mitte denn ausmacht. Die Sehnsucht der Bürger nach strategischen Perspektiven bleibt unbeantwortet.

imago images / photothek

Der Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld sieht den Parteienstaat in Deutschland aus den Fugen. Die politische Mitte sei inhaltsleer und diene nur noch der politischen Ausgrenzung. Die Wahlerfolge der AfD in Ostdeutschland seien ein Einschnitt. „Dieser Parteienstaat weist nun eine andere machtpolitische Komposition auf als alle Vorgängerepochen. Die Republik wird nicht nur deutlich bunter, sie bebt geradezu“, schreibt Weidenfeld in einem Gastbeitrag für das Monatsmagazin Tichys Einblick. Und Weidenfeld glaubt auch nicht, dass die AfD bald wieder verschwindet wie etwa die Republikaner. „Das ist nicht mehr ein Phänomen, das man früher unter „kleine Protestpartei“ einordnete, die dann an ihren eigenen internen Konflikten scheitern würde. Das sind nun Stimmenanteile von einer Größenordnung, die früher in die Rubrik „Volkspartei“ gerückt wurden.“

Den bisherigen Volksparteien macht Weidenfels den Vorwurf, sich nicht mehr um die großen Linien zu kümmern. „Das Bild von der Zukunftsgesellschaft, die Konzeption des künftigen Zusammenlebens, die Beschaffung von Legitimation, die Regelung der neuen weltpolitischen Risikostrukturen – alle diese Megathemen bleiben ohne präzise Behandlung.“ Stattdessen kümmere sich die Politik um Details und betreibe situatives Krisenmanagement. Den großen Herausforderungen begegne sie mit Ratlosigkeit. „Sprachlosigkeit ist ebenso wie Ratlosigkeit festzustellen, wenn die Frage aufgeworfen wird, was denn diese Gesellschaft überhaupt noch zusammenhält. Mit politischen Details wie Mindestlohn, CO2-Werten, Grundrente, Plastiktütenverbot, Mütterrente, Europäischer Einlagensicherung, Bienenschutz oder Gemeindeverkehrsfinanzierung ist eine in sich stimmige, kompakte Grundorientierung für die Zukunftsgesellschaft nicht zu liefern.“

Statt Inhalten werde nun die politische Mitte beschworen, um auszugrenzen. „Die Traditionsparteien behaupten, ihr eigentliches Feld der Bewährung sei die politische Mitte. Diese Kategorie ist zur Definitionshilfe der Abgrenzung und Ausgrenzung politischer Gegner geworden. Was aber die Mitte, die bürgerliche Mitte, definitorisch ausmacht, da fehlt den Parteien die konzeptionelle Kraft zur überzeugenden Auskunft“, stellt Weidenfeld fest. Die Mitte bleibe ohne Inhalt. „Die Mitte selbst ist gesellschaftlich erodiert; sie ist hohl geworden. Sie wird nicht mehr gefunden.“


Der ganze Beitrag in Ausgabe 01-2019 von Tichys Einblick >>>

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Kommentare ( 70 )

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walter werner
4 Jahre her

Deutschland braucht ebenhalt in jedem neuen Jahrhundert seinen finalen
Niedergang ! Erst dann, werden die Deutschen wieder wachgerüttelt und
kehren zur Vernunft zurück !

LadyGrilka55
4 Jahre her

Die Mitte? Was für eine Mitte? Die Mitte stand einmal für eine gewisse Ferne von den extremen politischen Rändern, sowohl rechts als auch links. Diese Mitte ist abhanden gekommen, da sich die Altparteien allesamt für einen extremen Linksruck entschieden hat, wodurch sie nun weit links von der ehemaligen Mittel einzuordnen sind. Ein Beweis dafür ist die erschreckende Akzeptanz des Linksextremismus, seiner antidemokratischen Bestreben und seiner Straftaten durch die Altparteien. In ihrem hysterischen „Kampf gegen Rechts“ haben die Vertreter dieser Parteien den Blick dafür verloren, wodurch unser demokratischer Rechtsstaat tatsächlich gefährdet ist, nämlich durch ihr eigenes Handeln und Dulden zum Schaden… Mehr

Abendroete
4 Jahre her

Alles Kasperle-Theater…ob grün, rot oder schwarz. Deutschland ist bald am Ende und die ganze Welt lacht über uns. Wer ganz Kalkutta einlädt, wird zum Schluss selbst Kalkutta. Die Einladung gilt seit 2015 bis heute und die Handys der Migranten werden in jedem Lager geladen, auf dass noch weitere Wirtschaftsflüchtlinge den Vorauseilenden folgen. Die Sozialhängematte wird nicht ewig halten, aber die Deutschen schlafen weiter. Und werden weiter zur Kasse gebeten für diesen Irrsinn. Dieses Problem ist von oberster Priorität und wird nur von einer Partei in Angriff genommen; und deshalb von den Restlichen ignoriert. Wer aber die oberste Priorität nicht einhalten… Mehr

HPM
4 Jahre her

Wenn man ingesamt gut versorgt ist und sicher in Frieden lebt, suchen die Menschen zwangsläufig nach Problemen, die noch zu lösen sind. Unsere biologische Existenz braucht neben Liebe, Glück und Zufriedenheit als notwendige Antipoden auch Angst, Streit und Trauer. Offene Fragen wie Klima und CO2 werden in einem „gesättigten Setting“ dann z.B. zu hochakuten, existentiellen Fragen stilisiert – auch wenn man persönlich nur marginal betroffen ist. In einer solchen Situation scheint die Parteiendiversifizierung, mit einer Stärkung auch der Ränder, interessanterweise zuzunehmen. Ein Phänomen, das sich derzeit in ganz Europa findet. Dadurch ist die „Mitte“ natürlich viel schwieriger zu definieren Durch… Mehr

StefanB
4 Jahre her

„Den bisherigen Volksparteien macht Weidenfels den Vorwurf, sich nicht mehr um die großen Linien zu kümmern.“

Genauer: Um die großen Linien zu kümmern und zwar im Interesse ihrer Wähler.

SuGie
4 Jahre her

Da ja bereits die Mitte der Gesellschaft durch diverse Studien als „rechts bis rechtsradikal“ identifiziert wurde, kann der politisch Inhalt der einstigen Volksparteien nur links bis linksextrem, also hohl sein. Also denunziert, drangsaliert, deformiert und bedroht mit Repressalien die verhasste „Mittel der Gesellschaft“auf Teufel komm raus in der Hoffnung, dass diese sich immer weiter einschüchtern läßt.
Ob man da nicht die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat? Denn vorwiegend die Mitte finanziert diese kranke Agenda. Irgendwann wird es das berühmte Quäntchen zu viel werden…

Gerro Medicus
4 Jahre her

Korrektur: Der „K(r)ampf gegen rechts“ ist nichts anderes als ein umdefinierter Kampf gegen die berechtigte Kritik an der bürgerfeindlichen Politik der Regierung, maßgeblich an- und durchgeführt von der SPD und den Grünen!

Denn deren Vertreter haben mangels Ausbildung und Beruf die größte Abhängigkeit von der Droge.

Gerro Medicus
4 Jahre her

Zur aktuellen Situation der Politklasse in Deutschland (aber auch in der EU) kann folgendes festgestellt werden: – der Begriff „politische Mitte“ ist ein moving target (ein sich bewegendes Ziel), das nach Belieben und Opportunität (sprich vermutete Wählerschaft) mal hier und mal da angesiedelt wird, nur nicht da, wo die eigentliche Mitte mit bürgerlichem gesunden Menschenverstand und Anstand sich befindet. – die sogenannte „politische Elite“ ist in Wirklichkeit mit Drogensüchtigen vergleichbar. Ihre Droge heißt allerdings Macht und anstrengungslose Pfründe, für deren Erhalt sie alles tun, inklusive Beschaffungskriminalität, wie die kontinuierlichen Rechtsbrüche und die bürgerschädlichen Gesetze zugunsten der Altparteien beweisen. Der „K(r)ampf… Mehr

Nibelung
4 Jahre her

Ja und wo bleibt denn die Bundeskanzlerin, wenn die Roten auf ihrem Parteitag gerade dabei sind die Schwarzen aufzumischen? Hat es ihr die Sprache verschlagen bei soviel Kriegsgeschrei oder ist sie nur noch für die Außenpolitik zuständig, oder, oder oder? Das nimmt ja immer groteskere Züge an und da spielt es doch keine Rolle mehr, ob es noch eine Mitte gibt oder nicht, die wird ehedem schon seit Jahrzehnten ausgesaugt und das will man sogar jetzt noch fortsetzen und derweil überläßt die Kanzlerin diese Schicksalsfrage ihrer Parteivorsitzenden, oder sieht sie es gar ähnlich und schweigt deshalb, weil sie ja anschließend… Mehr

Epouvantail du Neckar
4 Jahre her

„….hohl und inhaltsleer“ ist wirklich euphemistisch. Ich würde sagen, die politischen Kräfte, welche die Mitte angeblich darzustellen vorgeben, sind eher staatszersetzend.